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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070115012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-15
- Monat1907-01
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Jahrgang. oar lvlcbtig;tr vsm rage. * Kolonialdirektor Dernburg wird auch in Ham burg aus Einladung der Handelskammer hin einen kolonialen Vortrag halten. * Dm Freitag findet in Dresden eine Versamm lung der an der Elblchifsahrt beteiligten Handels- kreise statt, um zur Frage der Schisfahrtsabgaben Stellung zu nehmen. lS. Dtschs. R.s * Die „Nordd. Allg. Ztg." stellt das Recht des Sultans von Marokko, als eines unabhängi gen Souveräns, unzweifelhaft fest, daß er seine Rat geber frei wählen dürfe. Damit erledigen sich die französischen Einwendungen gegen die Berufung Leutscher Offiziere. lS. AuLl.) * Der Dampfer „Lueie Woermanu" ist an der Togo käste gestrandet. fS. Neues a. a. W.) * In der Berliner Holzindustrie haben die organisierten Unternehmer, die gegen 14 000 im Holzarbeiterverbande zusammengeschlossene Arbeiter beschäftigen, bis gestern mittag rund 75 Pro zent der Arbeiter ausgesperrt. Der Rest wird in wenigen Tagen entlassen werden. * Der abgesetzte Wall von Smyrna, Kiamil Pascha, ist aus Furcht vor der Ungnadedes Sul tans in das englische Generalkonsulat ge flohen. lS. Ausll) * Der italienisch-serbische Handelsver trag mit Biehsenchea-Konvention ist unter zeichnet. war km Lange ragt «nll «ar er verrcdtveigk. Wir haben schon unmittelbar nach der ersten Wahlrede des neuen sozialdemokratischen Kandidaten für Leipzig- Stadt, des Stadtverordneten, Lagerhalters Lange, in einem Leitartikel am Sonnabend srüh dargelegt, daß er nach seinen Ausführungen einfach das sozialdemokratische Parteipro gramm als das seine anerkennt. Wir deuteten zugleich an, daß auch wenn Herr Lange als ein besonders gemässigter Sozialdemokrat geschildert werde, dies sür seine Tätigkeit im Reichstag ganz bedeutungslos bleibe. Di« Parteidisziplin sorgt dafür, daß keiner der Genossen, die sich als zahme Sozialisten ausspielen, Seitensprünge machen, und das Schick sal der revisionistischen Bewegung innerhalb der Partei hat bewiesen, wie wenig selbst angesehenere Führer in dieser Partei als w,e es Herr Lange ist, gegen die orthodoxe Richtung vermögen. Uno dazu hat sich Herr Lange nicht einmal selbst zum Revisionismus bekannt. Wie würde sonst auch wohl das Mehringsche Organ in Leipzig für ihn eintreten! Wohl aber hat Herr Lange den Versuch gemacht, eine Kandidatenrede zu halten, die — so viel Anfechtbares sie auch für feden nichtiozialdemokratischen Beurteiler enthält, doch das Ziel verfolgte, das sozialdemokratische Programm auch bürgerlichen Kreisen möglichst annehmbar zu machen und die darum wie die Katze um den heißen Brei so um die Fragen herumging, bei denen sich der staats feindliche und a n t i na t i o n a l e Charakter der Partei offenbart. Die von der Volkszeitung veröffentlichte Rede Langes, die also doch wohl den vor jedem Mißverständnis geschützten Sinn gibt — bietet dafür reiches Beweismaterial. Wir wollen uns nicht dabei aushalten, daß Herr Lang« Fragen, die überhaupt nur die Gemeindepolitik und die LandeSgesetzgebung angehcn, »n eine sür die ReichsiagSwahl bestimmte Rede verquickte. Dahin gehört z. B. das aanze Problem der Volksbildung, das Lange streifte. Damit hat der Reichstag nichts zu tun. Da wird also auch Herr Lange so wenig wie seine Partei im Reichstag etwas zu bessern vermögen und wenn er trotzdem das in sein Programm ein schließt, io zeigt er nur. daß er das Arbeitsgebiet des Reichs tages, in den er durch seine Wahl eintreten will, noch gar nicht einmal überlieht. Wir wollen uns weiter auch nicht auf die politischen und historischen Schnitzer versteifen, die sich in Langes Rede vor finden. Aber wenn er wieder einmal Pros. Delbrück zitiert, so möge er ihn nicht als liberalen Mann bezeichnen, der er gar nicht sein will, und wenn er den Spruch der unbots- mäßigen Adligen: „Joachimke, Joachimke hüte di, sangen wir di, so hangen wir dl" zitiert, dann wolle er ihn nicht wieder den Junkern am Anfang des 19. Jahrhunderts in den Mund legen, sondern ihn getrost vierhundert Jahre zurückdatieren. Allein das sind Kleinigkeiten, die von uns nur deswegen gestreift werden, weil bei ähnlichen Fehlern auf bürgerlicher Seite kein Blatt dieie mehr auSbeuten würde, als das hiesige sozialdemokratische Organ. Wichtiger ist anderes. Ter sozialdemokratische Kandidat begann mit der alten trügerischen Behauptung seiner Partei, daß die gesamten Vorteile der wirtschaftlichen Entwicklung den Kapitalisten in Handel und Industrie zugute kommen und nicht den Ar beitern. Weshalb hat denn dann die Sozialdemokratie sür die Covrivischen Handelsverträge gestimmt? Doch nur weil sie genau wußte, daß die durch sie erhoffte Förderung von Handel und Industrie zu einem guten Teil den Arbeiter masten durch vermehrte Arbeit und vermehrten Lohn zugute kommen werde! Und wenn die Sozialdemokratie gegen den neuen Zolltarif kämpfte, so hat sie eS, wie aus all ihren Reden hervorging, nicht nur getan wegen der Furcht vor höhere« Agrarzölle», sondern, um -u verhüten, daß nicht Handel und Industrie und damit auch die Arbeiter-! schäft Schaden litte. Und wenn sich Herr Lange die Zeiten vergegenwärtigt, in der die Arbeiter hoffen können, durchs Lohnbewegungen etwas zu erreichen, so wird er finden, daß das nur Zeiten sind, in denen die Industriellen ver dienen, während in Zeiten industriellen Rück gangs Lohnbewegungen stets scheitern müssen. Das Brot der Arbeiter hängt von dem Fortschreiten der In dustrie und deS Handels ab. Was hier die Kapitalisten ver dienen, kommt immer wieder den Arbeitern zugute. Es heißt darum, die Tatsachen auf den Kopf stellen, wenn Herr Lange die Weisheit verkündet, wie eS wörtlich in der Volks zeitung zu lesen steht: „die gesamten Vorteile der Entwick lung kommen den Kapitalisten in Handel und Industrie zu gute und nicht den Arbeitern." Gewiß ist es nur ein Teil, der den Arbeitern zustießt. Ihn aus legalem Weg sich zu vergrößern durch Lohn bewegungen, Arbeitskämpfe und Tarifverträge, das wird kein liberaler Mann den Arbeitern verwehren. Am aller- wenigstens Herr Dr. Junck, der sür die Koalitionsfreiheit der Arbeiter eintritt. Und wenn man ihm gegenüber ins Feld führt, daß zur Zeit der Zuchthausvorlaoe von Leipziger Nationalliberalen aus dieses Gesetz unterstützt wurde, s o verschweigt man fein säuberlich einmal, daß Dr. Junck nicht zu diesem Kreis gehört hat und dann, daß die nationalliberale Fraktion im Reichstag, Bass er mann voran, die Auchthausvorloge aufs schärf st e be kämpft hat. Herr Lange mag darin Recht haben, daß eine Verstaat lichung und Kommunalisierung, wie wir sie bei gewissen Großbetrieben schon heute haben, man denke an Post, Eisen bahn, Straßenbahn, teilweise die Bergwerke usw., auch noch bei anderen Großbetrieben eintreten wird. Anhänger dieser Anschauung existieren aber auch in allen bürger lichen Parteien, jedoch ganz und gar unab hängig von dem sozialistischen Endziel, das in völliger Verkennung der Wichtigkeit des Konkurrcnzfaktors für jeden technischen Fortschritt alles verstaatlichen will, was an Produktionsmitteln vorhanden ist und damit jede wirtschaftliche Selbständigkeit vernichten will — eine Ent wicklung, gegen die mit vollem Recht jeder streb same Mann Front macht, der sich diese Selbständigkeit wahren oder erobern will. Herr Lange ist an dieser Stelle seiner Rede zugleich bc- Hutsaw an der Frage vorbeigegangen, wie er sich denn die politische Verwaltung der Zukunftsgesell- schäft denkt. Das Bekenntnis zur sozialistischen Republik blieb er uns schuldig. Und doch weiß er so gut wie wir, daß er als sozialdemokratischer Kandidat dieses Glaubens bekenntnis haben muh. Er kann nicht nur ein Gegner unserer jetzigen Wirtsckmftsordnung sein — er ist auch ein Gegner unserer Staatsordnung. Das Bekenntnis zu Kaiser und Reich, Fürst und Vaterland — das für alle bürgerlichen Parteien die G r u nd la ge ist —fehlt ihm und muß ihm fehlen. Sonst wäre er kein zielbewußter Sozial demokrat. Und se:n Schweigen über diese Fragen ist darum so beredt als hätte er hier offen Farbe be kannt. Er ist auch an den Fragen der Wehrhaftigkeit des Reiches vorsichtig vorüber gegangen. Und doch spielen sie wahrlich im Reichstag eine so große Rolle, daß ihre Erörterung näher gelegen hätte, als Fragen der Landesgesetzgebung und der Gemeindeverwaltung. Aber Herr Lange kann hier gar nicht anders stehen als seine Partei, die „jeden Mann und jeden Groschen" verweigert. Er überläßt seinen politischen Gegnern den Schutz deS Vaterlandes. Er verweigert damit dem Reiche die Möglich keit, dem Vaterland den Frieden zu sichern und im Fall eines Krieges diesen zum Schutz deS Vaterlandes durchzuführen. Das ist Herrn Langes nationales Pro gramm!! Herr Lange hat dann die K o l o n i a l p o l i t i k ge streift. Er hält sie nicht für eine nationale Frage, sondern für eine Zweckmäßigkeitssrage. Er sagt „rentieren sie sdie Kolonien) sich, haben sie einen Wert, dann gut. Was es aber mit „national" zu tun hat. verstehe wer will". Das ist köstlich. Nach diesem Bekenntnis sollte man meinen, Herr Lange werde auch für die Kolonialforderungen stimmen. Denn daß sich Kolonien nicht von selbst rentieren werden, ohne daß man etwas in sie hineinsteckt — das ist doch wohl klar und durch die Geschichte der Kolonialpolitik aller Länder bewiesen. Aber Herr Lange hat sich weislich gehütet, zu sagen, er werde das tun. Er unterläßt also etwas, was nach seiner eigenen Anschauung eventuell gut wäre für unser Volk. Offen gestanden, da scheinen uns die Parteigenossen Langes, die jede Kolonialpolitik von vorn herein verurteilen, doch etwas klarere und konsequentere Herren zu jein. Endlich noch ein kurzes Wort gegen Herrn Langes Praxis, die Sozialdemokratie auf Koften der anderen Par- teien zu verherrlichen. Dafür »ur ein Beispiel. Stolz rühmt er seine Genossen, daß sie Kunst und Wissen schaft schützen wollen und frägt dabei ganz naiv: „war es nicht die Sozialdemokratie, die vor einigen Jahren die berüchtigte Lex Heinze abgewehrt hat?" Ja — weiß denn Herr Lange nicht daß wenn das Schicksal dieses Gesetzes von seiner Fraktion allein abhängig gewesen wäre, daß es dann mit gewaltiger Mehrheit zur Annahme ge kommen wäre?! Genau so wie es auch der Zuchthausvor- lage beschieden gewesen wäre, hätten nicht die liberalen Par teien — sbei der Zuchthausvorlage auch das Zentrum! — die Abwehr durchgesetzt! Die Sozialdemokratie stellte in beiden Fällen nur einen Bruchteil der entscheidenden Stimmen! Aber das ist sozialdemokratische Praxis, sich Lorbeeren dort zu pflücken, wo andere auf sie viel größeren Anspruch haben! So macht man es, um die Verdienste der Sozial demokratie kerauszustreichen. Aber wo sie schwere na tionale Schuld auf sich geladen bat, wie bei der Ver weigerung alles deisen, was zu des Vaterlandes Schutz notwendig ist oder zu des Vaterlandes Vorteil und Ehre, wie bei der Kolonialpolitik — da geht man stillschweigend oder tändelnd darüber hin weg! Herr Lange ist ein gelehriger Schüler dieser Praxis. Da- hat feine Kandidatenrede in der Alberthalle bewiesen. Vie lvadlautticbten in Savern. (Von unserem Münchner Korrespondenten.) Allmählich klärt sich auch die Lage in Bayern, wenn es auch noch immer der Miihe bedarf, um sich in dem Labyrinth widerfprechendcr Nachrichten zurecht zu finden. So, wie die Dinge jetzt stehen, sehen sie sich erfreulicherweise keineswegs hoffnungslos an. Da ist vor allem mit berechtigtem Stolze hcrvorzuhcden, daß die Liberalen aller Schattierungen den auf sie gesetzten Erwartungen voll entsprechen: Der Block ist auch Nir die Reichstagsivakl, ohne daß es irgendwo be sonderer Anstrengungen bedurft hätte, sestgekittet. Mit einem zündenden Wahlprograinmc Haven die Münchner Liberalen den rechten Ton getroffen, indem sie nicht nur na- lionale, sondern auch echt liberale und volkstümliche For derungen erhoben. Besonders glücklich für bayrische Ver hältnisse wurde die Art des Kampfes gegen Zentrum und Sozialdemokratie in dem Satze umschrieben, daß die letztere wenigstens grundsätzlich Gegnerin aller Kolonial- iorderungen sei, während es sich beim Zentrum nur um einen erbärmlichen Racheakt gehandelt habe. Selbstverständlich soll mit dieser Unterscheidung nicht gesagt sein, daß nicht auch die Sozialdemokratie bei den Neichstagswahlen mit aller Schärfe zu bekämpfen sei, allein eine gewisse Rücksichtnahme auf die Situation in Bauern und die kommenden Landtags wahlen wird dadurch doch ermöglicht. Zweifellos werden ja trotz aller Gegenvcrsicherungcn die Schwarzen und die Noten, wo die ersteren nicht bei den Hauptwahlen selbständig vorgehen — die Sozialdemokraten Haven überall Kandidaten nominiert — bei den Stichwahlen sich wieder zusammen finden: aber für die Landtagswahlen bleibt doch die Mög lichkeit, fast möchte ich sagen, die Wahrscheinlichkeit einer wenigstens partiellen Vereinigung der Liberalen und So zialdemokraten bestehen, wodurch allein der Uebermacht des Zentrums Abbruch geschehen könnte. , Bei der Betrachtung einzelner Wahlkreise ist zunächst die Opserfreudigkeit der liberalen Gruppen anzuerkennen. So verzichteten z. B. in Ansbach die National- bzw. Jung liberalen willig auf die Kandidatur des Vorsitzenden des jungliberalen Landesverbandes Hübsch-Nürnberg zugunsten des bekannten Demokraten Professors Quiddc-München, der sich in den letzten Jahren durch unermüdliche Arbeit um die liberale Einigung große Verdienste erworben hat. In Ans bach handelt es sich allerdings nicht um den Gewinn eines nationalen Sitzes, aber der Liberalismus kann vielleicht die Konservativen verdrängen. , Dagegen gehört es nicht in das Reich der Unmöglich keiten, daß die Liberalen, allerdings erst «n der S> hwahl, <cn Wahlkreis München I, wo sie in dem rechtskundigen Maaistraksrat Wölzl eine zugkräftige Kandidatur ge funden haben, wieder erobern. Liese. Hoffnung gründet sich hauptsächlich darauf, daß die Mitglieder der LZeteranen- und Kriegervereine, die sonst zumeist dem ultramontanen Hcerbanner gefolgt sind, diesmal in patriotischem Empfinden den Gehorsam auskündigen wollen. Anders denkt offenbar der bayrische Generalmajor a. D. Häusler-München: er hat sich, was als trauriges Kuriosum ohne jeden Kommentar niedriger gehängt sei, für den Wahlkreis Neustadt-Kissingcn vom — Zentrum ausstellen lassen. Dank emer sehr glücklichen Wahl des Kandidaten, deS Rechtsanwalts und Bankdirektors Meisner in Würzburg, darf dort der Liberalismus die Hoffnung hegen, den früher demokratisch vertretenen Wahlkreis dem Zentrum zu ent reißen. Meisner, der auch von den Bauernbündlern unter stützt wird, dürste dem linken Flügel der Nationalliberalen zuzurechnen sein. Auch in Augsburg, wo die Liberalen den Rechtsanwalt Thoma, der nicht mit dem „Simplizissimus"- Thoma zu verwechseln ist, nominiert haben, steht die Sache nicht aussichtslos: einer völlig schwarz-roten Koalition wäre man allerdings nicht gewachsen. Eine freilich vorläufig nur schwache Chance bietet sich dem Liberalismus auch im Wahl kreise Regensburg. Hier ist nämlich ein Zentrumskrieg aus gebrochen, man hort iogar schon von einem Schisma sprechen: Zwei Päpste stehen sich gegenüber. Ter bisherige Vertreter, Frhr. von Pfetten, soll zugunsten des Redakteurs der „Regensburger Morgenzeitung" Held, eines fanatischen Parteigängers Dr. Heims, obgesägt werden. Das will sich aber der „rhr. von Pfetten und ein erheblicher Teil seiner bisherigen frommen Wähler nicht gefallen lassen, und so gibt es zwei Zentrumskandidaten. Dre Parteileitung gibt sich selbstverständlich gewaltige Mühe, eine Einigung herbeizu führen. Beim Bauernbunde und beim Bunde der Landwirte muß zwischen der Pfalz und, wie die Amtssprache so schön sagt, dem diesseitigen Bayern unterschieden, und hier wieder Oberbayern gesondert behandelt werden. In den fränkischen Provinzen haben die Agrarier, wo sie sich gegen die Libe ralen in entschiedener Minderheit befinden, nur in Hof eine Sonderkandidatur ldie den Liberalen auch schaden kann) auf gestellt, sonst aber sich zur Unterstützung der Liberalen be- reit erklärt. In Oberbayern geht der Bauernbund dank seiner genialen Führung der Auslösung entgegen. Bekannt lich haben seine beiden Vertreter im Reichstage sich der anti nationalen Mehrheit angeschlossen und das Münchner Parteiorgan bläst in das gleiche Horn. So erscheint es wenigstens als kein Verlust für die nationalen Parteien, wenn der Wahlkreis Pfarrkirchen an das Zentrum verloren geben sollte, eine sehr ernst zu nehmende Eventualität. Ter Wahlkreis Straubing aber konnte stets nur durch die Hilfe der Liberalen dem Bauernbunde zufallen. Die liberale Unterstützung wird diesmal selbstverständlich nur dann ge währt werden, wenn der Kandidat des Bauernbundes für die kolonialen Forderungen einzutreten verspricht. Ein wahrer Rattenkönig der verschiedensten Meldungen ist immer wieder aus der Pfalz in die Welt gesetzt worden. Wie bestimmt verlautet, ist nunmehr anch dort eine Einigung zwischen dem Bund der Landwirte und den Na- sionalliberalen erzielt worden. Danach treten sie in Hom» berg-Kuiel und in Kaiserslantern-Kirchbeimbolonp.-ii s;",r die händlerischen Kandidaten ein, im letzteren Wahlkreise sür Dr. Roesicke, wogegen der Bund der Landwirte in den übrigen vier Wahlkreisen die Liberalen unterstützt. Aeimarirche „Zmmgerchichtr". L Weimar, 13. Januar. Im „stillen Weimar" ging es im vergangenen Jahre bis weilen recht lebhaft zu, so lebhaft, daß sich die hreiteste Außenwelt mit den Ereignissen, die sich in dem durch die bis zum Ueberdruß betonte „Tradition" geheiligten Goethc- städtckcn abipielten, wiederholt und eingehend beschäftigte. Zu diesen^ geheiligten Überlieferungen gehörte weder die Rodin-Assäre, noch der Prozeß wegen der Kunst- und Hanb- schristenditbstäble und schließlich auch die wiederholten BL> tätigungen des Oberhofmarschalls Generalleutnants vo^ PaleScieux und dieser telbst nicht. Vor wenigen Tagen ers5 hat das „Leipziger Tageblatt" einen Aufsehen erregenden Artikel Maximilian Hardens aus der „Zukunft" an dieser Stelle auszugsweise wiedergegeben, der sich eingehend mit dem vielgenannten weimarischen Oberhosmarjchall befaßt Jetzt hat sich die „Post" bewogen gefunden, erncm Artikel aus Weimar seine Spalten zu öffnen, der versucht, die Aus lassungen der „Zukunft" über den weimarischen Höfling zu entkräften und unter Anführung von zwei ganz unwesent lichen chronologischen Irrtümern, aber unter vollständiger Ueberaehung der Hauptsache, d. h. der Kennzeichnung des Verhaltens des Lberhofmarschalls in dem Ehrenhandel mit dem Grasen Keßler und dem Kabinettssekretär Jreiherrn von Eglosfstein, die a.geführten Tatsachen in ihrem Wert hcrabzuseßen und in die Gebiete des Pamphlets zu verweisen. Nun, die Lage, in der sich gegenwärtig die Weimarischen Kunstverhältinfse befinden, ist, trotz aller schönsärhcrischen Gegenbeteuerungen und bezüglich ihrer Entstebungsursache und beabsichtigten Zweckdienlichkeiten unternommenen Äblengnungsvcrsuche, die denkbar traurigste. Das wird nicht nur von der unabhängigen Taaespresse, sondern sogar von den maßgebenden Kunstzeitschriften und Fachblättern zugegeben. Die Affäre Hofmarschallamt- Künstlerbund wird in dem Artikel der „Post' so harmlos und natürlich erklärt, daß man glauben konnte, der Oberhos- marschall sei der erste und beste Freund dieser künstlerischen Vereinigung. Nach den zahlreichen Besuchen, die er der Ausstellung des Bundes im vergangenen Sommer abgestatter bat, kann man allerdings auf ein sehr intimes Verhältnis schließen. Soviel wir wissen, hat nämlich der erste Hof beamte des Grohherzogs die unter dem Protektorat des Großherzogs eröffnete und durchgeführte, von ca. 20 000 Personen besuchte Ausstellung überhaupt nicht besichtigt! Aber auch das ist kein großer Nachteil, denn die Kunstler- bundangelegenheit hat, so betrübend die Begleiterscheinungen an und für sich sind, doch das eine Gute im Gefolge, daß ein Stein ins Rollen gelangt ist, an dem schon viele Kräfte ver geblich gerüttelt Haven, llnd diesen Stein werden auch keine noch so gearteten Bescbönigungs- und Beruhigungsartikel der „Post" mehr aufzuhalten vermögen. Es kommt auch gar nicht darauf an, ob Herr von PaleScieux in seiner über- großen Liebenswürdigkeit und Nachsicht „davon absieht, eine Erklärung zu geben"' oder die Kunstzeitschrift „Kunst und Künstler" zu verklagen — wie als bereits erfolgt gemeldet worden ist — die Hauptsache, um die es sich handelt, ist der Kompetenz Sr. Exzellenz bereits entzogen. Hier walten schon andere Kräfte. Es dürfte in Weimar während der letzten 20 Jahre wohl kaum eine Persönlichkeit gegeben haben, mit welcher sich die öffentlich« Meinung so oft, so eingehend und bis in die letzten Tage so intensiv beschäftigt hat, als wie diejenige des Herrn Generalleutnant von Palescieux-Falconnet, Exzellenz, Ober- bofmarschall des Großherzogs Wilhelm Ernst. Auch die Welt außerhalb der Grenzpfähle des GroßherzogtumS hat sich diese zweifellos interessante Persönlichkeit nicht ent gehen lassen, und in Erinnerung dürste noch der von dem Oberhosmarschall gegen die „Staatsbürgerzeitung" vor einigen Jahren angestrengte Prozeß — auch die „Post" er- innert, allerdings von ihrem Standpunkt aus, daran — sein, in dem Herrn von PaleScieux jüdische Abkunft nachgerühmt wurde: leider wurde das Verfahren nicht zu Ende geführt, sondern sand in einem Vergleich seinen Abschluß. Maxi milian Harden erwähnt des weiteren eine „häß liche Lotteriegeschichte", „die nicht einmal seine Stellung gefährdete, trotzdem die Tatsache, daß ein gegen einen Beamten eröffnetes Strafver ¬ fahren ohne erkennbaren Grund eingestellt wurde, im Lande sehr böses Blut gemacht hatte und überall, ohne Angabe von Gründen freilich meist, in Privatgesprächen behauptet wurde, die Einstellung fei der Gnade s!!> des Oberhof marschalls zu danken . . .' Nun, von dieser Lotteriegeschichte, in der Herr von P. eine nicht unbedeutende Rolle spielte und die ihre Wellen durch ganz Deutschland warf, erwähnt der Beschönigungsartikel rn der „Post" kein Wort. Wenn auch der famose Silberschatz und Herr von Alefeld usw. noch in guter Erinnerung stehen, so sind das immerhin „olle Kamellen" und wir können dies alles unberücksichtigt lassen, um so mehr, als die lebende Gegenwart überreichen Stoff zur Beurteilung der Weimarischen Kunstverhältnisse und des Waltens des Oberhofmarschalls bietet. Was Weimar, die Künstler- und Bewohnerschaft, gegen wärtig in noch weit höherem Maße interessiert, als die Frage, wie sich der Obcrbofmarschall zu dem Kardinalpunkl des Hardenschen Artikels, der Affäre Graf Keßler — v. Egloffstein, stellen wird, ist die weitere, wie sich die Ver- hältnisse der beiden Museen — von dem Goethe-National- museum ganz abgesehen — in Zukunft entwickeln werden und wie das Verhältnis zwischen dem Großherzog und dem Deutschen Künstlerbund sich gestalten wird. Zunächst ein Wort über die Leitung der drei Museen. Als seinerzeit in der Presse gemeldet wurde, daß man sd. h. das Ministerium) beabsichtige, die Leitung des alten Museums, des Knnstgcwerbemuseums und des Goethe-Natio nalmuseums — das erste und letzte wurde vom Geheimen Hofrat Ruland, das zweite vom Grafen Keßler verwaltet — in einer Hand zu vereinigen und zur Bewältigung dieser Niesenleistung Geheimer Regierungsrat Professor Dr. von Oettingen-Verlin ausersehen sei, wurde sofort von der Re gierung, bezw. Mnseumsleitnng, welche damals noch dem Ministerium unterstand und von einem Ministcrialbeamteu interimistisch geleitet wurde, diese Meldung energisch dementiert. Ganz kurze Zeit nachher war die Sache in der von der Presse angedeuteten Weise geordnet, d. h. Professor Dr. Kötsckaii-Dresdcn war zu der Leitung dieser drei In stitute ausersehen, derselbe Professor Kötschau, über dessen Scheiden von Dresden die gesamte sächsische Presse, vor allem die Dresdner, ganz untröstlich war, weil es kaum jemand gibt, der so ausgezeichnete Fachkenntnisse auf dem Gebiete der — Wasfenkunde aufweist, als der Dresdner Gelehrte. Warum von Oettingen in letzter Stunde von der Uebernahmc dieser drei Aemter zurückgetreten ist, darüber existieren nur Vermutungen, allerdings solche, die man nicht gern erörtert. Tie enormen Fachkenntnisse Kötichons aus dem Gebiete der Watsenkunde werden auch in Weimar vollauf gewürdigt, doch ob sie gerade zur Leitung des alten Musenms und vor ollem des Goethe-Nationalmuseums in hervorragendem Maße befähigen, möchten wir zunächst bezweifeln, denn in beiden b.etet sich zur Betätigung nach dieser Richtung hin herzlich wenig Gelegenheit. Jetzt hat man das Kunst gewerbemuseum, in dem der Deutsche Künstlerbund seinen «Litz hatte, der Oberaufsicht des StaatsministcriumS ent- zogen und ganz dem Hosmarschallamt zugewiesen. Somit bat lebe staatliche Kontrolle über dieses Institut aufgehört. Wenn Herr von PaleScieux, wie in dem Artikel der „Post" bervorgehoben wird, auch bisher bereits dem Kuratorium neben dem Vorsitzenden Grafen Keßler und dem Staatsmini sterium angebörte. so verdient vor allem jetzt die weitere Tatsache Erwähnung, daß er als oberster Hofbeamter und als die dem Großherzog zunächststehcndc Vcrtraucnsperson Allcinherrichcr ist. Wenn in dem Verhimmelungsartikel ^gesagt wird, daß Herr von PaleScieux ein „kenntnisreicher.
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