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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070130021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-30
- Monat1907-01
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BezuqS-Prei- fite Leipzig m»d Vorort«: I« der Haupt- Ezpediliou oder derea Au-gabeslellea ab- grholt Mlmattich: Lnlgabe (1 «al täglich) 70 Pf., «u-gabe S (2 mal täglich) SO Pf, bei Zustellung in- Hau» Ausgab« X SO Pf, Ausgabe ö 1 Mark. Durch unser« aus« wärtigen Ausgabestellen und durch dir Post bezogen (1 maltäglichstnuerdalbDeulichland- mon atlich l Mark au-Ichl. Bestellgebühren, für Orsterreich-Ungaru 5L45b virrtetjädrlich, di« übrigru Länder laut Zritungepirisliste. Diese Nummer kostet aus -öd ß» ? allen Bahnhöfea und bet III den Zeitung«. Berkäusern " ^1* tzietzaMon unk» trrpeotttou: Johanntsgaste 8. relephm Nr. tüL Rr. 2LL, Nr. I17L. Berliner RedaMons-Bnre«»: Berlin UV. 7, Prinz Looi» Ferdinand- Straße 1. Telephou I, Nr. SL7Ü. Abend-Ausgabe 8. MMcr TaMM Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Sln^eiqe««PreiS die -^fpallrue HatitM« sür DesEs- iuserate ans Leipzig und Umgebung So Pf, Familien»» Wohaunqs- u. Stellen-Anzeigen, sowie Au- uud Vertäute SO Pf, stnm-nllr Anzeigen SO Ps- für Inserate vou au-wärt- SO Pf. Reklamen 75 Pf, ao-wärt- l Mark. Vetlage- grbübr 4 Marl p. Tausend rxkl. Postgebühr. Gejchaftsanzeigrn an bevvrzugler Stelle i« Preise rrdüht. Rabatt nach Tarik. FürJuIerat« vom Au-landr besonderer Tarff. Anzeigen-Annahme: Augustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allenAnaoncen« Expeditionen des In- und Auslandes. Für da» Erscheinen au bestimmten Tagen «. Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Hanpt-FMale Berlin r LarlD u u «te r. Herzgl.vayr.Hofbt»chhaadlg, Lützoiviirahe 10 iTelrphoa VI. Nr. 4608). Kilial-Srpestttou: Dresdea.MarieustrL4. Nr. 3V. Mittwoch 30. Zanuar 1907. 101. Jahrgang. Vas Neurslr vsm Lage. lDi» noch Schluß der Redaktion elngegaugene» Depeschen stehen auf der L. Seit« de» Hauptb'attcS.) Das amtliche Wahlergebnis. Eine Sonderausgabe des „ReichSanzeigcrS" ver öffentlicht daS amtliche Ergebnis der Wahl: Es ist in folgenden Ziffern enthalten (in Klammern stehen die Zahlen von 1903): Konservative endgültig gewählt 43 (3t), an Stichwahl be teiligt 29 (34). Reichspartei endgültig gewählt 10 (7). an Stichwahl be teiligt 19 (15). Bund der Landwirte endgültig gewählt 1 (1), an Stichwahl beteiligt 6 <5'. Wirtschaftliche Vereinigung und Antisemiten zusammen endgültig gewählt 7 (2), on Stichwahl beteiligt 9 (14) Zentrum «adgüutg gewählt SO (86), an Stichwahl beteiligt 36 (86). Polen endgültig gewählt 19 (14^, an Stichwahl beteiligt 4 (8). Nationalliberale endgültig gewählt 19 (6), an Stichwahl beteiligt 61 (63). Bauernbund endgültig gewühlt 1 (2), an Stichwahl beteiligt — (1). Freis. Vereinigung endgültig gewählt 1 (0), an Stichwahl be teiligt 16 (11). Freis. BolkSpartei endgültig gewählt 6 (0), an Stichwahl le- teiliat 25 (24 . Deutsche BollSpariei endgültig gewählt 2 (0), an Stichwahl be- teilt II (8). Sozialcemokratea endgültig gewählt 29 (56), an Stichwahl be- tciligt r8 (118. Elsässer endgültig gewählt 3 (7', an Stichwahl beteiligt 4 (4). Welfen endgültig gewählt — (0), an Stichwahl beteiligt 1 >9), Dänen endgültig gewählt 1 (I), an Stichwahl beteiligt — (0), Wilde endgültig gewählt 5 (2). an Stichwahl brleiligt 5 (9» Wan« tritt der Reichstag zusammen? Als Termin des WiederiusammealrittS des Reichstages wird von einer Seile der 14., von anderer Seite der 19. F:bruar genannt. Die „Neue politische Correspondenz" glaubt uach ihren Jnformaiionen miiteilen zu tönueu, daß der 19. Februar das richiige Datum sei. Sine Depesche König S-uardS. Wie mit Bestimmtheit verlautet, hat Kaiser Wilhelm vom Köniz von England eine Depesche erhalten, in welcher dieser den veutichen Kaiser zu dem Ergebnis der Reickstags- wahlen in herzlichen Worten beglückwünscht. Kaiser Wilhelm habe diese Depesche in besonder« warmen Worten beant wortet, und sür die Anteilnabme des Königs, die ibn außer ordentlich erfreut bade, gedankt. Auch vom König von Jtati.u sei eine telegraphische Beglückwünschung zum Ausfall der Wahhn angelangt. Die Auflösung des österreichischen Abgeordnetenhauses ist jetzt durch kaiserliches Pateut verfügt. Als Wahltermin wird «»offiziell der 7. Mai genauat. Serbisches Dementi. Von amtlicher serbischer Seite wird die Nachricht aus wärtiger Blauer über eine Explosion im Königepalast als unuchug bezeichnet und darauf hrugewiescn, daß nur in dem vom KonigSpalaH weit enlfernien Kronprinzenhaus eine durch Nachlässigkeit der Dienerschaft herbeigesührre Explosion einer kleinen Puloermenge, durch die kein Schaven ange- rrchtet wurde, ftattgesunven habe. Nachrichten über einen angeblichen Anschlag auf das Leben des Königs beruhen auf Erfindung. Tie Ärubenkatastrophe im Laargebiet. Die Inspektion der Grube Reden ist jetzt in der Lage, einen zusammenhängenden Bericht über dis Kata strophe zu geben. Tie Explosion hat die meisten Leute in dem Moment überrascht, als sie die Arbeit aufnchmen wollten. Viele hatten den Oberkörper entblößt, um iich umzuzichen. Tie Explosion erfolgte im Lsuetde auf Flöz Therie und ^um Teil auf Flöz Borstel, die auf der fünften Liefbausohle liegen. Infolge der Kaijergeburlslagsfcier war glücklicherweise eine erhebliche Anzahl Leute nicht angesahrsu. Die Explonon machte sich durch einen dumpfen Schlag bemerkbar. Tie Gasschwaden zogen zum Weuerjchacht und belaubten alles, was ihnen auj dem Weg begegnete. Vom östlichen Gruden felde konnten sich 60 Leute von den 400 in Gefahr gekomme nen retten, und zwar durch Grube Heinitz. Die übrigen entkamen zum Teil durch Schacht III. Hier fuhren sofort Steiger Host und Bergassessor Engerling ein; die beim west lichen Schacht Bildstock betäubt wurden, kamen empor. Tee Rettungsmannschaften aller benachbarten Gruben wurden alarmiert und trafen mit höheren Bergbcamrcn ein. Es ge lang, die an Schacht III zunächst liegenden Leute zu er reichen, 25 Verletzte herauszuschaffen, und von bis 4 Uhr 62 Tote zu bergen. Eine von den Bcrgasfefsoren Müller, Herbig und Zicks geleitete Expedition gelangte bis kurz vor die Explosions stelle. Tort wälzten sich ihnen gelbe Rauchwolken entgegen, die vermutlich vom Gruben brand herrührren. In wahnsinniger Flucht jagten die Leute die 2200 Meter lange Strecke zurück, Feuer, Gase und den sicheren Tod im Rücken. Keiner der Rettungsleute kam um. Mehrere wurden betäubt, alle aber kamen zu Tose er schöpft an Tag. Zwei mitten im Schlaggebiete arbeitende Leute entkamen wie durch ein Wunder. Sie waren im Qarerschlag des Westfeldes in einer Zimmerhauerbude be- schäftigt, und die Explosion schlug über beide hinweg. Sie krochen avf Händen unv Füßen über Geröll und Leichen hin weg gegen,den Wetterschacht zu. Hier erholten sie sich, und ider Mut stieg ihnen, so daß die Braven zurückkchrlsn und noch drei Kameraden das Leben retteten. Um 4 Ubr war infolge des Grubenbrandes eine nochmalige Expkvsions- gefahr so sehr gestiegen, daß die Arbeiten eingestellt werden mußten. Während der Nacht sanden fortgesetzt Wetter proben statt. Gestern zeigte die letzte Analyse eine A b - nähme des Brandes an. Die Leute, die noch Ver wandte unten haben, strömen in endloser Prozestiou zur Zeche. Obwohl nach Ansicht der Sachverständigen alle tot find, hegt der eine oder der andere doch noch die Hoffnung, daß man gerade feinen Bruder oder Vater lebend finden wird. Die Gendarmerie und Schutzleute können den Menschenandrang kaum mehr bewältigen. Wer Angehörige vermißt, erhält von der Inspektion Erlaubnis, di« Zeche zu betreten. (Lanz Reden ist fo von Menschen überschwemmt, daß die beiden Gasthäuser ohne Lebensmittel sind. Veit Mühe und Not gelang es, zum Mittagessen ein Stück Brot zu erhaschen, das aus der Straße verzehrt wurde. D,e Berg- behördc hat den in großer Zahl eingetroffencn in- und aus ländischen Journalisten einen großen Raum zur Verfügung gestellt. Die höheren Beamten geben sehr zuvorkommend Auskunft. * Ein junger Bergmann, der die Katastrophe in ver Tiefe erlabte, erzählte: „Wir machten, nachdem wir l^r Stunden eingesahren waren, eine kleine Häuft; wir >aßen zusammen und verzehrten unser frühstück. Plötz.ich erfolgte ein dumpfer Schlag. Unser Vorarbeiter, em er- 'ahrencr, alter Bergmann, sprang entsetzt in die Höhe un) schrie: „Alles zum Schacht! Rette sich, wer kann!" In wahnsinniger Hast jagten wir auf Schacht III zu. Die giftigen Gai'e schlugen uns entgegen. Das Atmen ward schwerer und schwerer. Wir weinten, schrien, beteten. Der 1300 Meter lange Weg, der mit Geröll und gestürzten Kameraden bedeckt ist, wollte kein Ende nehmen. Plötzlich schwanden mir die Sinne, ich fiel nm. Da riß ,ein Koll-ge mich empor, und als ich zu mir kam, lag ich auf Stroh ge bettet in der Verlesehalle. Ich war gerettet und mußte immerfort weinen. Ein Glück war es, daß vor knapp drei Monaten ein Verbindungsschacht zwischen Grube Reden und Heinitz gebaut wurde, durch den die Mehrzahl der Beleg schaft sich rettete." * Der Beerdigung ssr Opfer wird heute nachmittag eine Leichenfeier vorangohen. Minister Delbrück äußerte sich, er wisse nicht, ob er Lis zur Beerdigung der Leichen bleiben könne, er müsse das Berggesetz im Landtag ver treten. Obcrberghaup'.mann v. Velsen teilte mit: „Wir Laben festgestellt, daß der Brand völlig ausgehört hat und sine Gefahr für die Mannschaften nicht mehr be- steht. Ich bin durch mehrere Schächte gegangen und h bs aus dem Wege 32 Leichen gefunden, deren Lage schließen läßt, daß sie durch die Explosion sofort getötet wurden; sie lagen zu zwei oder drei in einzelnen Schächten verstreut an ihren Arbeitsstellen. Ta eine weitere Gefahr fetzt aus geschlossen ist, habe ich Auftrag gegeben, die Bergungs arbeiten fortzusetzen." * * * Präsident FalliL-res erhielt, wie aus Paris gc- melvet wird, folgendes Telegramm von Kaiser Wil helm: „Selrr gerührt von der warmen Sympathiekund gebung, die Sie mir soeben erwiesen haben anläßlich der furchtbaren Katastrophe, die unter un'errn braven Berg leuten so viele Opfer gefordert hat, bitte ich Sie, Herr Präsident, meinen tiefen und aufrichtigen Tank dafür ent- gegenzunehmen und überzeugt zu sein, daß die Bergbevö ke- rung des Saarreviers, welche die Katastrophe in tieft Trauer versetzte, und die ganze deutsche Nation Ihre som- pathische Beileidsbezeugung zu schätzen wissen. Wilhelm H." politisches. * Ter Kaiser an -en „Vulkan-. Der Kaiser bat gestern ver Stettiner Maichineiibauakleengesellfchafk „Vulkan* an läßlich der Feier ihres 25jährigen Bestehen- ein Glückwunsch schreiben gesandt, in dem eS u. a. heißt: „AuS kleinen An fängen erwachien, bat sich ter Vullan in rastlosem und ziel bewußtem VorwärtSstrcben unter de» gleichartige» Werten der Well eine achtunggebietende Stellung errungen, ins besondere hat die Werft, eng verbunden mit der Entwickelung der deutschen Sckffahrt und meiner Marine, ter Kriegs- und der Handelest»!!« eine große Zahl trefflicher Schiffe und Fahrzeuge geliefert und rn erbedlickem Maße dazu beigerrageo, den deutschen Schnelldampfern den ersten Platz auf dem Lftean zu erringen." Der Kaiser jpricht zum Schluß dem VuUan erneut ferne warme Anerkennung an-, zugleich mit dem Wumcke, daß bas Werk auch ferner kräftig vorwiirts schreiten möge. Tas Ende der Berliner Milch-Zentrale? In einer Ver sammlung ringfreier GutSbistycr unv GutSpächker der Mark zur Beratung einer eiwaigen HilfSatrion für die Milchzeutrale teilte ein Vorstandsmitglied der Zentrale mit, daß rhre Lage verzweifelt sei unv daß die Zentrale schon vor dem 1. Aprrl in Liquivation treten müsse, wenn ihr die märkstchcn Land wirte nicht beiipringen. * Politische Veleidigungsprojcsse. In der Privatklage ¬ sache Dr. Peter« gegen den Rebatleur Brüggemann von der „Kölnischen Zeitung" hat, wie un« eia Telegramm unsere- m.-Korrefponventen meldet, da» Kölner Schöffengericht die LiSziplinarakten von Tr. Peter« eingejordert, die di» jetzt slreng gedeim gebalten waren. Iustizrat Dr. Sello-Bertta wirb trn Kläger, Rechtsanwalt Falk, der RerchSlagötandieat der Kölner liberalen Partei, den Betlagien vcrlrelen. Ja der weiteren Sacke des Rtichslagsabgeorbneien Roeren gegen den BezirkSamimanll a. D. au« Togo Schmidt hat Justiz rat GumiiierSbach-Äöln am 28. Dezember vorigen Äahre- Klage emgcreicht. Diese tonnte brs fttzl in Berlin nicht zn- geüelll werden. So erklärt sich die Prrßäußerung Lchmivl^ raß er dis jetzt keine Klage erhallen habe. Dre Lermrae sind noch Nicht angefetzt. ' * Nationattibrrale Stichwahltaktik. Die „Köln. Ztg." schreibt bezüglich der von liberaler Seite z« deobackuuoen Stichwahliakiik: Da daS Zcnlrum gegenüber den national liberalen Kandidaten Wablenrvallung proilamiert, die Sozial« bemolratie noch ein n Sckrilt weilergedt und positive Unter stützung der Zenlrnmskandivaten in Aussicht stellt, wird die nalionailiberale Partei in mehreren Distrikten ganz ans eigene Kraft angewiesen fein. Tort, wo Sozialdemokraten i und Zentrum miteinander lämpfen, könne für die liberale s Partei nur Wahlentbaltung in Frage kommen: kerne Stimme einem Sosialdcmotraren, aber auch kerne Stimme einem Zenirumsmann. * Vorschlag und Bitte einer Patriotin. Ja den bewegte« Tagen vor der Wahlfchlacht ist in Leipzig unter anderm auch die Flugschrift: „Die Wahrheit über dre deutschen Kolonie«* Feuilleton. üLir Ist venlg so ckem Lode cker Leute gelegen; ihr Uelck wäre allenfalls ckas eiorige, vas mich noch freuen rvLrcke. blebtenberg. kkuhm unck bleick entstehen aus Linern Li; cker Kahm steigt vie cker Haler rur Lonne empor; cker bieick ist eine Schlange, ckie auf cker Licke kriecht unck Lischt. Karl Zuliu« weder tvemodrlto»). Vas sicherste Zeichen, mit großen Llgeoschaften geboren rn fein, ist, deinen dieick ru kennen. u« kloMekoacauw. Adolf Harnack z«nr r-nfeffi-nellen Frieden.*) Die Feier der Berliner Universität übte diesmal eine besonders starke Anziehung: den Festvortrag hielt der Kirchenbistoriker Profestor Harnack. Der be- rühmte Gelehrte harte einen Gegenstand von höchster Wich tigkeit für unsere vaterländische Entwicklung zu feiner Rede gewählt, und er behandelte ihn von höheren Gesichtspunkten und mit neuen, lichtvollen Ausblicken. Professor Harnack ging aus von der Willenserklärung des Kaisers, das gewaltige soziale Friedenswcrk in Kraft zv halten und fortzusetzen. Neben dem sozialen Gegensätze schwebt namentlich auch die konfessionelle Spaltung als schwere Gefahr über der inneren Einheit unseres Volkes — eine Gefahr, die andere große Völker längst im wesentlichen beseitigt oder doch aus ihrem poli tischen Leben ausgeschaltet haben. Der Redner charakteri sierte die anders geartete Krise der zeitigen Kämpfe in Frankreich. Unser eigener Schwächczustand sei kein akuter, sondern ein chronischer: In zahlreichen, tiefen Fragen des Lebens und der öffentlichen Wohlfahrt ist unser Volk von vornherein in zwei Lager gespalten. Sind wir verurteilt, diesen Zustand als einen endgültigen zu betrachten und uns bei ihm zu bescheiden? Es lei Schlaffheit, religiöse und theologische Schlaffheit, . die Frage von vornherein abzu- lebnen oder beiseite zu schieben. Ander Beseitigung oder Milderung der konfessionellen Spal- tun a» »arbeite n. seivielmehreineAusaabe der Religio» und der Wissenschaft zugleich. *) Uns, die KafseroebartStagSredt Harnack» haben wir sei, Leser bereits kur, hingewiefen: beute lassen wir «inen PLHrlicheren Bericht folgen. Und wenn sich heute noch niemand über Art und Formen der Annäherung ein Bild machen könne, jo erinnerte der Redner an die Einigung der Lutheraner und Calomisten, die sich einstmals Heltiger bekämpften als Lutheraner und Katho liken; ferner andieEpocheoor 100 Jahren, in der beide Konfessionen sich so nahe standen, daß Geistliche der einen Konfession sür di- der anderen amtierten. Auch auf die friedliche Einigung in gemischten Ehen wies er hin: Was in der Familie mög lich ist, müsse auch im Staate erreichbar fein. In der Ge sellschaft sei ja längst ein Zustand innerer Gemeinschaft vor handen. Es sei doch auch zu bedenken, daß wir alle die Kon fession, der wir angehören, nicht erwählt haben, jonöcrn yineingeboren find. In welchem Sinne ist nun eine Annäherung wünschens wert und zu erstreben? Ablehnend verhielt sich der Redner gegen den Vorschlag, Religion und Kirche aus dem öffent lichen Leben aus^uschalten und jede Konfession in Absperrung sich möglichst selbst zu überlassen. Dieser Ratschlag iei eine kurzsichtige politische Spekulation, die nie ihren Zweck er- reichen werde. Richtig sei das Umgekehrte: Ueberall haben wir für Lickt und Luft und freie, gesunde Entfaltung zu sorgen. Unsere ganze Entwicklung die Reformation, die Epoche des deutschen Idealismus, haben die Religion in den Tiefen unseres Lebens verankert, und darum könne kein Po litiker bei uns, wie anderswo, nur Politiker sein: Er müsse alle Kuliuraufgaben zugleich aufnchmen, und das Volk beur teilt ihn zuletzt nach feiner Bedeutung für fein inneres Leben. Wie ist nun die Annäherung zu denken? Ganz und gar nicht als eine äußere Einheitlichkeit oder Ver schmelzung. Dieser Weg sei heute nicht mehr betreibar. Aber die Religion wurzelt nicht in der Gesinnung und ist etwas rein Innerliches. Daher ist ihre Freiheit zu stärken und jede fortschreitende Erkenntnis in der Richtung .iuf eine höhere und innere Einheit zu entwickeln. Nur auf dem höheren Niveau könne von Annäherung und Gemeinschaft die Rede sein. Mehr Innerlichkeit, echte Christ- lichkeit und Freiheit innerhalb der Kirchen, „st cstern ach leientur vobis!" Mag daneben dann eine jede Kirche tun. was sie für recht und gut hält, und wozu sie chre geschichtliche Ueberlieferung anleitet — eS wird den s d e n n i ch t m e h r st ö r e n! . . . Tas interkonfessio nelle Problem ist in Wahrheit ein konfessionelles: denn es ist in dem konfessionellen Problem der inneren Vertiefung und Erweiterung schon enthalten. Diesem Programm aber dürft sich keine Konfession ent ziehen, denn es sei ihnen von ihrem Ursprung her ein gestiftet, und wenn sie eS verleugnen wollten, müßten sie ihren Stifter verleugnen. WaS soll nun geschehen, um der AuSsührnng näher z« kommen? Für den Laien sei die Antwort nicht schwer: Er soll sich vor allem als Christ fühlen, den konfnsionellrn Streit möglichst meiden und sich mit Angehörigen der anderen Konfession zu gemcinnütz'.ichem Wirken vereinigen Vor allem aber müssen dir Kirchen und ihre berufsmäßigen Vertreter weit her zigrr werden. Bei der Frage. waS bereits geschehen sei, die Kirchen einander näher »u bringen, stellte Proscffor Harnack die Tatsache fest, daß dieselbe Macht, welche die Kirchrn zu nächst anieitete, sich in ihrer Eigenart zu verfestigen — die Rückkehr zur Geschichte und deren tiefere Kenntnis — all mählich der stärkste Hebel zur Befreiung Lsr Konfessionen geworden sei. Das Studium der Kirchcnge.schichte im letzten Jahrhundert habe uns gelehrt, daß wir andere geworden sind als unsere Büler, üan wir ourai lange Eniwickluna von ihren Gedanken und Anschauungen getrennt sind; daß Lehren und Ordnungen unter Bedingungen und Vorurteilen sich bildeten, die wir nicht mehr anerkennen. So zwingt uns die Kenntnis der Geschichte der Kirche, uns nicht bei der Scheidung des 16. Jahrhunderts zu beruhigen, sondern das ganze konfessionelle Problem aufs neue durchzndcnken. Der gelehrte Redner erwähnte hier die interessante Tat- ache, daß seit Jahren immer zahlreichere kirchenhistorisck>e Intersuchuugen und Darstellungen von Gelehrten beider Kirchen erschienen sind, die dort wie hier bei den Sachoer. laubigen weitgehende Zustimmung fanden. Und das Wich tigste ist, baß sic nicht untergeordnete Probleme, sondern die Hauptfrage behandeln. Protestantische und latholische Kirchenhiftoriker reichen sich friedlich die Hand, um grotze Ausgaben gemeinsam zu erledigen. Aber auch abgesehen von der Kirchcngeschichte — welche Fülle von freiheitlichen Er scheinungen und welcher Fortschritt in der lieferen Erfassung der chrittlichen Religion begegnet uns auf dem Boden oer katholischen Kirche in Deutschland und Amerika, en Italien und Frankreich. Die Auffassung und Beurteilung der Ge schichte als Entwicklungsgeschichte bahnt sich auch hier an, un) die Religion wird in ihrem Kern erfaßt. Ausgeschlossen sei freilich eine Annäherung an einem der wichtigsten Punkte: In bezug au? die katholische Lehre :on der Gewalt der Kirche und des Papstes. Denn die Mög lichkeit einer Umbildung liege in zu weiter Ferne Der Redner trat denn Einwand entgegen, im Katholizis mus umschlösse die Macht der Kirch: so die Reli gion, daß diese von ihr nicht einmal begrifflich ge trennt werden könne. In lehrreicher fesselnder Weife legte er an einigen Hauptpunkten dar, wie sich die Kon fessionen in der Erkenntnis ihres Wesens bereits genähert haben und noch weiter nähern werden. Zu diesen Problemen gehören u. a. die Rechtfertigung allein aus dem Glauben oder aus Glauben vnd Werken- die Lehre von Schrift und Tradition, die Frage des katholischen und evangelischen Gottesdienstes, der Anfänge deS römischen Primats, von Askese und Mönchtum. Diese und weitere Annäherungen in der Praxis der Religion und Religionslehre haben als ge- meiniamc Wurzel die bessere Erkenntnis der Sache und ihrer Entwicklung. Sie weisen auS der Enge oes Kon- sessionaliSmus auf eine Höh«, auf welcher der alte Streit seine Schärfe verlieren muß. Stände nicht das Kirckentum dazwischen, wir wollten schon zu einer Verständigung kommen. Das bat die Geschichte herbeigeführt. Und ihre Entwicklung dürfen wir nicht hemmen. Aber e» ist noch mehr zu tun. <v»r allem sollte man die politische Religion nnd oi« verynicknna von Religio« und Politik bekL»pfea. Auch die mächtigste Kon fession kann sich, wenn sie ,«r politischen Partei wird, zuletzt an der Politik ver bluten. Die Geschickte lehrt das. Ferner gilt e», überall die strengste Gerechtigkeit zu üben, jedem das Seine -» ge währen und nicht in öas innere Leben der Kirchen rinzn- greifen, unnötige Streitigkeiten zu vermeiden und de« falsch« Kampfesweise abzutun. Tiefe besteht darin, die gute Theorie der eigenen Kirche mit der schlechten Praxi» der anderen -» vergleichen: man vergleiche vielmehr Theorie mit Theorie und Praxis mit Praxis. Unnötig aber find die Streitigkeiten, in denen die Kirchen sich vorwerfen, was sie in der Vergangenheit gesündigt haben. Weiter aber mögen sich der Gelehr ten beider Kirchen noch ernsthafter bemühen, die Religion in der anderen Kirche besser zu verstehen; denn in jedem Verständnis liegt ein Moment des Frieden». Es schweben aber hier wie dort Mißverständnisse und Vor urteile. Auf der Entwicklung allein und nicht auf dem Be harren ruhen die Hoffnungen sür die Zukunft. Tie evan gelische Kirche steht bereits auj dieser Linie; sie muß noch mutiger und freier werden. Aber auch die katho lische Kirche in unserer Mitte vermag hier Vieles und Großes zu tun, ohne ihr Gefüge zuivrengen. Mit der Verwirklickung aller .dieser Wünsche wird zwar eine äußere Einbeit nicht hergestellt, aber eine innere Gemeinschaft gegeben sein, in der die christliche Reli gion wieder als einigendes Band empfunden werden werd. Die Kirchen werden nicht verschwinden: denn die Religion wird nie ohne Kirchen sein; aber ihre Zukunft beruht darauf, daß sie selbst immer mehr Gemeinschaften der Gesinnung und brüderlichen Hilfeleistung werden, und daß ihre Mit glieder die Einheit em Geiste pflegen, da mit die Religion rein und das Vaterland stark und friedevoll werde. *- Da» Altern. Bon Dr. Emil Söul«. TaS Leben des Menschen bewegt sich in auf-und absteigender Linie. Al» winzig klein,« Klümpchen tritt er lein Leben an. aber uuunter- brocken nimm« al-vann seine Masse zu. Der Mensch brdut sich au-, er „wäwst", uns mit seinem Wackkium werden die Kräfte de« Körper» immer größer. Gleichzeitig »Mimten sich seine Organe, entwickeln sich die geistigen Krüste und Fädigkeiten. Aber nach einer Reihe von Jabren kommt da« Wachstum allmählich zum Stillstand. Der Mensch ist „au-gkwachlen". Mckt-bestowrnsger wächst er noch weiter, nur nicht in der Weise, daß er selbst immer größer nnd weit« auSgedednt wird, nein, jetzt wächst er über fei» Ich hinan«, e: vflanzt sich fort. Neue (Individuen gehen au- dem alten dero«. wachsen gleichsam aus ibm derau«. Dabei steht da« All« Lock immer noch unter dem Zeichen der Ao-behnnaa, wenn st» onch ibm selbst nicht mebr zugute kommt. Aber auch die Zeit der Fort pflanzung, dieser besonderen Ausdehnung de» Menschen, und damit die der An-dednung überbauvt, kommt einmal zum Abschluß, «ad dann beginnt für den Menichrn dir Zeit der Zusammenziehung, die Zeit dr- Hnabsteigen« von der Leiter des 2edea«. Der Eintritt dieser Zeit ist eia allmählicher; bei den Frauen aber ist er scharf gezeichnet durch die Wechfrstodre. War vorder der Körper gewachsen uaa in seiner Masse größer geworden, so säugt er letzt an, sich zurßckzubilden. fein« Mast« beniant z« schwinden. Li, Mnökeln wnden sLwächer, das Fleisch wir» wmtgrr, moa vvrhnndr»- YM
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