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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981112018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
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- Monat1898-11
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisserusatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag ^l vO—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4UHL. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dk Expedition zu richten. Druck und Verlag voa E. Polz tu Leipzig, 574. Sonnabend den 12. November 1898. S2. Jahrgang. Der deutsche Kaufmann und die Colonien. ss Die Kaufmannschaft von London hat dem Besieger der Mahdisten, dem General Kitchener, einen prachtvollen Ehrensäbel geschenkt und ihn zum Ehrenmitglied ernannt. Die „Kreuzzeitung" stellt aus diesem Anlässe zwischen der englischen und der deutschen Kaufmannschaft einen Vergleich an, bei dem die letztere sehr schlimm fortkommt. Der deutsche Kaufmann ehre nicht die Helden, die in den Colonien gekämpft und ge siegt hätten, er halte sich ängstlich davon zurück, sein Capital in colonialen Unternehmungen anzulegen. Es kann nicht abgrstritten werden, daß die deutsche Kauf mannschaft im Großen und Ganzen sich in den colonialen An gelegenheiten mißtrauisch und zögernd verhalten hat, ja, daß sie, so weit sie politisch der Fortschrittspartei zugehört, den colonialen Bestrebungen direct feindlich gegeniibergetreten ist. Auf der anderen Seite aber ist das Verhalten der deutschen Kaufmannschaft aus vielen Gründen wohl erklärlich, und wenn hier näher darauf eingegangen wird, so geschieht es nicht etwa um einer Polemik mit der „Kreuzzeitung" willen, sondern weil die deutsche coloniale Politik an einem Wendepunkt an gekommen ist oder wenigstens an einem solchen angekommen sein sollte, wofern sie nicht die Gefahr laufen will, die gehegten Hoffnungen vollständig zu enttäuschen. Fürst Bismarck hat mehr als einmal hervorgehvben, daß in den Colonien der Kaufmann die erste Rolle spielen sollte und nicht die Bureaukratie, und ein so konservativ gesinnter Mann wie GrafArnim-Muskau trat in den colonialen Debatten vom Winter 1893—94 ebenfalls auf das Lebhafteste dafür ein, daß die deutsche Kaufmannschaft in den Colonien mehr in den Vordergrund gerückt werden müßte. Seit die coloniale Frage in Deutschland in Fluß kam, ist nahezu ein halbes Menschenalter vergangen. Aber noch immer herrschen in den Colonien militairische und civilistische Bureaukratie neben einander und lassen dem Kaufmann wenig Platz, seine Ellen bogen zu gebrauchen. Die latente Kraft dieser Bureaukratie ist so stark, daß selbst ein so hochgestellter, energischer und ein sichtiger Mann wie der General Liebert, der dir besten Absichten hat, den deutschen Kaufmann an den ihm gebührenden Platz zu setzen, diese Absicht nicht im gewünschten Umfange zu verwirklichen vermag. Besonders auf gelegentliche Aeußerungen über diese Erfahrung mag das Gerücht zurückzuführen sein, daß er gesonnen sei, den Posten als Gouverneur von Ostafrika aufzugeben. Und mit welcher Freude wurde die Erwerbung von Kiautschau begrüßt, und wie sehr sind hier nach kaum Jahresfrist die Hoffnungen herabgedrückt worden! Auch hier wurde alsbald in militairisch-bureaukratischem Sinne „or- ganisirt", und ob nach dem Weggänge des Gouverneurs Rosen dahl eine Wandlung eintreten wird, muß noch abgewartet werden. Wenn die deutsche Kaufmannschaft, als Ganzes genommen, wenig Neigung zu Capitalsanlagen in dec colonialen Frage besaß und noch besitzt — ganz erhebliche coloniale Gründungen find beiläufig so gut wie ausschließlich Männern aus dem Kaufmannsstande zu verdanken —, so rührt dies eben davon her, daß das bureaukratische Regime nicht das Vertrauen erweckt, das Geld werde in colonialen Gründungen gut untergebracht sein. Denn damit, daß Capital hingegeben wird, ist es doch nicht gethan, sondern man muß dem Capital freies Feld geben, damit es sich vervielfachen kann. Das Capital ist in einer Colonie wie die Saat, die in die Erde gestreut wird. Wenn über die Erde zum Exercirplatz gemacht wird, wird der Boden hartgrstampft und die Saat kann sich nicht zur Frucht entwickeln. Und wenn in England der Kaufmann größeren Wagemuth hat, so ist es auch darum, weil er seit Jahrhunderten an Bewegungs freiheit und Selbstständigkeit gewöhnt ist. In Deutschland aber ist man noch heute nicht aus dem Zeitalter der Bevormundung herausgekommen; das Bürgerthum ist daran gewöhnt worden, immer erst nach einem Vorbilde zu suchen, ehe es etwas thut. Auch daran aber hat es in den colonialen An gelegenheiten gefehlt. In den englischen großen colonialen Ge sellschaften, z. B. in der Chartere- Company, spielt die englische Aristokratie eine große Rolle, und zwar giebt sie nicht nur ihren Namen her, sondern auch ihr Geld. Die deutsche Aristo kratie hat sich aber — Ausnahmen bestätigen nur die Regel — von einer kräftigen kapitalistischen Betheilrgung an colonialen Unternehmungen ebenso zurückgehalten, wie die Kaufmannschaft als solche. Schließlich ist ein nicht unwesentliches Moment für die Zurückhaltung der deutschen Kaufmannschaft das gesell schaftliche. In Deutschland rangirt im Allgemeinen an erster Stelle der Officier, an zweiter der Beamte, an dritter erst der Kaufmann. Der Officier und der Beamte halten noch so leidlich zusammen, aber Beide halten sich, besonders in den Mittelstädten, von dem Kaufmann fern — nicht überall, aber in Preußen fast durchweg. Diese Gegensätze schleifen sich wohl in den Colonien etwas ab, aber sie benehmen dem Kaufmann dm Muth, überhaupt erst nach den Colonien zu gehen. Er hat keine Neigung, Capital und Gesundheit zu riskiren, um eventuell über die Achsel angesehen zu werden. Und er wagt es vielleicht da und dort kaum, dem Officier, der mit Ruhm gekrönt aus den Colonien zurückkehrt, seine Freude zu zeigen, denn er weiß nicht überall, wie es ausgenommen wird. Wenn die englische Kaufmannschaft einem siegreichen Officier einen Ehrensäbel überreicht, so hat sie das stolze Gefühl, daß er die Aufmerksamkeit als eine höchste Ehre würdigt. Der deutsche Kaufmann kann dessen nicht immer ganz sicher sein. keccatur intiu wuros et extra. Beide Theile, Kauf mannschaft wie Regierung, tragen Schuld daran, wenn die Colonien in Deutschland noch nicht so zum Leben des Volkes gehören, wie in England. Wie soll es besser werden? Der Politiker muß sich an die bestehenden Verhältnisse halten, und da nun einmal in Deutschland das Bürgerthum leider keine eigme große Initiative besitzt, so muß die Regierung die Initiative ergreifen und die Kaufmannschaft stärker zur Arbeit an dm Colonien heranziehen. Deutsches Reich. * Leipzig, 11. November. Wie verlautet, ist der Zeichner deS „SimplicissimuS", Herr Th. Th. Heine, gegen Stellung einer Caulion von 30 000 aus der Haft ent lassen worden. (-) Plaue» i. B, 11. November. (Telegramm.) Der „Vogtl. Auz." meldet: Fürst Herbert Bismarck hat auf die vom Vorstande deS sächsischen GemeindetageS an ibn gerichtete Anfrage betreffs der Theilnahme des Vorstandes als Vertreter der sächsischen Gemeinden an der Beisetzung seines Vaters unter dem Ausdruck des Dankes für den das Andenken seines VaterS ehrenden Wunsch erwidert, daß er mit Rücksicht auf die Jahreszeit und den Mangel an Ge legenheit die betreffenden Deputationen empfangen zu können zu seinem Bedauern Abstand nehmen müsse, Einladungen zur Beisetzung ergeben zu lassen. * Berlin, 11. November. Die geplante Reorgani sation der Feldartillerie erörtert die „Köln. Zeitung" folgendermaßen: „Daß in dem neuen Etat eine Forderung für die Reorganisation der Feld-Artillerie, die der Kriegs- minister schon vor fast einem Jahr« als nicht Wohl mehr aufschiebbar bezeichnete, erscheinen wird, ist als bestimmt zu betrachten. Mit einiger Sicherheit darf auch angenommen werden, daß diese Reorganisation jedem normalen CorpS von zwei Divisionen zwei Brigaden Feldartillerie, je eine zu zwei kleinern und übersichtlichem Regimentern für die Division, außerdem vielleicht eine Haubitzabtheilung für jedes Armee korps geben wird, daß man ferner, der Kostenersparniß halber, an eine Verminderung der reitenden Abtheilungen auf die für Cavallerie-Divisionen im Kriege nöthige Zah denkt. Veränderungen dürften auch bezüglich des Detache ments Jäger zu Pferde bevorstehen, und man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß diese der Ein heitlichkeit der Schulung dieses Specialpersonals wegen auf ein Zusammenfassen gerichtet sein werden. Daß man eine besondere Telegraphentruppe errichten will, ist schon vor längerer Zeit berichtet worden. Wir glauben aber, daß die Blätter irren, die annehmen, daß man die Reorganisation oder die Neubildungen mit einem Schlage durchzuführen beab sichtige. Daß eine baldige und volle Durchführung der Reorganisation namentlich bei der Feldartillerie, deren Gliederung seit einer ganzen Reihe von Jahren einen Torso darstellte und bei der Mobilmachung zu Improvisationen zwang, dringend erwünscht wäre, daß die Zeit seit der oben berührten Erklärung deS KriegSministerö auch aus reichend gewesen sein dürfte, um die nöthigen Vor bereitungen für die Neugliederung zu treffen, unterliegt keinem Zweifel. Wenn man daher die Durchführung der Neugliederung der dritten Hauptwaffe, trotz der in Frank reich für 1899 vorgesehenen Vermehrung und Reorganisation der Feldartillerie (wohlgemerkt auch der Fußartillerie, die auf 17 -s- 9 ---- 26 Bataillone kommen soll), aus mehrere Jahre vertheilte, so könnte dies als Gründe nur die Rücksicht auf Ersparnisse und die Besorgniß haben, die deutsche Feld artillerie könnte, nach recht langem Stocken der Beförderung in den höheren Stellen, daS Tempo des Aufrückens der Cavallerie und Fußartillerie wenn auch nicht erreichen, so doch ihm näher kommen, als bisher, wo noch vor kurzer Zeit etatsmäßige Stabsossiciere der Feldartillerie dieselben Obersten patente besaßen wie Brigadecommandeure der Eavallerie, und Fußartillerie-Regimentscommandeure zum Theil jünger sind als AbtheilungScommandeure der Feldartillerie". * Berlin, 11. November. (Trauungen und Taufen 1891—97.) Für die Beurtheilung der Frage, ob nach der Einführung der Civilehe in der evangelischen Bevölkerung das Interesse für kirchliche Trauungen und Taufen zurück gegangen sei, liefert die jahrweise Vergleichung der von den königlichen Consistorien alljährlich zusammengestellten Ueber- sichten über die bei der evangelischen Bevölkerung ihres Amtsbereiches stattgehabten Taufen und Trauungen die besten Anhaltspunkte. Danach wurden in Preußen von je 100 Lebendgeborenen getauft: im Jahre in rein evangeli- in evangelischen uneheliche Kinder cvangel. Müller ichen Ehen Mischehen 1891 - - - 96.52 86.39 85.89 1892 - » 96.15 88.24 84.72 1893 - 97.18 88.05 86.85 1894 » - « 96.75 91.01 86.36 1895 - - - 97.51 91.25 86.18 1896 - - - 9662 91.61 85.28 1897 ... 97.53 93.63 85.57 Auf je 100 bürgerliche Eheschließungen entfiele im Jahre bei rein evangeli schen Paaren bei evangelischen Mischpaaren 1891 . : . 92.90 89.45 1892 . . . 93.25 91.02 1893 . . . 94.11 92.19 1894 . . . 93.88 92.65 1895 . . . 93.73 93.62 1896 . . . 93 56 93.81 1897 . . . 93.33 91.74 Dazu bemerkt die „Statist. Corr.": „Die evangelische Bevölkerung ist also der alten Sitte, die Neu geborenen taufen und die Neuvermählten kirchlich trauen zu lassen, treu geblieben, trotzdem nach Einsetzung weltlicher Standes beamten durch das Neichsgesetz vom 6. Februar 1875 rin gesetz- licher Zwang hierzu nicht mehr besteht. Dieser kirchliche Sinn herrscht in allen Landestheilen und hat auch in der neuesten Zeit sich fast von Jahr zu Jahr stärker geäußert. In Len aus die Einführung der Slandesregister zunächst folgenden Jahren waren die entsprechenden Verhältnißzahlen etwas ungünstiger. Bei Beurtheilung der Taufziffer darf man die hohe Lebens- gesährdung der Neugeborenen nicht außer acht lassen; denn da in der ersten Woche nach der Geburt von 100 ehelichen Kindern 2,61, von unehelichen 3,85, in der zweiten Woche weitere 1,26 bezw. 2,28 dem Tode verfallen, so stirbt gewiß ein großer Theil dieser Kinder ungetaust, was die Höhe der Tausziffer ungünstig beeinflußt. In Berlin bleiben mehr Kinder ungetauft als in den Provinzen. Auch hinsichtlich der kirchlichen Trauungen steht Berlin erheblich zurück; denn selbst in neuerer Zeit lassen noch nicht ganz zwei Drittel der neuvermählten rein evangelischen Paare ihrer Ehe die kirchliche Weihe geben". * Berlin, 11. November. (Englische und amerika nische Gäste in Deutschland.) Ein gründlicher Kenner der P ariser Verhältnisse veröffentlicht in der „Straßb. Post" über seinen jüngsten Aufenthalt in der französischen Haupt stadt eine Schilderung, in der er u. A. eine Aeußerung deS Directors eines der ersten Pariser Gasthöfe, in welchem be sonders englische und amerikanische Gäste zu verkehren pflegen, mittheilt. Der Director beklagte den diesjährigen schlechten Fremdenbesuch und fuhr fort: „Engländer sind gar keine hier und von den Amerikanern fehlen die Familien. Sie gehen jetzt mit Vorliebe nach Berlin, das immer mehr amerikanische Wintercolonie wird. Die „Affaire" (so wird der Fall Dreyfus jetzt allgemein bezeichnet) lastet sehr schwer auf der ganzen Geschäftswelt. Der Fremdenverkehr leidet außerordentlich und zahlreiche vornehmeGeschäfte hier sind ausdrücklich aus dieEinnahmen aus dem Fremdenverkehr angewiesen, sonst können sie nicht bestehen. Die großen und kleinen Gasthöfe, die Restaurants ersten Ranges, die Juweliere in der Rue de la Paix und im Palais Royal, die großen Schneider und Schneiderinnen, die kunstgewerblichen Ateliers, die Maler und Bildhauer, die zahllosen Antiquare und Kunsthändler, die Läden mit den eleganten Kinkerlitzchen, die Photographien und sonstigen Krimskrams unter den Bogen der Rue Rivoli, der Rue des Pyramides und so weiter — ja, glauben Sie, daß die von den Parisern leben können? Nein, die sind alle auf die Fremden an gewiesen, und zwar meistens auf die reichen Ausländer, die hier flott leben und nicht feilschen. Mit der Provinz ist nicht viel zu machen; die Leute auS den Departements wollen eher in Paris Alles billiger haben, als zu Hause. Sie haben keine Ahnung davon, was die Affaire mit Allem, was drum und dran hängt, uns geschadet hat! Sie kostet dem Nationalwohlsiande Milliarden!" Hierzu bemerkt die „Köln. Ztg.": Diese Aeußerungen stimmen vollständig überein mit den Wahrnehmungen, die uns in der letzten Zeit mehrfach aus Berlin, Dresden, München, Hamburg und andern größer» deutschen Städten berichtet worden sind. Danach trifft es allerdings zu, daß ein nicht unerheblicher Theil wohlhabender Fremder, ins besondere auch von Engländern und Amerikanern, zur Zeit den großen und mächtig emporblllbenden deutschen Städten eine weit größere Beachtung schenkt, als dies vor Jahren der Fall war, und eine große Befriedigung mit dem Auf enthalte in diesen Städten offen ausspricht. Vor allem ver fehlt nicht die Reichshauptstadt eine immer stärkere An ziehungskraft auf den Fremdenstrom auSzuüben. Die außer gewöhnliche Reinlichkeit der Straßen, die große Bequemlich keit der Verkehrsmittel, namentlich der Straßenbahnen, das mächtige Gedeihen von Handel und Gewerbe, die für die Mehrzahl der Fremden fast ungeahnten Schätze in den Museen und wissenschaftlichen Anstalten, die große Zahl guter Theater und Eoncerte fesseln die Fremden in immer steigendem Maße. Dazu kommt, daß in Berlin, wie überhaupt in unfern deutschen Großstädten, das GasthofSgewerbe in den letzten Jahrzehnten in jeder Hinsicht große Fort schritte gemacht hat. Die weitesten Anforderungen an den modernen Comfort und an die hygieinischen Bedürfnisse werden jetzt befriedigt und durchweg hört man rühmen, daß selbst in den theuersten deutschen Gasthöfen die Preise durch weg sich noch in maßvollen Verhältnissen bewegen und an die Wucher-Preise der ersten Gasthöfe in Paris und London bei Weitem nicht heranragen. Vom deutschen Standpuncte auS können wir es nur mit Freude begrüßen, daß der Fremdeu strom sich immer mehr den deutschen Städten zuwendet, denn Fenilletsn. Der Änlheil des Herrn v. Hübner an der Tödtung Blurn's. Herr vr. Hans Blum sucht in seinem Artikel „Der An- theil deS Herrn v. Hübner an der Tödtung Robert Blum'S" (Morgennummer des „Leipziger Tageblattes" vom 11. No vember 1898) meinem Vorwurf, er habe sich in seinem Werke „Geschichte der deutschen Revolution" einer Unwahrheit schuldig gemacht, entgegenzutreten und den Beweis für Herrn v. Hübner'S direkter Schuld an der Tödtung Blum'S zu erbringen. Ich habe darauf Folgendes zu erwidern: Herr vr. HanS Blum sucht zwar die Schuld Hübner'S auS dessen Tagebuch wahrscheinlich zu machen (wenn ihm auch der Beweis nicht vollständig gelingt), er vermag jedoch meinen Vorwurf nicht zu widerlegen. Ich habe ja auch die Möglichkeit einer Beeinflussung deS Fürsten Schwarzen berg durch Hübner gar nicht in Abrede gestellt, sie nur „als mindestens zweifelhaft" bezeichnet, dagegen allerdings be hauptet, daß Herr» vr. HanS Blum'S Worte, Hübner habe in seinem Tagebuch selbst eingestanden, daß er die Ermordung Blum'S beschloß und sie bei Schwarzen berg durchsetzte, sich nicht mit der Wahrheit decken. Und diese Behauptung muß ich aufrecht erhalten, weil Hübner in der Tbat ein solches Eingeständ niß nirgends macht. Gegen die Beweisführung deS Herrn vr. HanS Blum, die Schuld Hübner'S darzuthun, aber muß ich hervorheben: Herr vr. Blum schreibt: am 6. November theilt Windisck- grätz an Schwarzenberg die Verhaftung Blum'S und Fröbel'S mit; er will sie auS Oesterreich auSweisea lassen und sendet dem Schwager zugleich daS Schreiben der Abgeordneten an den Präsidenten der Nationalversammlung, d. h. ihre Berufung auf daS Reichsgesetz vom 30. September 1848. Bis dahin also wußten Beide, weder Fürst Windischgrätz, noch Fürst Schwarzenberg, von Robert Blum etwa-, waS zu einem standrechtlichen Einschreiten gegen denselben als Vorwand hätte dienen können, d. h. nichts von dessen Thalen in Wien; also — folgert Herr vr. Blum — muß Hübner hier seine Hand im Spiele? gehabt haben. Das Erstere ist ganz richtig, aber daraus folgt noch nicht das Zweite. Denn Blum'S Namen und seine gewaltige demokratische Wirksamkeit kannten beide Fürsten ganz sicher ebenso gut, wie fast jeder andere Deutsche in der damaligen Zeit, und darum eben ist Fürst Schwarzenberg mit der bloßen Ausweisung nicht zu frieden; sondern er will an diesem ihm verhaßten Demokraten- fübrer ein Exempel statuiren lassen. Daß Hübner — Blum'S persönlicher Gegner — vielleicht auch noch mit gehetzt hat, stelle ich durchaus nicht als unwahrscheinlich hin, es ist möglich; aber er schreibt das nicht selbst in seinem Tagebuche, wie Herr vr. HanS Blum behauptet. DaS geht auch nicht daraus hervor, daß seine Worte mit denen des fürstlichen Ermordungsbefehls übereinstimmen; eS zeigt nur, daß Hübner diese ihm bekannten Sätze des Befehls wörtlich in sein Tagebuch herübergenommen bat. Wie, wo und wann Hübner diese geheimen Actenstücke (den Briefwechsel zwischen Windischgrätz und Schwarzenberg) kennen gelernt hat, ist nicht bekannt (vermutblich damals in Olmütz); WaS er aber wörtlich daraus mittheilt, kennzeichnet er ausdrück lich als „auS dem Gedächtnisse citirt", und Hübner bat diese Worte nicht erst „43 Jahre später" niedergesck rieben (wie Herr vr. Blum sagt), sondern in jenen Tagen selbst. Er sagt im Vorwort seines Werkes „diese Blätter . . . . sind mein Tagebuch, wie ich eS, wenn die Umstände eS ge statteten, jeden Morgen schrieb." Es sind also nicht Hübner'S eigene Gedanken und Worte (die würde er w.chl von beute auf morgen ohne Rückhalt genau haben wiedergeben können), sondern Worte Schwarzenberg'-, die er in dessen Briefe gelesen und sich leidlich gemerkt hatte; darum seine vorsichtige Bemerkung „aus dem Gedächtnisse citirt". Auch die Begründung de- TödtungSbefehlS erklärt Hübner stet- für Schwarzenberg'- eigenes Urtheil, so wenn er schreibt: „Er erkennt in Robert Blum rc.", „er wurde, sagt sich der Fürst rc." Der am folgenden Tage erlassene Gegen befehl, die Gefangenen frei zu geben, zeigt ganz deutlich, daß Schwarzenberg am Tage vorher in der Uebereilung, nach allzu raschem Entschlüsse gehandelt hatte und nun, da er belehrt worden war, daß er das bekannte Reichs gesetz zu respectiren habe, sein Unrecht noch schnell rückgängig »lachen wollte. Daß übrigen- Schwarzenberg — wie Herr vr. Blum feststellt — der ungebildetste und unwissendste Mann war, den Oesterreich jemals zum Leiter seiner Politik erhoben hatte, spricht ebenfalls dasür, daß er gegen Blum nicht als Betheiliger an der Wiener Revolution, sondern als Mitglied der ihm verhaßten Nationalversammlung und als bekannten Demokraten brutal und rücksichtslos vorging. Um Blum'S Namen und sein Wirken kennen zu lernen, dazu brauchte er wahrlich nicht erst „Studien anzustellen", und Zeitungen wird er, der Politiker, denn doch wohl auch gelesen haben, trotz aller seiner verliebten Abenteuer. Herrn vr. Blum'S Behauptung aber kennzeichnet sich jetzt durch seine Worte „Es wäre geradezu undenkbar gewesen, wenn Fürst Schwarzenberg . . . Hübner .... bei diesem Schritte nicht zu Rathe gezogen hätte", auch nur als eine Vermut hung, und gegen eine solche habe ich absolut nichts; im Gegentheil, ich gebe ihre Möglichkeit gern zu, nicht aber die Behauptung, Hübner habe sich durch seine eigenen Worte selbst als der Urheber deS ErmordunzSbefehlS be zeichnet. vr. Max Mendheim. Luther's Stellung in der deutschen Literatur. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß ein und dasselbe Jahr die literarisch bedeutsamsten Zeugnisse für das Absterben der beiden mittelalterlichen Bildungselemente und zu gleich das Ereigniß gebracht hat, mit dem die Geschichte der Reformation beginnt: im Jahre 1517 setzte das Ritterthum im „Theuerdank" sich selbst seinen Leichenstem, wurde die Scholastik dem Gelächter aller wissenschaftlich Aufstrebenden in den Briefen d«r Dunkelmänner prei-gegeben, und im Jahn 1517 schlug Martin Luther seine Thesen wider den Ablaß an die Schloß kirche zu Wittenberg. 4 Luther hatte sowohl mit dem Humanismus als mit der Mystik Fühlung. In seiner Erfurter Studienzeit ist er bei eifriger Pflege der scholastischen Philologie doch auch den lateinischen Classikern nicht fremd geblieben und zu Crotus Rubranus und Erbamus Hessus, den begabtesten Erfurter Poeten, hatte er zeitweilig persönliche Beziehungen. In der Be kämpfung der Scholastik und der Hierarchie begegnete er sich auf gemeinsamem Boven mit dem Humanismus. Daß er über die mittelalterlichen Zwischenstufen hinweg auf den Urquell der kirchlichen Ueberlieferung, die Bibel, zurückgriff, entsprach durch aus der Methode, welche die Humanisten auf das klassische Alter- thum anwandten und 'daß er seiner Verdeutschung der heiligen Schrift nicht die lateinische Uebersetzung, sondern den griechischen und hebräischen Text zu Grunde legte, wäre ohne Erasmus' und Reuchlin's Vorarbeiten nicht möglich gewesen. Sein treuester Helfer am Werke der Reformation aber, Philipp Melanchthon, Reuchlin's Schüler und Verwandter, war neben Erasmus der beste Philolog seiner Zeit; als Luther mit ihm zur Begründung der protestantischen Schule schritt, hat er dem Unterricht in den klassischen Sprachen die wichtigste Stelle zugewiesen, und neben ihrer Bedeutung für Vas Bibelstudium vergaß er doch den pädagogischen Werth der Poeten, der Redner und vor Allem der Historiker keineswegs, ja auch die Schulkomödien hat Luther mit Ent schiedenheit vertheidigt und empfohlen. Gottes Wort war der Felsen, auf dem Luther seine Kirche gründete. Die deutsche Sprache war ihm das Mittel, die Massen zu gewinnen, seine Gevanken ins Volt zu schleudern. Welche Schriften gerade hier in Betracht kommen, das stellt sehr anschaulich ein Capitel der von Professor vr. Friedr. Vogt und Professor vr. Max Koch hrrausgegebenen „Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart" (Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig) dar. Schon im Sommer des Jahres 1520, als sein Ablaßstreit und die tiefer greifenden Kämpfe, die er nach sich zog, ganz Deutschland in gewaltige Erregung versetzt hatten, di« päpstlich« Bannbulle gegen den kühnen Mönch aber noch nicht
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