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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188112096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18811209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18811209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-12
- Tag1881-12-09
- Monat1881-12
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1881
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. ' Nkdaction und LrprdUion JohanneSgasse 33. SprechKuii-rn drr Redattion: Vormittag» IS—12 Uhr. Nachmittags 4—6 Uhr. »Il tu Nli<r,«d» nn,ei»nd,er Mannicririe «icht stch t>r Rttacii«» ou»i vcreiudNch . - - A«««h«e der für dir nSchftfolsrnde N«»mer bestimmten Inserate an Wachentaoen dis 3 Utzr Nachmttt«,». an t»nn- und Festtage» früh bis ' ,3 Uhr. In -rn Filialen für Ins.-^nuahme: Ott« Klemm, UniverstiätSstraße 21, Laut» Lösche, Katharincnstraße 18, p. nur bi» '„8 Uhr. ttiNMr.Tageblatt Anzeiger. O Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeWftsverkehr. Auflage 17,10«. Adonnrmrntsvrris viertelj. 4'/, All.» incl. Bringerlohn S Mk., durch die Post bezogen k Mk. Jede einzelne Nummer 2S Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühre» lür Extrabeilage» «h«e PostbeiSrberuag 39 ML Mit Postbrjörderung 48 ML Inserate 6geipaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut nuferem Prel»- verzeichniß. Tabellarischer Day nach höherem Tarif. Neclamen nnter den Redattianastrich die Vvaltzeile KO Pf. Infrrate sind ster» an die l-rpebttta» za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pnwnmaerrmii» oder durch Post- Nachnahme. 343. Arettag de» 9. December 1881. Amtlicher Thetl. VekannlMlhuit-. Wegen AizSbnichS der Rinderpest in Schlesien hat die hiesige königliche KrciS-Hanptmannschasl auf Anordnung dcS königlichen MinistcriuniS de» Innern den »Abtrieb aller Wiederkäuer auS den» Pfaffendorfer Diebhofe au-er uack» de« städtische« Lchlachthause bis auf Weiteres verboten. Demgemäß dürfen von heute ab bi» aus weitere Anord nung im Pfaffendorfer Vichbofe befindliche Rinder, Kälber» Schafe und Ziegen nur dann daraus entfernt werden, wenn dieselbe« unter der von uuS angeordnetcn Controle direct nach dein städtischen Ccblackthause zum Schlachten gebracht werden, wogegen der Abtricv nach Privatschlacht häusern gänzlich untersagt ist. Zuwiderhandlungen werden nach tz 328 de» ReichSstraf- HeseyduckcS mit Gefängnis; bis zu 2 Jahren bestraft. Leipzig, am 8. December 1881. Der Rath der Ltadt Leipzig. Ist-. Tröndlin. Kretzschmer. Ptkllniltmaihimg. In Gemäßheit des tz. l der Instruction für die Aus führung von Wasserrohrlcitungen und Wasseranlagen in Privatgrundstiickcn vom 1. Juli 1880 machen wir hierdurch bekannt, daß die Firma: Friedrich L Go., Scbulslraße Nr. S hier, >ur Uebernahme solcher Arbeiten bei unS sich angemeldet und :en Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nach- gewiesen hat. Leipzig, den 5. December 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. I)r. Tröndlin. Altmann. Krwrrbrlminmcr M leipjig. Montag d. 12. d«. Nachmittag b Uhr -ffrutltche Plenarsitzung t« Ka«merl«cale. Tagesordnung: 1) Bortrag an- der Registrande; 2) Antwort de- hiesigen Stadtrath» auf die von der Kammer gestellten, die Reform de» AucllonSwcsenS bttweckcnden Anträge; S) Nachtrag zu dem Bericht über die stattgcsundene Teleglrtrn- Confercnz deutscher Gewerbekammern; <) «»-schußbericht über eine Minlsterial-Vorlage, betreffend den vom Verein deutscher Paviersabrlkanten u. Gen. erbetenen Erlaß eine- Verbote-, inländischen Fabrikaten durch Ber- Packung, Inschrift oder bergt, den Anschein au-ländischca Ursprunges zu geben. Leipzig, den 9. December 1S31. W. Höckel, Vorsitzender. Herzog, Secr. Ausnahme in progqmnaßalserta und Reatschulvorclaffc in Neudnitz skr Ostern 1882. Um benrtheilen zu können, ob für Reudnitz und die östlichen Vororte Leipzigs die Verbindung eine-ProgifmnasiumS und einer Barrlaffe mit Ser Realschule II. Ordnung ,u Reudnitz ein Bedürsniß ist, ersucht die Reallchulcommisslon die Väter derjenigen Schüler, welche zu Oster» 1882 eventuell einer derartigen Schule zugefühtt werden sollen, sich dls spätesten» den 31. December 1881 mit dem Unterzeichneten in Verbindung zu setzen. Derselbe ist gern bereit, über alle- Nähere Anskunst zu ertheilen. Ausgenommen könnten solche Schüler werden, welche die drei untersten Elasten einer guten mittleren Volksschule niil Erfolg durchgemacht haben. Reudnitz, den 8. December 1881. I. A. vr. A. Hrubnrr, Rcalschuldirector. Einladung. Zn der Grundsteinlegung für dte «ene Kirche t« Linden«« Montag den IS. December 1881 Mittag« 12 Uhr gestatten wir un», alle Gönner und Freunde hiermit ergebenst ein» zuladeu. Versammlung lm Beisaale. Der Ktrchendorftand. O. ideal. Friedrich August Schütz. Nichtamtlicher Thetl. Der Reichskanzler nnd das Centrum. Ein heftiger Angriff der „Norddeutschen Allge meinen Zeitung" gegen den CentrumSfübrer Herrn Dindtborst und wa» sich daran knüpft, bildet den Mittel punkt deö tageSpolitischen Interesses. Dem ersten polemischen Artikel ist ei» zweiter gefolgt, inoem das officiösc Blatt auS dem Pariser „TempS" Folgendes abdruckt: Jedermann muß die Rolle ausgefallen sein, welche in den De- batten de« Reichstages jene LcntrumSpartci gespielt bat, die Herrn Windthorst zum Organe gehabt hat. Wir sprachen bereit« von Elementen der Zersetzung: hier Kaden wir wievci ein solche» Element vor unS und zwar da» allcrthätiaste derselben Mag man immerhin bereit» ostmal» ein solche- Schauspiel er- ledt haben, man ist doch immer wieder durch de» Eqni - muS überrascht, mit welchem die ultramontane Partei sich znr parla mentarischen Trinkgeld.Politik bekennt. Diese Partei ist zwar durchaus nicht bar an Ansichten über Fragen von natio nalem Interesse, sie dal ihre natürlichen Tendenzen ln dieser oder jener Frage, sowie ihre Insttncte betreffend diese oder jene Maß- regel, aber vor Allen« ist sie zn Einem scst entschlossen, und zwar dazu, alle« Andere der einenFrage der geistlichen Herr» schast nnterzuordneu. Was sind tdr olle die erbärmlichen Debatten über die Finanzen de- Reiche«, die DiScnssionen über Steuern und Staatsbetrieb im Vergleich mit der einen Frage des Triumphe« derjenigen Kirche, die in ihren Versprechungen über da- gegeawärtige Leben wie auch über da« zukünftige verfügt? Roch nie ist e» mit größerer Offenheit als durch Herrn Windthonst klar »»stellt worden, daß die Politik für die ultramontane Partei Nicht» weiter ist, al« eia Markt, aus welchem sie ihre Stimmabgabe in weltlichen Angelegenheiten an den Staat gegen Loncessioaen in Sachen drr Kirche verbandelt. Sehr richtig- aber man traut seinen Augen nicht, biese- treffende Urtheil Uber das Centrum in» osficiöscu Organ de« Kanzler- zu finden, der vor einigen Tagen seinen bisherigen Gegensatz witer diese Partei nur aus die klerikalen Polöni sirungS-Bestrebungen im Osten de- preußischen Staate» zurück- sührte und die Erklärung abqab. lieber mit dem Ccntrum zu gehen, al- mit der „Fortschrittspartei", unter welcher letztere» Bezeichnung bekanntlich in der RcgierungSsprachc Liberale mit inbegriffen werden, welche nicht zur Fortschritt-patt« gehören. Diese Polemik war aber nicht ernst gemeint, e» war vielLärmer, um Nicht», denn die „Norddeutsche All gemeine Zeitung" hat den Rückzug bereits angetreten, und Herr von Windthorst kann sich ein kleines „Canossa" der RegicrungSpresie zu Gute schreiben. In der That, der Streit zwischen der „Norddeutschen" und Herrn Windthorst, zwischen Kanzler und Centrum, ist glücklich beigelegt. Der CentrumSsührer hat volle Genugtbuuna empfangen, und «r war in diesem Falle ohne Zweiset ,m Recht. Der Borwurs mangelnder nationaler und patriotischer Ge sinnung ist der schwerste, der überhaupt erhoben werden kan«, und Niemand hat bestritten» daß auS der Haltung des Herrn Windthorst in diesem Fall der betreffende Vorwurf nicht zu begründen war. Allein der UllramontaniSmuS hat e» durch eine lange Vergangenheit verdient, daß man ihm mit dem Argwohn begegnet, die national. patriotischen GcsichtSpunctc minder hoch zu schätzen al» alle anderen Parteien. Und von diesem Leumund wird er sich niemals befreien können, weit er au» einer vielhundertjährigen Geschichte Nahrung zieht. Ist es aber nicht in hohem Grad« bezeichnend für die Verschrobenheit und innere Unwahrheit unserer Verhältnisse, daß sich an der Schwelle einer neue« Aera, die den UltamonlaniSmu» zum maßgebendsten Factor der Regierungspartei machen will, eine solche Auseinander» setzung erheben konnte, daß in dem anerkannten Blatte de» Reichskanzlers der neuen Kerntruppe die fundamentalste politische Tugend in herbster Weise adgesprochen wurde? An diesem einen „Mißverständniß" wird die c o n s e r v a t i d » klerikale Verbindung nicht zu Grunde gehen. Aber für die innere Beschaffenheit dieser Allianz und für das Ver trauen, welche« man an maßgebender Stelle dem einen Factor der „Majorität" rntgegenbringt, ist der ganze Vorgang zn charakteristisch, al» daß man leicht über ihn hinweggchen könnte. Eine nationale deutsche Politik kann sich nicht aus den UllramontaniSmuS stützen- wenn erst diese heutzutage etwa» verdunkelte Thalsachc wieder allge mein zum Bewußtsein gekommen sein wird, dann wird «I auch wieder bester werden. Trotz aller Genugthuung und Versöhnung ist auf die Festigkeit und- Wahrheit derjenigei Verbindung, die heute die Sachlage beherrscht, ein sch« bezeichnende» Licht gefallen. Wir knüpfen an diese Bettachtung noch eine Correspon denz, welche »,,S au» Berlin zugeht: „Die „N. A. Z." hat sich zu einem „?ator pacoavG gegen den von ihm beleidigten Abgeordneten Windthorst verstanden, und man muß ge stehen, Laß sie für diese zarte Ausgabe eine Form gesunden hat, die zum Mindesten den Reiz der Neuheit besitzt. AuS dem ofsiciösen in da« nichtofficiöse Deutsch übersetzt, läuft der Enlschutdigung-artikel de» Regierungsblätter ungefähr aus Folgende« hinan»: „Eigentlich sind Sie, Herr Windt horst. ein Mensch, der noch viel schlimmere Dinge al» unsere Vorwürfe an den Kops geworfen erhalten sollte; weil e» aber durchaus von un» verlangt wird, so bitten wir (unter Men- talresrrvation, d. h. mit Hintergedanken) gröblichst um Ent schuldigung." DaS Ccntrum wird sich nun freilich mit der Pindter'schen Genugthuung formell befriedigt erklären müssen; der Stachel, den die Angelegenheit rurückaclasten, behält aber seine Spis ja er ist fett heute noch verschärft worden, und die Afsai die sich bei flüchtigem Hinsehen noch al« eine blo» persönliche Differenz oder gar al» ein Mißverständniß darstellte, enthüllt sich plötzlich al» eine Frage von politischer Bedeutung. E» ist ein böser Mehlthau auf die Freundschaft de« Fürsten BiSmarck mit den Ultramontanen gefallen. Die Conserva- tivcn können e» bestreiten, wie sich Za schließlich Alle» in der Well bestreiten läßt, aber einen Beweis für ihre Ab leugnung herbeizuschaffen dürfte ihnen nicht gelingen. Fürst BlSmarck hat eben wieder einmal gezeigt, daß er nicht ge sonnen ist, sich von irgend einer Pattei regieren, sich „von einer Majorität majorisiren" zu lasten. Die» Wort, da- er vor Jahren einmal den National liberalen al« Absage entgegeiischlcuderte. trifft auch jetzt den Kernpunct der Lage, und e» richtet sich nicht blo» gram daS Cenlrum. sondern nicht minder gegen diejenigen Conservativen. welche den Kanzler nur al» den willigen Vollstrecker ihre» kirchlich, poli- tisch und wirthschaftlich reacticnairrn Programme« gelten tasten wollen, und sich keinen Augenblick besinnen wurden, wiederum die Toga der mürrisch absrit»stehenden Declaranten cmzulegen, die sie vor wenig Iabren noch getragen. C» fehlt nicht an Personen, welche den jetzigen Skandal so darstcllen, al- ob ihn Fürst BiSmarck al- einen der Ziel- puncie seiner Politik von Anfang an in» Auge gefaßt und beabsichtigt hätte. Sicher ist da» eine nachträgliche Correctur der Thalsache»; vielmehr bat der Reichskanzler ohne Zweifel den ernstlichen Willen gehabt, mit dem Centrum al- der ein zigen ibm neben den Conservativen noch allenfalls zur Ver fügung stehenden Partei sich zu arrangiren, und er hätte auch den Preis zu zahlen sich entschlossen, wenn der andere Part ner im Fordern die nötbige Bescheidenheit gezeigt und die verständliche Mahnung (anläßlich der Etat»drdatt«) befolgt hätte, nicht eine „unbequeme" Partei zu werden. Daß man jetzt im Ccntrum mehr Bestürzung al» SiegeSstotz empfindet, darüber kann die trotzige Sprache der Centrum»- preste nur die Außenstehenden täuschen. Wir misten au» den HerzenSergießungeu ultramontaner Abgeordneten, daß sich in jenen Reinen eine aufrichtige Ver legenheit über die Gespanntheit der Lage kundgiebt. Wenn auch Fürst BiSmarck da» Centrum braucht, so braucht darum nicht minder da» Centrum den Fürsten Birmarck und mit einem grellen Bruch wäre Herrn Windthorst und seiner Gefolgschaft in keiner Weise gedient. Jetzt ist der Kanzler der Herr der Lage. Wellen die Ultramontancn mit ibm geben, dann müssen sie sich fortan zu ihm bemühen, statt sich wie bisber von ihm auisucben zu lasten. Schon dringt aus dem klerikalen Lager der ängstliche WarnunqSrus. die Re gierung möge doch nicht durch ibr schroffe« Gebabren „die Geschäfte der Liberalen betreiben", und wenn e» auch dein klugen Führer gelingen wird, die Lauen und Compromiß lustigen noch einmal nbthigensaUS bei der Fahne der O ppo stlion zu halten, so wird der Widerstand, den er zur Erreichung diese« Ziele» zu überwinden hat. sich dech ungleich starker als früher darstellcn. Der Erfolg aber möchte sich für eine solche CentrumSpolitil doch wohl al« ein recht problematischer *"°So'weit unser Gewährsmann. Die Lost" bemerkt noch osficivser Quelle Nipp und Nar: „Wie un« nntgetheüt wird, ist die „Differenz", welch« au» Anlaß de» Artikel» der „N. A. F." über Herrn Windthorst mct dem Centrum ent standen 'war, wieder au-geglichen. In der letzten Sitzung der Commission gab Finanzminister Bitter eine Erklärung ab. welche den Abgeordneten Windthorst völlig de- friedigte". Wie lange die neu besiegelte „Freundschaft" de» Centrum» mit der Regierung aber andaurrn wird, da» »ollen wir gelassen abwarten. Leipzig, S. December. In den letzten Tagen sind wieder Gerüchte von einer Einrichtung umgetaufen, nach welcher Fürst BiSmarck Ich aus die au«wärtige Politik zurückziehen und die nneren Angelegenheiten audcren Händen überlasten würde. Die „Krcuzzeitung" hat dieselben bereit» widerrufen; auch UN- wird heute ihre vollständige Grundlojlgkeit bestätigt. Damit soll freilich nicht gesagt sein, daß der Reichskanzler aus den Gedanken, sich durch einen Lieekanzler vertreten zu lasten, nie mehr zurückkommen werde. Aber die mit dieser Einrichtung früher gemachten Erfahrungen haben hinlänglich gezeigt, welch geringe praktische Bedeutung derselben mne- wohnt. Selbst wenn ein so energischer Mann, wie der Minister v. Puttkamer, den Bicekanzlerposten be kleidete, auch er würde, wenn die Einrichtung bliebe, wie sie zu de« Grafen Stolberg Zeiten gestaltet war. keinen irnendwie bedeutung-vollen Schritt ohne ausdrückliche Billigung de« Kanzler« thun können. An ein Weitere- aber, an eme Zurückziehung de» Fürsten BiSmarck auf sein „Alten- theil", die auSwättige Politik, von wo au« er sich dann um die inneren Dinge nicht kümmern würde, ist im Ernst gar nicht zu denken. Man begreift kaum, wie diefer Gedanke ander st» in der Form de« Wunsche», wie er m Gestalt von Ge rüchten über eine an entscheidender Stelle wirklich geplante Organisation hat in die öffentliche Betrachtung treten können. Wer BiSmarck'« Persönlichkeit auch nur oberflächlich kennt, muß überzeugt sein, daß derselbe einen so gewaltigen Anlauf, wie de» mit seiner Socialpolitik, sicherlich nicht macht, um nach den erste» Mißerfolgen di« Flmte w« Korn zu werfen. Möglich, daß die bisherigen und »eitern Mißerfolge ihn. k?r, »a^-« sein muß. mit den wirklich«« Verhältnissen so Ittstflich z« rechnen versteht, veranlaffe«. da« Programm der Eröffnung«botsch»kt wesentlich in modificiren, da» Tempo der Verwirklichung seiner Pläne erheblich zu ermäßigen, — aber auf eine Tbätigkeit in diesen Dingen ganz zu verzichten, wäre ein feinem innersten Wesen durchaus widersprechender und de-halb ganz undenkbarer Au«weg. E» ist gut, sich da» klar zu machen, damit die arge Verworrenheit unserer poli tischen Lage nicht durch grundlose Gerücht« noch ganz nuhtc» vermehrt wird. Ter erste parlamentarisch« EmpfanaSabend de» Fürsten Bismarck (am Dien»tag) war sehr zahlreich besucht; nur da» Centrum fehlte. Der Reichskanzler erschien in vollster Frische und sehr ausaeräumt, nahm erst bei Herrn v. Levetzow Platz, um al»vald an den Tisch zu Herrn v. Bennigsen sich zu beaeben. Dort verweilte der Kanzler längere Zeit in specieller Unterhaltung mit v. Bennigsen, in der Näye saßen di« Herren Divtz«. Nickett, Minister v. Bötticher :c. Die ganze zweite Hälft« de« Abend» ver weilte der Fürst im Kreise von Conservativen und Mit gliedern der Reichspartei und die Corona um den Tisch de» Kanzler« wurde immer dichter, um dessen Besprechung der verschiedenen Tage«sragen zuzuhörr«. Abwechselnd im Ge spräch mit seinen Nachbarn, den Herren Abgeordneten Hart mann, Freiherr v. Ow, v. Hammrrstein und Lohrcn, wurde in erster Linie de» abwesenden Centrum» gedacht und der Kanzler betonte wiederholt, die Herren verkennen den Ernst der Situation und leisten der Sache auf solche Weise schlechten Dienst. Auf die Bemerkung de» Freiherrn von Ow, der Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" dürfte doch nicht ganz richtig die Vorgänge in der Commission wiedcraegeven haben, bemerkte der Purst: mag sein, allein dann hatte« ja die Herren Gelegenheit, auf Grund de« Preß- gesetzt» oder durch sonstige Erklärungen die Sacbe auszuhellen, respective richtig zu stellen, oder richtig stellen zu lassen. Die Frage, ob der Reichstag bi» Weihnachten mit seinen Arbeiten zu Ende kommen würde, glaubte der Kanzler entschieden ver neinen zu müssen. Ich wünsche nur, daß die Herren ihre Ferien möglichst kurz bemessen, denn bi« zum IS. oder 16. Januar muß ich da» preußische Abgeordnetenhaus einbe rufen. Der Kanzler beklagte dann da» ablehnende Votum dcS Rcich»IagS in der DolkSwirthschastS- Frage, für da» er dir Erklärung in allen anderen al« in sächlichen Motiven zu suchen hav«. Uebergehend zu den übrigen volk-wirthfckattlichen und socialen Plänen der verbündeten Regierungen beklagte der Kanzler den Mangel an Unterstützung im Rnch-tage; eine ganz andere Auffassung über solche Fragen documrnkirte sich vei unseren Nackwarn in Frankreich. Al« Grundlage weiterer Vorlagen feien die statistischen Erhebungen unabwei«bar. in«besondere in Be ziehung ans die Bildung korporativer verbände. Statistiscbc Erhebungen würden zur Erkenntniß führen, daß da. wo große industrielle Etablissement« und auch groß« LandeS-verwaltüngen sind, theilweise schon Einrichtungen bestehen, welche die Armen- «. Budget» der Commune« wcscntlich entlasten. Auch von der Tabak«steurr war die Rede. Bezüg lich de« Tabak-monopol« sprach der Kanzler die Ueberzeugung au«, dasselbe werde, wenn er e« auch nicht mehr erlebe, über kur, oder lang doch eingcführt werden, wenn nicht von den Conservativen. so vom Fort- schritt. Man müsse daran denken, e» vorzubereiten; man könnte vielleicht einstweilen mit dnn Rohtabaksmonopol an- fangcn und allmälia die Fabriken ankausen, so käme man ohne die Schwierigkeiten der Entschädigungsfrage mit der Zeit zum vollen Monopol. Nachdem sodann die Besprechung der socialen Frage die wciteste Ausdehnung angenommen batte, war c» inzwischen Mitternacht geworden, die Verab schiedung einiger dem Hause de« Fürsten näherstehenken Herren gab da» Zeichen zum allgemeinen Aufbruch. Dem Angriffe der „Nordd. Allg Z t g." aus den Abg. Windt borst gegenüber betont die „Germania" die Roth- wcndigkril eine« „einmüthigrn Preteste«" gegen den versuch, die Centrum-sraction von ihrem Führer zu trennen. Wa« „einmütbige Protest" bedeutet, darüber hat man die 75. Jahrgang. Erklärung hinter den sractionSpolitischen Couliffcn zu suchen. In ultramontanen Kreisen spricht man nämlich ganz ernsthast von einem Plane der Regierung, sich mit dem Ccntrum au»- zusöhnen um den Preis, daß sich dasselbe der Führerschaft deS Abgeordneten für Meppen entledige! Eine ähnliche Po litik ist schon einmal der national liberalen Partei gegen über befolgt worden. Es wurde an dieselbe da« Ansinnen «stellt, in engere Beziehungen zur Regierung zu treten, aber - hE oh- olitiker" nannte, nicht die angenehmste ist, crgiebt schon ein Rückblick aus die Bergangenheit. Man erinnert sich heute lebhafter al» je, daß der Herr Reichskanzler am 30. Januar 1872 sich zuvor von dem Abg. LaSker zu befreien. Daß d Reichskanzler die Person de» Abgeordneten für Meppen, wohl er denselben kürzlich „einen scharfsinnigen Politik streitbares Mitglied sofort an die Spitze trat, ein Mitglied, welche» von Anfang an au» Gründen, die ich achte und ehre, ungern und mit Widerstreben der preußischen Gemeinschaft beigetreten ist, ein Mitglied, da» bisher niemals durch seine Haltung und durch die Färbung seiner Rede bekundet hat, daß e- diesen Widerwillen überwunden habe, ein Mitglied, von dem ich noch heute zweifelhaft bin, ob er in dieser Gestalt die deutsche Einigung annehmen will, oder ob er sie lieber gar nicht gesehen hätte, darüber bin ich noch immer im Zweifel". Noch schärfer und deutlicher drückte sich Fürst BiSmarck am 9. Februar 1872 auS. Damals sprach er von den Elementen de« Streite», mit welchen das Centrum die Herstellung de» Frieden» hindere. „DaS erste davon", so wrach dcr Herr Reichskanzler, „ist meine- Erachten» me Wabl ihre» geschästSfllhrenden Mitgliedes, welche» sich aus die Majorität der Fraktion stützt, gewöhnlich im Namen der Fraktion zu sprechen pflegt und ihr den Namen hauptsächlich gegeben hat. Der Herr Abg. I)r. Windthorst ist mir zuerst in meinem Leben bekannt geworden al- treuer Anbänger de» König» Georg V. und ich habe den Vorzug gehabt', mit ihm in dieser Eigenschaft Verhandlungen über die intimeren Angcleaenbeiten Sr. Majestät de» König« Georg zu führen. Ich habe bisher nicht wahrgenommen, daß er dieser durch seine ganze Bergangenheit begründeten An hänglichkeit an einen nicht mehr regierenden Fürsten und besten Sache schon entsagt hätte, seine politische Haltung steht an sich mit der Annahme, zu der viele geneigt sein mvchtm» daß sein Herz noch beute an jenem Monarchen hängt, nicht nothwendig im Widerspruch. Der Herr Abgeordnete betheiliat sich viel an den Debatten, aber da« Oel semer Red« ist nicht von der Ark, welche Wunden heilt, sondern von der, d« Flammen nährt, Flammen de» Zorn». Ich glaub«, mein« Herren vom Centrum, Sie werden zum Frieden mit dem Staate leichter gelangen, wenn Sie sich ber welfischen Führung entziehen." E» scheint, daß die Flammen de» Zorn» wieder einmal Heller lodern, und die Vermuthung, daß e» sich darum handle, Windthorst von seiner Fraktion zu trennen, der Begründung keineswegs ent behrt. Daß dieser Versuch gänzlich au-sichtslo» ist, bedarf kaum der Erwähnung. In einem gestern mit osficivser Dienstbeflistenheit aus führlich durch den Telegraphen verbreiteten Artikel der „Pro vinzial.Correspondenz" heißt e«: LS ist niemals die Absicht der StaatSregierung gewesen, di« Trennung von Staat und Kirche, die Trennung der Schul« voa der Kirche, welch« jene Partei erstrebt, durchzusühren; es wurde vielmehr jeder Zeit und selbst von den eifrigsten Bettreter» de» staatlichen Standpunkte« die Wahrung dcr Rechte de« Staats gegen geistliche Hebelgriffe al» drr Gegenstand de» Kampfe- und al- besten letzter Ziel ei» dauernder Friede mit der Kirche bezeichnet. Nun denn: wir stehen, so Gott will, am Beginn dieser «»sehnte» Aera de- kirchlichen Friedens, und wie es Fürst BiSmarck vorher- gcsehen, ein friedliebender Papst soll un- Helsen, die Ausgleichung herbeizuführrn. Wenn einst der Papst eine Stellung zu Preußen und »u unserm König einnahm, daß man mit Recht verwundert sein konnte, wie ernste Protestanten sich nicht mit der Regierung verletzt finden sollten, so erwartet Fürst BiSmarck jetzt, wo eine Ad- wehr nach jener Seite nicht meht in gleichem Maße erforderlich ist, daß in dem nun entbrennenden Kampfe de- Unglauben- gegen den Glauben überhaupt, gegen den evangelischen ebenso wie gegen de» katholischen, alle ernsten Thristen mit ihr zusammenstehcn. Diele Aussicht ist deutlich, wen» vielleicht auch immer noch nicht ganz genügend, um diejenige praktische Wirkung auf bestimmte Fragen zu üben, die anscheinend von diesen freigebigen Verheißungen erhofft wird. Zweifellos aber ist. daß die Politik de« deutschen Reichs tiefer und tiefer ins Zecchen de« Klerikali-muS rückt. In ultramontanen Blättern wird bereit» dazu aus« gefordert, die Vorlage wegen Erbauung eine- Rcichs- tag-gebäude» zu verwerfen. Man beruft sich darauf, die Zeiten seien zu schlecht zu „Luxusbauten" und daS gegen wärtige ReichStagSgebSudc reiche auö. Daß da» nur durch sichtige Vorwände sind, bedarf keine» Nachweise». DaS jetzt vom Reichstag benutzte Gebäude bat immer »och den Cha rakter eine« NothbaucS und der Sitzungssaal selbst kann jeden Tag baufällig werden. Da- ReichSlagSgcbäudc ist in der ultramontancn Abneigung nachgerade an die Seile der Sckan- srirr gerückt, man sieht in einem solchen Bauwerk nickt mit Unrecht eine Verherrlichung de- Reiche-. Faßt nian ans der anderen Seite die Stellung in da- Aiige, welche Fürst Bis marck in der vorigen RrichStagSsession gegenüber einem ReichStagSbau in Berlin genommen hat, so in die Meinung nicht abzuweisen, daß die „maßgebenden Parteien" de« Reichs tage» ihre Bundesgenossen an Welsen, Protestlern und Polen finden werden, um zusammen die Vorlage, welche die Regie rung vorn hereinbringt, hinten wieder hinauSzuwerfen. E» ist da» alte Spiel, wie e- seit Jahren getrieben worden ist. Man schreibt un» au» Berlin: „In Ergänzung der bereit» an dieser Stelle gegebenen Mittbeilungen kann berichtet werden, daß die Vertagung der Session für Sonnabend, den 17. December, allgemein in sickere Aussicht genommen wird. Man bofft, bi» dahin den Etat in seiner Gcsammtheit, die Vortage, betreffend die BerusSstatistik in erster und zweiter Lesung, und den Rechenschaftsbericht über die Ausführung de» Socialiftengesetze» erledigen zu können.DirHamburger Vorlage aber wird vor Weihnachten nicht einmal au» der Commission berau-kommcn, geschweige denn an da» Han» gelangen. Wir hören von Mitgliedern dieser Commission, daß noch acht bis zehn Sitzungen zur gründlichen Erledigung der ihnen gestellten Ausgabe nvthig sein würden. Man rechnet in ReichStaaSkreisen allgemein mit drr unangenehmen Möglichkeit, schon im Januar, also zur Zeit der Landlag- sessionen, nach Berlin zurückkehreu zu wüsten. Fürst
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