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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960306026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-06
- Monat1896-03
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. Vie Abend-AuSgabr Wochentags um 5 Uhr. Nedartion uu- Erpe-ition: J»h»nne»,asse 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Vit» Klemm'S Sortim. lAlfrc» Hahn), Untversitätsstraße 1, L»ui» Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KönigSplatz 7. BezugS-Prei- t» der Hauptexpedition oder den im Stadt, bestrk und den Vororten errichteten Au», gavestellen abgeholt: vierteljährliche4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus e 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ährlich 6.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandicnvung ins Ausland: monatlich e 7.50. Abend-Ausgabe. UchMcr TagMatt Anzeiger. Ämtsblalt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Vieclomen unter demRedactiontstrich <4oe. spalten) 50/ij, vor den Familiennachnchten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Mernjatz nach höherem Laris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mil der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 60.—, mit Postbeförderung .sl 70.--. Ännahmeschlnß für Anzeige»: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^LllS. Freitag den 6. März 1896. so. Jahrgang. Amtlicher Thetl. Sparkasse Paunsdorf, «aranttrt von der Gemeinde. Tparverkehr im Februar 1806: 130 Einzahlungen im Betrage von 14,761 -Ä 80 Keine Rückzahlungen. 82 neue Bücher ausgesertigt. Verzinsung der Einlagen mit 3° „ Proceut. Expedilionszeit: täglich von 9 bis 12 Uhr Bormittag. Geschäftslocal: Gemeindeamt. Hypotheken-Darlehne werden jederzeit vermittelt. Ter Lparcassen-AiiSschus;. Gemeindevorstaad Dölling, Borsitzender. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. März. Der Reichstag hat gestern nach viertägiger Debatte die Amkersteuervorlagc an eine besondere Commission verwiesen, schwerlich aber hat auch nur eins der Reichstagmitglieder, die diese Nuß der Commission auf die Zähne packten, eine Ahnung von der Gestalt gehabt, in der die Nuß diesem Gehege entrinnen wird. Kaum jemals hat die erste Lesung eines wichtigen Gesetzentwurfs eine solche Fiille gegensätzlicher Anschauungen zu Tage gefördert. Wenn trotzdem die Hoffnung noch nicht aufgegeben werden darf, daß die Arbeiten der Commission nicht mit einem negativen Er- gebniß enden, so liegt dies daran, daß ein wesentlich anderer Weg zur Erkaltung der deutschen Zuckerindustrie, als die Regierungsvorlage ibn vorschlägt, nicht zu finden ist. Diese Erkenntniß scheint sogar im freisinnigen Lager hier und da aufzudämmern. Während die Mehrzahl der freisinnigen Agitatoren und Preßorgane in dem Jargon, dem der „secttrinkende Liebesgabenbettler" als der am häufigsten wiederkehrende Ausdruck angehört, die Nothlage und die national-wirthschaftliche Bedeutung ver Zuckerindustric leugnet, erkennt die „Voss. Zeitung" an, daß dieses Gewerbe sich „in einer gefährlichen Lage" befindet und daß „jetzt unendliche Capitalien in der deutschen Zuckerindustrie angelegt sind". Das Blatt verschmäht eS auch, das Sprüchlein von der Hebung des inländischen Verbrauches herzusagen, und räumt ein, daß diese Capitalien „nur" rentabel werden können, wenn das Ausland große Mengen deutschen Zuckers verzehrt. Also auch der Freisinn ist gegenüber der Frage, deren Lösung die Zuckersteuervorlage versucht, gespalten. Die „Voss. Ztg." findet nun freilich in dem dem Entwürfe zu Grunde liegenden Ge danken einen „Widersinn" und verweist auf den Abschluß von Handelsverträgen als daS Mittel, die Aus fuhr von deutschem Zucker zu sichern. Dieser gute Ratb hat aber jedenfalls noch weniger Sinn, als die Vorlage. Wir befinden uns ja inmitten einer „Handelsvertrazsära", und wenn Deutschland noch weiter solche Verträge, vielleicht zum Nachtheil anderer deutscher ProductionSzweige, abschlösse, so würde vermöge der Meistbegünstigungsklausel und auch ohne dieselbe die Ueberlegenheit bestehen bleiben, die andere Zucker länder durch ihre höheren Ausfuhrprämien gegenüber dem deutschen Zuckerexport besitzen. Nur eine Art von internationalen Verträgen kann eine Gesetz- gebuug zum Schutze der gefährdeten deutschen Zucker- mdustrie entbehrlich machen, nämlich Vereinbarungen über die Abschaffung der Prämien. Dafür hat die deutsche Regierung trotz ernster Bemühungen die prämien gewahrenden Staate» auf dem „friedlichen" Wege, den die „Voss. Z." einaeschlagen zu sehen wünscht, nicht zu gewinnen ver mocht. Die Vorlage versucht es auf dem anderen, indem sie Frankreich, Belgien rc. die Schattenseite der Prämienwirth- schaft zeigt. Sie Hal darum Anspruch auf die grundsätzliche Unterstützung aller Derjenigen, die über die Verhältnisse der Zuckerindustrie und die Nützlichkeit inlernationaler Handels vereinbarungen so denken, wie die „Vossische Zeitung". Die Sorgfalt und Wahrheitsliebe, die Herr Bebel bei der Auswahl der Opfer seiner Angriffe im Reichstage aufzuwenden pflegt, erfahren von Neuem eine Beleuchtung in der Erklärung, die ter Vorstand des Deut schen Kriegerbundes gegen Behauptungen Bebel's ver öffentlicht hat. Der ebenso eifrige wie scrupellose und kleinliche Sammler von „gegen den Militarismus zeugenden Doku menten" hatte über die Moral der Kriegervereine den Stab gebrochen, weil er — angeblich — drei Belege über Um flätbigkeiten, die sich solche Vereine bei Festlichkeiten zn Schulden hätten kommen lassen, in seine»! Besitze hätte. Diese drei Fälle werden von Bebel selbst als in einen Zeitraum von 14 Jahren fallend bezeichnet. Kriegervereine giebt es 16 000; inan könnte demnach die Berechtigung des Bebel'schen Verdainmungsurtheils auch dann würdigen, wenn die drei Fälle wirklich sich ereignet hätten. Der Vorstand des deutschen Kricgerbnndes weiß nur von einem, und wie lag der? Das anstößige Festprogramm, das Herr Bebel „auf den Tisch des Hauses" niederlegte, ist nicht nur nicht aus geführt worden, es ist auch gar nickt von dem Vorstande des betreffenden Krieger vereins entworfen gewesen, sondern von einem mit ver Leitung der Aufführung betrauten Schauspieler, der unbefugt das Programm festgesetzt und unter Umgebung des Vorstandes in eine Druckerei geschickt batte. Tort ist es zum Vortheil des „Vorwärts" gestohlen worden. Ob nicht schon die Ab fassung des schimpflichen Programms in usum des Herrn Bebel erfolgt ist, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist sicher, daß Bebel den geschilderten wahren Sachverhalt hätte kennen können, als er im Reichstage den falschen vortrug. Denn in dem Organ des Kriegervereins war schon Anfangs Januar die Aufklärung mit dem Bemerken erfolgt, daß der Verein aus dem Bund ausgeschlossen worden wäre, wenn er nicht seine Schuldlosigkeit an der Abfassung des anstößigen Programms weiter hätte darthun können, daß den Festtheilnehmern ein anderes Programm vorgelegt worden sei, als das des Gewährsmannes des Herrn Bebel. DaS Ministerium EriSpi bat nicht den Zusammentritt deS Parlaments abgewartet, um von diesem sein Unheil ge sprochen zu erkalten, sondern ist diesem Spruch zuvor gekommen und hat dem König seine Entlassung angevoten. Der König bat dieselbe angenommen und das Ministerium wird, wie es für die Stimmung in Italien charakteristisch heißt, „zur Aufrechterhaltung der Ordnung" die Geschäfte vorläufig weiterführen. Man muß in dem Entschluß deS Cabinets eine Wirkung der ungeheuren Erregung erblicken, welche die beispiellose Niederlage der italienischen Waffen und die damit verbundene Erschütterung des militairischen und politischen Prestiges Italiens im ganzen Lande hervorgerufen hat. Diese Erregung wird sich, wie vorauszusehen, auch im Parlament Luft schaffen, und sie würde mit voller Wucht, mit maßloser Heftigkeit, jedenfalls von Seiten der äußersten Parteien, auf bas Ministerium sich entladen, wenn dieses noch im Amte wäre. Nun ist Crispi nicht der Mann, der den Angriffen seiner Gegner furchtsam ausweicht, aber man müßte sich auf Stürme gefaßt machen, die von schlimmer Rückwirkung auf das Land sein könnten, die ohne allen Nutzen der Nation zur Unrebre gereichen müßten und Crispi schließlich doch zum Rücktritt gezwungen haben würden. DaS Ministerium, indem es vorher vom Schauplatz abtritt, entzieht sich nicht seiner Verantwortung, aber es entfernt einen Anlaß für die Ent fesselung ungezügelter Parteileidenschaften. Ueber die Wahl der Nachfolger des gestürzten Ministeriums läßt sich noch nichts sagen. Die Berathungen des Königs mit den Partei führern werden wohl noch einige Tage dauern. Man spricht von einer Combination Rudini's mit dem General Ricotti. Die Entscheidung wird schon deshalb eine schwierige sein, weil sie zugleich die Entscheivung über die künftige Afrikapolitik in sich schließt: entweder rascher Friedens schluß mit Verzicht auf die Weitgreisenden Pläne, zu deren Durchführung bisher wenigstens die angewandten Mittel sich als unzureichend erwiesen haben, oder aber Fortsetzung des Krieges mit äußerster Kraftanstrengung. Würde Italien jetzt vor dem siegreichen Menelik einfach die Segel streichen und sich lediglich auf den Küstenstrich nm Massaua zurück ziehen, so ließe sich das mit Rücksicht aus die gefährdete Finanzlage des Landes vielleicht rechtfertigen, aber alle Welt würbe darin einen Triumph jener fran zö si schen Strebungen erblicken, die seit der Occupation der Regentschaft von Tunis durch Frankreich consequent darauf ausgingen, das jugendliche Italien zu einer Macht zweiten Ranges hcrabzudrücken und gleichzeitig damit den Drei bund zu erschüttern. Entschlüsse sich Italien zu einer solchen Selbsterniedrigung, so würde der Erfolg, den die französische Politik bei Adua zu verzeichnen gehabt hat, noch vervollständigt werden, wenn es nicht gelänge, Crispi in Italien am Ruder zu erhalte»; denn mit ihm steht und fällt im gewissen Sinne die Widerstandskraft Italiens gegen Frankreich und der praktische Werth ver ferneren Zugebürig- heit deS Königreichs zum Dreibunde. Aus diesem Grunde allein schon möchten die „Hamb. Nachr.", daß eS in letzter Stunde gelingt, den definitiven Rücktritt Crispi's und damit das Platzgreifen unberechenbarer Zustände in Italien zu verhindern. Allein in der gesammten nationalen Presse Italiens kommt der Entschluß zum Ausdruck, Alles zum Opfer zu bringen, um die Ehre deS Landes und seine Stellung als Großmacht zu retten, und so darf man die Hoffnung noch immer nicht aufgeben, daß es Italien ge lingen werde, die erythräische Politik zu einem ehrenvollen Ende zu führen, daS verlorene Terrain wieder zu erobern und für seine dauernde Erhaltung Garantien zn schaffen. Damit wäre zugleich durch die Pläne Frankreichs ein Strich gemacht und Italien bliebe nach wie vor ein werthvolles Glied im Dreibunde, auch wenn Crispi vorläufig nicht mehr die Zügel der Regierung führt. König Humbert ist von den großen Vortheilrn, welche für Italien aus seiner Zugehörigkeit zum Dreibund entspringen, nicht minder über zeugt, als sein langjähriger Ministerpräsident, und man darf vertrauen, daß er zum Nachfolger Crispi's nicht einen Gegner von dessen Dreibundpolitik berufen wird. Sollte aber diese Politik wieder der festen Stütze bedürfen, die sie in Crispi jederzeit gefunden, so wird der große Patriot sich seinem Vaterland sicher nicht entziehen. DaS Alles dürfte aber spätere Sorge sein, vor allen Dingen bandelt es sich darum, daß die tiefe Scharte von Adua glänzend ausgewetzt wird. Dieser Wunsch ist in dem verbündeten Deutschland so lebendig wie in Italien selbst. Bis jetzt ist die kubanische Angelegenheit, soweit sie das Verhältniß Spaniens zu den Vereinigten Staaten betrifft, nicht in ein acutes Stadium getreten. Der Senat in Washington hat, wie wir mittheilten, den milderen Beschluß des Repräsentantenhauses nicht acceptirt, dagegen sind nach neueren uns zugegangenen Meldungen ric Commissionen des Senats und deS Repräsentantenhauses gestern zu einer Berathung zusainmenaetretcn und haben nach kurzer Berathung den Beschluß des Repräsentantenhauses an Stelle des Senatsbeschlusses angenommen. Der Bericht über diese Einigung ist dem Senat unverzüglich zugegangen und wird am Montag in eine Berathung desselben eintrelen. Angesichts der Mißstimmung, die sich ziemlich allgemein in den Vereinigten Staaten über den Senatsbeschluß bemerkbar macht, und bei der ausgesprochenen Abneigung der Regierung, irgendwie sich in die kubanische Sache einzumischen, darf man erwarten, daß die Chauvinisten im Senat wie in dem Repräsentantenhaus? sich wieder beruhigen werden. Wie die Madrider Zeitung „Dia" meldet, telegraphirte der spanische Ge sandte bei den Vereinigten Staaten, Dupui de C6me, an das Ministerium, Präsident Cleveland werde, solange er Prä sident sei, sich weigern, die Aufständischen auf Cuba als kriegführende Macht anzuerkennen und zu inter- venirrn. Bei dieser durchaus correcten ruhigen Hal tung des Präsidenten wäre eS nur zu wünschen, daß die Leidenschaftlichkeit des spanischen Volkes sich Zügel anlegte, um den Brand, der bereits iin Erlöschen ist, nicht wieder anzufachen. Leider haben wieder in Valencia, wie uns der Draht meldet, gestern abermals Kundgebungen gegen die Union stattgefunden, und zum zweiten Male sind die Fenster eines amerikanischen ConsulatSgebäude« durch Steinwürfe zer trümmert worden. Wegen des ersten Falles hat die spanische Negierung sofort Genugthuung geleistet, waS in Washington einen vorzüglichen Eindruck gemacht hat. Kommen derartige Ausschreitungen aber wiederholt vor, so geräth Regierung in den Verdacht, daß sie die selben Hintanzubalten außer Stande, oder außer Willens sei. Beides gleich schlimm. UebrigenS veröffentlicht die Regie rung soeben einen Aufruf, in welchem sie die Bevölkerung zur Ruhe mahnt und versichert, daß alle Maßregeln getroffen worben seien, um den Besitz CubaS zu behaupten. Zn diesen Maßregeln gehört Wohl auch der Ankauf von zwei fertigen Kreuzern zum Preise von 6 Millionen und zahlreichen Waffen, wozu der Ministerrath, dem Pariser „TempS" zufolge, den Marineminister ermächtigt hat, sowie die von verschiedenen Seiten behauptete Einleitung von Ver handlungen mit Frankreich wegen einer Anleibe und sonstiger Unterstützung. Dieselben kommen erst in zweiter Linie als Vorsichtsmaßregel gegen eine bewaffnete Intervention der Vereinigten Staaten in Betracht, die in ziemliche Ferne ge rückt scheint, zumal da die Chancen der Spanier den cubanischeu Insurgenten gegenüber — allerdings sind wir nur auf ossicielle Madrider Meldungen angewiesen — sich nicht un wesentlich zu bessern scheinen. In Kanada droht eine Schulfrage zur BundeSexeculiou gegen die Provinz Manitoba zu führen. Dort arbeiten die Katholiken französischer Abstammung seit längerer Zeit gegen die gemeinsamen confessionSlosen Schulen, für die die Protestanten eintreten. Die letzten Wahlen in Manitoba, die unter dem Zeichen der Kirckenfchulen vorgenommen wurden, fielen gegen die Katholiken aus, die sich nun an die kanadische Centralregierung mil ihrer Beschwerde wandten. Diese stellt sich auf Seite ter Katholiken. In einer Rede bei Eröffnung deS kanadischen Parlaments erklärte der „Voss. Ztg." zufolge der General gouverneur, daß eine Vorlage wegen Einführung getrennter Kirchenschulen in der Provinz Manitoba zur Annahme vor- Feuillrtsn. Seine „dumme" kleine Frau. 17s Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck vkrdoten „Vier, fünf Wochen bleibt der Amtsrichter dienstunfähig," hörte Herrengrund den Arzt sagen. „Mich wundert's, daß eS bei der gegenseitigen Erbitterung noch so abgegangen ist. Im Uebrigen — hm — hätten Sie den einen Hieb nicht aufgefangen, Haberkorn, Herr von Rötlingen würde daS Letzte gemacht haben. Er war auf den Bauch gerichtet. Scheußlich! Die Fechtweise deS Amtsrichters war büchst correct." Ernst von Rötlingen bemerkte nichts zu diesen Worten, obwohl er sie hätte.bestätigen können. Er sab etwas bleich, aber befriedigt über den Ausgang aus. Nicht ganz so aleichmüthig, wie er sich den Anschein gegeben, sah er dem Ausgang dieser Säbelaffaire ohne Binden und Bandagen entgegen. Instinktiv hatte er den Haß des Gegners gefühlt, der sich wiederholt in commentwidrigen Ausfällen zu erkennen gegeben. Erst im vierzehnten Gang war die Kampfunfähigkeit des Amtsrichters constatirt worden. Er war bewußtlos vom Kampfplatz getragen, während Ernst von Rötlingen nur unmittelbar über der Nasenwurzel durch den Ausläufer eines Hiebes leicht verletzt war und im Ober arm eine unbedeutende Fleischwunde empfangen hatte. Di« vier Herren bestiegen den Wagen und fuhren in der Richtung nach G. davon. Unmittelbar daraus begab sich Herrengrund in daS Parterre des Hause», um Erkundigungen über den ver wundeten Amtsrichter rinzuziehen. Dieser gab durch sein persönliche» Erscheinen im Gast zimmer den Beweis, daß seine Verwundung nicht als eine lebensgefährliche zu betrachten war. Er trug aber den rechten Arm in einer Binde und sein Gesicht war erdfabl. Durch den Anblick de» befreundeten RechtSanwalte» schien er anfana« unangenehm berührt. Doch faßte er sich bald. „Warum bestritten Sie die Geschichte, Börner?" Der Verwundete zwang sich zu einem Lächeln. „Nun so etwa» pflegt man nicht gerade an die große Glocke zu hängen, Herrengrund", gab er in verdrießlichem Tone zurück. Der Anlaß ärgert mich. Um dieses Lumpen willen!" „Sie meinen doch den Hauptmann, Börner?" „Wen sonst?" „Sind Sie noch immer derselben Meinung?" „Na — was denn? Selbstverständlich, Herrengrund — der Amtsanwalt hat mich auf eine Idee gebracht. Der von Greifingen könnte entlarvt werden." DaS Gesicht des Amtsrichters machte einen beinahe un heimlichen Eindruck. In seinen Augen glühte der Haß. „Auf welche Weise?" fragte Herrengrund jäb. Die Worte des Amtsrichters hatten förmlich belebend auf ihn gewirkt. „Hm! Ich möchte einmal in der Angelegenheit Rück sprache mit Ihnen nehmen. Wann treffe ich Sie sicher zu Hause?" „Morgens vor neun Uhr und Nachmittags zwischen drei und fünf Uhr." „So werd' ich mir in den nächsten Tagen erlauben." „Wird mir angenehm sein." Indem der Amtsrichter von Herrengrund sich abwandte, umspielte ein höhnisches Lächeln seinen Mund. Er war überzeugt, daß er denselben zu Allem willfährig finden würde, das dazu führen konnte, seine vorgefaßt Meinung be stätigt zu sehen. Für die nächsten Tage konnte Amtsrichter Börner uun freilich nicht daran denken, seinen Vorsatz, Herrengrund zu vesuchen, zur Ausführung zn bringen. Ein heftiges Wund- fieber hatte sich bei ibm eingestellt, so, daß er auch bei einem Besuch deS Rechtsanwaltes außer Stande war, demselben einen Plan zu unterbreiten, der ihn auf das Lehhafteste be schäftigte. ES war selbstverständlich, daß die Duellangelegenheit ruchbar geworden und nun in allen Kreisen auf da» Leb hafteste besprochen wurde. Frau Gertrud erfuhr nicht zuletzt davon, aber nur den schlichten Thatbestand. Bei ihrem Gatten nachzuforschen, fehlte ihr der Muth, und wer sonst bätte ihr Auskunft geben können? Daß der Vorgang mit Herrn von Greifingen in Verbindung stand, glaubte sie wobl annehmen zu dürfen, und sie wurde in dieser Annahme be stärkt, indem sie sich die intimen Beziehungen, die sich zwischen dem Amtsrichter und ihrem Gatten entwickelt, ver gegenwärtigte. Eine« Tage» batte Börner Herrengrnnd zu sich bitten lasten. » Die junge Frau war den Nachmittag allein geblieben. Als ihr Gatte zum Abendessen nach Hause zurückkebrte, zeigte er sich besonders animirter Stimmung, obwohl die Spannung zwischen ihm und seiner jungen Gattin nicht wieder beseitigt worden war, sondern sich nach wie vor darin zu erkennen gab, daß zwischen Beiden nur unumgänglich notbwendige und gleichgiltige Dinge besprochen wurden. Herrengrund hielt es für taktisch gut, Gertrud zu zeigen, daß er ihren Worten nicht geglaubt und ihr nicht verziehen habe, und diese folgte ihren Gefühlen, indem sie dem Gatten gegenüber eine kühle Zurück haltung beobachtete. Die Furcht, daß die gegenseitigen An schauungen niemals würden überbrückt werden können, wan delte sich immer mehr in eine Gewißheit. Nach dem Abendessen zog Herrengrund, seiner Gewohnheit entgegen, sich in sein Arbeitszimmer zurück, wo er bis gegen Mitternacht arbeitete. Die ;unge Frau hatte sich längst zur Ruhe begeben, obwohl sie überzeugt war, daß sie auch diefe Nacht, wie die vorhergehenden, schlaflos verbringen würde, als ihr Gatte noch immer an seinem Schreibtisch saß und arbeitete. Erst gegen ein Uhr begab auch er sich zu Bett. Auch am folgenden Morgen fand Frau Gertrud ihn in bester Stimmung. Sie fühlte sich durch dieselbe beunruhigt, glaubte sich aber mit der Vermuthung trösten zu können, daß er vielleicht geschäftlich stark in Anspruch genommen sei, ein Umstand, der seine gute Laune erklärlich machte. Nachdem Herrengrund sich entfernt, begab die junge Frau sich in fein Zimmer, um Staub zu wischen. An den Schreib tisch tretend, sab sie unter der Thür des Aufsatzes den Zipfel eines Stückes Papier sich bervordrängen. Sie wünschte cs zu entfernen, da es ihr einen unordentlichen Eindruck machte. Indem sie es zwischen ihre Finger nahm und daran zog, fand sie aber doch Widerstand, der Zipfel war nur rin wenig weiter hervorgekommen, und bei dieser Gelegenheit fielen ihr einige Worte ins Auge, die ihr anfangs nicht auffällig waren, aber ihr die Frage aufdrängten, WaS sie bedeuten könnten. rS von Greisingen statt, ist der Staatsanwaltschaft entscheiden haben wird wahrscheinlich mit bat. ebr hinzuznfü- den bewahren. Frau Gertrud fand keine Erklärung für diese» Bruchstück eine« Schreibens, daS von der Hand ihre« Gatten entworfen war. Sie fühlte aber ihre mühsam bekämpfte Unrube von Neuem wieder bervorbrechen und eS gelang ihr auch nicht mehr, sie zu bekämpfen. Schon die Verbindung des Namens von Greifingen mit der Staatsanwaltschaft regte sie auf und einen Augenblick kam ihr der Gedanke, den Versuch zu machen, dieses Schriftstückes habhaft zu werden. Indem der Gedanke in ihr lebendig wurde, stieg ein heißes Roth in ibr Gesicht. Es war die Rothe der Scham, aber es flammte auch zornig in ihren Augen auf. Sie fühlte sich auf einem Abwege. Wie wäre es möglich gewesen, daß sic ehemals einen derartigen Gedanken hätte fassen können? Die Luft, welche sie atbmete, wirkte demoralisirend. Sie hatte in der kurzen Zeit, in welchem sie Wilhelm Herrengrund's Gattin war, nicht nur kaltblütig ihn belügen gelernt, sondern dachte auch daran, ein Papier sich anzueignen, daß durch ein Schloß vor dem Einblick in dasselbe geschützt werden sollte. Heute zum ersten Male erwog die junge Frau die Mög lichkeit, einem unheilvollen und entsittlichenden Einfluß sich zu entziehen. Zehntes Capitrl. Assessor Ragubn war jetzt bisweilen Gast im Hause der Angehörigen seines Freundes und sab sich jederzeit auf das Liebenswürdigste empfangen und begrüßt. Schon rin flüchtiger Verkehr mit diesen Menschen diente dazu, seine Vermutbungen in Bezug ans Herrn von Greifingen zu bestätigen. Friedrich Raguhn machte in dieser Zeit d,e Bemerkung, daß auch ihm ein unbedeutender Grad von Egoismus inne wohne. Wa« ibn noch vor kurzer Zeit erbittert, seine Be schäftigung in der Abtbeilung für Cwilsachen, betrachtete er jetzt als eine glückliche Fügung, ermöglichte sie ihm doch einen unbefangenen Umgang mit einer Familie, zu welcher er sich auf das Lebhafteste bingezogen fühlte. Nur bei einem Mitglied deS Hause» fand der junge Mann kein freundliches Entgegenkommen. Hier sab er sich mit Zurückhaltung, um nicht zu sagen mit Mißtrauen betrachtet, di« ibm doppelt schmerzhaft war, al« gerade Hertha von Greisingen in erster Linie den Anziehungspunkt bildete, der ibn von Tag zu Tag lieber den Weg nach dem kleinen Landhause nehmen ließ. Aber Fräulein Lisa war ihm behilflich, Hertha'» Art zu verstehen. Ihre Abneigung aalt nicht feiner Person, sondern einem Stande, dem er mit Stolz angebSrte. Er würde bei ihr ein nnverhoblene« Mißtrauen zu besiegen baden. An dem jungen, zarten Blatte batten raube Winde unsanft gerüttelt, und der Assessor konnte bisweilen der leisen
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