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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.08.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050814019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905081401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905081401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-08
- Tag1905-08-14
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Morgen - Ausgabe VezugS-PretS bi da tzauptexpedttio» »da da« AnSgav» ftrllr» «dg,tz,1tr »terleljahrlkch ^s S^-> »et rwetmaltgrr täglich«, 8»ft«ll»,g in« Han» 3.7L. Durch dt» Post bezöge» für Drntlch- land u. Oesterreich vierteljährlich ^4 4ckX^ fü» di« ädrigen Länder laut Aettun-Spreiältst«. Dies« 1!monier ksfteä ans «llen BahnhSfr» »nd III I bei den Zettuags-Berkäofrrn -E-" i * «ed«ttt»» ,«» ErpestM»« LLL tzanf-recha «> J»h«uääL«A» L -tNU^-HUN« La« dem v!art«n strab« 34 lFernsprecha Ami l Ar. 171SI, riWM.TllgMM Handelszeitung. Hamn-SlltirN VerMn TarlDnncker, HerzalLayrHofbnchLandlg» Lützowftrab» W Eernsprecher Amt VI Nr. 46081. Ämtsvkatt des HSnigü Land- und des Lönrgk. Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. «nzeigeu-Prers die 6gespaltene Petitzeile 25 Familie«- und Stellen-Anzeigen 20 Finanziell« «nzetarn. GeschäftSan,eigen uata Text »da «n vesonderer Stell« »ach Tarif. Di« 4 gespalten« Sirklamezekl« 75^. AnuaHmeschlust ,ür Anzeigen: Abend-An-gabv vormittag» 10 Uhr. Margen-«»«gäbe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet» an dte Axpedttio» »n richt«». »rtra-veU««e, in»» «a da Morgr» Ausgabe) nach besonder« verrinbarnng. Di« «W*dM»» ist wochentags naunterbroche» geöffnet von früh S bi» abend« 7 Uhr. Druck und verlaa von S. Vst» in Leipzig iIuh. vr. B„ R. «c W. Slinkdardt). Herau-geberr vr. Victor Slinkhardt. Nr. 41S. Montag 14. August tSOS. SS. Jahrgang. Var Wchtigrir vsm rage. * Ein Erzgebirgsmuseum soll in Anna- berg errichtet werden. * Im Dresdener 100 -Kilometer- Rennen der Ertra-Klasse wurde Darragon- Paris Erster. Im Stundenrennen siegte Goor- Lüttich. * Aus Paris wird gemeldet, daß Rouvier den Präsidenten Loubet auf seiner Reise nach Madrid bestleitet. In Valence hat Loubet eine Rede gehalten, in der er die Armee preist. * In Andalusien in Spanien herrscht Hungersnot. pslitircbe Astbenrcdau. In der alten deutschen Stadt Gnesen, wo schon im Jahre 1000 unserer Zeitrechnung der jugendliche Kaiser Otto III. am Grabe des Märtyrers Adalbert gebetet hatte, hat Kaiser Wilhelm am letzten Mittwoch eine Rede gehalten, die von neuem das zähe Leben von Rassengegcnsätzen zeigt. Denn im Grunde handelt es sich auch heute noch wie vor tausend Jahren in der Ostmark um den Kampf zwischen Slawen und Deutschen. Dieser Kampf ist mit wechselndem Glück und Erfolg geführt worden: er hat manchmal ein Jahr hundert lang geruht, nm dann wieder mit neuer Stärke zu entbrennen. Aber entschieden ist er auch heute noch nicht. Noch immer müht sich das deutsche Element, die große Aufgabe der Germanisierung der Ostmark, die ihm von seinen Vorfahren überkommen ist, durchzu führen, und noch immer versucht die polnische Bevölke- rung, das lästige Joch abzuschütteln. Daß es auf pol nischer Seite nicht bei passivem Widerstand sein Bewen den hat, sondern daß die Polen sich bereits stark genug fühlen, zum Gegenangriff überzugehen, hat die Grün dung des Vereins „Wacht" durch Herrn v. Kosciclski nur zu deutlich bewiesen. Kaiser Wilhelm spielte wohl auf diese Vereinsgründung an, als er den Grundsatz aufstellte, daß, wie der Posten nicht von seiner Wache weichen dürfe, auch die Deutschen nicht aus dem Osten weichen dürfen. Und gewiß ist es Zeit, die Deutschen in der Ostmark an ihre nationale Pflicht zu erinnern. Es ist dort nur allzuviel Kliguengeist und Kastenwesen, als daß sich die deutsche Kultur und die deutsche Ueber- legenheit dem slawischen Element mit voller WiM fühl bar machen könnte. Auch die Flucht in den Westen, von der der Kaiser sprach, hängt offenbar damit zusam men, daß sich die deutsche Solidarität in der Ostmark nicht einstellen will. Hier gilt es, das nationale Ver- antwortlichkeitsgefühl zu wecken. Möge man überall auf das Wort des Kaisers hören: „Wer als Deutscher ohne Grund seinen Besitz im Osten veräußert, der versündigt sich an seinem Vaterlande". Bisher haben viele Deutsche, darunter manche Edelleute, die sich selbst viel leicht für gute Patrioten halten und sogar Mitglieder des Ostmarkenvereins sind, diese Sünde gegen das Deutschtum auf die leichte Achsel genommen. Aber selbst wenn der Skandal, daß deutscher Boden den polnischen Güterschlächtern in die Hände gespielt wird, aufhören sollte, so muß man immex noch fragen, ob die Ostmarkenpolitik der preußischen Negierung dauernden Erfolg verspricht. Sind doch hier nicht bloß nationale, sondern auch religiöse Gegensätze zu überwinden. Der Kaiser hat die Gelegenheit in der Provinz Posen benutzt, um den verstorbenen Papst Leo XIII. als seinen Schutzpatron im Kampf um die Ostmark ins Gefecht zu führen. Leo XIII. hat ihm vor zwei Jahren gelobt und versprochen, daß alle deut schen Katholiken sämtlicher Stämme und jeden Standes stets treue Untertanen des deutschen Kgjsers und des Königs von Preußen sein sollen. Der Kaiser wieder tut den katholischen Polen zu wissen, daß sie in der Aus übung ihrer Religion in keiner Weise gestört werden sollen. Man sieht hier den Versuch, die Ostmarken politik im Bunde mit der katholischen Kirche zu führen. Ist es nicht vielleicht gerade aus diesem Grunde, daß sie io wenig vorwärts kommen will? Tas Wort Leos XIII. in Ehren, aber die Erfahrung hat bisher nicht bestätigt, daß es irgend welche praktischen Wirkungen gehabt hat. Ist doch die Haltung des Zentrum- gegen die Germani- sierungspolitik im Osten zum mindesten höchst zwei deutig: die Versagung der Ostmarkenzulagen a^ die Beamten der Rcichspost war dafür ein schlagender Be weis. Und ebenso ist eS ein öffentliches Geheimnis, daß am Hofe des Posener Erzbischofs der eigentliche Sitz des polnischen Widerstandes gegen die Germanisie- rungspolitik zu suchen ist. Der Kaiser deutete das auch an, indem er die Herren vom Kapitel ermghnte, den toten Papst nicht wortbrüchig zu machen. Nui fürchten wir, daß auch diese Mahnung de- Kaisers nichts helfen wird. Bisher wenigsten- hat der polnische Klerus noch immer gezeigt, daß er die Nationalität über die Religion stellt. Vielleicht dämmert es auch der preußischen Regierung, daß es ein Pferd vor und ein Pferd hinter den Wagen spannen heißt, wenn man im Bunde mit dem Kleri- kalismus die Ostmark dem Deutschtum erhalten will. Dazu ist es freilich nötig, daß auch die Neichsregierung sich von dem Gängelband des Zentrums Manzipiert. Der Kaiser hat in erfreulicher Entschiedenheit ausge sprochen, daß Deutschtum Kultur und Freiheit für jeden bedeutet, in Religion sowohl wie in Gesinnung und Betätigung. Je mehr dieser Satz, der heute nur ein schönes Ideal bedeutet, zur Tat und Wahrheit ge macht wird, um so mehr wird auch das Deutschtum seine Anziehungskraft auf die fremden Elemente in seinem Innern wie auf die übrigen Völker entfalten können. Das französische Geschwader ist zum Be such in Portsmouth. An sich ist Eng land und Frankreich seit langen Jahrhunderten durch nationale und politische Gegensätze getrennt gewesen. Auch in neuerer Zeit gehen ihre politischen Interessen vielfach auseinander. Man darf ebenso annehmen, daß sich Frankreich dafür bedanken wird, für England bei einem Zwist mit Deutschland die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Wenn unter Delcasss mit einem eng lisch-französischen Bündnis gespielt wurde, so darf diese Phantasterei Wohl mit ihm als beseitigt gelten. Ob das Strobfeuer einer rein idealen Liebe auch in trüben Zeiten bestehen würde, ist eine Frage für sich. Immerhin darf man wenigstens der Portsmouther Entrevue nachsagen, daß dabei alles vermieden wurde, was geeignet sein konnte, einen Gegensatz zum Deut schen Reich zu schaffen. Auch König Eduard begnügte sich nach der berichtigten Lesart seiner Rede damit, den Gewinn des französischen Flottenbesuches in der Auf rechterhaltung des Friedens zu suchen. Man darf dabei auch der deutschen Regierung nach'agen, d§.ß sie alles getan hat, um die Spannung in der M a r o k k o a n ge legen h eit zu lösen. Hat man sich doch sogar da zu verstanden, dem Grafen Tattenbach die Weisung zu gehen zu lassen, sich völlig zurückzuhalten. Er soll in Fez Konzessionen oder Anleihen weder Vorschlägen noch mit dem Sultan erörtern, und Konzessionen, die ihm etwa angeboten werden sollten, ablchnen. Das ist ein Zugeständnis an die französische Empfindlichkeit, die vielleicht manchem Deutschen zu weit geht, aber die unter allen Umständen die deutsche Loyalität in der Marokkofrage erkennen läßt. Tatsächlich waren ja die französischen Beschwerden über die Willkür unseres Ge sandten in Tanger zum mindesten sehr übertrieben. Wie sich jetzt herausstellt, ist der Kern des Geschreis darin zu suchen, daß Graf Tattenbach bei deutschen Banken einen Privatpumv des Sultans von Marokko in Höhe von 10 Millionen vermittelt hat. Und darum Räuber und MörderI Aber wie die Dinge nun einmal liegen, ließ cs sich vielleicht nicht vermeiden, der französischen Nervosität ein kleines Zugeständnis zu machen. Um so mehr wird es jetzt darauf ankommen, auf der bevor stehenden Morokkokonferenz den deutschen Standpunkt zu wahren. Denn wir können uns nicht wohl aus der „offnen Tür", die wir mit Mühe gesichert haben, wie- der aus internationaler Courtoisie hinaus komplimen tieren lassen. Im amerikanischen Portsmouth haben sich nun die Friedensdelegierten glücklich zusammenge funden. Mit Hülfe des um seinen Ruf besorgten Roosevelt sind die Etikettenfragen überwunden worden und die Prüfung der Beglaubigungsschreiben ist beendet, so daß man zur Sache selbst übergehen konnte. So viel steht natürlich schon jetzt fest, daß die japanischen Forderungen, die Komura am Donnerstag Her^rn Witte überreicht hat, von diesem mit dem Brustton der Heber- zeugung als „unmöglich" bezeichnet wurden. Man wird auch wieder in der nächsten Zeit versichern hören, daß die Verhandlungen abgebrochen werden müssen, da eine Verständigung ausgeschlossen sei. Aber ob sie wirklich abgebrochen werden, das ist die Frage. Herr Roosevelt wird jedenfalls alle seine Künste aufbieten, um die streitenden Parteien zusammenzuhalten und auf einem mocku« viveocki zu vereinigen. Wie weit ihm das ge lingt, das läßt sich heute noch nicht sagen, und zwar um so weniger, als neue Ereignisse in der Mantschurei die ganze Rechnung über den Haufen werfen können. Huickum. ver r«ttir».japa»irchr Weg. Mitte» FinanzvefOrm. Bei der Erörterung der japanischen Be dingungen erwähnt der „TempS" die Möglichkeit eine- Arrangement-, wonach Rußland zur Rückzahlung der von Japan kontrahierten Kriegsanleihen, beziehungsweise zur Entrichtung von Annuitäten an den japanischen Kriegsschatz sich verpflichten würde. Nach Petersburger Meldungen hätte Witte in Pari- und New Bork schon in der Absicht sorge- arbeitet, eine Verständigung zwischen ienen Kapi- talistentzruppen, mit welchen Rußland zu operieren ge wohnt ist, und den für Japan wichtigen Bankiers zu erzielen, so daß eine Art Interessengemein schaft beider Finanzgruppen auf noch zu findender Basis herzustellen wäre. Die Einzelheiten dieses groß angelegten Finanzplanes seien Roose- velt bekannt. Es würde sich in der Hauptsache darum handeln, noch gewisse Bürgschaften zu erlangen, welche die innere Wirtschaftspolitik Ruß- lands betreffen, und darin liegt die, allerdings nicht für unüberwindlich gehaltene Schwierigkeit dieses finanziellen Problems, für welches man sich in Pariser leitenden Kreisen lebhaft interessiert. Die Beute. Der chinesische Gesandte in Paris, Sunpaotschi, weilte mehrere Tage in Wien und reiste nach Venedig weiter. Er äußerte sich, er sei nach den während seines Aufenthaltes in Petersburg gemachten Wahr nehmungen eher geneigt, die Hoffnungen auf einen Er folg zu teilen. Unter den über die Bedingungen Japans verbreiteten Versionen habe ihn besonders die Nachricht interessiert, daß die Verwaltung der Mantschurei bis zur Wiederherstellung völliger Ordnung in den Händen Japans Perbleiben sgllc. Ob wohl er glaube, Japan werde seine Zusagen erfüllen und China wieder in den vollen Besitz her Provinz sehen, sehe er nicht ein, warum die Herstellung der völligen Ordnung in einer China gehörenden Provinz nicht diesem Staate selbst anvertraut werden solle. China sammle seine Kräfte und werde alle Anstalten treffen, nm die Mantschurei im Geiste der selben Reformen zu verwalten, deren Wohltaten sie anderen Teilen des Reiches angedeihen läßt. Deutsches Keich. Leipzig, 13. August. * Die Fleischnot-Rede des Herrn v. Podbielski. An der Rede de? Laurcvirtschastsmjnrsters auf dem Festmahl vn Kaiserhos übt auch die „AUg. Flerscherztg." Kritik. Seine Behauptung, daß ein Schweinemangel nicht vorhanden ist, hatte Herr v. Podbielski in seiner Tischrede bekanntlich damit zu begründen gesucht, daß auf dem letzten Viehmarkt bereits wieder 13560 Schweine aufgetrieben waren. Dazu bemerkt das Fachblatt: „Hätte er sich nur die Mühe genommen, den Auftrieb der ersten drei Augustmärkte anzusehen, so würde er ge funden haben, daß zusammen 31 714 Schweine aufgetrieben worden sind, während es im vorigen Jahre 32 513 Stück waren, daß der Durchschnitt im August dieses Jahres also ein Weniger von 799 Stück gegenüber dem Vorjahre ergibt. Ebenso zeigen die 9 Julimarkte dieses Jahres zusammen 90 232 Schweine, also im Durchschnitt nur 10000 Stück! So tendenziös sollte doch ein Landwirtschaftsminister nicht Zahlen herausgreißn und verwerten. Dazu kommt, daß die Qualität der Schweine so sehr viel zu wünschen läßt: gute Schweine werden n^r in sehr geringer Zahl aufge- trieben, zum größten Teil sind es mittlere und geringe Schweine." Zu der Bemerkung des Ministers, daß die Fleischer von der Teuerung nicht betrogen wurden, schreibt oie „All«. Fleischerztg." unter anderem: „Schon eine Nachfrage bei der Schlachthofdirektion und der Markthallendirektwn in Berlin hätte den Minister eines Besseren belehren können. Viele Stände der Detail fleischer m den Markthallen stehen leer, weil die mittlere und ärmere Bevölkerung wenig Fleisch kauft, und viele Engrosschlächter bezahlen die Schlachtkammern auf dem Schlachthof und ihre Stände in den Hallen, ohne sie zu be- nutzen, nur in der Hoffnung auf bessere Zeiten: sie wollen doch nicht ihre Existenz ganz aufgeben. In den Berliner Hallen stehen nicht weniger als 388 Fleischerstände leer." * Schlechter Ton und gute Logik. Der Jenaer Parteitag der deutschen Sozialdemokratie wird in der Presse dieser Partei durch Auseinandersetzungen über den guten Ton vorbereitet. Es wird zwar Leute geben, die eine solche Aussprache unter den Genossen für über aus lästig halten und die geneigt sind, sie mit Spott und Hohn zu begleiten, indessen wäre das falsch. Es handelt sich hier in der Tat um ein Bedürfnis in der Partei, und die Auseinandersetzungen geschehen nicht aus ästhetischen, sondern ans rein politischen und agitatorischen Rücksichten. Die Sozialdemokratie muß empfinden, daß ihr Verhältnis zu den sogenannten Mitläufern sich lockert, da die Art ihrer Polemik auf die Dauer abstoßend wirkt. Den äußeren Anlaß zu der jetzigen Debatte bot eine beispiellose Beschimpfung des schwerkranken Führers der Freisinnigen Volkspartei, Eugen Richter, den die „Leipz. Volksztg." einen „Strolch noch im Sterben" nannte. Es war nur natürlich, daß die Roheit dieses Wortes nickst den Angegriffenen traf, sondern auf die Partei zurückfiel, in deren Nanien dieser „Sauherdenton" kultiviert worden ist: bei der Nachwahl im Wahlkreis Obcrbarnim konnte man sich hiervon bereis überzeugen. Deshalb mußte der „Vor wärts" als offizielles Parteiorgan der Provinzxrcsse eine Vorlesung über den „guten Ton" halten, die aber von der „Leipz. Volksztg." mit den Worten zurückge wiesen wurde: „An eine Arbeiterpartei, die eine Welt erobern will, ist das Geflenne um den guten Ton eine durchaus krankhafte Erscheinung." Nun antwortet der „Vorwärts" wieder in längeren Ausführungen, die sich an die „Leipz. Volksztg." adressieren. Natürlich wird darin zunächst dargetan, wie schlecht, korrupt, verklickt usw. die „bürgerliche Welt" ist und wie sich hiervon die sozialdemokratische in engelhaster Reinheit abhebt. Nach dieser Einleitung gesteht der „Vorwärts" aber ziemlich unverblümt ein, daß in der sozialdemokratischen Presse Klickenbildungen zum gegenseitigen Anloben und zu gemeinschaftlicher Abschlachtung der Gegner — natür lich solcher der eigenen Partei — vorhanden seien. So vorsichtig er sich dabei auch ausdrückt, so klar ist eS doch, wer damit gemeint sei, zumal er der „Leipz. Volksztg." noch ausdrücklich das „monopolistische Recht auf den schlechten Ton" wahrt. Zum Schluß heißt es: Der Schreiber der vorstehenden Betrachtungen hat sich nur ganz selten und seit geraumer Zeit mit keiner Zeile an den Parteistreitereien beteiligt: (er hat sich also bemüht, weder die Produktion von schlechtem Ton, noch die Produktion von Klagen über den schlechten Ton zu fördern. Wenn aber diese persön- lichen Literatenreibungen ohne jeden Sinn und Zweck gar nicht endigen wollen, wenn sie immer wiederholt werden, ob man sie nun schweigend erträgt oder kurz abwehrt, wenn sie sich gar als prinzipielle Aufklä rung, als Kampf gegen schädliche Richtungen zu dekla. rieren suchen, so hat jeder Parteigenosse, auch der, dem solche Barteibetätigung in der Seele zuwidxr ist, die Zurückhaltung aufzugeben und an seinem Teil zu versuchen, der Berwirrung und Verwilderung zu steuern. Der Unterzeichnete ist obendrein in der glück lichen Lage, daß ihm von der „L. V." nichts mehr geschehen kann. Sie hat sich gleich bei den ersten An griffen gegen ihn so sehr überschrien, daß sie nun nichts Aergeres über ihn aufzubringen vermgg, und sammelte sie selbst alle schlechten Töne von Marx, Engels, Lassalle, Heine, Börne, Fichte, Lessing, Schiller, Goethe zu einer grandiosen Kakophonie. Selbst wenn sie ihn wieder einen Belletristen nennen sollte, so bricht er auch dann nicht, abgehärtet durch die Gewöhnung, unter der Wucht dieser Anklage zu sammen. . Berlin, 13. August. * ZurFrage des südwcstafrikanischen Truppennach- schubs läßt sich die „Franks. Ztg." — anscheinend irrspi- riert — in einem Berliner Privattelegramm u. a. folgendermaßen aus: «Man weiß offenbar innerhalb der Reichsregierung, deren einzelne bei dieser Ange- legenheit in Betracht kommende Mitglieder zur Zeit nicht in Berlin, sondern weit zerstreut in Bädern und Sommerfrischen sind, selbst nicht sicher, ob die letzte Truppensendung von 300 Mann sich noch im Rahmen der erfolgten Bewilligungen mit einigen Verschiebungen rechtfertigen und verrechnen läßt. Diese eigenartige Dislokation scheint der Grund zu sein, weshalb r-mtlich^ Entschließungen und eine Kundgebung darüber noch nicht erfolgt sind. Auf die Dauer auSbleiben können sie nicht, und es ist nach früheren Aeußerungen deS Reichskanzlers anzunehmen, daß, wenn die letzte Truppensenduna ohne etatsmäßige Bewilligung erfolgt ist, er den Reichstag doch noch vor der! ordentlichen Tagung einberufen wird." * Invalidenversicherung. Nachdem der Bundesrat auf Grund der 88 141 und 144 des Jnvalidenversiche- rungsgesetzes angeordnet hat, daß vom 1. Oktober d. I. ab alle Marken für die Invalidenversicherung alsbald nach der Einklebung entwertet werden müssen und zu gleich ein neues Formular für die Ouittungskarten fest- gesetzt ist, das von gleichem Zeitpunkte ab ausschließlich ausgegeben werden wird, haben die zuständigen preußischen Minister die Negierungspräsideriten er- sucht, die Nachgeordneten Behörden hiervon zu benach richtigen und die Bevölkerung durch Bekanntmachungen im Amtsblatt, in den Kreisblättern und, soweit dies kostenlos möglich ist, durch gelesene Tagesblätter auf diese Aenderung unter Hinweis auf die Form der Ent wertung aufmerksam zu machen. * Die Ablehnung des BcsähiaunasnachweiseS. Mit der Ablehnung des Befähigungsnachweises durch den Hand werks- und Gewerbekammertaa in Köln ist die „Kreuzztg ", die ja auch schon den gegen den allgemeinen Bcfähigungs- nachweis gerichteten Ausführungen des Abfl. Jacobskötter Raum gewährt hatte, völlig einverstanden. Sre hofft, daß die Frage des Befähigungsnachweises nunmehr abgetan ist und daß der Abg. Jacobskötter nunmehr wieder mit neuem Mute und neuem Vertrauen seine selbstlose Arbeit im Dienste des deutschen Handwerkerstandes ergreifen wird. — Sollte der Abg. Jacobskötter sich in derselben aufrichtigen Weise, wie er eö in dem letzten Jahre getan hat, von einem extremen Zünftler zu einem Förderer des Handwerks weiter ent wickeln, so wollen wir uns dieser Hoffnung anschließen. — Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder Les Kaisers, vollendet am 14. d. M. sein 43. Lebensjahr. -- Der Abgeordnete Amtsgerichtsrat Fritzen beging am 13 d.M. ein seltenes Jubiläum. Vor 25 Jahren wurde er an diesem Tage von der Zentrumspartei des Kreise- Rees al- Nachfolger des damals verstorbenen Abgeordneten Fackeldey in raS preußische Abgeordnetenhaus gewäblt und seitdem ist er in ununterbrochener Folge Vertreter dieses Wahlkreises geblieben. * ' Bochum, 13. August. Die Bauarbeiter gehen auf der ganzen Linie vor. Gestern überreichten die Bauarbeiter von Recklinghausen, Herne und Herten den Bauunternehmern ihre Forderungen und stellten zu ihrer Beantwortung eine kurze Frist. * Breslau. 13. August. Am 29. Mai hielt der Reichs- tagsabgeordete Eduard Bernstein hier «inen Vortrag über den politischen Massenstreik, der in der so zialdemokratischen „Volksmacht" zum Abdruck gelangte. Gegen Bernstein und den Redakteur der „Volkswacht" wurde ein Verfahren wegen Aufreizung zu Gewalttätigkeiten eingcleitet, daS jetzt zur Anklage geführt hat. Ter Verhandlungstermin ist aus den 21. August anberaumt worden. Wie die „Volks wacht" meldet, ist aber nur ihr Redakteur angeklagt worden. Bernstein wurde als Zeuge geladen. * Trier, 12. August. Im Lothringer Industrie- bezirk bereitet sich eine Arbeiterbewegung vor. Die christlichen Gewerkschaften treten mit Forderungen, be- betreffend die Lohn- und Arbeitsverhältnisse, an die Gruben und Hüttenwerke heran. * Konstanz, 13. »August. Einer Einladung deS Kaisers folgend, beabsichtigt der Großherzog von Baden, wie wir von maßgebender Seite hören, an der Kaiser parade bei Homburg teilzunehmen und sein Regiment selbst dem Kaiser vorzusuhren. Auch der Erbgroßherzog hat seine Beteiligung zugesagt.
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