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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971011029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-11
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TagMaü Anzeiger. Attttsökatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Volizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. A«zeigenPrei- die Kgespaltme Petitzeile KO Pf^ Arrkamen unt« dem Rrdactionsstrich (4 g» spalten) bO^, vor den Familieunachrichte» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« mrzeichuih. Tabellarischer und gisfernsatz nach höherem Tarif. Artra-Veilagen (gefalzt), »ur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunz' 60.—, mit Postbesörderung 70.—. —o—»— AnnahmeschluK für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Aiorgrn-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Potz in Leipzig 519. Montag den 11. October 1897. Sl. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1l. Oktober. Die fortaldemokratischen Parteitage folgen sich und gleichen sich. In den ersten Jahren nach Aufhebung des Socialisien- gesetzr« ging unverfennbar rin frischer Zug durch diese Ver- sammlungen, ihr politischer Effect mochte aber auch wohl da mals nicht viel bedeuten. Nun ist jener Erfolg sieben Jahre alt geworden und der Sturz deS Fürsten Bismarck, dessen man sich vor der Masse gleichfalls als eines Triumphes der Socialdemokratie berühmt, ist sogar noch etwas älteren Datums. Mit Beidem läßt sich nicht mehr auf die Nerven wirken, der Kampf gegen die „Jungen" hat mit einem voll ständigen Siege deS Parteigouvernementalismus geendet und von den Gouvernementalen hat einmal ein Ravicaler gesagt, sie seien immer und unter allen Umständen lang weilig. Man braucht dies Paradoxon nicht zu unterschreiben, um dennoch zu finden, daß die Mühe deS Durchlesenö der endlosen officiellen Berichte über die sieben Tage währende Hamburger Versammlung herzlich schlecht sich lohnt. Auch die Aufhebung deS Verbots der Bethei ligung an den preußischen Landtags wahlen giebt dem letzten svcialdemokratischen Partei tage kein charakteristisches Gepräge. Sie hat — in dieser Auffassung begegneten sich Freunde wie Gegner der Neuerung in der Partei mit der überwiegenden bürgerlichen Auffassung — keine principielle, sondern nur eine taktische Bedeutung. Die politischen Vorgänge in Preußen sind gewiß immer die wichtigsten für Deutschland, aber wenn eine Partei im größten Bundesstaate versucht, was sie in der Mehrzahl der übrigen deutschen Lande längst ausübt, so kann man darin keine grundsätzliche Wendung erblicken. Und die praktische Tragweite des Hamburger Beschlusses dürfte eine ziemlich unerhebliche sein. Wir möchten nicht gerade so weit gehen wie die „Freisinnige Zeitung", die auch die Anfassung dieses Gegenstandes auf dem Partei tag auf die Absicht zurückführt, „in Ermangelung andern AgitationSstofscS wieder etwas mehr Leben in die socialdemokratischen Versammlungen zu bringen". Aber was sonst in Hamburg geschehen ist, hat gewiß entweder diesem Zwecke gedient oder dem mindestens ebenso hochstehenden, unbequeme Erörterungen rein mechanisch Hintanzubalten. Durch die endlose AuSspinnung der läppischsten Dinge ist e« wieder erreicht worden, daß heikele Angelegen heiten unter den Tisch fielen. Beschlüsse, die die unversöhnlichen Widersprüche zwischen socialdemokratischem Princip und socialdemokratischcr Agitation, sowie die geschäftlichen Interessen von Genossen berühren, können ja in diesen Versammlungen nicht erzielt werden, da die von der officiellen Socialdemokratie wirthschaftlich abhängigen Elemente die Mehrheit bilden. Aber eine Minderheit, die den Muth hat, zu sagen, wie sie denkt, und stark genug ist, die statutenmäßige Unterstützung fürihreAnlräge aufzubringen,wird immerhinnoch zum Parteitag entsandt. Die hat man in Hamburg ausgehungeri. Es wurde so lange geredet, daß erst gegen Ende deS sechsten Tages — also nach dem Zeilaufwande von einer Woche und als die Delegirten schon den Hut in der Hand hatten — die ver fänglichen Dinge „auf die Tagesordnung" gelangten. Daher sanden dieAnträze aufStreichung des ProzrammsatzeS „Reli- gioni st Privalsache", auf Ernennung des Redacteurs des „Vorwärts" und Bestimmung seines Gehalte- durch den Parteitag, sowie auf Festsetzung eines Höchstgehaltes für diePartei beam ten nicht einmal die nölhige Unterstützung, und andere „Jnitiativ"-Anträge von größerer principieller oder praktischer Tragweite, wie der auf Erörterung der theore tischen Grundlagen der Socialdemokratie, der Stellung zur Zollpolitik, wurden kurzer Hand im Archiv der Parteileitung begraben. Es geht eben sehr wenig demokratisch auf diesen socialdemokraliscken Partei tagen zu. Hinterher prahlt man aber mit der Freiheit der Aussprache, die ohne Gefährdung ihrer Einigkeit keine andere Partei vertragen könne. Diese Renomniage kehrt alljährlich wieder und enthält diesmal daS Beste, was der „Vorwärts" dem Parteitage nachzusagen weiß. Es scheint, als ob etwas „nachgeholsen" worden wäre, um wenigstens diesen Ruhm erwerben zu können. Die Angriffe auf Schippel riechen stark nach bestellter Arbeit. Der Mann hat gegen die Artillerieforderung gestimmt, wie denn die Partei jederzeit „jeden Mann und jeden Groschen" für die Landes- vertbeidigung verweigert hat, und so empfindlich sind auch die Orthodoxesten unter den unabhängigen Genossen nicht, um daran Anstoß zu nehmen, wenn ein Abgeordneter über Negierungsforderungen, die er ohne Besinnen verworfen bat, sich hinterher nicht noch nachträglich sonderlich echauffirt. Jedenfalls ist die Empörung über Schippel der Parteileitung sehr gelegen gekommen; sie gab Anlaß zu zeitverschlingenden Reden. Nichts weiter als eine Komödie ist auch das Reden und Beschlußsassen über die Unrerstützung von Candivaten anderer Parteien bei Stichwahlen gewesen. Wer unterstützt sein will, muß sich auf den Widerstand gegen jede Vermehrung des stehenden Heeres und der Marine verpflichten, sonst sollen die socialdemokratischen Wähler nicht zu haben sein. Das ist Spiegelfechterei. Es komm-m für die Socialdemokratie haupt sächlich nur Klerikale und Angehörige der freisinnigen Volks partei in Betracht. DaS Cenlrum kann jedoch seinen Mit gliedern zwar jederzeit jede Bewilligung für Webrzwecke untersagen, aber seine ganze, auf Umgarnung der höchsten Stellen abzielende Politik verbietet ihm, die grundsätzliche Nichterfüllung von Heeres- und Marinebedürfnissen aus sprechen zu lassen, und Angehörige der freisinnigen Volksparlei würden sich durch eine solche Erklärung mit ihrem — in diesem Puncte freilich nur platonisch gemeinten — Programm in Widerspruch setzen. Dessen ungeachtet werden «vocial- demokralen Ullramvntanen und bürgerlichen Dei.HZWrtNM^,rall zu Mandaten zu verhelfen suchen, wo sie selbst kein^ÄZestä.«^ auf Erfolg haben. Auch die für die preußischen LandtagSwahlen vorgeschriebene socialdemokratische Fleckenlosigkeit ziert nur ein Gewand, unter dem das Compromißhemd steckt. Es ist nach einer von Singer und Bebel beigebrachten authentischen Interpretation der den Kölner Beschluß ersetzenden Resolution untersagt,andereWahlmänner als socialvemokratische zu wählen. Die socialdemokratischen Wahlmänner haben aber bei der Ab- geordnetenwahl „von zwei Uebeln daS kleinere zu wählen". Principiell ist daS gleichgiltig, aber der Beschluß ist praktisch, denn die kleine Anzahl von Wahlmännern ist leichter zu „corrumpiren", als die Masse der Urwähler. Daß die Aufhebung des Verbots der Betheiligung an den preußischen LandtagSwahlen den revolutionären Charakter der Social demokratie nicbt etwa nur alterire, sondern sie als eine bereits auf gesetzlichem Boden stehende Partei — genau so national wie alle anderen — erscheinen lasse, daS herauS- zufinden, ist einem Berliner Organe der freisinnigen Ver einigung Vorbehalten geblieben. Herr Richter, der doch den Vorlheit von der geänderten socialvemokraiischen Taktik haben müßte, wenn überhaupt sich daraus ein Vortheil für irgend eine Partei ergeben sollte, stellt sich ein solches geistiges Armuthszeugniß nicht aus. Für unS ist die Thorheit überhaupt nicht diSculabel. Es verlohnt sich aber, aus den Verhandlungen dieses angeblich die friedliche und gesetzmäßige Natur der Socialdemokraten anzeigenden Parteitages Einiges herauszubeben, waS die Socialdemokratie in dem be kannten Lichte einer auf den gewaltsamen Umsturz binstreben- den Partei erscheinen läßt. Daß die „Genossin" Steinbach unter dem Beifall der Versammlung die hoffnungsschwangere Genugthuung darüber aussprach, daß am Nationalvenkmal zu Berlin zu Füßen deS Kaisers, halb herabhäugend von den Stufen Les Monumentes, Krone und Her melin hängen — „die Idee ist gar nicht übel", meinte die Dame — das ist schon bezeichnend genug. Aber als eine direkte Bekräftigung des Umsturzprogramms muß es auf gefaßt werden, wenn Herr Liebknecht, nachdem schon Bebel wie gewohnt von dem „Berg" gesprochen, über den „die Socialdemokratie binübermüsse", es als natürlich bezeichnete, wenn man der Socialdemokratie zu Leibe gehen wollte. Staat und Gesellschaft, so bemerkte dieser Führer, fragten sich mit Grund: „Wollen wir sie (die Socialdemokraten) nicht angreifen, ehe sie uns angreifen?" Daß der Angriff der Socialdemokratie ausbleiben könne, ist etwas, was Liebknecht und was seine Zuhörer gar nicht zu fassen vermögen. Liebknecht hat sich noch ein zweites Mal zur Revolution bekannt und dies mit einer Wendung, die be- achtenswerther ist, als die angeführte Aeußerung, die nichts Neues besagt. Er bemerkte: „Wir kämpfen nicht mit Phrasen, nicht mit Theorien, sondern mit Argumenten, die wir auS den Verhältnissen schöpfen! Das ist die notbwendige Taktik der Partei und unendlich viel revolutionärer als die Taktik der Phrase." Dieser Ausspruch, dem sich ähnliche an- reihen, auf die wir, wie auf andere Vorfälle vom Partei tag noch zu sprechen kommen werden, zieht zu denken. Um daS Verfahren der CentrumSpresse, welche bei Ausschreitungen von Polen gegen protestantische Deutsche von vornherein zu Gunsten der ersteren Stellung nimmt, zu illustriren und nachzuweisen, wie wenig die Polen sich ihrer seits den deutschen Katholiken gegenüber Zwang auf erlegen, hatten wir beute vor acht Tagen an dieser Stelle auf eine Mittheilung des „Postemp" binzewiesen, der mit großem Behagen schilderte, wie in Kirchjinde bei einem kirchlichen Fette deutsche Katholiken von ihren polnischen Glaubensgenossen derbe Prügel erkalten halten. Den „Postemp" hatten wir als aut katholisch bezeich net. Darauf läßt sich die „Kölnische Volkszeitung" aus Berlin schreiben, der „Postemp" sei „nicht katholisch", er sei vielmehr demokratisch, mache nebenbei in Antisemitismus und dergleichen, und schließlich hätten sich die Geistlichkeit von Posen und Gnesen 1893 in einer Collectiv-Erklärung gegen daS Blatt ausgesprochen. Man sehe hieraus, so fährt das rheinische CeutrumSblatt fort, wie vorsichtig alle Mit- theilungen über die Verhältnisse in den polnischen Landes- tbeilen aufzunehmen seien, und dürfe wohl einen ehrlichen Widerruf erwarten. Wir erblicken in diesem „Dementi" und dieser Aufforderung zum Widerruf nichts als eine neue Probe echt jesuitischerTaktik. Was bestreitet denn die „Köln. Volksztg", um sich ben Anschein einer Berechtigung zu der Forderung deS Widerrufs zu geben? Nichts als ben katholischen Stand- punct deS „Postemp", also etwas Nebensächliches; die Haupt sache, die Mittheilung des Blattes über die Schlägerei beim MartinSfeste, wo die Polen in nationalem Eifer ihre deutschen Glaubensgenossen geprügelt haben, wird nicht bestritten. Trotzdem wird behauptet, daß „alle Mittheilungen über die Verhältnisse in den polnischen LandeStheilen" mit Vorsicht aufzunehmen seien. Und was die Anfechtung der Behauptung, der „Postemp" sei ein katholisches Blatt, an langt, so ist sie lediglich eine Diversion, die dreist auf die Unkenntniß polnischer Verhältnisse im deutschen Westen speculirt. „Katholisch" ist doch kein Gegensatz zu „demokratisch", und wer die polnische Presse kennt, der weiß genau, daß noch manches andere Blatt darunter „nebenbei", wenn es sich einmal verlohnt, in Antisemitismus macht, ohne den Anspruch aufzugeben, als katholisch zu gelten. Auch die Erklärung der Diocesan-Geistlickkeit vom Jahre 1893 besagt nicht mehr, als daß der „Postemp", wie andere polnische Demokraten - Organe, nicht „klerikal" ist. Und „nicht klerikal" beißt doch nicht „nicht katholisch". Die Redaktion des „Postemp" ist k a t b o l i s cd; die Leser des Blattes sind es auch; die katholischen Kirchenfeste und Feiertage und übrigen kirchlichen Einrichtungen werden, soweit das religiöse Bedürfnis; der Leser in Betracht kommt, in dem Blatte entsprechend behandelt. Denn ebensowenig wie der vom Posener Domcapitel beeinflußte „Kuryer" oder das AkelSorgan „Dziennik" verzichtet ein pojnischeS Demokraten organ darauf, die katholische Religion in den Dienst der polnischen Propaganda zu stellen. Wenn also Jemand einen „ehrlichen Widerruf" zu leisten bat, so ist eS die „Köln. Volks-Zeitung"; daß sie ibn nicht leisten wird, geht aus ihrem Verdrehungsversuche klar hervor. Zu den früheren Maßregelungen von Mitgliedern der katholisch-demokratischen Partei in Belgien ist nun mehr eine neue hinzugetreten. Der Bischof von Gent hat dem Führer der Partei, dem Abgeordneten Pfarrer Daens, die Wiederannahme eines Kammermandats unter sagt. Der Bischof, welcher hier im Einverständnisse mit der Regierung handelt, glaubt also durch die politische Kalt stellung deS Führers die junge katholisch-demokratische Be wegung mundtodt machen zu können. In dieser Annahme dürfte er sich jedoch erheblich irren. Denn abgesehen davon, daß eS noch sehr ungewiß ist, ob der Abbö Daens sich seine politischen Rechte durch seinen geistlichen Oberen ver kümmern lassen wird, besitzt die katholisch-demokratische Partei in Belgien verschiedene Führer, die als Laien der bischöflichen Gewalt nicht unterstehen. Durch die über ihn verhängten poli tischen und kirchlichen Strafen wird Abbe Daens zudem nur zum Märtyrer gestempelt, und je mehr sich die gegen den un botmäßigen Pfarrer von Alost gerichteten Strafen häufen, desto größer wird die Zahl seiner Anhänger. Welcher ernsten Gefahr dadurch die herrschende ultramontane Partei in Belgien ent gegengeht, beweist ein Alarmarikel, welchen der Führer der Rechten, Staatsminister Woeste, in der „Revue Generale" veröffentlicht. DerBersasser,dcr als der leitcnveGeist der ultra montanen Partei angesehen werden muß, erklärt unumwunden, baß die katholische Partei sich schon für das nächste Jahr auf den Verlust ihrer langjährigen Herrschaft in Belgien gefaßt machen müsse. Auf der einen Seite nehme die Coalition aller antiklerikalen Parteien eine immer festere und be stimmtere Form an, und auf der anderen werde der herr schende KlerikalismuS von den Feinden im eigenen Lager bekämpft. Einem derartigen combinirten Angriff werde er nicht widerstehen können. Diesmal dürfte Woeste nicht die Rolle deS falschen Piopheten spielen. ES kann sehr leicht geschehen, daß die nächsten Wahlen daS seit dreizehn Jahren in Belgien herrschende Negierungssystem zum Mindesten stark erschüttern wird. Die Pforte hat bekanntlich neuerdings an die Mächte eine Note gerichtet, in welcher sie unter Hinweis auf die kläg- Ferrttl-toit. Götzendienst. 30j Roman in zwei Theileu von Waldemar Urban. Nachdruck verboten. „Aber?" fragte er nach einer Pause. „Was aber?" fragte sie schroff zurück und sah ihm wieder energisch ins Gesicht. Dann lächelte sie leicht und fuhr fort: „Nichts aber. Ich kann auch einen Revolver abschießen, wenn ich will, aber ob ich im Halbdunkel eines nächtlich beleuchteten Gartens auch treffe, was ich treffen will, das ist eine andere Sache, und wenn das, was ich treffen möchte, auch meinetwegen so breit und so dick und so dumm wäre wie Nun —wie — Ah — bah! Haben Sie nichts zu trinken hier?" Langsam erhob sich Graf Victor und betrachtete die Frau, die so vornehm lässig, so bequem gemüthlich im Sessel lag und rauchte. Er war erstarrt und erstaunt. Hatte er richtig verstanden, was sie meinte, was sie andeutete und offenbar noch nicht mit klaren dürren Worten zu sagen wagte? Ein Meuchelmord? War die Frau nicht etwa der Teufel selbst? Und von so etwas durfte man einem Graf zu Kreuz schon sprechen? So weit hatte ihn das rollende Rad Ües Götzendienstes schon in den Abgrund gerissen? Wie weit sollte es noch gehen? Wo würde der wüste Zauber enden? Wie ein Blitz zuckte das Alles durch daS Hirn des Grafei- Victor. Oder täuschte er sich? Er mußte sich wohl getäuscht haben. Und wie er noch so halb erschreckt, halb beklommen vor ihr stand, neigte sie ihr Köpfchen zu ihm, sah ihn mit lustig blinkenden Augen an und lächelte. „Wollen Sie ein Glas Madeira, gnädige Frau", fragte er etwas stockend. „Ich bin nicht für die halben Sachen, mein Freund. Haben S'e keinen Cognac?" Er ginf, nach einem kleinen Buffet, was in einer Wand nische stand und schänkte dort aus einem Flacon zwei kleine Gläschen C-znac ein. Dann präsentirte er eins davon der Frau Courceües, die es rasch auswippte, daS GlaS wieder auf das Serv rbrett stellte und ihn dann, wie er noch halb gemlgt vor ihr stand, anlächelte. „Nun?" fragte sie. „Was meinen Sie, gnädige Frau? Sie wollten noch etwas sagen." „Hm, ja, allerdings mein Freund", sagte sie langsam und zögernd, „was ich sagen wollte, der Doctor Romaine in Monte Carlo war doch ein intelligenter Mensch." „Wie kommen Sie auf den, gnädige Frau? Sie —" Er brach ab. Er glaubte plötzlich den Zusammenhang in ihren Gedanken gefunden, errathcn zu haben. Er stellte langsam und nachdenklich das Servirbrett weg und fuhr nach einer Pause fort: „Ich weiß nicht, ob ich Sie recht verstanden habe, gnädige Frau, aber —" „Ja, das weiß ich auch nicht. Die Hauptsache ist " In diesem Augenblicke wurde an die Thür gepocht und Frau Courcelles brach rasch ihren Satz ab, stand auf und blickte gespannt nach der Thüre. „Was giebt's?" fragte Graf Victor laut. Sein Diener trat ein. „Herr Graf", sagte er, „Ihre Frau Mutier wünscht Sie zu sprechen." „Gut, ich laß' bitten", antwortete Graf Victor. Der Diener ging. Frau Courcelles gab dem Grafen Victor die Hand. „Adieu, mein Freund. Ich will Sie nicht stören. Ich hoffe, wir sprechen uns noch. Aber eins will ich noch be merken. Ihre Krankheit ist in jetziger Zeit nicht am Platze. Ich denke, es wird Ihnen morgen wieder so wohl sein, daß Sie das Zimmer verlassen können. Adieu." Gräfin Margarethe trat ein. „O wenn ich störe, gnädige Frau begann sie. „Nicht im Geringsten, Frau Gräfin. Ich bin soeben im Begriffe, zu gehen. Auf Wiedersehen." Dann folgte wieder eine ihrer tadellosen, tiefen Com- plimentirbuch-Verbeugungen und Frau CourcelleS rauschte zur Thüre hinaus. „Eine sehr vornehme, feine Frau, diese Frau de Cour celleS", bemerkte Gräfin Margarethe. „Hm, hm!" machte ihr Sohn. „Und wie geht Dir's heute, Victor? Bist Du noch nicht besser?" »Doch, doch, Mutter. Ich denk«, ich werd« morgen das Zimmer wieder verlassen können. Diese ewige Zimmerluft ist auch nicht gerade empfehlenswerth." „Nun, Gott sei Dank, wenn Du erst wieder so weit bist." VII. Don Salvatore machte in der letzten Zeit die un glaublichsten Anstrengungen, hinter die Geheimnisse der deutschen Sprache zu kommen. Sein Vater machte ihm Muth und sagte zu ihm, daß man es in vier Wochen wohl so weit darin bringen könne, um eine leichte und einfache Unterhaltung mit den Leuten führen zu können. Don Sal vatore jubelte auf, bestellte sich einen Lehrer, nahm eine Grammatik der deutschen Sprache zur Hand und studirte. Aber er avancirte nur sehr langsam, sehr unsicher und mühsam. So viel Sorgfalt auch sein Lehrer, ein junger Philologe, der als Sprachlehrer am städtischen Gymnasium angestellt war, auf ihn verwandte, die Räthsel der deutschen Gram matik schienen noch unlösbarer zu sein als die Räthsel der berühmten Sphinx des Oedipus. So zum Beispiel gerieth Don Salvatore in ein leises Zittern, wenn in seinen Uebun- gen von Sonne und Mond die Rede war. In den Sprachen, die er kannte, hieß es „!»" tuns und „Is" 8olsil oder „tu" luns und „sl" sol. Der Mond war also weiblich und hieß „die" Mond, während die Sonne männlich war und „der" Sonne hieß. Das gab nun bei ihm Verwechs lungen ohne Ende. Don Salvatore ereiferte sich darüber, daß die Deutschen, eigensinnig wie sie nun einmal sind, nicht auch wie die Franzosen und Spanier „die" Mond und „der" Sonne sagen, sondern die Sache gerade umdrehen! Wes halb denn nur? Nur um ihm, Don Salvatore, Verlegen heiten zu machen? Das war doch eine Bockbeinigkeit ohne Gleichen. Don Salvatore hätte seine Grammatik schon hundertmal wieder in die Ecke geworfen, wenn ihm seine Phantasie nicht Tag und Nacht ein kleines, bescheidenes, bittendes, blondes, blauäugiges Mädchen vorgespiegelt hätte, daS immer zu sagen schien: „Na, so thu's doch mir zulieb." Er seufzte also in solchen Fällen mühsam auf, nahm aber doch sein Buch wieder her und studirte weiter. Zu den ferneren Eigenthllmlichkeiten Don Salvatores, die er sich in letzter Zeit zugelegt, gehörte das unermüdliche Interesse, da» er an der Toilette seiner Schwester nahm. Während er sie früher kaum angesehen, entging jetzt seinen Augen auch die kleinste, unbedeutendste Falte nicht. Er kritisirte Alles, Farbe, Form, Stoff, rieth ihr Das und Jenes an, fand Dies häßlich, widerwärtig, unausstehlich, scheußlich und Jenes entzückend kleidsam, „wie für Dich ge macht", kokett, fein vornehm und dergleichen und endete dann regelmäßig mit der Phrase: „Ich werde mit Moser und Comp. reden. Verlaß Dich darauf, Felicia." Im Anfang legte Felicia dieser Marotte Salvatores keine Bedeutung bei, aufmerksam wurde sie erst darauf, als sie sah, wie ihr Bruder auch die Anprobirmamsells, die Moser und Comp. infolge der fortwährenden Aufträge nach Schloß Heblingen sandte, mit in sein Interesse bezog und Fräulein Lieschen als das Ideal einer solchen bezeichnet wurde, während eine Andere, die manchmal geschickt wurde, wenn Fräulein Lieschen anderweitig in Anspruch genommen war, einfach ein „Kameel", geschmacklos, plump, ungeschickt genannt wurde. Fräulein Felicia war nicht dumm und sah wohl, woher das plötzliche und lebhafte Interesse ihres Bruders für ihre Toilette stammte, auch wenn Salvatore sich besser zu beherrschen verstanden hätte und nicht gerade in einen krampfhaften Wissensdurst bezüglich der Sonne und des Mondes gefallen wäre just in dem Augenblick, wenn Fräulein Lieschen zur Stelle war. Sie sah wohl, wie das arme Mädchen über seinen endlosen Fragen verlegen und verwirrt erröthete und sprach endlich mit ihrem Vater von der Sache. „Ach", meinte Don Gracias gleichgültig, „laß ihn doch. Wenn er nun doch einmal gern deutsch lernen will." „Aber —" „Uebrigens hat er ganz Recht. Ich kenne das junge Mädchen. Sie hat einen feinen Geschmack und ich sehe es ebenfalls gern, wenn Du Dich nur mit ihr beschäftigst. Be handle sie ja gut, Felicia, sie ist so zart und empfindlich." Felicia war starr! War denn ihr Vater auch in das kleine zierliche Persönchen verliebt? Don Salvatore ging in der Pappelallee, die Schloß Heblingen mit dem Dorfe verband, langsam auf und ab — seine Grammatik in der Hand. Das Wetter war herrlich und die geschwätzigen Pappelblätter rauschten bei jedem Luftzug so laut und lustig wie die Palmen seiner Heimath
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