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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000925015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-25
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Dessen un geachtet fährt der „Vorwärts" fort, mit Schlagworten wie „Kohlenwucher", „neuer Raubzug der Kohlenherren" und so weiter zu operiren. Neuestens sucht das Blatt ein« Gegenüber stellung der Löhne der Bergarbeiter und der Kohlenpreise in seinem Sinne zu verwerthcn, indem es unter Hervorhebung durch Fettdruck behauptet, den Bergarbeitern sei die Steigerung der Kohlenpreise nur zu einem ganz minimalen Theile zu Gute gekommen. Speciell für die Ruhr-Bergleute soll nach dem „Vor wärts" die Lohnstergerung vom 1. zum 2. Quartal dieses Jahres nur 6 H pro Schicht betragen haben, während der Preis der Ruhrkohle seit dem 1. April durchschnittlich um I pro Tonne höher angesetzt worden sei. Die tendenziöse Art und Weise des Vorgehens des „Vorwärts" in dieser Angelegenheit leuchtet schon aus der Berechnung der von ihm vevwerthelen Arbeiterlöhne hervor. Das Blatt führt nur die Durchschnittslöhne an, die sich aus der Zusammenrechnung der Löhne der einzelnen beim Berg bau unterschiedenen Arbeiterklassen ergeben. Jeder Kundige aber weiß, daß die Löhne der vier hauptsächlich beim Kohlenberg bau unterschiedenen Arbeiterklassen, sn überaus weitgehender Weise von einander abweichen. Greifen wir aufs Gerathewohl ein Bergrevier heraus. Nach den Berichten der Bergbehörden hat im Bergrevier West-Essen im 3. Quartal 1899 der Schichtlohn für die Classe I, welche die in der Hauptsache bei der Gewinnung und Förderung der Kohle unter Tage beschäftigten Arbeiter umfaßt, >im Durchschnitt 5,15 betragen, während die Classe IV, zu der die Jugendlichen zählen, einen Durchschnittslohn von 1,27 o/k hatte. Zwischen diesen Lohnsätzen liegen noch solche von 3,28 und 3,14 »A, welche die älteren Arbeiter über Tage und di« bei Nebenarbeiten unter Tage beschäftigten erzielten. Die Hauptclasse aber bildet natürlich die Classe I, und wenn man mit Lohnvergleichungen operi^n will, kann man mit Fug nur diese heranziehen. In welcher Weise aber hier schon seit Jahren Lohnsteigcrungen Platz gegriffen haben, ist aus den Berichten der Bergbehörden für Jeden ersicht lich, der zu lesen versteht; ebenso ist aus diesen Berichten festzu stellen, daß diese Lohnsteigerung gerade im verflossenen Jahre eine bedeutende gewesen ist. Im Bergrevier SUd- Kattowitz ist der Schichtlohn für die Häuer im Jahre 1899 um 8 Procent gestiegen; seit 1895 ist eine Steigerung um 29,3 Procent zu verzeichnen gewesen. Bei den Schleppern betrug sie 28,9 Procent. Im Revier Königshütte ist eine Steigerung von 6,5 Procent «ingetret«n. Im Bergrevier West-Dortmund sind die Schichtlöhne der Häuer seit 1895 um 33»/» Procent gestiegen; im Jahre 1899 allein um etwa 7 Procent. Im Bezirk Ost-Essen weist die Steigerung 1899 6 Procent auf und seit 1896 17—18 Procent. Für Süd-Dortmund betrug die Lohn steigerung für Häuer 1899 7—8 Procent, und seit 1897 14 bis 15 Procent. Im Bezirk Oberhausen ist seit 1894 ein« Steigerung um 23—24 Procent eingetretem Diese bereits vor der jetzigen Erhöhung der Kohlenpreise eingetretenen Lohnsteigerungen dürfen bei einer gerechten Beurtheilung der Sachlage nicht außer Betracht bleiben. Wir glauben nicht, daß -der „Vorwärts" den Nachweis unternimmt, daß die Kohlenpreise mit ihnen gleichen Schritt gehalten haben. Daß die Löhne auch jetzt noch eine stetig steigende Tendenz haben, lassen die schon von dem socialdemokratischen Organe angezogenen Durchschnittslöhne erkennen. Die Forderung aber, die Werksbesitzer sollten bei einer überraschend schnell ein getretenen Conjuncturveränderung mit steigenden Preisen sofort die Löhne in procentualem Maßstabe zur Erhöhung bringen, widerspricht so sehr den einfachsten Regeln wirthschaftlichen Ver fahrens, daß auch eine soeialistische Arbeitsfiihrung schwerlich dazu greifen würde. Die nächste Folge würde eine Herabsetzung der Löhne bei sinkender Conjunctur sein, und damit würde das gesammte Wirthschaftsleben der Arbeiterschaft inS Schwanken gebracht und den Arbeitern würden enorme Verluste erwachsen, ohne daß die socialdemokratische Presse von einem „Raubzug der Wcrksbesiher" reden könnte. Wenn übrigens der „Vorwärts" bei seinen Ausführungen die Thatfache schroff zurückweisen zu dürfen glaubt, daß die Arbeiter der Kohlenbergwerke durch willkürliches Feiern es versäumen, die günstige Ge schäftslage in den gegebenen Grenzen für sich auszunutzcn, so geräth er mit den durchaus zuverlässigen Feststellungen in Widerspruch, welche die Bergbehörden schon für das verflossene Berichtsjahr machen mußten. Wir haben schon einmal darauf hingewiesen und wiederholen hier nur kurz, daß im Bergrevier Nord-Kattvwitz an Tagen nach Lohntagen bis 50 Procent der Schlepper fehlten. Im Revier West-Dortmund fehlten durch schnittlich an jedem Arbeitstage 3 bis 4 Procent der Belegschaft, wodurch den Arbeitern ein Lohnausfall von 624 000 erwuchs. Im Revier Ost-Essen wird der Lohnausfall aus gleichem Anlaß auf 318 000 <7^ berechnet. Aehnliche Verhältnisse herrschten in allen Bergrevieren, und so lange sie bestehen, sollte der „Vor wärts" vorsichtiger sein mit der Behauptung von dem „Raubzug der Kohlenherren" auf Kosten der Arbeiter. Vie Angriffe auf die Deutschen in Haifa und ihre Vorgeschichte. Ueber die Unruhen in Haifa geht der „Welt-Corr." von ihrem Correspondenten in Haifa unterm 3. September ein Bericht zu, der den bisher nach den Telegrammen wenig ver ständlichen Zusammenhang klar macht und vor Allem «in über raschendes Licht auf die in erster Reihe schuldigen Element« wirft. Der Bericht lautet: Wie zur Zeit der Kaiserreise nach Palästina berichtet worden ist, wurde damal- auf Befehl des Sultans durch vr. G. Schu macher bei der hiesigen deutschen Colonie in der Verlängerung der Hauptstraße derselben ein Damm ins Meer gebaut, damit das deutsche Kaiserpaar bequem landen könnte. Unmittel bar neben diesem Platz hat die deutsch« Colonie seit 20 Jahren ein Badehaus. Den französisch gesinnten Mönchen und ihrem Anhang war der Bau des Kaiserstadens und überhaupt die Erhöhung des Einflusses des deutschen Elementes durch die Kaiserreise sehr zuwider und sie suchten demselben auf alle Weise ent gegenzuarbeiten. So suchten die Jünglinge und jungen Männrr dieser Sippe die Deutschen dadurch zu kränken und zu ärgern, daß sie den Kaiserstaden zum Aus- und Ankleideplatz beim Baden erwählten. Da sie zu letzterem keine Badckleider benutz ten, so war es für Frauen und Mädchen der deutschen Colonie nicht möglich, das Badehaus zu benutzen. Auf eine Klage un sererseits über diesen Unfug bei der hiesigen Stadtbehörve be orderte Dkselbe vor etwa zwei Monaten zwei Polizisten, die beim Kaiserstaden in einer von der Colonie errichteten Wachthütt« sich aufhaltcn und das Baden der Eingeborenen bei demselben ver hindern sollten. Allein schon nach acht Tagen wurden diese Polizisten von diesen Rowdies gehörig durchgebläut, fortgejagt und die Wachthütte zerstört. Die Regierung hätte sich daS ruhig gefallen lassen, denn der Regierungscommissär sagte, wenn er die Schuldigen verfolge (die auffälliger Weife ausschließ lich Christen und zwar römisch - katholische oder unirt« sind), so bekomme er «s mit der Geistlichkeit zu thun. Auf unsere Klage hin sah die Regierung sich genöthigt, den Wachtposten zu verstärken und anstatt 2 Mann deren 8 mit der Bewachung des Kaiserstadens zu beauftragen. Dies war aber nun gar nicht nach dem Sinne der erwähnten arabischen Jugend, und so soll beim Dragomandes französischenCon- sulats ein Anschlag gemacht worden sein, auch diesen stär keren militärischen Posten zu vertreiben. Dies wurde nun am 30. v. Mts. ins Werk gesetzt. Gegen 11 Uhr Abends griffen 40—50 junge Männer den Wachtposten auf der Straße der deutschen Colonie zwischen dem deutschen Consulat und dem Hotel an. Die acht Mann desselben hatten sich in «ine Reihe gestellt und wollten so di« Bande aufhalten; da sie aber nur blind geladen hatten, wovon die Angreifer Kunde gehabt haben müssen, wurden sie zurückgedrängt, und zwar zogen sie sich gegen das in der Nähe befindliche deutsche Hotel, in daS sie sich schließlich, nachdem sie die Bande durch die Abfeuerung ihrer blindgeladenen Gewehre vergeblich abzuschreck«n versucht hatten, gegen deren St«inwürfe flüchten mußten. Da es letz terer nicht gelang, die Thüre zu «rbrrchen, was sie längere Zeit versuchte, wurde durch die Fenster indaS deutsche Hotel geschossen und die Fenster mit Steinen bombardirt, daß die Jalousien und Fensterscheiben in di« Zimm«r flogen, die Leute aber im Hotel alle schleunigst in den zweiten Stock flüchten mußten. Aber auch dorthin wurde von draußen geschossen. Den Soldaten, von denen mehrere durch Stein würfe ver wundet waren, war es gelungen, einen der Angreifer, di« das Hotel umringt hatt«n, zu ergreifen und ins Hotel hireinzuziehen. Zufällig übernachteten hier «in höherer Militär beamter aus Acco und «in Beamter aus Konstantinoprl. Ersterer fragte den Ergriffenen aus und ließ sich besonders die Teilnehmer des Ueberfalles nennen, worauf er ihn freiließ, da er hoffte, die Bande werde dann «her abziehen. Gleichzeitig war auf das Schießen die Wache der Colonie in di« Nähe geeilt und blies Alarm, worauf die Colonisten, möglichst gut bewaffnet, herbeieilten. Doch hatten die Angrrifer auf den Ton des Alarmhorns hin die Belagerung des Hotels aufgegeben und sich in die Stadt zurückgezogen. Der Militärbeamte for derte dann noch Nachts telegraphisch Verstärkung und Munition von Acco, was beides am andern Morgen früh «intraf. Am Morgen ging es dann an das Verhaften der Aufrührer, allein dieselben hatten sich zum großen Theil während der Nacht in Sicherheit gebracht, indem sie in dem Kloster auf dem Karm«l Schutz suchten und fanden. Nach türkischem Brauch wurden nun Verwandte gefangen gesetzt, auch wurden Soldaten in die betreffenden Häuser gelegt, um auf diese Ar! die Auslieferung der Schuldigen zu erlangen. Auf Vorstellung der betreffenden Geistlichkeit, die da versprach, für die Ausliefe rung der Schuldigen zu sorgen, wurde daS Militär aber schon am andern Tage aus den Häusern zurückgezogen. Di« Geistlich keit lö st e ihr Versprechen jedoch nicht «in, denn bis heute sind noch die allermeisten Theilhaber an dem Crawall im Schutz deS Klosters. Dieses aber darf die türkische Polizei nicht betreten. Nun versuchen die eigentlichen Urheber der Unruhen der Sache dadurch eine bessere Wendung zu geben, daß sie eS so darst«ll«n, als ob nur einige Betrunkene dabei betheiligt gewesen seien. Auch suchen sie das Vorgehen der Behörde als eine Art Christenverfolgung darzustellen, um so di« Einmischung des französischen Consulat- zum Nutzen für die Aufrührer zu ermöglichen. Ein Knabe will zum Beispiel gesehen haben, wie di« Soldaten «in Kreuz zurecht gemacht und dasselbe Nachts durch die Straßen der Stadt geschleppt haben. So un sinnig di«s« Behauptung auch ist, so findet sie bei der Bevölke rung doch Glauben, indem die römisch - katholrsche G «istlichk«it sich den Anschein gtebt, al« sei sie vollkommen von der Richtigkeit dieser Angabe üb«rz«ugt. So werden all« Hebel in Bewegung gesetzt, um die Schuldigen ihrer verdienten Strafe zu «ntziehen, und womöglich doch noch die Deutschen, die alt eigentlich« Urhebrr der Christenbedrückung dargestellt werden, wenigsten» in den Augen der christ - lichen Bevölkerung zu-ditcreditirrn. Die Wirren in China. —t». Der Londoner „Standard" schreibt zutreffend: E« ist zu befürchten, daß da« verhalte« der vereintste« Staaten dahin führen muß, den moralischen Einfluß der Verbündeten zu schwächen. Jede« Seichen von einer Meinungsverschiedenheit wird ohne Frage die Chinesen rrmuthigen. Daher ist die Haltung der Bereinigten Staaten sehr zu bedauern. Wir würdigen di» Wablscdwierigktitea aus Mac Kinley'« Weg», aber da» Land, da« al» Reich eine Rolle spielen will, muß al« eine der ersten Lrctionen lernen, daß die innere Politik nicht die Pflichten im Au«lande taogiren darf. Nickt unerbeblick abgeschwäckt würde die Wirkung de« sonderbaren Mac Kinley'schen Solo«, wenn e« sich bestätigen sollte, daß Rußland, von dem man es am wenigsten hätte erwarten sollen, dem Bülow'scken Circular nicht mißwollend gegeiiübersteht. In dieser Hinsickt wird uns gemeldet: * Wie», 24. September. (Telegramm) Die „Politische Correipondenz" erhält aus Petersburg eine Mittheilung, die eine günstige Stellungnahme Rußlands gegenüber den jüngsten Vorschlägen Deutschlands über die chinesische Angelegen beit bestimmt vorausiehen läßt. In den leitenden Kreisen äußere man sich beifällig über den Ton und den Gedankengang der Circular-Note des Staatssekretärs Grafen Bülow. Obgleich eine Meiuungsäußerung deS Petersburger Cabinets der deutscheu Reichs-Regierung noch nicht zugegangen fei, lägen doch hin reichende AnhaltSpuncte für die Erwartung vor, daß die russische Regierung ihre grundsätzliche Zustimmung zu den Berliner An- trägen ausdrücken werde. Die Verzögerung der russischen Ant wort dürfe nicht als ein Symptom etwaiger retardirender Be denken gedeutet werden, sondern fei einfach dem Umstande zuzu schreiben, daß die Feststellung Lcr Erwiderung gegenwärtig, wo der Zar nicht in der Hauptstadt, sondern in Spala weile, natur gemäß mit etwa- mehr Zeitverlust, al- rS sonst der Fall wäre, verknüpft sei. Inzwischen mehren sich die Anzeickeu dafür, daß auf ein loyale» Verhalten CbinaS bei den bevorstehenden Verhand lungen in keiner Weise zu rechnen und daß man am Hofe durckanS nicht geneigt ist, den Wünschen und Forderungen der Mächte entgegenzukommen. So meldet der „New Jork Herald" au» Shanghai: Der Eisenbahndirector Sckeng er klärt, Prinz Tuan sei zum Großsekretär beim Kaiser ernannt worden, wodurch er in der Lage sei, alle Mit tbeilungen an den Tbron, sowie die de» Thrones an Andere zu controliren. Allerdings wird weiter berichtet, der chinesische Gesandte Wu-tinz-fang in Washington schenke der Melkung von der Ernennung Tuan'S keinen Glauben, aber auch dem „Standard" wird aus Shanghai unterm 23ten tele- graphirt: In offener Nichtachtung der Ansicht des Auslandes mt die chinesische Negierung den Prinzen Tuan zum Präsidenten de» Großen RatheS, Lung-fu-siang zum Oberbefehlshaber der Truppen deS Nordens, den Taotai von Shanghai znm Oberrick ter der Provinz Kiangs», den Herzog Tsai lau zum StaatS- minister und den Prinzen Tsckaung, den stellvertretenden Oberführer der Boxer, zum Mitgliebe deS Großen Natbe» ernannt. Die RämnimgSfragc. Der Stand der Frage, betreffend die Räumung Pekings, ist nach einem der Wiener „Pol. Corr." aus Paris zu gebenden Berickte der folgende: Der Meinungsaustausch der Cabinete über die russische Anregung scheint abgeschlossen zu rin. Die russische Regierung, welche die Zurückziehung des größten TkeilrS ihrer Truppen aus der chinesischen Hanpt- kadt nickt bloS bedingungsweise angekündigt bat, will ihren Entschluß in nächster Zeit, allerdings, wie bereits in Peters burger Kundgebungen betont worden ist, ohne Uebereiluug und unter fortwährender Berücksichtigung der augenblicklichen Umstände, auSsübren lassen. Frankreich, daS den russischen Vorschlag für zweckentsprechend ansiebt, wird in dem gleichen Tempo und nack den gleichen Gesichtspunkten Vorgehen. Die dritte Macht, welche ebenfalls die partielle Verlegung ihrer jetzt in Peking befindlichen Streitkräfte für den Winter nach Tientsin beabsichtigt, ist die nord- amerikaniscke Union. Der Zeitpunkt, in dem von russischer und französischer Seite mit der RäumungSaction begonnen werden soll, steht noch nicht fest. Man dürfte, wie ver- mnthet wird, jedenfalls die Folgeerscheinungen abwarten. Welche sich an das Eintreffen deS FeldmarschallS Waldersee in Peking knüpfen können, und welche möglicherweise die ge mäß dem erwähnten Grundsätze hinsichtlich der Räumung in Betracht zu ziehenden momentanen Bedingungen ver- sckieben werden. Lonstige Meldungen. * Peking, 19. September. (Wolsf'S Telegraphen-Burean.) Die Gesandtschaften befinden sich fämmtlich noch hier. * New Nork, 24. September. (Telearamm.) sRcuter's Bureau.j Hier ist heute ein Telegramm auS Taku vom l9. Sep tember veröffentlicht worden, das besagt, alle Missionare in den westlich von Peking gelegenen Orten Tatingfu und Supingfu seien ermordet worden. * Frankfurt a. M., 24. September. (Telegramm) Der „Frankfurter Zeitung" wird aus Sbanghai unter dem 23. d. M. gemeldet: Der deutsche Gesandte Or. Mumm v. Schwarzenstein begiebt sich in den nächsten Tagen nach Tientsin. * Berlin, 24. September. (Telegramm.) Das Kriegs ministerium theilt über die Fahrt der Truppentrau-portschifse mit: „Phönieia" am 22. d«. Mt-. in Taku eingetroffen. Alles vorzüglich Angebliche russische Metzeleien in -er Mandschurei. Der Moskauer Corrrspondent deS „Standard" will „authen tisch« Berichte" über Grausamkeiten der Russen in Blagoweschtschensk erhalten haben. Blagoweschtschensk liegt am Amur und ist die größte sibirische Stadt östlich vom Bakkal-G«e. ES wohnten dort 5000 Chinesen, rinsckließ- lich der Frauen und Kinder. Früher durften keine chinesischen Frauen in Blagoweschtschensk wohnen und die Männer mußten über den Amur sehen, um ihre in der gegenüberliegenden chine sischen Stadt Sachalin wohnenden Frauen zu sehen. All mählich kam jedoch diese Bestimmung außer Hebung, und so siedelten sich viele chinesische Frauen auch in Blagoweschtschensk an. Wie erinnerlich, dombardirten die Chinesen diese russische Stadt drim Ausbruche der Wirren. Anfang-, so erzählt nun der englische Corrrspondent, fanden Haussuchungen bei einzelnen Chinesen statt, um festzustellen, ob sie im Besitze von Waffen waren. Widerstand bedeutete sicheren Tod. Dann befahl die Polizei allen in Blagoweschtschensk wohnenden Chinesen, sich auf den Polizsistationen einzufinden. Don dort wurden sie, 5000 an Zahl, von bewaffneten „Freiwilligen" nach einem 8 Kilometer stromaufwärts gelegenen Orte escortirt und in Gruppen zu einigen Hunderten an den Fluß gebracht. Dort erhielten die Chinesen den Befehl, über den Amur zu setzen, und da dieser über 1 Kilometer breit ist und keine Boote zur Ver fügung gestellt wurden, so war die Absicht klar. Die Chinesen waren nicht nur unbewaffnet, sondern auch aller Werthgegen stände beraubt worden. Männer, Frauen und Kinder wurden inden Strom geworfen und bei dem geringsten Wider stande «rschossen oder erstochen. Nicht Einer kam mit dem Leben davon und die Ufer des Flusses waren mit Leichen übersät. Aehnliche Greuelthaten wurden in allen chinesischen Dörfern am Amur verübt, und so sollen nicht weniger, als 7000 Chinesen — Männer, Frauen und Kinder — getödtet worden sein. Einige Wochen darauf erließ der Militär-Gouver neur einen Befehl, in dem er die Ermordung von Chinesen verbot und die Beerdigung der Getödteten anordnete. Die An gelegenheit ist zum Gegenstände einer Untersuchung gemacht worden, und so wird man denn wohl auch bald erfahren, ob und was an den Mittheilungen des englischen Correspondenten Wahres ist. General Skobelew hat bekanntlich nach der Ein nahme von Gök Tepe 8000 Tekinzen medermachen lassen — um ein Exempel zu statuiren, und es wird nun daran erinnert, daß der gegenwärtige Militär-Gouverneur des Amur-Gebietes, General Gridskij, früher im Stabe Skobelew's, war. Immerhin wird man eine Bestätigung der schier unglaublich klingenden Nachricht des Moskauer Correspondenten des „Standard" abwarten müssen, ehe man dieselbe für richtig hält. Tie Stimmung in Sndchina. Der „Welt-Corresp." wird aus Hongkong, 15. August, geschrieben: Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, giebt es hier in Hongkong zur Zeit wohl Niemanden mehr, der befürchtet, daß in nächster Zeit auf der Insel Unruhen ausbrechen könnten. Im Gegentheil haben sich aus Kanton, Futschau, Amoy, Svatau, Pakhoi und anderen Ortschaften eine Reihe von Flücht lingen hier eingefunden, meist Damen, die von ihren Ehegatten hierher in Sicherheit gebracht worden sind, und Missionare, die sich beim Passiren feindlich gesinnter Districte theilweise in Säcken und Särgen tagelang haben tragen lassen, um ihr Leben zu retten. Die wenigen hier vorhandenen besseren Hotels sind überfüllt, und es ist kaum mehr Unterkunft zu bekommen. Di« hiesige Garnison war einige Wochen lang, nachdem die ersten Transporte von hier nach dem Norden abgegangen waren, recht schwach; dazu kam, daß die Befestigungen der Insel zwar an sich ganz gut angelegt sind, aber theilweise mit veralteten Ge schützen ausgestattct, zum Theil überhaupt nicht armirt sind. Die hiesigen Truppen, die nach dem Norden gingen, haben sich daher Geschütze von dem englischen Artilleric-Volontärcorps leihen müssen, das seinerseits nun waffenlos ist. In letzter Zeit ist die Garnison aber durch Truppen aus Indien nicht nur auf den alten Stand gebracht, sondern erheblich verstärkt worden. Die indischen eingeborenen Truppen, die hier zurückgchaltcn wurden, sollen recht unzufrieden damit sein; der Indier haßt den Chinesen und ist daher voll Kampfeslust. Die in Menge durchpassirendcn Kriegsschiffe und Truppentransporte werden von den Chinesen mit einer gewissen Aufregung beobachtet; so oft ein Salut geschossen wird, laufen sie in Schaaren an den Hafen, um sich zu überzeugen, daß es noch nicht im Ernst losgeht. Sie sind durch eine hier täglich erscheinende chinesische Zeitung genau über die Vorgänge im Norden unterrichtet. Von vielen Seiten wird constatirt, daß die Kulis ihr Benehmen neuerdings geändert haben und dreister als bisher geworden sind. Eine angesehene englische Dame wurde vor einigen Tagen, als sie unterwegs ihren „asiaircoolis", d. h. Sänftenträgern, Vorhaltungen machte, von denselben zu ihrer unangenehmen Ucberraschung durch Auf- und Abwippen des auf elastischen Bambusstäben ruhenden Tragstuhls regelrecht „geprellt". So viel ist sicher, daß sich auch hier in dieser Uber ein halbes Jahrhundert bestehenden Colonie keinerlei Anhänglichkeit der gelben Rasse an die Euro päer hcrausgebildet hat, und es würde sicherlich bei Gelegenheit hier ebenso gehen, wie jetzt in Tientsin. Dort hat ein Deutscher seinen nunmehr fünfzehn Jahre bei ihm angestellten Comprador gerade noch im äußersten Moment erwischt, als dieser ihm das Haus über den Kopf anstecken wollte. Da er es nicht über's Herz bringen konnte, ihn selbst unschädlich zu machen, so spedirte er ihn auf die Straße, wo seinem Leben durch die Russen und Japaner ein Ende bereitet wurde. Es wird hier allgemein ge hofft, daß gegen die Chinesen, die jetzt im Norden Leichen in nicht wiederzugebendcr Weise verstümmelt und Verwundete langsam zu Tode gemartert haben, ja keine aus falsch angebrachtem Humanitätsgefühl entspringende Milde geübt wervcn möge. Nur ein scharfes Exempel, etwa zahlreiche Hinrichtungen auf den Trümmern von Peking, können, so hört man hier allgemein sagen, den Chinesen den verloren gegangenen Rcspect, ohne den keine Gewähr eines dauernden Friedens zu erhoffen sein wird, wiedcr einflötzen. Mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt man hier, was in dem nahen Can ton vorgcht. So lange des alten Li-Hung- Tschang harte Hand dort die Zügel führte, war Alles ruhig. Er hatte noch kürzlich, mit der bisherigen Form der Hinrichtungen nicht zufrieden, eine neue Art erfunden; der Verbrecher wurde in ein Gestell derart eingezwängt, daß sein Hals von einer engen, kreisrunden Oeffnung eingeschlosscn war und seine Füße auf eine Schicht von Kieselsteinen zu stehen kamen. Diese Steine wurden dann nach und nach, jeden Tag etliche, entfernt, so daß der Delinquent schließlich in dem Halsloch hing und so ver hungerte. In der letzten Zeit vor seiner Abreise haben noch 68 Hinrichtungen stattaefunden. Nun ist der strenge Herrscher fort und man hatte befürchtet, daß es sofort losgehen würde, aber wider Erwarten ist es, abgesehen von dem W i e d e r a u f b l ü h en des Piratenunwesens auf dem Westsluß, ruhig ge blieben. Diele erinnern jedoch daran, daß auch im Jahre 1887 noch am Vorabend des Ausbruchs der Unruhen die Europäer sich ohne Bedenken aus ihrer Jnselstadt Shamecn hinauswagten und in den Chinesenvierteln ergingen. Am nächsten Morgen brach der Aufruhr los, und Shamcens Bewohner konnten sich nur durch schleunige Flucht auf die Schiffe retten. Niemand, außer dem englischen Consul etwa, der entgegengesetzter Ansicht ist wie alle übrigen Conton-Europäer, hat daher das Gefühl der Sicher heit, und es wird exercirt und pa(rouillirt. Der französische Consul hat auch, wie man hört, eine große Ladung Mehl nach Shameen bringen lassen, damit nicht für den Fall einer Belage rung gleich der Hunger zur Uebergabe zwinge. Zur Zeit liegen vier kleine Kriegsschiffe vor Canton, zwei Engländer, ein Fran zose und ein Amerikaner. Der Franzose, der rin« ausgezeichnet.
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