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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.02.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070207017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907020701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907020701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-02
- Tag1907-02-07
- Monat1907-02
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Be^uaS-PreiS für Leipzig und Bororte: In der Haupt» Expedition oder deren Au«gabeftellen ab» geholt monatlich: Ausgabe X ll mal täglich) 70 Pf., «o-gade v 2 mal tSglich) 80 Pf, bet Aufteilung tnS Hau« Ausgabe X 80 Pf, Ausgabe v l Mark. Durch untere aus wärtigen AuSgadeftellen und durch die Poft bezogen ll mal täglichttnnerhalb DeutichlandS monatlich l Mart au-ichl.Bestellgebührrn, für Oesterreich-Ungarn 5 ll 45 d virrtetjShrltch, die übrigen Länder laut AeitungspreiSliste. Dies« Stummer loftet aut 4 Sd »» k allen Bahnhdtea uad bei III den HeitungS-Berkämeru k * Arsatttau uns Vrve»tlta»r Johannitgaltr 8. Telephon Nr. 153. Nr. 222. Nr. 117S. Berliner siedaM«n»-Vurea«: Berltu dtV. 7, Prinz LoutS Ferdmaud- Slrabe l. Telephon I, Nr. 9278. Moraen-Ausgave v. MiDlgtr TagMM Handelszeitung. ÄmtsA-tt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadl Leipzig. AnHeiqen-Pret- di» Sgefpatteae Petllzerte Mr Geschäfts» tnseroie a»S Leipzig und Umgebung » Pt, Familtea-^ Äohauaq»- n. Stellen-Äazetaen, sowie An- a»d Verkäufe 80 Pf, surauzteü, Anzeige, LV Pf, fiir Iuierate von auSwärlS SO Pf. Reklame» 7ü Pf, auSwärlS l Mark, vetlaga» gedüdr 4 Mart p. Taufend ezkl. Postgebühr, ipktchäitsanzeigea an beoorzugter Stell« N» Bi eise erdvbt Rabatt nach Tarif. Für Inierote vom AuSlaude beionderer Tarif. Anretgea-Anuadme. Au-«ftu»slatz 8, bei tämtlichen Filialen u. allen Aanoneea- Ezvedltionea de« In- uad Auslandes. ür da« Erlchetaen an deiiimmtr» Lagen a. liütze» wrrd lein» Garantie überuommru. Han»t»Flllal, Berlin: EarlDuacke r. Herzgt.Bayr.Hosbuchhmchlg, Lüdoiviirafte lv «Telephon Vl, Nr. 4MS1 Ailial«8rpel»ittan:Dreaden.Mar1eaftr.L4» Nr. 38. Donnerstag 7. Februar 1907. 101. Jahrgang. »ar Aicbtigue vom Lage. * Der sächsische Staatsminister Graf vou Hohenthal erhielt ein Telegramm des Königs, in dem dieser feiner Genugtuung über die Ergebnisse der sächsischen St.chwahleu AuSoruck verlecht. (S. Dlschs. R.) * Der Kaiser empfing gestern im königlichen Schloß die ArbeilSkommission für das Voltsliederbuch der Mannerchöre. (S. Feuill.) * DaS ungarische Abgeordnetenhaus nahm die Re- kruten-Vorlage für 1907 an. - In Wien wird 1908 eine allgemeine öster reichische Ausstellung und internationale Ausstellung für Armee und Marine unter dem Titel „Kaiser-Jubiläumsausstellung" abge halten. * Der Bastard König Milans, Georg Christitsch, wurde in Pera mit einem Dolche angegriffen, blieb aber unverletzt. (S. Ausl.) * Febim Pascha wurde unter Polizei-Aussicht gestellt und eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet. (S. AuSl.) * Tie Haager Friedens-Konferenz soll Ende Juli zusammealreten. * In Shanghai wurde gestern das neue deutsche Klubhaus eröffnet. lS. Letzte Dep.j vrr neue fteichrlsg. Kaiser und Kanzler haben das neue deutsche Parlament mit Dichterworten begrüßt. Beide find sehr bejricdigt von der Haltung der Wählerschaft. A>S der Kanzler am Abenv der Hauptwablen redete, zitierte er daS BiSmarcksche Wort: Wir haben Deutschland in den Sattel gesetzt. Neiien wird es schon können. Als der Kaiser nach den St ch- Wahlen redete, zitierte er das Zitat Bülows. In polititchen hochgespannten Momenten ist also, bewußt oder unbewußt, Bismarck immer noch der höchste Exponent deutschen Wesen- Ein Faktum, dem man vor allem wünschen möchte, daß es al- solches auch erkannt und verwertet Werve. Bismarck bat vom Reiten gelprochen, der Kaiier vom Niederreiten. DaS reitende Deuifchland damals und beute! Es wird Zeit, neben dem berechtigten Hochschwung natio naler Gefühle auch dem verstandesmäßigen Kalkül mehr Raum zu geben. Nur wenn wir an Sachsen denken, w ll da- noch Nicht recht gelingen. Tatsächlich stebt der Erfolg der bürgerlichen Parteien Sachsens einzig da. Bon ven 28 sächsischen Wahlkreisen sinv 15 erobert worden. Die Sozialvemokratie muß sich an 8 Mandaten genügen lassen und hatte doch 1903 ganz Sachten bis auf einen einzigen KieiS im Sturm genommen. Hier sieht man, wie lies die Scham deS JahreS 1903 gebrannt. DaS versumpfte politische Leben SachseoS mußte erst durch diesen Faustichlaz in neue, ge'unde Bahnen geleitet werden, damit der heutige, grandiose Erfolg möglich wurde. Jetzt sehen vielleicht auch alle die Quietisten und Kartellisten ein, wie nötig und wie segensreich die Emanzipation deS Liberalismus in Sachsen war. Und auch das ist sicher, daß ohne die Lehren des roten Wahl jahre« der Linksliberalismus zum mindesten nicht die Freudigkeit arr der gemeinsamen und doch selbständigen Wühlarbeit gefunden hätte, ohne die der Sieg nickt zu er ringen war. EiuS freut unS besonders. Wenn die National liberalen nicht nur ungeschwächt, sondern um 3 Mandate stärker mit 54 Abgeordneten in da- ReichstagShauS wieder eiuziehen, so verdanken sie daS den sächsischen Wählern. Nun wird eS ja wohl niemand mehr wagen, von den kri- lifchen Sachsen zu reden, die keine Abgeordneten schicken. Und auch die Parteileiier werden ja wohl nun gelindere Saiten aufziehen und den noch in Goslar so unbequem emp fundenen Dr. Stresemann als Abgeordneten für Auoaberg mit anderen Tönen begrüßen müssen. Die Gesamtergebnisse der Wahle» im Reiche müssen unter anderem Gesichtspunkte betrachtet werden. Die Ver luste verteilen sich auf So,ialdemokraten, Elsässer und Welfen. Von 79 Mandaten ist die Partei Bebel- aui 43 gesunken. Sie ist fast halbiert worden. Und wenn nicht daS bayerische schwarz-rote Kartell ihr noch ein paar Sitze zugesckanzt hält«, so wäre sie um mehr als die Hälfte geschwächt. Daß diese- Resultat überaus er freulich ist, braucht nicht betont zu werden. E- ist die Legitimation der deutschen Reichslrituog zu einer im Bewußtsein sicheren Rückhalt- kraftvollen, unbeirrten, aber ruhigen nationalen Politik. Es garantiert unS die not wendige Rüstung deS Reiche- und schützt unS vor ehrloser Schwäche. Aber in diese 39 Mandat« teilen sich Rechte und Linke. Und zwar haben die Konservativen 9, die ReickSpar- teiler 1, die wirtschaftliche Bereinigung 1, der Bauern bund 1, die Landwirisbünvler 4 Sitze gewonnen, zusammen also 16. Da- Zentrum ist um 1 Man dat gestärkt worden, die Polen haben 4 Vertreter mehr. Um 21 Siye ist demgemäß die Richtung im neuen Reich-tage starker, die kulturell und wirtschaftlich antiliberale Ziele verfolgt. Dem haben die Liberales zusammen 7 Ge» »imr« «otgegenzusteües. Di« Ratioaalliberalea haben 3, di« Freisinnige Vereinigung 4, die freisinnige Volkspartei 8 und I die deutsche Voltsparlei 2 Mandate gewonnen. Daneben ist I die Zahl der unkontrollierbaren Wilden von 4 auf 5 ge- - stiegen. Alles in allem eine ziemlich gleichmäßige Verteilung cer sozialdemokratischen Verluste auf die rechte und die linke Seite deS Hause« und doch eiue wesentliche Verstärkung der Machtsülle der Reckten, die nunmehr ohne Anstrengung nm dem Zentrum Majoritäten bilden kann. Wir wollen nicht schwarz malen und vermeiden mit Absicht, das reaktionäre Geipenst ,u zitieren. Dena um so weit zu geben, müßie man Sicheres über die Pläne der Regierung wissen. Von vornherein scheiden wir den Verdacht aus, als gehe die Regierung mit finsteren Gedanken aus Wablrechtöraub und Verminderung deS ÄoalitwnSrechtS um. Eiue solche Torheit ist der Re gierung nicht zuzuirauen, nachdem das Volk soeben gezeigt hat, daß man auch mit dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht ein national zuoerlässi es Parlament haben kann. Ueberhaupt glauben wir nicht an brutale Absichten reaktio nären Charakters. Indessen sprechen wir offen die Be fürchtung aus, der Geist der Regierungsmaßnahmen könne sich noch mehr als bisher von der Rechten beeinflußt zeigen, der Wille zur Modernisierung und Liberalisurung könne noch schwächlicher und unmutiger als bisher vegetieren. Die Giünde dieser Bcsürcktung sind bekannt. Sie liegen nicht nur in den realen Machtverhältnissen, sondern auch in dem Wechsel der offiziellen Kampffront. Die Parole „Gegen daS Zentrum" ist nach den Haupiwahlen gänzlich aus- gelchaliet worden. Und nach einer LcSart Berliner Blätter hat der Kaiser in der Stichwahlnacht bereits wieder vou dem Zusammenstehen aller Konfeksionen gesprochen. JuS Politische übersetzt, kann das als Wiederaufnahme des Zentrums in Ven Kreis der nationalen Parteien gevcuiet werden. Und das nach d>m Abkommen in Bayern und nach den höhnischsten Provokationen der Zenlrumepl.sfi! Für die nächste Zeit kommt alles aus die Regierung an. Von ihr hängt e- ab, ob sie den Liberalismus an ihrer Seile als willigen Mitarbeiter, ob sie ibn in die Opposition drängen will. Es heißt also abwarten. DaS aber erwarten w.r von ihm, das erwarten seine Wähler, raß er in nationaler Zuverlässigkeit für die Geltung seiner Grundsätze mit all-n Kräitei: kämpfe, daß er die U b rlegen- beit seiner politischen Anschauung durch seine eigenen Taten beweise, daß er auck in der Minderheit seinen Siolz und die Rechte des Volks allezeit zu wahren wisse. Dazu Glück auf! Aar ms» vom Flmirslimur lernen kann. Von Professor Dr. Karl Lamprecht (Leipzig). In einem gestrigen Artikel ist gezeigt worden, wie die katholische klerikale Kirche der Gegenwart einer der voll endetsten deute bestehenden menschlichen Organismen aus deutschem Boden ist. Sie ist wie ein Staat im Staate; ja sie ist geradezu ein Staat im Staate, der innerhalb des Baues dieses weltlichen Staates durch das Svnderparlament des Zentrums vertreten ist, in welchem sich bekanntlich Angehörige aller weltlichen Parteien, Feu dale, Konservative, Liberale und Radikale zusammensinden. Und noch einmal mehr: Dieser Staat im Staate hat dem weltlichen Staate in der letzten Zeit geradezu das Paroli geboten, hat ihm die Pistole aus die Brust gesetzt. Ueberblicken wir unter Erinnerung an den früheren Artikel, was eigentlich das Geheimnis der Kraft dieses dem weltlichen Staate gefährlichen Nebenbuhlers ausmacht, so finden wir am Ende zwei Punkte: Seine eminent moderne Organisation und die Tatsache, daß er bestimmte führende Schichten unseres Volkes mit bestimmten Massen zu der engsten Interessengemeinschaft zusammenschweißt; daß er, echt demokratisch im Sinne des Zeitalters, die Klerikal-Ge bildeten leit der Zeit der Romantik und die feit der Re volutionszeit lebendig gewordenen untersten Schichten zu gleich umfaßt. Von diesen beiden Merkmalen ist daS erste vor allem in den Prüfungen des Kulturkampfes ganz und aufs Hervor ragendste entwickelt worden. In diesem Sinne konnte Fürst Bismarck schon 1875 im Preußischen Abgeordnetenhaus äußern: Ter Papst hat in Preußen seine offiziöse Presse besser bedient wie die des Staates, wohlfeiler, ausgedehnter, zu gänglicher: er hat in dieser offiziösen Presse die Möglichkeit, seine Dekrete amtlich, wenigstens mit amtlicher Glaubwür digkeit, zu verkünden, und die Gesetze unseres Staates für null und nichtig zu erklären; er hat außerdem auf unserm Boden ein Heer von Geistlichen; er zieht Steuern ein; er hat uns mit einem Netz von Vereinen und Kongregationen übersponnen, deren Einfluß sehr wirksam ist, — kurz, es gibt kaum, seitdem wir verfassungsmäßig sind, jemanden, der in Preußen persönlich und autokratisch so mächtig wäre, wie dieser hohe italienische Prälat, mit seinem Rat des italienischen Klerus umgeben; so mächtig wie er mit feinem Apparat kann kaum eine andere Persönlichkeit auf unsere preußischen Verhältnisse einwirken. Und doch war um diese Zeit der Wahlapparat des Kleri- kalismuS noch keineswegs völlig entwickelt; erst die späteren Zeiten haben z. B. die Entfaltung einer eigenen klerikalen Philosophie, Wissenschaft, bildender Kunst, Dichtung — ja Literatur, herab biS auf besondere klerikal« Reisehandbücher und dergl., vollkommen erlebt. Dieser ganze tzcrrschapporat indes, so großartig er ist, führt dennoch immer noch nicht in die eigentlichen Kammern der Kraft des KlerikolismuS. Diese sind vielmehr erst mit der besonderen Tatsache gegeben, daß sich im KlerikaliSmuS höchst entwickelte Werte modernster Kultur mit dem vorzeit lichen Fühlen der Mafien unter ganz besonderen Umständen, i die wir geschildert haben, auf demokratischem Boden zu fast I unwiderstehlichen Wirkungen zusammensinden. I Ja diesem Augenblick entsteht nun di« Frage, ob sich ähn ¬ liche Konstellationen für die Gegenwart nicht auch auf an deren Gebieten schassen lassen — insbesondere, ob sich nicht im Bereiche des Staates eine verwandte Vereinigung von Kräslen finden ließe, die dann auch fähig sein würde, den Klerikalismus, insoweit er dem Staate zu nahe tritt, auf seinem eigensten Gebiete zu bekämpfen. Ter Beantwortung dieser Frage sollen oie hier noch folgenden Bemerkungen dienen. Offenbar ist es dabei nicht mit der Nachahmung der ein zelnen modernen Machtmittel des Klerikalismus getan. Ge wiß: der Staat könnte bereits unendlich viel für die Be herrschung der nationalen Gesellschaft gewinnen, wenn er auch nur diese direkt in annähernd gleicher Weise wie der Klerikalismus entwickelte. Was bedeuten in diesem Zu sammenhänge z. V. nicht allein schon die Worte Vereins leben und Presse. Was würde es heißen, wenn die öffent lichen Gewalten die Hand dazu böten, das ungeheure kor porative Leben der deutschen Gegenwart durch Errichtung neuer Selbstverwaltungsnormen und durch Uebertragung kleiner staatlicher Pflichten und Rechte politisch zu erziehen! Es wäre ein Stück der heute schon von mehr als einer Seite geforderten Politisierung der Gesellschaft im besten Sinne. Und waS würde es bedeuten, wenn die öffentlichen Gewalten sich des ungeheuren Machtmittels der Presse in vorurteils freier Weise zu bedienen begännen, statt es selbstmörderisch zu verachten. Tenn es ist eine bekannte Tatsache, daß es selbst sogenannten gutgesinnten Redakteuren heute oftmals nicht gelingt, das Publikum in einer der Negierung genehmen jachgemußen Weise unter Beihilfe der Negierung selber auf- zuklärcn. Wie beschämend weit ist unsere Presse — eine Presse, die sonst in so vielen Stücken die des Auslandes überragt — in dieser Hinsicht hinter den Organen der öffentlichen Meinung in anderen Ländern zurück! Müßte nicht in jeder wichtigeren Behörde ein Preßagent angestellt, müßten nicht in den höheren Stellen durchweg Preßbureaus entwickelt werden? Hier kann die Organisation der kleri kalen Presse ein glänzendes Beispiel dafür geben, was not lut — nottut schon nach dem Zeugnis BiSmarcks aus dem Jahre 1875. Gleichwohl berühren alle diese wichtigen Dinge doch nur Nebensrajien gegenüber dem Hauptproblem, inwiefern es ge lingen möchte, dem klerikalen Denk- und Empsindungskrelse einen staatlich, der öffentlichen Sittlichkeit und dem öffent lichen Reckte angehörenden Denk- und Empsindungskreis von gleicher ja womöglich überlegener Wucht entgegenzustellen. Aber Bernde diese Frage, eine der schicksnlsschwe'-en unserer Zukunft, erscheint heute, nach den Wahlen vom 2b. Januar, lösbar. Tie politische Vertretung des vierten Standes ist zurück gedrängt, ist halb geschlagen. Wird man das den vierten Stand entgelten lassen und nach der Schlacht die Verfolgung einleitend Es wäre der verhängnisvollste Fehler, den man begehen könnte. Tenn auch die Männer deS vierten Stan des find Angehörige der großen deutschen Familie. Der gerade entgegengesetzte Weg empfiehlt sich. Und entschließt man fick zu ihm, so hat man die oben geforderte Konstellation oder wenigstens eins ihrer Elemente, das der Masse. Das andere Moment aber braucht kaum erst genannt zu werden. In voller Klarheit steht es vor uns. Wer das politische Denken des Kaisers sich aus den zahlreichen denk würdigen Sätzen jener Reden genauer vergegenwärtigt, dir hier in Betracht kommen, der bleibt darüber auch nicht im geringsten Zweifel: dieses Denken ist höchst modern und höchst historisch zugleich; es wurzelt mit seinem Ideenkreise von der Notwendigkeit eines persönlichen kaiserlichen Führers in po litischen Vorstellungen der Vorzeit, und es umspannt mit seinem weltpolitischen Programm die Gegenwart, ja reicht hinein in eine noch weite Zukunft. So ist es, wie das Denken jeder geistigen Kraft, die auf ihre Zeit zu wirken weiß, konser vativ und liberal zugleich; und neben Vorstellungen hockst fortschrittlichen Charakters stehen pathetische Stimmungen und selbst Gedanken ferner Jahrhunderte. Damit aber ist der Kaiser im höchsten Grade geeignet, eben mit seiner Per son die Brücke zu finden, die ihm die Masse des vierten Standes zusührcn kann: umjubclt könnte er sich von ihnen sehen nicht minder wie von den führenden liberalen und kon- feroalioen Schichten. Man ver'enke sich psychologisch eingehend ln diesen Ge genstand, und man wird finden, mit wie viel innerer Be rechtigung und mit welch sicherem Instinkt der Kaiser sogleich im Aiffang meiner Regierung den Versuch gemacht hat. dem vierten Stande nabe zu treten. Freilich damals mißlang der Versuch. Der Kaiser sah, wie nickt selten, zu weit und über sah daher vielleicht nähere Horizonte, und er handelte zu un- mittelbar, zu !ehr aus dem vollen Herzen des jugendlichen Herrschers. Heute wiederholt sich unter ungleich günstige ren Zeichen die Konstellation dieser Zeiten. Niemand wird mehr glauben, daß ihre Lösung mit den früher angewandten Mitteln möglich sei. Aber daß ein leises Zusammenneigen, das Zeichen einer Bereitwilligkeit nur, zusammen zu arbeiten, zu l-ören, zu urteilen, zu schassen, versöhnend zu wirken, schon von der außerordentlichen Bedeutung sein würde, ist nach dem Gesagten klar. Und sehen wir schließlich von allen ge- schichtlich durchaus begründeten Erwägungen ab: Soll denn in der inneren Politik nicht -ach einmal mehr als sonst im Staaisleben das Herz gelten? Ick bade in dielen Tagen so mannicffacken Verkehr mit Neichstagswählern gepflogen, jun- gen und alten, geistig reichen -nd geistig armen: sie alle, jetzt die Sieger in der besonders bewegten Leipziger Wahlschlacht, die Wähler de« nationalliberalen Dr. Junck, beschäftigt der Gedanke der Nationalisierung nicht der Sozialdemokratie, wohl aber des vierten Standes. km neue» steicbttsg. Als am 13. Dezember der alte Reichstag auseinander» ging, lag eS über der Zukunft der Abgeordneten wie ein dichter Schleier. Wem schließen sich heui« die Pforten dr« Wallotbane« iür immer — wer wirv wiederkebren dürfen, von neuem durck dar Vertrauen de« Volke- auSaezeichnei? Ein nationaler Abgeordwter hat damals zu einem soz>al- demokratiicken Kollegen getagt: „nun — Sie werden Wohl fast alle zuiücklommen, ater — wir —? So wenig Zu» kraft traut« er der lolouialpoliltschea Wahlparole zu, und der rote Kollege lächelte in dem Bewußtsein: »mir* kann es nickt feisten l Beit« haben seitdem erfahren: eS kommt immer ander-, al- man r- fick denkt. Mit ihnen ist e« vielen anderen so gegangen. Und wer sich veuie kaS Wabtreiuffal mit den allen und neuen Namen besieht unv derer gedenkt, die nickt wiederkommen — der siebt in ein so dichtes Durcheinander hmeia, wie es ähnl ch nur die Fülle der sich widersprechenden Stichwahl- paiolen in den letzten zehn Tagen bot. So mancher sch«ev für immer. Voran der greise Reick«- tagSpiäsireiil Graf Ballestrem, der ja auch gar nicht wi Verkehren wollte, der lic.cr seinen Wahlkreis dem Kamrfe zwischen Zcnnum unv Polen übe, ließ unv den nun auch ein Vollblutpole namen- Jankow-ki »letze» wird. Zwar nicht auf dem behaglich bereiteten hoch- iebnig-n Piäsiventinstubl, aber al- Vertreter von Lubli- nitz-Tost - Gieiwitz unv andern „—Witz nnd —itzen". Wer rie Prasidenicnalocke in die Hanv bekommt, das stebt noch in den versiegelten Büchern geheimnisvoller Fraktions politik verborgen. Wird e« der freffvntrrvative Fürst Hatz- t. lv sein, der BreSiau-Ost der Sozialdemokratie abnabm, oder wird man von neuem dem Zentrum die Ehre der Re- p>ä>eniatio>i und Leiiung des hohen Hause« überlassen? Recht und billig wäre es, wenn die Miiioritätspa,leien vom 13. Tezem! er, die jetzt eine nationale Mehrheit bilden, sich hierge-ikn sträubst»» unv bei der Präsidentenwahl zum Au--> druck bringen wollten, daß der Cbarastrr de- Reichstages sich veiäntelt hat. Aber wer weiß, ob die Konservarioe»' da mitwachen. Sie erhoffen ja, jür rbre beloodere» politijchcn und wirrsckasilichen Ziele mit aller Grandezza eine konservativ - uliramoniane Mehrh.it zur Hand zu haben. Sie selbst erleben die Freute, eines brer radikalsten Mitglieder, den Herrn von Oldenburg- Ji.iulchau wieder in der Fraktion begrüßen zu lönnea, der mit Preußen» Macht die temolratisierenve Politik der füd» deuiscken Staaten einichüchteru möchte! Dabei hat ,hn vor dem Durchfall gegen den Soziaidemolraien nur ter Freisiaa gerettet, den er und seine Gesinnungsgenossen sonst so gern als die „Vorfrucht res Umsturzes" bezeichnen. Oldenburgs politisck-lonservaiiver Radikalismus wird durch zwei Ver irrter de« Bundes der Landwirt« auch aus wirtschaftliche»» Geb ete rntspieckenden Auedruck finden. Dr. Roesicke uad Dr. Hahn lehren mit frischen Krälten in-Parlament zurück, nachdem sie durch reu Ausfall der Wahlen von 1903 zu unfreiwilliger parlamentarischer Muße verurteilt ward«» waren. Aber der Mecklenburger Rettich wird ihnen nickt mebr zustimmen tonnen — er rubt sich, vom Freisinn geschlagen, bis zur nächsten Wahffchkacht aus. Dafür ist der Reichsparteiler Gamp aus der Stichwahl mit dem doppelt ausgestellten ZerurumSführ» Spahn als Sieger wieder bervorgegangen, und die beiden Pauli, der reicktparteilichc Professor wie der deut'ckkonfervative Tischler meister, nehmen auch ,dre Sitze wieder ein. Der eine bat über den Sozaltrmokraten Brui.S, der andere üb» de» Sohn deS alten Liebknecht gesiegt, dem eS W eder nicht gelang, de» VaieiS Namen im Reichstag ru vertreten. Unter ten Frestonseivaliven sei ichlreßlich r:ch Generalstutnaat von Liebert genannt, der al- Vorsitz der de- bekannte» ReickSoerbandcS >m Rechctag manchen Strauß mit de» Sozialdemokraten wird bestehen müssen, aber al- erfahrener Kenner der Kolonien eine schätzenSweite Kraft bet de» kolonialen Beratungen zu werden verspricht. > Bon bekannten Nationalliberalen kebren außer de« schon nach der Hauptwabl genannten Abgeordneten wierer Freiherr Heyl zuHernSheim, reffen Mandat äußerst bedroht war, GiafOiiola, Hagemann, die Badener Blanken Horn unv Beck, der Hesse Haas, der Jenenser Lehmann, Rimpau. Da egen ist u. a. der bekannte Protektor der „Nanouaff.rimng" Bartling in Wiesbaden dem Sozialdewokiaren unterlegen. Von n.uen Männern i» der nationalliberalen Fra tion nennen w r vor allem unsere tecks Sachsin: Leipzig« Stolz, den Justiz,ak Junck, Dresvens wackern Kämpen, Landgerichlsdiiektor Hein ze, den schon al- Lanctagsabgeoidnelen verdienten Fabn'anieu Merkel, Lank« dnenvr Weber jürLöbau. Döbeln enoenert den redegewandte» Liz. Everling. mit dem der Eoaug. Bunv als mit feinen» Direktor eine überaus wertvolle Vertretung im Reichstag erhält, und IsLt not lenst Dr. Streteniann, den mutige« Boriämpfer ein-S euttchieden libeialen Nanonalliberalremu-, ec., ganz besonder« untere Glückwünsche in den Reichstag begleiten. — Tie Freisinnige Vereuii mna, die bei der Haupt wahl nur ihren greisen Führer Eljenbabndirekior Schrader vurchbiingen konnte, siebt nach der Suckwabl die Mebrzabl ihrer Führer wieder im ReickSiag. Golhein und Mommieu kebren zuiiick, Packnicke ist so wenig wie Po«rhoff schwerem Siickwahlkampse uiil.rlegcn. Dagegen meißle von Ger lach eiwr sanaticken antiteulitischen Agitation in Marburg weichen und Riss verlor in Straßburg-Stadt das Mandat gegen die So,ialdemo>ralie. Unter den neuen Mug ledern der Fieifinnia.n Veiein-gung, zu denen auch der Bruder des bekannten früheren Tbeaterdireklors Dr. Neumann-Hofer, Cbeirevakieur m Detmold, gehören dürste, sei vor allem l> Friedrich Naumann genannt, den Heilbronn in de» Reichstag sendet. Er wird zu denen geboren, die, w»nn sie reden, auch etwas zu sagen haben und die auch über der Parket Grenze hinaus voller Beachtung gewiß sei» dürfen, wirv e« auch wckt an dem Veisuch fehlen, ibn unsachlich und mit oberflächlichen Redensarten zu detämpsen. Kopsch, F'tchbrck, Hermes, Wremer werden eden'o wie Müller- Meiningen die freisinnige Voüdpartei rrpräsentirren. Eick hoff ist sogar zweimal gewählt, so daß er einen seiner Wahlkreis« einem Parteigenossen Lberlaffea kann. Cuno bat Haaen trotz de-Zentrums gehalten. Von neuen liberale» Abgeordneten seien lern» berovrgebodea Heckscher, der das Her.orwm Lauenburg vertreten wird, Dr. Struve, der Plön-Oloeiiburg, ein« der festesten kouservatioen Hoch burgen, erstürmt lat unv dann unter den der kübdeuitche» D'Nio'ratie ingeneigten H-r»n Dr. Oeser, der Redakteur der „Fianlfurier Zeitung", der Frankfurt a. M. endlich wieder den Sozialremoliaten rninß. Auch der de«o» Iraiiiche Führer Haußmann kehrt zurück, den di« Svjial- deniokralir durchfall.» lassen wollte. Dagegen ist leider Blumenthal in den beide» reich-ländisch« Wahlkreise», ,» denen » im Snchwahlkawvs sta»v, 1 unterlege»« Lus Sachs«a »«rdt» b«la»»t«
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