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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070118010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-18
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Stellen-Anzeigen, sowie Au« und Verkäufe 20 Pf^ fiuauztell« Anzeige» 30 Ps„ für Inserate von auswärts 30 Pf. Reklamen 75 Ps„ auswärts i Marl. Beilage gebühr 4 Mark p. Tausend exkl. Postgebühr. ÄeschäftSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarii. FürJnierate vom Auslande besonderer Taris. Anzetgeu-Annakme: Augustusplaq d, bei lämtlichru Filialen u. ulleuAnnoncen- Elpeditionen des Iu- und Auslandes. Für daS Erlchetnen au begimmiea Tagen u. Plätze» wird keine Garantie übernommen. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker,Herzgl.Bayr.Hojbuchhaudlg., Lützowurave 10 kTelephou VI, Nr. 4603). FNial-<?rveöttion:TreSSen Mariensir.JI. Freitaft 18. Januar 1907. 101. Jahrgang. Wähler, geäenkel kurer ?Nicdk am is. Januar! WMt nur national! var Wichtigste vom Lage. * Die „Nordd. Allg. Ztg/ erörtert in einem länge ren Artikel die Frage, wann der K r i e g in S ü d w e st - afrika zu Ende sei. lS. 2. Beilage.) * Die diesjährige Generalversammlung des Bundes der Landwirte findet Montag, den 11. Februar im Zirkus Busch zu Berlin statt. * Einem uns zugehcnden Privattelegramm zufolge hat der Papst die Wahl des Domkapitulars Dr. I o s e f Damian Schmidt zum Bi schof von Fulda be - st ä t i g t. * Das Reichsgericht verwarf gestern die Revision des katholischen Pfarrers Michael Gaisert in Gün - delwangen, der am 6. Oktober v. I. vom Landgericht in Freiburg i. Br. wegen Unternehmens der Berleitung zum Meineide zu einem Jayr Zuchthaus verurteilt worden ist, nachdem ein früheres freisprechendes Urteil des Landgerichtes WaldSbut vom Reichsgericht aufgehoben worden war. (S. Gerichtssaal.) * Im Londoner Kolonialamt wird geglaubt, daß die Zahl der durch das Erdbeben in Kingston obdachlos gewordenen Personen 9000 beträgt, nicht 90 000, wie beute aus New Jork über St. Thomas gemeldet wurde. sS. Neues a. a. W. und Letzte Tep.) * In Nom ist eine neue deutsche evangelische Gemeinde gegründet. lS. Ausl.) M Oie cleuttcbe Zugeml! Am Tage der Rerchsgründung. Die Entscheidung nabt! Gewissenlos haben Zentrum und Sozialdemo kraten, Welfen und Polen um schnödes Geld ge marktet und gefeilscht, wo es galt, die Grundlagen von Deutschlands Kultur und Deutschlands Macht zu sichern und zu stärken. Das war der Anlaß zur Auflösung deS Reichstags. Wieder hat sich di« unerträgliche Herrschaft des Zentrums über Deutschland klar erwiesen. Das Zentrum brauchte im Reichstage nur mit den Sozialdemo kraten, die mit ihrem stumpfen Starrsinn ewig „Nein" sagen, zu stimmen, um die Mehrheit zu haben und alle großen, vaterländischen, fortschrittlichen, volkssreundlichen Gesetze zu Fall zu bringen. Das Zentrum hat diese Macht benutzt, um Schacher zu treiben mit den Lebensnot- Wendigkeiten des deutschen Volkes, um seine Sonderwünsche zu befriedigen, ihm mißliebige Personen aus Amt und Brot zu bringen, seine eigenen An hänger aber der gesetzlichen Strafe zu entziehen. Wie ein Alpdruck lastet das Zentrum auf unserem Volke; die Größe und Freiheit deutscher Politik ist dahin. Jeyt heißt es, uns von diesem Alpdruck zu befreien, zu kämpfen gegen das ränkevolle, konfessionellen Haß erregend«, undeutsche Zentrum, zu kämpfen auch gegen eine Sozial- demokratre, die durch ihre Verhetzung den sozialen Frieden stört, durch Vorgaukeln des nebelhaften Traumes eines Zukunstsstaates die norwendige Besserung her Lage der weniger bemittelten Volks klassen erschwert und durch ihre Abstimmung im Reichstage das rückschrittliche Zentrum zur ausschlaggebende» Partei macht. Wir jungen Bürger aber wollen wirken: für freiheitliche Politik auf vaterländischer Grundlage, für sozialen und kulturellen Fortschritt, für wirtschaftliche Hebung der Minder- bemittelten, für Stärkung deutscher Wehrkraft und deutschen VolkstumS, für die Einigung des Liberalismus. Wer mit uns fühlt die schmachvolle Demütigung Deutschlands unter die undeutsch« ultra montane Partei, wer mit uns glaubt an di« Kraft deutschem Wesens, an «ine herrliche Zukunft unsere- Reiches, an den Segen einer freiheitlichen Entwicklung unseres Volkslebens, der schließe sich uns an und wirke mit allen Kräften für die Wahl national und liberal ge sinnter tatkräftiger Männer. Auf in den Kampf mit der Losung: .Für Vaterland nnd Freiheit!" Der Reich-Verband der Vereine der «nttonallidcrnlc« Ln^nd. Der bemagsge vernbiilg. Eine unfreiwillige Burlesque des sozialdcmo- kratischen Parteivorstanves. Der sozialdemokratische Parteivorstanb ist von allen guten Geistern definitiv verlassen worden, waS ibm nicht übel genommen werden kann. Die Folgen allerdings sind eul- leylich, denn da der Vorstand nun auch nicht mehr den mildernden Beistand ethisch - ästhetischer Salonrevolutionäre genießt, ist sein Banausentum auf sich selbst gestellt und produziert eine Sorte Literatur, die redlich das Prädikat scheußlich-schön verdient. Man muß den letzten Wahlaufruf deS Parteivorstandes im „Vorwärts" selbst gelesen haben, um loschen kullurellen Tiefstand sür möglich zu halten. Und das bei den Göttern einer Partei, die aus Parteiwort ver sprochen hat, die gesamte Menschheit zur Sonnenhöhe der Kultur cmporzusühren. Schauerlich ist vor allem die Sprach gewalt des Ausrufs. Wen ergriffe es nicht wie Sturmes- wehen im Innersten, näml ch in den Eingeweiden, wenn er ren gewaltigem Schlußruf fettgedruckt sich rtcken sicht: „Ein Hüben, ein Drüben nur gilt!" Schreckensbleich, von Zuckungen erschüttert, stürzt auch jeder nicht völlig abgebrühte Genosse von dannen und bittet im Geheimen Herrn v. Studl die schwersten Vorwürfe ab. Auch der ist surchibar. Aber solcher Satz lastet doch nicht auf seinem Gewissen. Indessen uns rüst die Pflicht. Also mit Todesverachtung auf das Ungeheuer von Ausruf! Gleich der erste Satz ist ein Dokument dafür, mit wie wenig Klugheit doch eine große Partei regiert werden kann: „Von den verschiedensten Seilen wird uns berichtet. Laß die Gegner für den 25. Januar den Schlepperdienst in der um- lün ilichslen Weise organisieren und kamst hoffen, uns eine Anzahl Wahlkreise zu entreißen. Auch ein Teil der Behörden scheint hinter dieser Maßnahme zu stehen.' Für diesiui^n, denen der Verorecherjargon nichr ge.^ustg ist, muß hrer bemerkt werden, daß der „Schlepper" ein Subjekt ist, daS Falsch'pielern, Zuhältern und ähnlichem Ge lichter Kunden zuführt. Die Genossen, die von ihrer Partei am Wahltage zum Dienst kommandiert werten, wissen nun wenigstens, wie sie von ihren Häuptlingen rangiert werden. Sie sind Schlepper. Diese Hochichätzung soll die sozialdemo kratischen Arbeiter begeistern, am Wahltag die Arbeit nicoer- zulegen und sich rechtzeitig dem Wahlkomitee zur Verfügung zu stellen. Denn, sagt der Parteivorstanb: „Nur keine Einlullung." O süßeS Wort. Einlullung! Wenn das nicht wirkt. Und deshalb ist auch die Zuversicht deS ParteioorstandeS vollauf berechtigt: „Der 25. Januar muß ein Wahltag werden, wie das Reich noch leinen halte." Muß er! „Vertreter der Aristokratie und Bankokratie (au!) erlassen Aufrufe zu Geldsammlungen, um unS, die verhaßte Sozial demokratie, zu bekämpfen". Die Sozialdemokratie tut „so was" natürlich nicht. Die bat noch nie einen Arbeiter ge fragt, ob er „reine Wäsche" habe. Die hat noch nie einen kleinen Gewerbetreibenden mit dem Boykott bedroht, wenn er nicht „gutwillig" zum WahlfondS der Genoffen steuert. Daher ist das Geldsammcln doppelt unrecht von der Banko kratie. Apropos Bankokratie. Das ist natürlich so eine ver ruchte Sozietät, die irgendwie mit Bankos Geist zusammen hängt. Und wo etwas von Geist verlautet, da kann es für einen sozialdemokratischen Parteivorstand nur heißen: Auf ibn! Nachdem der tüchtige Parteivorstand sich auf die Weise in die rechte KampseSstimmung gebracht hat, geht er aus seinen Hauxtgegner los. Zittere, Dernburg! Nun komntts. „Parteigenossen! Als Herr Dernburg noch Direktor der Darm- städter Bank und Direklions- und Aussichlsratsmstglies in zahl reichen andern Bank- und Jnbustrieunternehmungen war, waren die deutschen Kolonien ihm Hekuba. Damals hat er sich nicht um sie bekümmert und er hat wohl keine einzige der von ihm und seinen Freunden kommandierten Millionen für die Kolonien riskiert. Seitdem er aber Kolonialdirektor geworden ist, ist die Erleuchtung über ihn gekommen." Aus unserer Personalkeuntnis heraus wäre es nicht schwer, manches pikante Analogon zu konstruieren. Indessen war ein Herr Bebel so liebenswürdig, uns jeder Anstrengung in dieser Richtung zu entbeben. Er bat nämlich jüngst mit dem bekannten freisinnigen RechiSanwalt und Reichstags kandidaten Dr. Ablaß wegen einer Wahlpolemik einige Briefe gewechselt, in denen folgende Sätze stehen: „WaS hat diese rein persönliche Angelegeubeit (Bebels Erbschaft von einigen hunderttausend Mark) in Ihrem Wahlkampf zu tun'? Oder ist Ihre Partei bereits so auf den Hund, daß sie zu solchen Mitteln der Verdächtigung und der Lüge greifen muß- . . . Ich kann schlechterdings nicht begreifen, wie ein anständiger Mann sich mit solchem Klatsch und Tratsch im Wahl kampf abgeben kann." Recht hat der Herr Bebel. Auch wir können eS nicht begreifen, wie sich der Parteivorstand mit solchem Klatsch und Tratsch über Herrn Dernburg als Bank direktor und AussichtSratSmitglied abgeben kann. Vielleicht setzt dieser Briesschreiber Bebel seiner Liebenswürdigkeit die Krone aus und liest einmal seinem Namensvetter im sozial- demokratischen Parteivorstand tüchtig die Leviten. Nun kommt im Wahlaufruf ein Seitenbieb gegen die deutschen Professoren, die über DeruburgS Koloaialprozramm in ein „Jubrlgeschrei* au»gebrochen seien: „Das ist für den, der die deutschen Proiesiorea kennt, kein Wunder! Diese selbigen Prosefsorrn aber schwiege», als im letzten Frübjabr daS preußische Dreiktassenparlament, nnd zwar Natwnalliberale und Konservative im holden Verein mit dem jetzt von ihnen so wütend bekämpften Zentrum, dem preußischen Volke die Schmach antai, dem Schu lgejetzentwurf, den das siock- realtionüre Kultu-nninisterium unter Zustimmung Les Minister präsidenten Fürst Bülow vvrgelegt hatte, mit großer Mehrheit zuzuslimmen." Das muß nun zu unserm Schmerz ein bewußtes Ver schweigen allbekannter Tatsachen genannt werden. Gerade von Professoren ist noch in letzter Stunde ein sehr eindring licher und sehr scharfer Protest mit Hunderten von Unter schriften gegen die Annahme deS preußischen Schulgesetz- eulwuns gerichtet worden. Schließlich faßt der Parteivorstand seine ganze Kraft zu sammen in folgende Sätze, denen wir zur größeren Bequem lichkeit unserer Leser gleich die Leipziger Nutzanwendung an gefügt haben. Parteigenossen! Bringt es Len Massen immer wieder ins Gedächtnis: es handelt sich bei den bevorstehenden Wahlen nicht bloß um die Kotonial- potitik und erhöhte Ausgaben hiersür; cs bandelt sich auch um neue Mili tär- und Flotten« und namentlich auch um neue Steuervorlagen; eS handelt sich weiter darum, daß die Politik der Fleuch- und Lebens mittelverteuerung Trumpf bleibt, vast die nichtagrarische Bevölkerung zu- gunsten der agrarischen geschröpft und geplündert wird; es handelt sich endlich um die Frage: ob dem deutlcheu Volke Las allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl recht erhalten bleiben soll oder nicht; ob Deutschland forlfahren soll, durch ic real ckonä.e innere Politik t^r ii-egcnjtand des Spottes und dec Gering- scoäizung, und durch seine provoka torische Militär-, Flotten- und auswärtige Politik—die uns in der Welt isoliert hat — der Gegenstand der Abneigung, um nicht zu sagen des Haffes in der gesamten Kullurwelt zu sein. Nein,es handelt sich auch darum ob das brutsche Voll leine Kultur gegen schwarzeFinsterlingeuud rote Banausen wahren will. WaS das Vaterland braucht, soll ihm werden. vr. Iuuck ist gegen jede Lebensmittel - Ver teuerung. vr. Iuuck ist für das allgemeine, gleiche, di- rekie und geheime Wahl recht. Ohne jeden Vor behalt! Vr. I u nck ist für eine freiheitliche Ausgestal tung der inneren Politik und sür eine friedfertige, aber kraftvolle und wür dige äußere Politik. Und nm unseren Lesern zuguterletzt noch eine Belohnung geben zu können, haben wir uns die Perle des Aufrufs bis hierher aufgespart, lieber die Duuburgsche Agitation urteilt der Aufruf: „Parteigenoffen! Benützt die Spanne Zeit bis zum Wahltag, um solche Vorgänge, die stark an Demagogie grenzen, zu brandmarken. Z tieren ist zwar neuerdings eia wenig in Mißkredit gekommen. Indessen wer vermöchte hier zu widerstehen: tnlerit Orucolioz cke seckitwoe guarouteg! Ja, wer ertrüge Bebel, Dernburg der Demagogie beschuldigend! Da bleibt kein Auge trocken. Vor Heiterkeit! Vie mittleren fteicbrpostbeamken unti Oie Wchrlagttvablev. In wenigen Tagen wird das deutsche Volk an die Wahl urne treten, um durch geheime Abstimmung sich frei und offen für oder gegen die Negierung zu bekennen. Unter dem Heere der Wähler befindet „ch ein Aufgebot von rund einer Viertclmillion Angehörige der Reichspost, die an der Zusammensetzung des zukünftigen Reichstags ganz besonders stark interessiert sind, denn von Sem Reichstage, der das letzte Wort in den Etatsfragcn des R cichs zu sprechen hat, hängt das Schicksal von einigen hunderttausend Beamten familien ab. Es gilt, die Regierung in dem Bestreben, die unzweifelhaft vorhandene Notlage der gering besoldeten Be amten so bald als möglich zu beseitigen, nachdrücklich zu unterstützen. Graf Poiadowsky hat bei Beantwortung der Fleischnot- Jnterpellarion erklärt, daß Deutschland sich eines glänzen den wirtschaftlichen Aufschwunges erfreue, und daß die ver bündeten Regierungen in -.-ne ernste Erwägung der Frage eingetreten seien, ob eine wirtschaftliche Notlage der gering besoldeten Beamten eingetr-ten sei nnd ob die finanzielle Lage des Reichs eine Einkommens-Verbesserung ermögliche. Mil dieser Erklärung sind aber die Beamten nicht zufrie den. Die teuren Zeiten sind nicht Ende 1906, sondern Ende 1904 eingetrclen, und die verbündeten Regierungen hätten also reichlich Zeit gehabt, die zunehmende wirtschaftliche Not lage ihrer Angestellten feftzustcllen. Wenn der Staatssekre tär mit besonderer Genugtuung die glänzende finanzielle Entwickelung unseres Wirtschaftslebens betont und der Gencralpostmeister in seinem fünfjährigem Geschäftsbericht eine ganz außergewöhnliche Steigerung des Postverkchrs und damit der Einnahmen mit Befriedigung feststclleu kann, dann dürfte das Reich doch keinen Augenblick über di« Be- Fassung der Mittel für eine Einkommensverbesserung der Beamten im Zweifel fein. Der Etat der Reichsvostverwaltung weist sür 1807 einen Ncbcrschuß von fast 100 Millionen Mark auf, nach Abzug der einmaligen Ausgaben von über 82 Millionen. Noch niemals ist ein ähnliches Ergebnis zu verzeichnen gewesen; übersteigt doch der Ucberschuß den des Vorjahres um 17 Millionen. Es ist menschlich durchaus leareiflich, daß die Arbeitsbienen der Ncichspost, das sind nicht zuletzt die gering besoldeten BctriebSbeamten, durchaus nicht begreifen, daß trotz dieser glänzenden Entwickelung die notwendigen Mittel für Be sold" na sverb-sserungen nickt erübrigt werden können. Seit IWO ist das Anfangsgebalt der Postbeamten unver ändert auf 1500 -K stehen geblieben, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Zivisanwärter bei der Anstellung durchschnittlich 27-28 Jabre. die M'litöranwärter dagegen 33-35 Jahre alt sind. Nach dem D'enstaltcrstusen-System geschieht daS Aufrücken zwar gleichmäßig, aber so langsam, daß das Höchst- gehalt von 3000 erst 24 Jahre später, also kurz vor dem 50. Lebensjahre erreicht wird, während die Militäranwärier noch 6—8 Jahre länger warten müssen. Bei späterem Ein tritt oder verspäteter Ablegung der Prüfung stellt sich das Bild entsprechend schlechter. Nach dein Postetat beträgt das durchschnittliche Einkommen eines Assistenten oder Ober- Postassistenten 1950 .tst jährlich, während es eigentlich 2250 betragen müßte. Aus diesem Grunde hat das Organ der Assistenten die Behauptung ausgestellt, daß die Assistenten klasse. die früher die Gehaltszulagen in der ersten Dienstzeit schneller erhielt, durch das an und für sich segensreiche Dienstaltersrufensystem um etwa 9 Millionen Mark jährlich benachteiligt iei. So ganz -rundlos kann diese Behauptung nicht sein, denn das Reichspostamt hat bisher keinen Gegen beweis geführt. Nach Lage der Sache ist die Laufbahn des initiieren Post beamten nichts weniger als rosig zu bezeichnen. Während bei fast allen Behörden für den Eintritt rv dir mittlere §aurbaon allgemein das Neisczeuauis sür Obersekunda vor geschrieben ist und auch etwa 96 Prozent aller prugen Post- gehülfen das einjährige Zeugnis besitzen, begnügt sich die Ncichspost »rotz aller Petitionen ihrer Beamten in der Theorie mit dem Reifezeugnis ?ür Untersekunda, verlangt aber dafür eine vierjährige Vorbereitungszeit, andere große Verwaltungen nur 3 Jahre. Nach 4 Jahren kann sich der Gebülse zur Ablegung der Assistcntenprünrnq melden, nach deren Bestehen er als nichtangestellter Beamter die nächsten 5—6 Jahre Tagegelder von ^L5 ^l. bis 5 ^l. bezieht. Bis zur etatsmäßigen Anstellung vergeben demnach rund 10 Jcchre. Die Gehaltssätze der angestellten Postbeamten bewegen sich zwischen 1500 bis 3000 in dreijährigen Stufen, so daß di« Zivilanwärter nach einer Gefamtdienstzeit von 31 Jahren das Höchstgehalt erreichen können. Die Beamten der preußi schen Verwaltungen sind durchweg besser gestellt. Allerdings gelangen die Postsekretäre von 1700 ans 3500 .< End- gehalt, aber dabei ist in Betracht zu ziehen, daß dazu eine zweite sehr schwierige Prüfung äbzu'cgen ist. Es erfordert eine eiserne Energie und rastlosen Fleiß, sich neben einem anstrengenden Dienst in seiner kurzen Erholungszeit mehrere Jahre auf diese Prüfung vorznbereiten und ein gitt Gell» und Gesundheit dafür -u opfern. Infolge der vervatt- nismäßig geringen Zahl der besseren Snbalternstellen kann nur jeder sechste Assistent eine Sekretärstelle und ein noch ge ringerer Teil später einmal eine Obersekretärstelle sbis 4200 F.) erhalten. Demnach verbleiben etwa fünf Sechstel aller Assistenten, mögen sie noch jo befähigt und strebsam sein, endgültig in der AsMcntenstellung stecken, die bei der Reichspost rrotz der Personalrcform von 1900 in Wirklichkeit Endstellung geblieben ist, während sie bei den übrigen Ver waltungen sür die große Mehrheit eine Durchgangsstellung ist. Die 10 Jahre lang vom Assistent" "verbände bei st erkämpfte Personalrcform von 1900 brachte nur einem geringen Bruch teile der Assistenten, die sich der schwierigen zweiten Prüfung mit Erfolg unterzogen, wohlverdiente Erfolge, den übrigen aber erwuchsen noch schwere dienstliche und gesellschaftliche ' ^en. Denn die Ncichspost brauchte für die neuen Sekretäre Stellen, und wieder waren cs die Assistenten, die ihre den Oberassistenten zugesprobenen wichtigeren und verantwortungsvolleren Stellen den Sekretären räumen mußten. Vielfach sind dies die letzten Stellen, die einiger maßen regelmäßige Dienstschichten haben: die übrigen Sti len mit Bureaudienst haben die Assistenten bereits seit Jah ren, weniger aus angeborener Galanterie, als der Not ge horchend, den Damen preisgegeben. Schon wiederholt bat man oen beachtenswerten Vorschlag gemacht, die Gebaltsverbältnisse der Beamten in regel mäßigen, etwa fünfjährigen Zeitabschnitten einer eingchen- den Prüfung daraufhin zu unterziehen, ob sie noch den un bedingt notwendigen Anforderungen ent'vrecsten. Nn'er den jetzigen Verhältnissen sind die Beamten Wohl ober übel gezwungen, ihre berechtigten Düw'che der Oeffentlichkeit und dem Parlament immer "st cd er ru unterbreiten, nm im günstigsten Falle mit dieser Hilfe eine Besoldnngserbäbung zu erreichen, die ihnen schon ein Jahrzehnt früher hätte be- williat werden müssen. Mit leeren Vertröstungen, Ver sprechungen und Erwägungen kann inan die Notlage der Be amten nicht beseitigen. Notwendig erscheint die Schaffung von Deamtenausschü'- sen, die berufen sind, lokale Wünsch« zu belxindeln nnd kleinen Beschwerden selbständig abzuhelfen. Sie würden sür Postverwaltung und Reichstag eine wesentliche Einlastung bedeuten. Die dringendsten Wünsche der Assistentenklasse be wegen sich aber in folgender Richtung: Der Gehülst, der die Reife sür Obersekunda besitzen must erhält nach erfolgter Ausbildung eine st'lgesttzte, nicht beliebige Vergütung. Nach dreijähriger Vorbercitungss nt bat er eine Prüfung abzu legen, deren Beheben chm sämtliche Stellen der mittlcr-n Laufbahn erschließt. Nur für die Stellen der Obersekre- töre ufw. ist eine zweite Prüfung abzulegen. Die vorhan denen etwa "6 000 Assistenten sollen nacy nnd nach in Sckre- tärstellcn üb'rgenchrt werden. Die entstehenden Kosten können in der Weise auf das geringste Maß zikrückgesührt werben, daß man nach und nach gewisse einseitige Arbeiten einer neuen, niederen Beamtcnklasse zirweist. Die Neuord nung nnirde eine jährliche Mehrausgabe von wenig mehr als einer Million verirr'ickxm, nach Ablauf von fünf Habren aber bereits Ersparnis'« im Gefolge haben. Neben diesen aus Verbesserung der Laufbahn gerichteten Wünschen kommt für die jüngeren Beamten noch die Forderung aus Erhöhung des Anfangsgebaltes und Verkürzung der ersten Stufen in Betracht, damit der für die Assistentenklasse »ins über 9 Millionen Mark jährlich geschönte GclxiltZverlnst endlich wieder ausgeglichen wird. Damit würbe dies« Klasse aber lediglich das Einkommen wieder erhalten, das sie vor Einsübrung des Stnfensystems bereit? bezogen batte. Hoffentlich werden > ' „ernsten Erwäannaen" der Reichs- regiernng bald abgeschlossen, hoffentlich auch die Beamten am 25. Januar bis E den letzten Mann geschlossen für die nationalen Kandidaten eintrelen. Die Reichsrecherung bat da viel gut zn machen und terlassenes nachzubolen, wenn rvuch sie ihre volle -chukdigkett tun will. Das kann sic aber dadurch beweisen, daß sie auch ihrer gering beialdetcn Be amten gedenkt und nicht widerwillig, sondern freudig an die Erfüllung der berechtigten Dünsche berangebt. Denn die Beamten und Festbesaldeten bilden immer mehr den zuküns- tigen Mittelstand, betten Hebung der Regierung doch beson- ders am Herzen liegen sollte.
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