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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921219015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892121901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892121901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-12
- Tag1892-12-19
- Monat1892-12
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Es besieht der Verdacht, daß die Mutter des Kindes eine am 16. November Nachmittags in Begleitung eines Mannes aus dem Bahnhose Corbelha beobachtete Frauensperson ist. Dieselbe ist etwa 25 Jahre alt, hatte ein krankhaftes Aussehen und machte den Eindruck einer Kellnerin oder eines Schiebbudcnmüdchcns. Der Mann hat ein etwa 1 Fuß langes und '/, Fuß breites, in gclbcS Papier gehülltes Packet bei sich gehabt. Die gedachten Perlonen sind vermuthlich mir dem Zug um 1 Udr 40 Min. Nachmittags mit dem Leipziger Zuge nach Eorbetha gekommen und um 4'/, Uhr Nachmittags wieder in dieser Richtung abgereist. Alle Diejenigen, die über die Persönlichkeit der beiden Reisenden Auskunft zu geben in der Lage sind, werden ersucht, zu den Acten 3. 2853/92 Mittheilung zu machen. Raumburg a/S., den 9. December 1892. Ter Königliche Erste Staatsanwalt. Lanz. Politische Tagesschall. * Leipzig, 18. December. Am 15. December bat im Reichstagswahlkreise Stuhm-Marienwerder die Stichwahl zwischen Herrn von Donimirski (Pole) und dem freiconservativen Herrn Wessel stattgesnnden. Das Ergebnis ist, daß Herr von Donimirski, wie schon gestern telegraphisch mitgetheilt wurde, mit 8423 Stimmen über Herrn Wessel, der 7330 Stimmen erhielt, gesiegt hat. Die Mehrheit sür den polnischen Can- didaten beträgt also 1093 Stimiiecn. Bei der Hauptwahl am 28. November waren 69l4 polnische,4079 sreiconservative, 1558 konservative, 745 freisinnige, 523 socialdemokratische »nd einige zersplitterte Stimmen abgegeben worden. Mil Ausnahme des constitnircnden norddeutschen Reichstags, im Jahre 1867, war der Wahlkreis ununterbrochen in deutschen, frei conservativen und nationalliberalen, Händen gewesen. Die Bevölkerung ist fast zu gleichen Tbeilen evangelisch und katholisch; da aber dem letzteren Bckenntniß auch eine ansehnliche Zahl Deutscher anäehört, ist das deutsche Volks- lkum dem polnischen an Zahl überlegen. Wenn nun ein solcher Wahlkreis zum ersten Mal an die Polen fällt, so müssen wir dies zu den traurigsten und beschämendsten Ereignissen der an solchen nicht arme» jüngsten Vergangenheit rechnen. Die Zwietracht und der Parteihaß nehmen eben bei uns in einer Weise überhand, daß nicht einmal mehr in einer Stichwahl der nationale Gesichtspunct die deutschen Wähler zusammenzuhalten ver mag. Die Aufstellung eines hochconservativen Candidaten in einem Wahlkreise, der naturgemäß nur einem Vertreter ans den Mittelparteien zufallen kann, war der erste verbängnißvolle Fehler; sie hatte unver meidlich die Ausstellung eines freisinnigen Candidaten zur Folge. Und wie eS dann bei den Stichwahlen gehl, nachdem sich die Parteien wochenlang im Wahlkampf herum gezerrt, das weiß man. Wer bat je gehört, daß die Polen, zumal in unsichern Bezirken, nicht cinmüthig sür einen ein zigen Candidaten ausgetreten wären! Von den deutschen Ullramontanen wollen wir gar nicht erst reden; daß diese Hauptstützen der Reichspolitik von vornherein einem Polen vor einem Deutschen den Vorzug geben, ist man leider bereits gewöbnt. Ebenso wenig wird man sich noch wundern, daß die Socialdemokraten in solchen Fällen die Gegner ihren Kampf zum mindesten allein ausfechten lassen Wenn aber selbst die Conservativen theils durch Stimmenthaltung, theils durch Stimmabgabe für Herrn v. DonimirSki einem Polen das Mandat zuwenden, nur weil der deutsche Candidal ein Gegner des Volksschulgesetzes war, so ist das um so schärfer zu verurtheilen, je mehr gerade sie als die berufenen Vorkämpfer des „DeutschthumS" sich gcbcrden. Ueberraschcn konnte diese Haltung der Con- servaliven freilich nicht. Gab doch die ,^brcuzztg." vor einiger Aeil einem Eingesandt aus dem Marlenwerder Wahlkreise Raum, daö folgendermaßen schließt: „Wie die Stichwahl ausfallc» wird, darüber läßt sich schwer vorher «in Urthcil aussprechen. Sollte aber, was wahrschein, tich, Herr v. Donimirski aus der Wahlurne als Sieger hervor- geben, so trifft die Schuld hierfür einzig und allein die Führer derjenigen Partei, die, ohne die berechtigten G^engründe auch nur anzuhüren oder zu erwägen, in hochmuthiger Weise bet der miß liebigen Landidatur Wessel beharrie." Mit andern Worten: wenn die Mittelparteien den Candidaten der hochconservativen Minderheit nickt acceptiren, bat letztere daS Recht, den nationalen Gesichtspunkt hinter das Parteiinteresse zurücktreten zu lassen. Die „Kreuzztg." ist mit dieser Ausfassung anscheinend vollkommen einver standen. Denn in der kurzen Bemerkung, welche sie zn dem Eingesandt macht, sagt sie nur, daß ibr „der Tcn und die Schärfe, mit der die Gesetzgebung der letzten Jahre und die Regierung angegriffen wird, nicht überall begründet er scheint". — In der That, mit der Stichwahl in Stuhm- Marienwerder ist die neue Aera des ConservatismuS würdig eingeleitet I Die weitere Entwickelung des Panamaskandals, wie sie durch die Verhaftung der hervorragendsten Beamten der Panamagcsellschaft gekennzeichnet wird, ^eigt ein stark sensationelles Gepräge: Der Vergleich mit einem „Tbeater- couv", dessen sick oppositionelle Preßorgane bei Besprechung dieser neuesten Maßregel deS JustiriiiiiiislerS Bourgeois be dienen, ist in der That ein naheliegender, wenn man im Auge behält, daß an der Enthüllung der uicriminirten Tbat- sachen in ihrer ganzen brutalen Nacktbeit Niemand von denen, die jetzt das Heft in Händen Hallen, ein Interesse besitzt. Ob das Gericht oder die parlamentarische Unter- suchungscommission die Sache verfolgt — in jedem Falle wird daS Verfahren endlich an einem tobten Puncte an- lanaen, wo der Faden sich zn einen, unentwirrbaren Knäuel zusammenballt, oder, waS noch bequemer wäre, den ihn haltenden Fingern entschlüpft. Wie sollte eS auch anders sein! An der Corruption, von welcher der Pananiaschwindcl nur ein Symptom, wenn auck eins von der denkbar schlimnisten Sorte, ist, tragen nicht einzelne Persönlichkeiten, sondern daS ganze System Schuld, das unter den Anspielen der auf Abwege gerathenen dritten Republik in Frankreich zur Herrschaft gelangt ist. Selbst wenn man dem Rattenkönig des PanamaschwindelS bis in seine verborgensten Schlupfwinkel nachspürte und alles, was damit in Zusammenhang steht, an das Helle Tages licht zöge, würde die Unzufriedenheit, das Mißtrauen der öffentlichen Meinung ungeschmälert fortbcstchen, so lange ihr nicht die Ueberzeugung zu Theil wird, daß einer Erneuerung solcher Skandalgeschichten Thür und Thor verschlossen sind. Es mühte also Las System selber fallen, und mit ihm alle die, welche es heutzutage stützen und dafür wieder von ihm gestützt Werve». Kann nun irgend jemand im Ernste den Nutznießer» des gegenwärtig in Frankreich herrschenden Systems eine Selbstverleugnung rumuthen, die hart an moralischen Selbstmord streift? Das Höchste, WaS allenfalls in Aussicht stände, wäre die Opferung einiger besonders schwer belasteten Personen, und auch dies nur in dem Falle, daß letzteren keine Waffen zu Gebote stehen, die sie gegebenen Falls wider ihre gouverne- mentalen oder parlamentarische» Bedränger kehren könnten. Uebrizens sind die Grundlagen des politischen statu« «juo in Frankreich dermaßen unlcrhöhlt und morsch, daß die geringste, auch unbeabsichtigte, Erschütterung mit den verhängmßvollsten Wirkungen droht. Alsdann dürfte der Panamaskandal, statt eines Nagels zum Sarge der dritten Republik, gleich der Sarg selber werden. — Vor der Hand glauben allerdings die Parteigänger der Regierung, d,e Republikaner, daß durch das energische Vorgehen von Nibot und Bourgeois die Gegner der Republik ihr Spiel verloren haben, und eS scheint in der That so, als ob daS Cabinet Nibot über den kritischsten Punct hinweg gelangt ist und seine Macht zunächst gerettet hat. Man betont, in Frankreich sei es immer so gewesen, daß entscheidende Beschlüße in manchen Fällen mit außerordentlich knappen Mehrheiten gefaßt und dock behauptet worden seien. Wenn sich dann die Gemuther einigermaßen beruhigt batten, so war eS möglich, die Gefahr abzulenken. Augenblicklich hat das Cabinct auch dieses Mat dieses Ziel im Auge und darum die plötzliche, ganz unge wöhnliche Energie, mit der man Eindruck auf die Menge zu machen gedenkt. In Folge dieser Energie ist denn auch die parlamentarische Opposition sür den Augenblick verschwunden. Der Abgeordnete Möge zog seine Interpellation wegen der Decoralion von Cornelius Herz zurück und dankte unter allgemeinem Beifall dem Ministerium, welches die Unter suchung über den Fall Herz eingeleitet habe. Bis zum Schluß der gestrigen Sitzung war die Deputirtcnkaminer stark besetzt in Erwartung eines Antrages, der die Erlaubniß ur Verfolgung einiger Deputaten urtheilen sollte. Die ensationcllften Gerüchte schwirrten in den Kreisen der Ab geordneten durch einander. Tie „Cocarde" behauptet, Bourgeois bereite ein Hochgericht gegen Deputirte uud Senatoren vor wegen eines Complots gegen die Staats sicherheit. Die politischen Ausbeuter des Panamaskandais sollen verhaftet werben, besonders Consta ns. (!!) Ter „Jour" erfährt, cs sei im Gefängniß MazaS ein Dutzend Zellen eingerichtet sür Mitglieder des Parlaments. Unzweifel haft ist an diesen Gerüchten viel Unwahres, aber für den Stand der Dinge bezeichnend ist cs, daß sie überhaupt ent stehen können. Papst Leo XIII. hat sich, wie gemeldet, an jener En- cyklika „llumauum 8<mus^ gegen die Freimaurer, die er am 20. April 1884 an alle Patriarchen, Primaten, Erz bischöfe und Bischöfe des katholischen Erdkreises erlassen, nicht genügen lasse». Dem heiligen Stuhl war von jeher das ,Freimaurerthum ein Gegenstand sehr übertriebener Besorgniß. In unserem Jahrhundert hat cö keinen einzigen Papst ge geben, der nicht die Mauerei verflucht hätte. Pius IX. hat gar in zwei pontificalc» Kundgebungen den internationalen Bund geächtet, dem schwerlich die kirchenscindliche Bedeutung zukommt, welche die Kurie ihm beilegt. Eifrig wie Pius IX. zeigt sich nun auck dessen Nachfolger, dem doch der Vorgänger durchaus nicht als Politiker und Diplomat vorbildlich ge wesen. Die erste an die ganze Well geeichte Encyklika er gänzt Leo Xlll. durch eine nur an die Adresse Italiens gerichtete Warnung. Wenn der Papst nur gegen die Freimaurerei loszöge, insofern sie etwas Scctenhastcs hat. Der Papst steht ja nicht allein in Italien da in seinem Kampfe gegen das Scctenwesen, das au« der Zeit, in welcher Nacht über Italien lag, noch in unsere Zeit hereindämmert, in welcher die Bürger Italiens eine Freiheit genießen, dir der Freiheit eines republikanischen StaatSwcscns gleickkommt. Aber warum vergißt Leo XIII., daß, wenn die Seclircrei in Italien noch nickt ausgebört hat, auck die Kirche Schuld daran trage, welche sich jenseits der Alpen wie eine Secte geberdet »nd nicht nur die moralischen, sondern auch die materiellen Grundlagen des modernen italienischen Staates zu untergraben sucht? Gewiß werden Viele in Italien, und Allen voran jener Ruggero Bonghi, der jüngst in einem offenen Schreibe» an den Papst diciem vorgeschlagen bat. er möchte doch eine andere Politik Italien gegenüber einschlagen, mit Leo XIU. darin übereinstimmcn, daß die Geheimnißthuerei ein unseres offenen und großen ZeitallerS wenig würdige« Element der öffentlichen Ordnung sei. Aber wer tb»t geheimnißvoller als die Kurie, und wo thut sie geheimnißvoller als in Italien? Wir denken dabei nicht an jene unnahbaren heiligen Geheimnisse, ohne die eine Religion aushörcn würde, Religion zu sein und di« auch in dem Wesen der Kirche begründet sind. Aber bat die Kurie, Mesche gegen die Einheit Italiens conspirirt, ein Recht, über die angebliche Bersckwörerrolle der Frei maurer zu klagen? Man sagt, daß in dem neuesten Send schreiben de« Papste« nickt nur der Geist, sondern sogar die Feder eines Jesuiten walte. Dieser Sobn Loyola's zieht nun loS gegen die Kelle der Maurer. Da darf man doch an ein Wort erinnern, das sich in einer jüngst erschienenen, „b'rutti äi Oonorcck betitelten Sammlung von "Aphorismen de« vene- tianischen Schriftstellers C- A. Levi findet. Da beißt^cS: „Der Jesuit ist der Freimaurer der Tyrannis, der Frei maurer ist der Jesuit der Freiheit." Auch Bonghi klagt über das Sectenwescn. „Wenn ich," ruft er auö, „sagen sollte, was die Hauptschwäche der Italiener sei, so würde ich sagen: Die geringe GcisteSfreiheit, welche die Seelen uns lassen. Die Secte ist noch immcr mächtig in Italien, vielleicht mächtiger als je. Auch der Katholicismus arbeitet nach Art der Secte." Nun soll die Freimaurerei von dem Jesuilisn»is zu Boden geschlagen werden. Die Italiener kenne» die Bibel gut genug, um angesichts der Thatsache, daß sich der Papst diesmal einen Jesuiten zum Interpreten seiner gegen die Freimaurer gerichteten Ucberzeugungen auserkoren, zu sage», daß sie sich nicht den Teufel durch Beelzebub wollen auS- treibc» lassen. Wir haben schon in der letzten Nummer gemeldet, daß die „Daily News", das Hauptorgan der englischen Libe rale», einige Andeutungen über den Inhalt der neuen Homcrule-Vortage gebe. Heute berichtet der Telegraph darüber, die Vorlage werde sich von derjenigen des Jahres 1886 in Cinzelbestiinmuugen und sogar in den Grundsätzen wesentlich unterscheiden. Irland werbe in Westminfter ver treten bleiben, aber die Zahl der irischen Abgeord neten werde beträchtlich vermindert werden. Die Vorlage werde die Bestimmung enthalten, daß, falls das Reichsparlamcnt die irische Bodenfrage nickt binnen einer bestimmten Frist löse, deren Lösung dem irischen Soudcr- parlainent mit den entsprechenden Bürgschaften gegen un billige confiscatorische Gesetzgebung Überlassen werden soll. Gleich nach der ersten Lesung der Homerule- Vorlage werde eine große englische Resormbill im Unterhause eingebracht werden. Zwischen der ersten und zweiten Lesung der irischen Vorlage werde noth- gedrungen ein längerer Zeitraum liegen müssen; die Tagung werde jedoch nickt eher endigen, als bis gewisse Puncte des gesetzgeberischen Programms der Regierung erledigt sein werde». Diese Miltbcitungen der „Daily News" verdienen bei der Stellung dieses Blattes zum Gladstone'schen Cabinet Beachtung. Die Freund: HomeruleS in England betrachten eS als ein Gebot ausgleickender Gerechtigkeit, daß der Schmälerung deS Einflusses des englischen Parlaments aus die iriscke Gesetzgebung eine Schwächung der Stimmcnzahl der irischen Vertreter entspreche. Die Ausstellung einer be stimmte» Frist zur Erledigung der irischen Bodensragc ist wohl als die Erfüllung eines Wunsches Morley S zu betrachten. Unter der großen englischen Resormbill, die der irischen Homcrule-Vorlage auf dem Fuße folgen soll, ist allem Anscheine nach die Wahlreform zu verstehen. Berichte aus Petersburg lassen durchblicken, daß die Vorgänge in Frankreick die russischen Kreise etwas verstimmt baden und voranSsickllich auch auf die Schwärmerei sür die russisch-französische Allianz einigermaßen von ernüch- ternLcni Einflüsse sein werden. Dies geht schon aus dem Mißmuth hervor, den die Verdächtigung, daß die „Moskauer Wjebomvsti" mit französischem Gcldc bestochen worbe» sei, hervorgerufen bat und der durch die Vertheidigung seitens des berüchtigten Publicisten Cyon und durch dessen Anspielungen auf den „Grashdanin" womöglich noch gesteigert worden ist. Auch der „Pot. Corr." wird von „besonderer" Seite aus Peters burg berichtet, es verlaute in diplomatischen Kreisen, daß derZar von den sich inParis abspielcndenVorgängen unvcrkennbareinen überaus ungünstigen Eindruck empfangen habe. In jenen Kreise», schreibt dieser Correspondenl, die immcr die wärmsten Befürworter eine« engen Anschlusses zwischen Rußland itnd Franl- reick waren, hege man die Besorgniß, daß dieser Eindruck möglicherweise nicht blos ein vorübergehender sein, sondern auf die fernere Gestaltung der Beziehungen zwischen Rußland und Frankreich und speciell auf die Stellung des russischen Hofes zur Republik eine nachhaltige Rückwirkung ausübcn werde. Von dieser Annahme oder Wahrnehmung bis zu der in manchen Blättern ausgesprochenen Vermuthung einer Wendung Rußlands zum Dreibünde ist allerdings noch ein weiter Weg. Wir möchten es daher als gewiß nur ans müßigen Vermnlliungen beruhend bezeichne», wenn der Mai länder in französischem Dienste stehende „Secolo" in Form einer Mitthcilung aus Wien, die wahrscheinlich eine be stimmte Tendenz verfolgende Ausstreuung bringt, daß einem bei dem Botschafter Fürsten Lobanow staltgebablcn Diner, dem Hobe österreichisch-ungarische Staatsmänner, sowie Graf Nigra beiwohnten, eine besondere Bedeutung mit Rücksickt aus eine eventuelle Schwenkung Rußlands zum Dreibunde beigemessen werde. Deutsches Reich. O. II. verltn, 18. December. Die Socialdemokratie aaitirt augenblicklich mit NothstandSinterpellationen. Nach dem die socialdemokratische Fraction im Reichstag sich ent schlossen bat, eine solche einzubringen, baden auch die social- demokratiscken Stadtverordneten in Berlin geglaubt, nicht Zurückbleiben zu dürfen. Wir haben bekanntlich erst vor Kurzem eine NotbstandSdebatte in der Stadtverordneten- Versammlung gehabt. Damals erklärte der Magistrat, daß keine Veranlassung vorliege, außergewöhnliche Maßregeln zu ergreifen; durch sogenannte NvthstandSarbeiten würden nur zahlreiche Arbeiter von auswärts nach Berlin gelockt. Wesentlich Kal sich der Standpunct des Magistrats nicht verändert. Die socialdemokratischen Versuche, eine Enquete über die Arbeitslosen zu veranstalten, sind bald ausgestellt worden, und ein genaues Bild über die Arbeitslosigkeit läßt sich nicht gewinnen. Die Sociatdeniokraten werfen in ihren Versammlungen mit Zahlen um sich und lassen bald 80 000, bald >00 000 ausmarschiren. Die Zahlen sind selbstverständlick falsch. Außer den Bauband werkern, die immer um diese Zeit arbeitslos sind, dürften nur die Kailsteure die Zahl der Arbeitslosen stärker, als e- sonst im Winter der Fall ist, vermelire». Bei den Kausleuten ist die Nolhlage freilich ganz besonder- groß und die Meldung, daß 15 000 junge Kaufleute ohne Stellung sind, dürfte kaum stark übertrieben sein. — Der socialdemokratische Antrag will die Arbeitszeit der in den staatlichen Betrieben beschäf tigten Arbeiter auf acht Stunden täglich sestsetzen, um die hierdurch ermöglichte Anstellung einer größeren Zahl von Arbeitern zu bewirken. Der Antrag bürste abgelehnt werden; es erscheint kaum möglich, daß die Stadt ihre Arbeiter nur 8 Stunden beschäftigen soll, während man in den übrigen Betrieben die zebnstündige Arbeitszeit behält. Der Magistrat wird sicherlich Alles thnn, um Arbeitsgelegenheit nach Mög lichkeit zu gewähren, Arbeiten aber aussühren zu lassen, bloß damit gearbeitet wird, dazu dürste um so weniger Ver anlassung vorliegen, als, wie die letzten Einnahme» für die verschiedenen socialvemokratischen Fonds zeigen, hierfür von Berliner Arbeitern geradezu außerordentlich hohe Summen gekommen sind. (H Berlin, l7. Deccinber. Der Führer der Unabhängigen, Verleger und Drucker des „Socialist", Wilhelm Werner, hat eine Anklage auf Grund des PreßgesetzeS erhalten, weil er bei dem Abdrucke eines Artikels Uber die Meineidsfrage eine Fahrlässigkeit begangen. — Der Vorsitzende de- Textil- arbeiter-VerbandcS, PetcrSdorf, befindet sich wegen Auf forderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze (durch eine Rede über de» Eid) i» Untersuchungshaft. Außerdem ist Petcrsdorf, der ebenfalls den Unabhängigen angehört, jetzt wegen Aufreizung zum Classenbaß angeklagt worden. — Eine zweite socialdemokratische Genossenschafts- Bäckerei ist gestern eröffnet worden. Die Gründer sind einige auS der Bäckerbewegung bekannte Agitatoren, die in der älteren Genossenschafts-Bäckerei beschäftigt gewesen, dort aber entlassen worden sind. Sie appelliren ebensall« an die „Genossen", die sie berücksichtigen sollen. — Von den größeren, dem Reichstag vorliegenden Gesetz entwürfen sind bis jetzt, außer den Steuervorlgge», diejenigen Uber das Auswanderungswesen und über den Berrath militairischer Geheimnisse, noch nicht in Angriff genommen worben. Der letzter« ist erst ganz knapp vor dem Eintritt der Ferien eingcgangen, der erstere liegt den, Reichstag schon seit dem 22. November vor. Schon die Zurückschiebung der Beralhung des Aus- wanderungSgesetzcS ist ein Anzeichen, daß dasselbe in der vorliegenden Gestalt im Reichstag aus schwere Bedenken stößt und wenig Aussichten hat, in dieser Session durchzu- dringen. In der That werden die ganzen, von der polizei lichen Erschwerung der Auswanderung handelnden Bestim mungen bei den meisten Parteien für unannehmbar gehalten. — In diplomatischen Kreisen hieß es in der letzten Woche, der fraiizösische Botschafter Herbette wolle seinen Posten aufgeben; man nannte bereits den Gesandten in München, Barröre, als seinen Nachfolger. Herr Herbette ist ein intimer Freund des Herr» von Freycinet, an dessen Bleiben im Amte er auch das seinige knüpfte. Da der letztere in das neue Ministerium hinübergenoininen wurde, ist auch von einem Scheiden des Herrn Herbclte nicht mehr die Rede. — Der neuernannte deutsch» Botschafter am russischen Hofe, General von Werder, wirb sich, wie officiös ver lautet, Anfang Januar auf seinen Posten begeben. — Ein zu Gunsten Ahlwardt's von den Steglitzer Antisemiten eingereichles Gnadengesuch ist abgelehnt worden. — Am Montag, den 19. d. M, findet im ReichSamt des Innern eine Sitzung deS NeichSbankcuratoriumS statt. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das im Reichstage von Mitgliedern aller Parteien beantragte Nothgesetz zum Kranken Versicherungsgesetz. — Die Einladungen zur Hochzeit der Prinzessin Margarethe sind an den Kronprinzen »nd die Kron prinzessin von Griechenland thatsächlich ergangen; eine Antwort ist jedoch »och nickt eingegangen. In Hof- kreisen betrachtet man, der „N. Pr. Zlg." zufolge, die Ein ladung als den ersten entgegenkommenden Schritt, um die Verstimmung, die der Ue vertritt der Kronprinzessin zur griechisch-katholischen Kirche an maßgebender Stelle hervor- gerusen, zu beseitigen. — Anläßlich des neuen Falls Löwe schreiben frei sinnige Blätter, daß die Firma Friedrich Kru^p in Esten an Frankreich Kriegsmaterial tiefere. Die „Berl. Pol. Nackr." können auf das Bestimmteste versichern, daß eS seit Jahr zehnten unwiderruflicher Grundsatz der genannten Fabrik ist, an Frankreich nichts zu liefern. — Obwohl die Ausgaben, welche die landwirth- schastlichen Berussgenossenschaf ten jährlich für die Unfallversicherung auszudringen haben, gegenüber denen der gewerblichen Genossenschaften klein zu nenne» sind, — be trugen sie doch sür das Jahr 1891 5,6 Millionen gegen 37,9 Millionen — so sind dieselben doch von Jahr zu Jahr in einer Weise gestiegen, welche deutlich zeigt, daß auck die Landwirthschaft für die Unfallversicherung im BeharrunaS- stadium beträchtliche Opfer wird bringen müssen. Im Jahre >889, dem ersten, in welchem sämmttiche landwirthschaftliche Beruf«genossenschaftcn in Thätigkeit waren, betrug die Summe ihrer Ausgaben 1,7 Millionen. Im Jahre 1890 war sie be reit« aus 3,4 Millionen, auf daS Doppelte, gestiegen »nd nun mehr hat sie von >890 aus 1891 wiederum um 2,2 Millionen zugenommen. Man ersieht auch auS diesen Zahlen, wie wichtig die staatliche Unfallversicherung für die land- und sorstwirthschaftlichen Arbeiter ist. — Der gelegentlich der Weltausstellung in Chicago beab sichtige internationale Jngenieurtag, zu welchem auch die verschiedensten deutschen technischen und industriellen Ver einigungen Vertreter entsenden werden, wird in der Woche vom 3t. Juli bis 5. August 1893 startfinden. — Der Oberbürgermeister von Berlin, Zelle, ist al» leben«, lüngliche- Mitglied in da« Herrenhaus berufen worden. — Rechtsanwalt Kirfchner in Breslau hat sich nach der „Bre-l. Zig." telegraphisch zur Annahme des ihm übertragene» Bürgermeisteramtes bereit erklärt. — Der Director de« kaiserlichen Gesundheitsämter, vr. KSHlrr, liegt, wie wir schon mitthetllcn, schwer erkrankt danieder. Sobald es die Umstände gestatte», will sich derselbe zu längerem Aufenthalt an di« Riviera begeben. (Fortsetzung in der 1. Beilage.)
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