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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-27
- Monat1902-02
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Anzeigen-Preis die 6gejpaltene Petitzeile 25 H. Reclameu unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (0 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zifiernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./i 60.—, mit Postbeförderung 70.—, Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. M. Donnerstag den 27. Februar 1902. W. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. Wir entnehmen dem „Berl. Loc.-Anz." noch folgende anschauliche Schilderung der Taufe des „Meteor": * Re» Kork, 25. Februar. Schon schiert es, als ob der Wettergott -er heutigen Nachttarife sehr ungnädig gesinnt sei, da das gestrige prachtvolle Wetter einer trüben Regen- und Nebelstimmung gewichen war. Bald brach auch strömender Regen herein. Starke Menschen massen fuhren zeitig in den zahlreichen Führbooten nach der kleinen Insel Schooter Island, wo sich die Werft der Schiffbaufirma Townsend and Downey befindet. Die Beflaggung in den Straßen machte sich weniger be merkbar, mehr auf den Schiffen, und besonders bei der Insel lagen hochmastigc Segelfahrzeuge und Dampf yachten von der Bereinigten Ltaaten-Flotte im vollen Schmucke der bunten Flaggen. Etwa um 10 Uhr er schienen der Prinz und die officiellen Theilnehmer. Die Officiere -er „Hohenzollern" hatten am Landungsplätze Spalier gebildet. Auch deutsche Armee-Officiere mit ihren Damen fanden sich ein. Unter den Amerikanern bemerkte man besonders Admiral Evans, der trotz seines lahmen Beines sich lebhaft umher bewegte. Die Ab sperrung wurde streng durchgcführt; ohne Karte kam Niemand durch. Der Zug -er officiellen Theilnehmer schritt durch ein Spalter von Matrosen, welche das Ge wehr präsentirt hatten, hindurch. Der Weg zur Nacht war nicht wett. Da lag das hcllschimmerndc Fahrzeug in der überdachten Halle vor Aller Blicken. Die sehr schlanken Formen, namentlich der scharfe, -em Lande zu gekehrte Bug, täuschte über die Größe des Schiffes, das 500 Tonnen faßt. Die steile Treppe zur Tribüne wurde von einer glänzenden Gesellschaft bestiegen. Auf einem abgesonderten Platze, dort, wo der Hammer lag und die von einer schön verzierten Silberumhüllung umgebene Tauf-Champagnerflaschc hing, standen der Prinz, der Präsident nebst Fräulein Roosevelt und der Chef der Baufirma Townsend, die untereinander eine sehr liebens würdig angeregte Conversation führten. Der Präsident machte einen vorzüglichen Eindruck. Einfachheit des Auftretens paart sich bei ihm mit Festigkeit. Fräulein Alice Roofevelt trug das prachtvolle dunkelblaue Sammetkleid, das schon tagelang Gegenstand der Be schreibung der New Uorker Zeitungen gewesen ist. Ein weißer Brusteinsatz hob sich wirkungsvoll ab. Ihr wurde ein mächtiges Bouquet von rothen La France-Rosen überreicht, eine Gabe des Prinzen, das bet den New Norker Blumenprcisen ein kleines Capital gekostet haben muß. Fräulein Roosevelt hat durchaus das Wesen einer sehr vornehmen, vielleicht etwas verwöhnten Dame. Die hübschen Züge gewinnen außerordentlich, wenn sie lacht, und sie that dies wiederholt recht herzlich. Eine wunder volle dunkle Pelzboa und ein mit dunklen Federn ge schmückter Hut gaben eine wirkungsvolle Umrahmung des feinen Kopfes ab. Auffällig und das Einzige, was an ihre heutige Mission, wenn auch ohne ein Tragen irgend welcher Nationalfarbcn, erinnerte, war ein breites Band um den Arm mit der Aufschrift: „K. Nacht „Meteor". Der Name „Meteor" prangte auch vorn am Bug des Täuflings im Gegensatz zu den deutschen Ge pflogenheiten, die von dem Namen vor der Ceremvnie nichts wißen. Sehr fein und vornehm berührte die Er scheinung von Frau Roosevelt, die erst kurz vor -cm Tauf act in «sieganter schwarzer Toilette auf der kleinen Estrade neben dem Prinzen erschien. Auch sic hat, wenn sie lächelt, etwas ungemein Angenehmes. Dies scheint in der Familie zu liegen. Bei -er übrigen Gesellschaft, Herren wie Damen, unter denen besonders der Staats sekretär Hay bemerkt wurde, sah man öfters Nkdaillen, thetlweise mit dem Porträt des Prinzen am amerikanischen und deutschen Bande. Die ganze Halle prangte im blau - weiß - rothen und schwarz weiß » rothen Flaggenschmuck. Der Prinz und sein Gefolge trugen alle große Uniform, desgleichen die amerikanischen Officiere, während die Herren vom Civil nach Landessitte, wie bei jeder Vormittagsaction, und wenn es die festlichste ist, im Promcnadenanzuge erschienen waren. Gegen 10^ Uhr, nachdem bereits das ohrenbe täubende Hämmern, unter dem die Keile des Stappellauf- schlittens beseitigt zu werden pflegen, beendigt war, wurde das Ablaufzeichen gegeben. Fräulein Roosevelt sprach auf englisch: „ I m N a m e n des D e u t s ch e n K a i s e r s taufe ich d i ch „ M e t e o r " ," ergriff dann die Flasche mit beiden Händen und schlenderte sie mit ausfallender Energie und dementsprechenden Erfolge gegen den Bug. Sanft und sicher glitt das zierliche Fahrzeug über den Achtersteven in sein Element, in dem es seine Verbeugung machte und dann so flott in seinen Linien dalag, wie nnr je eine Nacht auf dem Wasser gelegen hat. Gleichzeitig er dröhnte in Wiederholung der schon früher gefeuerten Em- pfangssalutc der Salut für den Täufling. Das Publicum brach in Hochrufe auS, nnd die Dampfpfeifen begannen ihr entsetzliches Frcudengeheul. Nachdem Ruhe einge treten war, trat der Präsident vor und brachte das Hurrahaufden Kaiser aus, worauf Prinz Heinrich Fräulein Roosevelt durch drei Hochs feierte. Diese Kund gebungen fanden lebhafte Theilnahme. Nun erfolgten die Beglückwünschungen. Man konnte an der mit einer Wid- nnrng für den heutigen Act versehenen starken Metallum hüllung der Taufflasche die respektable Einbeulung be wundern. Hierauf begaben sich die geladenen Herrschaften zu einem kleinen Imbiß in die große Werfthalle, deren nicht abgcspcrrter Thcil von dichten Masten gestillt war. Hier brachte -er Präsident ein Hoch auf den Prinzen aus, und dieser erwiderte. Die uns Deutschen freundlichen Worte sanden sichtbar im Publicum die allerbeste Auf nahme. Beim Anbor-gehen auf den für die hohen Herr schaften nebst Gefolge reservirtcn Dampfer konnte man die neue Nacht in ihrem Flaggenschmuck bereits am Pier in Augenschein nehmen. Noch einmal wiederholte sich beim Abschiede die stürmische Begrüßung durch das Pu blicum und das Indianergeheul der Dampspfeifcn. Dann önrchschnitt das Schiff des Präsidenten und seines hohen Gastes die wogende Fluth der Bay auf dem Wege nach der „Hohenzollern", und gefolgt von einer großen Escortc anderer Dampfyachten und sonstiger Dampfer, die theilweise auch wohl einmal einen ganz privaten Salut abfeuertcn. Der Prinz blieb trotz der Kälte auf dem Oberdeck und unterhielt sich unter Anderem auch längere Zeit mit Herrn Barbey, dem zweiten Constructcur der Nacht. Auf der „Hohenzollern" nahm der Commandant, Contreadmiral Graf Bandissin, die hohen Herrschaften in Empfang, und der Präsident schritt nach Begrüßung der in Parade ausgestellten Ehren division deren Front ab, geführt vom Prinzen. Hieraus begann das in dem prachtvoll geschmückten Salon der „Hohenzollern" servirte Frühstück, das den befriedigendsten Verlauf nahm. Auf dem Oberdeck der Nacht lag ein rother, weicher Teppich gebreitet. Blumen prangten überall. Wenn dem ganzen heutigen Vorgang auch direct kein politisch hervortrctendcs Gepräge zugesprochen werden kann, so war doch die Cordialität aller Betheiligten unver kennbar, und die starke Sympathie des Publicums für den Prinzen, für den ganzen Vorgang und die Haltung ihres Staatsoberhauptes stand außer Frage. * New Nork, 26. Februar. Das von Fräulein Roosevelt nach dem Stapellauf an den Kaiser ge richtete Telegramm lautet in deutscher Uebersetzung wie folgt: „Seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm, Berlin. „Meteor" ist glücklich von Stapel gelaufen. Ich gratnlire Ihnen, danke Ihnen für die mir erwiesene Liebenswürdig keit und sende Ihnen meine besten Wünsche. Alice Lee Roosevelt." * New Kork, 20. Februar. In offenem Wagen, voran zwei Schwadronen Gcntlemen-Reiter und zur Seite be rittene Polizei, begab Prinz Heinrich sich von der „Hohenzollern" zum Frühstück nach dem Sherry- Restaurant, wo er um 1 Uhr cintraf. * New Nork, 20. Februar. Bei dem Früh st ück im Sherry-Restaurant brachte Morgan Trink sprüche auf den Präsidenten Roosevelt, den deutschen Kaiser nnd den Prinzen Heinrich aus. Der Prinz er widerte mit einem Trinkspruch auf „tsio oapwins" der In dustrie und des Handels der neuen Welt. Alle Trink sprüche wurden von den Anwesenden stehend angehört. * New Aork, 26. Februar. Nm 4 Uhr Nachmittags traf Prinz Heinrich, von dem Frühstück im Sherry'schcn Restaurant zurückkehrend, auf der „Hohenzollern" ein. Im Gebäude des „Arion", in dem Prinz Heinrich -en Fackelzug an sich vorüberzichen ließ, hielt der Fest präsident vr. Weyland an den Prinzen folgende An sprache: „Die Tausende hier sind nur die Vertreter eben- sovieler Millionen Amerikaner deutscher Abkunft, die den Bruder des deutschen Kaisers begrüßen. Obwohl heute amerikanische Bürger, sind wir an das alte Vater land mit unzähligen Banden geknüpft. Nach Ihrer Rückkehr mögen Em. Königl. Hoheit Ihrem Bruder und Deutschland sagen, daß wir hier mit unent wegter Liebe die Geschichte des deutschen R c i ch e s v e r f o l g e n und mit innigster Freude seinen so allgemein geliebten Vertreter hier begrüßen! I>r. Wey land überreichte dann dem Prinzen eine kunstvoll ausge stattete Adresse und ein Album mit dem Namen aller deutschen Vereine und einer poetischen Widmung. N. New Nork, 26. Februar. (P r i v a t t c l e g ra m m.) Die Blätter veröffentlichen noch nachträglich Einzelheiten zur Bekundung des herzlichen Tvnes, welcher beim gestrigen Zusammensein des Prinzen, sowohl mit Roose velt und dessen Familie, als auch mit dem Mayor und den Aldermen herrschte. Beim Diner im Metropolitan- Club wies der Mayor daraufhin, daß der Prinz mit dem schnellsten deutschen Dampfer cingetroffcn, aber mit noch größerer Geschwindigkeit den Weg zu den amerikanischen Herzen gefunden habe. (Anhaltender Beifall.) Der Prinz hob in seiner Erwiderung hervor, er freue sich, gerade in diesem Kreise der städtischen Behörden seinen Dank für die herzliche Aufnahme als lollorv-eitiren aussprechen zu können.— Von den Schneestürmen vom Freitag her sind die Straßen noch immer glatt, verschiedene Leute von der militärischen Escorte stürzten gestern und heute, ohne be sonderen Schaden zu nehmen. Heute Mittag bei der Aus fahrt kam ein Polizcisergcant, von einer Wagendeichsel angerannt, zu Falle und wurde schwer verletzt. Als der Prinz nachträglich davon erfuhr, zog er Erkundigungen ein. Das Frühstück im Restaurant Sherry wurde in besten Ballsaale an halbmondförmigen Tischen eingenommen, jeder mit zwölf Gedecken, der des Prinzen jedoch mit zwanzig. Alle Theilnehmer saßen an der Außenseite -es Halbmondes, sodaß jeder dem Prinzen das Gesicht zu wandte. Bei jedem Gedeck stand ein großer Rosenstrauß. Unter den Theilnehmern befand sich auch Edison. * New Nork, 26. Februar. Das von der „New Yorker Staatszeitung" zu Ehren des Prinzen Heinrich veranstaltete Diner im Hotel Waldorf-Astoria begann um 8 Uhr. Etwa 1200 Vertreter der amerika nischen Preste nahmen Thcil. Homann Nidder, der Mitbesitzer der „New Norker Ttaatszeitung", begrüßte den Prinzen mit den Worten: „Ew. Königl. Hoheit haben die Monroe-Doctrin verletzt, indem Sie als Vertreter des Kaisers nicht nur ein Stück amerikanischen Bodens, sondern uns Alle eroberten." Redner erinnerte an die historische deutsch-amerikanische Freund schaft und an tyencral Steubcn, der der erste Präsident des Deutschen Vereins in New York geworden sei, und schloß mit den besten Wünschen für das Wohlergehen des Prinzen. Der Toast wurde stehend angehört und mit stürmischem Beifall ausgenommen. Whitelaw Reid, Chefredacteur der „New York Tribüne", feierte den Präsidenten als den Inhaber des für die Amerikaner höchsten Postens der Welt und Roosevelt persönlich als einen kraftvollen und zielbcwußten Mann am Steuer und feierte den Kaiser als den Vertreter aller Besten in Deutschland, -er von der Welt jetzt in seiner persönlichen Größe anerkannt werde. „Er weiß, was er will, und spricht cs gerade heraus und handelt gerade danach, wie es Präsident Roosevelt in ähnlicher Weise auch thut. Obwohl oberster Kriegsherr, hat der Kaiser den Frieden erhalten, die Lage der Arbeiter gehoben und Kunst, Literatur, alles Gute und Schöne gefördert, und er wächst an Größe von Jahr zu Jahr. Drei Nationen sind von Gott und der Natur zu ewiger gegen seitiger Freundschaft bestimmt: die Ver einigten Staaten, Deutschland und Eng land! Zwischen den ersten beiden hat stets eine intime Freundschaft bestanden, schon des vielen deutschen Blutes wegen. Auch der Kaiser ist davon durchdrungen. Indem ich auf das Wohl des Kaisers trinke, verbürge ich mich für die Zustimmung der ganzen amerikanischen Presse." * New Nork, 26. Februar. Während der Festoper brach im Perückenzimmer Feuer aus, daS jedoch rasch gelöscht wurde und nur wenig Schaden «»richtete. Das Publicum hatte nichts davon bemerkt. (Köln. Ztg.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Februar. Der Zollwirrwarr vermehrt sich jeden Tag, und diese liebliche Entwickelung vollzieht sich unter einer Voraus setzung sogar im Quadrat, wenn nämlich die Regierung etwas „zur Klärung" erklärt. DaS ist am Dienstag wiederum geschehen; wir kommen noch darauf zurück. Ein Kind des Durcheinander ist eine bittere undverbitterndeAuseinandersetzung zwischen Nativ nallib er a len und Freiconservativenim preußischen A b geo r dn et en Hause. Sie ist entstanden, weil es leider wahr ist, waS seit längerer Zeit gesagt wird, daß nämlich in den freiconservativen Fractionen des Reichs tags und des preußischen Abgeordnetenhauses «in wildes Agrarierthum noch weniger mit Zurückweisung zu rechnen braucht, als in den couservativen. An der Art der Agitation gewisser Führer des Bundes der Lanvwirthe und insbesondere an der des Herrn vr. Hahn war von nationalliberaler Seite Kritik geübt worden. Wer hat das noch nicht gethan? Es giebt keinen denkenden Land- wirth, der die geschäftliche Ausbeutung der unbefriedigenden landwirthschaftlichen Lage nicht beklagt und nicht jede ernst hafte AbhilsSaction durch die Herren Hahn und Lucke rc. nickt gefährdet sieht. Herr vr. Arendt glaubte jedoch unter Anzweiflung der LandwirthschastSsrrundlichkeit der Nationalliveralen seines „Freundes vr. Hahn" Gebahren billigen und loben zu sollen und der Abg. Frhr. v. Zedlitz Feuilleton. Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. NockLrixk vcrtetm. Oft lag sie tagelang in tiefer Erschöpfung und -er Arzt schüttelte den Kopf. Dann wieder schrie und jammerte sic, daß all' die schwachen Kräfte aufgerteben zu werden drohten. Es war, als reize ihre Widerstands fähigkeit die böse Gewalt -es Fiebers immer wieder auf, als könne der Tod sich nur schwer entschließen, von diesem Opfer abzustehcn. Monatelang schwebte sie -wischen Lod und Leben. Die Aermste litt furchtbar. Wie schwer büßte sie für all' die einstige Herzlosigkeit! Selma von Linden erschien eines Tages mit Blumen und Früchten beladen, um der „lieben Kranken" eine Auf merksamkeit zu erweisen. Sie kam, um sich zu verabschieden. Die junge Frau plante ein« monatelange Reise in'S Ausland. Ihr blaße» Gesicht, die trüben Augen fanden hier wenig Berständntß — eS drehte sich Alles um die Patientin. Die ganze Umgebung zitterte für dieses Dasein. DaS Haar der Majorin bleichte zusehends. Sie kannte ihren „Einzigen" so genau, und sie sah eS ja, wie er da- hinschwanb vor Gram und Reue, wie alle Interessen ver sanken und sein Auge nur noch aufleuchtete, wenn der Arzt sich etwa» präctser und hoffnungserweckender itt seinem Berichte aussprach. Eva hatte nicht erwartet, eine Todtkanke zu finden. Aber nachdem sie die erste Bestürzung überwunden, gast sic sich in aufopfernder, bewunbernSwerther Weise der schweren Aufgabe monatelanger Pflege hin. Selten nur gestattete die Majorin e» ihrem Sohne, daS Krankenzimmer zu betreten, in dem Nebenraume aber sah er stundenlang, lauschend auf all' den Jammer, der die Brust der Geliebten beschwert hatte und brr nun auSflotz in Worten, die bald leise gestammelt und dann wieder schrill, in erschüternden Tönen über die trockenen Lippen kamen. In dieser Zeit wurde Eva dem fassungslosen, schwer geprüften Manne eine liebe, unentbehrliche Freundin, und Frau v. Eckhoff empfand eine wachsendcZunetgung für das bescheidene, liebliche Menschenkind, Eva verstand cs auch hier wieder, ihre Trauer, die eigenen Interessen tapfer zu überwinden und ganz in der Fürsorge für die Anderen aufzugehcn. Auch an Tva bewunderte die Majorin, wie früher an Stephanie, die immer gleiche Bereitwilligkeit auf das Ein gehen der Wünsche Anderer. Sie erkannte auch, daß diese» Dichfügen nicht etwa einem geistigen Trägheitsgefühlc ent sprang, sondern vielmehr feinem Tact, einer sanften Hcrzensgüte und jener gewohnheitsgemäßcn Vornehm heit zuzurechnen war, die nur die Folge einer vortreff lichen, sehr sorgfältigen Erziehung sein kann. Es war- ihr klar, daß das, was der Vater sündigte, in stiller, unermüdlicher Fürsorge, mit einer bewunderns- werthcn Klugheit und Ueberlegenheit durch die Mutte; ausgeglichen worden war. Das heftige Verlangen, die Mutter dieser beiden reizenden Töchter kennen zu lernen, erfaßte die Majorin und sie zögerte nicht, ihren Wunsch zur Ausführung zu bringen. ES war nur natürlich, daß sic Frau Döring gleichfalls an das Schmerzenslager der Tochter rief. Die Einladung geschah in einer überaus herzlichen, ja unwiderstehlichen Form, und trotzdem Martha es nur schwer über sich brachte, den Gatten sich selbst zu über- laßen, so kam sie doch. Die beiden älteren Damen fanden große» Gefallen an einander, und besonder» die Majorin war entzückt von dem Charakter dieser Frau, deren Ehelcben ein einziger, endloser Dornenweg war, und die eS doch verstanden hatte, alle» Häßlicke, Niedrige au» ihrer HäuSlichkett und von den Kindern fern zu halten. „Ich Hütte e» ihr nicht nachgemacht", dachte sie in ihrer derben Weise, „war immer ein biSchen polterig, und wenn ich solch' einen Filou von einem Eheherrn gehabt hätte — dem Gnade Gott — der Krach wäre fertig gewesen!" Martha verschloß auch hier ihr Leib in der eigenen Brust, und sie äußerte gelegentlich nur, daß ihr „armer Mann" dahtnschwinde, wie der Tag. Er sei durch nichts aus einer zunehmenden Apathie aufzurütteln, sie sorge sich nm ihn »ind müße in wenigen Tagen hcimkehrcn. Ihre Tochter Stephanie fand sic sehr verändert. Das Kinn so spitz, die Angell mit dem leeren Blick eingesunken, das schöne, glänzende, bis über den Taillen schluß hiuabfluthcndc Haar war ein Opfer der Schcere geworden. Prüfend, schmerzlich betroffen, beugte sie sich über die Tchwerkranke. Aber der Ausdruck in Martha's Zügen befreite Alle von Centnerlasten. „Sic wird genesen", sagte sie, Bernhard s Hand brückend, „Mutteraugen sehen scharf, die Krankheit nimmt einen gutartigen Verlauf. Nur Geduld, mein junger Freund, und später, wenn Alles gut geworden, keinen Eigensinn in die Ebe tragen, gegenseitige Nachsicht mit Fehlern nnd Schwächen sichern den Frieden, und wo der Friede ist, da ist auch Glück!" Eckhoff küßte ehrfurchtsvoll die Hand seiner zukünftigen Schwiegermutter. „Die Prüfung reicht für ein lange» Leben au»", sagte er ernst, „ich habe eS erkennen müßen, was ich verlieren würde, wenn Gott mir dieses thcuere Leben nähme." Eckhoff hatte cs nicht unterlaßen, Schleinitz von Frau Döring'» Anwesenheit zu unterrichten. Er eilte unverzüglich herbei und öffnete der ahnungs losen Frau auf einem Spaziergänge durch den Park sein Herz. „Ich bitte Sie herzlich, gnädige Frau, mir zu gestatten, daß ich um Eva werbe, wenn sie den ersten Schmerz um den Tvdten überwunden hat. Ich lebe in wohlgeordneten, unabhängigen Verhältnissen, besitze keine näheren Ver wandten und war Eva schon im Winter, al» wir un» in Gesellschaften begegneten, herzlich gut. Es traf mich sehr schmerzlich, daß ein Anderer mir zuvorkam. Vielleicht gelingt ev mir jetzt, Sva'S Zuneigung zu gewinnen, ich liebe in ihr Alle», was gut und schvy ist!" Martha » Augen leuchteten auf in müterlichern Stolze. Ihre beiden Töchter die Gattinnen adeliger Grundbesitzer — dieses Glück überflügelte weit ihre kühnsten Träume. „Sic sind Eckhoff's Freund", sagte sic, tief bewegt, „als diesen habe ich Sic damals hochgeschätzt! Mag Gott meines Kindes Herz richtig leiten — ich bin überzeugt, daß Eva s Lebcnsglück an Ihrer Seite geborgen ist!" „Dank, gnädige Krau, tausend Dank! Ich werde ge duldig warten. Jetzt sicht Eva nur den Freund in mir. Aber ihr Herz wird ja wieder verstehen lernen und wird sich der Freude nicht immer verschließen!" „Sicher nicht, Herr von Schleinitz! Ich denke Sic haben keine Ursache, an Ihrem Glücke zu zweifeln!" — So tauchte denn aus all' den Sorgen und schweren Kümmernißcn ein neues Glück empor, und bedeutend froher gestimmt, al» bet ihrer Ankunft, nahm Martha Abschied. Sie hatte sich, ebenso, wie ihre Töchter, die Zuneigung Aller im Fluge erworben. Sic mußte fest versprechen, bald wieder auf einige Tage hcrüberzukommen. Ihres Gatten wurde nur in einer zurückhaltend höflichen Form Er wähnung gethan. Martha erwartete eS nicht anders, und eS war ihr lieb so. Sie hatte sich mit dem Gedanken, den Gatten zu ver lieren, vertraut gemacht. Er erholt« sich nicht wieder von den Eindrücken, die jene Katastrophe ihm hinterlassen. Geld und Gvldglanz waren jetzt Chimäre sür ihn, sein Geist begann sich zu umnachten, aber auch der Körper verfiel zusehends. Martha hörte nicht auf, in treuester Gorge sich um ihn zu mühen. Wie die Alle» ausgleichende Gerechtigkeit zu treffen, zu strafen weih! Derjenige, welcher seit Jahr nnd Tag ick der Aussicht auf Malchow » Vermögen darauf lo» wtrthschaftcte, sollte nun allein von der Freude an demselben ausgeschlossen bleiben! Nicht einmal mehr bezüglich der Mahlzeiten äußerte Döring Wünsche — er aß und trank, was man ihm oorsetzte, ohne Genuß, vielleicht schon ohne Bewußt sein. Seine Lebenskräfte waren im Sinken. (Schluß folgt.)
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