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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930922027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893092202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-22
- Monat1893-09
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Tabellarischcr und Ziffernjotz »ach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gesalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, obne PostbesördernnD >l 60.—. mit Postdesorderung ^l 70.—> Innahmeschluß für Anzeige»; Abend-An-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Margea.Au-gade: Nachmittag» »Uhr. Soun, und Festtag; früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Stund« früher. ^ Enzetgea sind stet» an dt« Exhediti«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polj i» Leipzig, Freitag den 22. September 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. September. Die gesammte nationalgcsinnte deutsche Presse begrüßt ebenso wie wir den Trlcnrauimwrchsrl zwischen dem Kaiser und den» Fürste» Bismarck auf das Lebhafteste. Wir beben auö der Fülle der Erörterungen i»i Nachstehenden die bemerkenS- werlhesten hervor. Die „Nationallid. Corrcsp." schreibt: „Der freundliche Berkehr. in den der Kaiser bei der Er krankung des Fürsten Bismarck mit dem alten Kanzler getreten ist, wird allcntbalben im deutschen Volk, und zumal i» den besten, in nationaler und patriotischer Gesinnung besonders bewährten Kreisen mit den Gefühlen freudiger und dankbarer Genugibuung vernommen worden sein. Seit dem Rücktritt des alten Reichskanzlers, in dem die Nation den Waffenschmied ihrer Einheit und Größe verehrt und verehren wird, und seit so manchen ans Herz greifenden Zeichen der Entfremdung und der Mißver ständnisse zwischen zwei dem Gemüth dcS Volkes gleich theuern Gestalten lag etwas wie ein drückender Alp auf zahlreichen Seelen. Es war ein gewisser, oft genug zu Tage tretender oder auch mühsam unterdrückter Mißklang in allen patriotischen Empfindungen des Volkes und allen Gefühls äußerungen nationaler Begeisterung. Nur die Feinde des Reichs hatten ihre Freude an einem Verbältniß, das bei Vaterlandssreunden so manche schmerzliche Betrachtung wach- rufe» mußte. Möge zur Freude der besten deutschen Bürger diese Wunde jetzt dauernd geschlossen sein!" Die „Hamb. Nachr." beschränken sich bis jetzt auf die nichtssagende Bemerkung, daß die Ermächtigung zur Ver öffentlichung deS DepesckenwechselS noch nicht ersolgt sei. Dagegen laßt sich die Münchener „Allg. Ztg." wie folgt vernehmen: „Wie ost mußte der Gedanke den VaterlandSsreund beklemmen, daß ein unerwartet rascher Tod des hochbetagten Fürsten die Hoffnung aus eine Wiederbeseitigung der zwischen dem Oberhaupt des Reichs und seine»! Begründer und größten Sohn emporgewachsenen Scheidewand für immer vereiteln könne. Die jüngste Erkrankung des Altreichskanzlers halte diese Befürchtung in besorgniserregender Weis« nahegcrückt. Um so sreudiger begrüßt mau nun Len Ausgang, welcher der Nation nicht nur das theure Leben de» greisen Fürsten erhalten, sondern ihr auch die Ersüllung eines ebenso sehnlichen wie berechtigten Wunsches gebracht hat: die Wiederherstellung eines gesunden und natürlichen Verhältnisses zwischen zwei Persönlichkeiten, die, jede nach Art und Stellung, einen unabweisbaren Anspruch haben, im Vordergrund des patriotische» Empfindens der Deutschen zu stehen. Ter erste Schritt hierzu konnte nur vom Kaiser ausgehen, und daß dies »un geschehen, wird ihm dos deutsche Volk nicht vergessen. Das rein menschliche Empfinden, in welchem der Kaiser mit jedem braven Mann sich begegnet, hat bei der Nachricht von einer bedenklichen Erkrankung des Fürsten Bismarck über alle Wirrsale der letzten Jahre de» Sieg davongerragen, und unbekümmert darum, ob vielleicht der oder jener sich schmollend darüber aushalten mag, hat das Rcichsobcrtiaupt diesem natürlichen Gefühl vor der ganzen Welt seinen Zoll entrichtet. Eine besondere Freud« empfinden wir Süddeutschen über de» Schritt, den der Kaiser gelhan, nachdem er eben unsere Gefilde verlassen. Ob der Ausent- halt in unserer Mitte ihn freudiger, freier gestimmt und ihn bewogen hat, den Impulsen seines Herzens zu folg««, wagen wir »ich! zu entscheiden. Der Empfang, den der Monarch in Württem- berg und Baden gesunden, war ein ebenso glänzender wie würdiger; wäre aber die jetzt verbreitete Kunde damals bereits bekannt ge wesen, so würde ein Jubelsturm von wahrhast elementarer Kraft Len kaiserlichen Herrn begrüßt haben." Die „Schles. Ztg." schreibt: „Es bedars wohl keiner Erwähnung, daß dieses gewiß hoch- ersreutichc Ereigniß bis auf Weiteres auf den Gang der Politik keinen Einsluß üben wird. Die Bedeutung desselben liegt lediglich darin, daß eS uns den hochherzigen Sinn des Kaisers ent hüllt, welcher durch sein Verhalten zugleich einen sehnsüchtigen Wunsch vieler deutscher Patrioten erfüllt hat." Die „Kreuz-Ztg." bemerkt: „Der Gedanke, daß Fürst Bismarck, besten Erkrankung an einer Lungenentzündung zu den ernstesten Bedenken Anlaß gab, au» dieser Zeitlichkeit abgcrusen werden könnte, bevor eine Ausgleichung der lraurigen Irrungen, welche zwischen ihm und seinem Aller- höchsten Herrn obwalteten, sialtgeiunden, hat in der jüngsten Zeit alle wahren Patrioten tief bekümmert. Um so freudiger begrüßen sie diese» hochherzigen Schritt des Monarchen." Der „Schwab. Mercur" sagt: „Das Vorgehen des Kaisers, von dem das Telegramm anS dem ungarischen Manüvergclände berichtet, kommt einem Herzenswünsche des deutschen Volkes entgegen. ... Vollendet ist es freilich noch nicht, woS so innig gewünscht worden, aber das Schwerste ist gethan, der erste Schritt. Und er ist gethan von der Seite, von der man ihn erhostte, weil sonst überhaupt die Sacht hoffnungslos war. Die Schwierigkeit, die, wenn jener Schritt geschehe» sollte, an und für sich in der Stellung der Majestät lag, hat kein Einsichtiger verkannt. Ter Kaiser hat jetzt «inen Zeitpunkt geschickt gesunden, wo diese Schwierigkeit sozusagen nicht vorhanden war. Die schwere Erkrankung Bismarck's ließ jedes Bedenken überwinden, nun durste die rein menschliche Empfindung zweisellos ihren Laus haben; und wenn das zusammentraf mit der Er- Wägung, cs sei gut für Kaiser und Reich, daß es endlich geschehe, was nicht die Schlechtesten und nicht die Letzten im Deutschen Reiche ersehnt und, wie man weiß, auch vorbereitet hatten, dann um so besser." Der „Hambg. Corr." schreibt: „Es ist für unser Ansehen im Anslande, für die Stärkung unserer inneren Einheit und Geschlossenheit von hoher Bedeutung, daß der schwere Mißklang beseiligt ist, der so vielen guten Patrioten das Herz bedrückt hat, während er von der Bös. Willigkeit und Parteisucht in schadenfroher Weise ausgebeutet wurde. Von der Wirkung, die die Nachricht speciell im Ausland« hervor- rufen wird, dürsten wir uni so mehr alsbald zu hören bekommen, als sie für die russisch-sranzösische Verbindung nichts weniger al» ein gutes Omen ist." ' Die ultramontanen und socialdemvkratischen Prcßorgane können ihren Haß gegen den Fürsten BiSmarck auch bei dieser Gelegenheit nicht verleugnen — sie sind die Einzigen, die in der Volksseele nicht zu lesen verstehen und die hohe Bedeutung einer Aussöhnung zwischen dem Kaiser und seinem früheren Kanzler nicht zu fasten vermögen. Die „Köln. Bolksztg." äußert z. B.: „Der Kaiser soll sich durchaus mit dem „Altreichskanzler" „ver- söhnen": daS verlangen neuerdings wieder verschiedene „national- gesinnte" Blätter. So liest man z. B-, man habe mit Betrüblich ver- nommen, daß Fürst Bismarck neuerdings ernstlich krank gewesen sei, aber nur voll Schrecken könne man daran denken, daß Bismarck sterben könne, ohne daß vorher eine Aussöhnung mit dem Kaiser ersolgt sei. Aber wie denkt man sich eine Aussöhnung? Welchen Zweck soll sie haben? Soll Fürst Bismarck wieder zu volitischem Einfluß gelangen oder nicht? Im elfteren Falle würde kein Minister und kein Kanzler mehr seines Amtes walten können, wenn hinter den Loulissen ein „wirklicher geheimer" Kanzler stände. Im zweiten Falle aber würde dem Fürsten Bismarck an einer Aussöhnung nichts gelegen sein, denn nach der „Aussöhnung" muß das Halten kritischer Reden und daS Jnspiriren oppositioneller Artikel aushören. Fürst BiSmarck wird aus die letztere Freiheit nicht verzichten, wenn ihm nicht ein maßgebender Einfluß auf die Reichspolitik zugesichert wird; das aber soll nach dem bekannten Erlasse deS Grasen Caprivi „niemals" wieder ge schehen. Ergebniß. Alles bleibt beim Alten, denn ein unpolitischer Hoscavalier wird Bismarck nie werden." Und der socialdcmokratische „Vorwärts" leistet sich in seinem Acrger folgende alberne Sätze: „Aussöhnung des Kaisers mit dem Fürsten Bismarck". — Die Zeitungsverkäuser, die heute Morgen diese Nachricht ausriesen, kannten nicht das javanische Sprichwort: „Wenn Du einen mächtigen Feind hast, dann brich seine Macht und taffe ihn leben! Und ist er voll ständig gebrochen, so söhne Dich mit ihm auSI" Fürst Bismarck hat den Stachel der Temüthigung sicher niemals so bitter gefühlt, als im Augenblick, da der Lehnsherr, dem er rin so — „treu« Vasall" gewesen, ihm, dessen Krankheit er „erst nachträglich" er- fahre», rin Asyl (!) anbot. Der „treue Vasall" wies das groß- müthige Anerbieten zurück. Hatte sein trotziger Geist eS noch nicht voll cuivsundcn, jetzt cnipsand er eS gewiß, daß er ganz, ganz todt ist — ein Leichnam." Von der amtlichen und halbamtlichen Presse ist in Kürze berichtet. Der „Reichsanzeiger" theilt das bekannte Wolss'scke Telegramm an hervorragender Stelle im nicht amtlichen Tbcile mit. DaS Organ deS Reichskanzlers, die „Nordd. Allg. Ztg.", sagt immer noch nichts, verzeichnet aber eine Anzahl nationaler Preßstininien. Ein anderes Blalt, daS nicht ohne Beziehungen zum ReichSkanzlerpalaiS ist, die „Franks. Zcitg.", bezeichnet eS als „in hohem Grade wahrscheinlich, daß der Reichskanzler von der Absicht des Kaisers unterrichtet und mit ihr einver standen war" — und fährt dann fort: „Letzteres würde mit der Haltung, die der Reichskanzler stets gegenüber seinem Vorgänger eingenommen hat, durchaus nicht i» Widerspruch stehen. Bei verschiedenen Anlässen, insbesondere auch im Reichstage, bat Caprivi mit der größten Achtung und Rücksicht von BiSmarck gesprochen und ihn gegen die Anschuldigungen von anderer Seite verlheidiat. Daß die Gefühle, die Caprivi damals leiteten, angesichlS der schweren Erkrankung Bismarck's auch stärker zuin Ausdruck kommen mußten, würde nur natürlich erscheinen." In seiner Nummer vom 20. September veröffentlicht daS „Vaterland" inWien einen längeren bemerkenSwerthen Artikel unter dem Titel „Res Lokemicae", der dem Nachweise ge widmet ist, daß die heutigen rzrchischrn Forderungen weit über das ursprüngliche czechische Programm der nationalen Gleichberechtigung hinauSgcben. DaS feudale Organ entwirft zu diesem Behuf« eine Schilderung der Zustände in Böhmen vor sllnszig Jahren. In dieser Schilderung heißt eS: „Vor fünfzig Jahren war in Böhmen daS ganze öffent liche Leben in der vollsten Bedeutung des Wortes deutsch» die Sprache der Aemter, der GerichtSbebörden, der Schulen war die deutsche, und die Sprache des öffentlichen Verkehre» war in einem solchen Maße die druische» daß czechische Familien in Prag ihren Kindern die Weisung gaben, aus der Gaffe nur Deutsch zu sprechen. Vor fünfzig Jahren gab eö in Böhmen nickt eine einzige ausschließlich czechische Stadt, wobt aber hatten sehr viele der jetzt czcchischen Städte ein ganz deutsches Aussehen. Es gab damals in Bobinen blos, wie man zn jener Zeit sagte, „böbmische Dörfer", und dir sind sogar zum Sprichwort« geworden. In diesen böbniisckcn Dörfern erhielt sich die czechischeSprachc ; daSsogenannteCrcchischc.wclcheS in Prag und anderen Städten des Landes noch gesprochen wurde, war ein sonderbares Gemisch von slawischen und deutschen Worten mit slawischen Endsylben." Im Anfänge des Jahres 1818, beißt eS dann weiter, habe man Böhmen im Ganzen und Großen immer noch als ein germanisirtcS Land betrachten können, in welchem die Denlsche» die in jeder Beziehung bevorzugte unv kabcr herrschende Nation waren. Selbst die am 1t. Mär; 1818 im Saale deS WcnzclSbadcS in Prag abgehaltene Bürgerversammlung, in der die Petition an den Kaiser beschlossen wurde, habe nur durch eine» Zufall einen czechische» Charakter gehabt. Daß diese ReminiSecnzcn heute im feudalen Lager austauchen, ist gewiß eine inter essante Erscheinung, denn die Feudalen waren eS ja, die in der Metternich'schcn Aera, wie überall in Oesterreich, so auch in Böhmen, die Regierung führten. Nicht minder interessant und benierkenSwerth ist eS, daß heut« endlich die Feudalen zur Erkenntniß gelangen, daß die Ezechen bereits über ihr ursprüngliches Programin hinauSgegangcn sind, welches die gleiche nationale unv politische Berechtigung beider daS Land bewohnenden Volksstämme zum Ziele hatte. Lange genug haben die Feudalen sich dieser Erkenntniß entzogen und haben die czechischcn Forderungen unterstützt, die jenes Programm bereits überschritten hatten; ja eS ist noch kein Jahr verflossen, seit sich der feudale Großgrundbesitz in der bekannten November-Resolution den Jnngczcchcn gegenüber auf daS böbniiscke SlaatSrccht verpflichtet hat, daS etwas von der nationalen Gleichberechtigung ganz Verschiedenes ist. Ministerpräsident Dupuy ist unverhofft in Paris ein getroffen. um sich am 23. September zum Präsidenten Carnot nach BeauvaiS zu begeben. Am Sonntag wird er alsdann »ach Paris mit Carnot zusammen zuruckkebren. Di« Reise sott mit den energischen Bemühungen der franz-sischeu Regierung Zusammenhängen, die maßlose Begeisterung der Pariser Presse zu dämpfen, die für den Russcnempfang schwärmt. Die Regierung scheint entschlossen, die meisten vom PreßauSschuß voraeschlagenen Festlichkeiten anläßlich der Ankunft der russischen Marineofficiere in Pari» abzul ebnen. Außer der Vorstellung in der Oper, dem Empfang im Elysec und dem RathhauSball wird keine Festlichkeit stattsinden, insbesondere verwarf der Minister de» Aeußern, Devellc, daS Ricscnbanket, daS die Presse zu Ehren der russische» Gäste veranstalten wollte, wozu 25>ÜO Personen geladen werten sollten. Ueberdics verfügte die Regierung, daß außer de» hierzu berufenen amtlichen Persönlichkeiten 9k jemand An- sprachen an die Russen halten dürfe. Das Bekannt werden dieser Verfügungen wirkt in Paris wie ein kalter Wasserstrahl; man spricht von der Auflösung dcS Preß- auSschusseS. Ein eigenartiges Lickt aus das Zustandekommen der im „Figaro" lancirtcn russischen Absage an die fpanzö- fischen Enthusiasten wirst übrigens auch eine Thatsachc, di« nachträglich bekannt wird. Ter russische Minister de« Aus wärtige» Hcrr v.GierS sandte in diesen Tagen seinen Sobn mit einem besonderen Aufträge nach Paris. Herr v. GierS jr. war bis vor Kurzem BotschastSrath in Paris und gekört zu den intimsten Vertrauten dcö Ministers, wie solches natürlich ist. Zunächst braucht man in dieser Reise nichts Auffallende» zu sehen, eS wäre in erster Linie ein Beweis, daß der Zustand de« kranken Staatsmannes sich so weit gebessert hat, um die Hilfe dcö Sohnes entbehren zu können, derselbe würde danu einfach nur aus seinen alten Posten zurückkehren. Bemerkens« werth ist eS aber doch, daß diese schleunige Besserung gerad« in dem Augenblicke eintritt, da daS russische Mittclmeer» Geschwader im Begriffe steht, den Hafen von Toulon zu besuchen. So wird denn angenommen, daß vie Reise de» Herrn v. GierS jr. einen sebr bestimmten Zweck verfolgt, welcher de» panslawistisckcn Absichten gewisser Kreise entgegen- läuft. Jedermann weiß, daß der Minister v. GierS de» Friede» will und mit Bcsorgniß aus die Vorbereitungen zu den russisch-französischen VcrbrüderungSsestlichkeiten blickt. Das Weitere ergicbt sich von selbst. Die von dem jungen GierS überbrachtcn Weisungen führten zu der Besprechung Mobrenhcim'S mit Devellc, und dann folgte der bekannt« Artikel im „Figaro". Unter den Führern der vlämischcn Bewegung in Vklgir» ist ein Streit über die Frage entstanden, ob die Senatoren und Abgeordneten der vlämischcn Provinzen sich nicht verpflichten sollen, sich im Parlament ausschließlich der Muttersprache zu bedienen. Bekanntlich hat ver am 20. und 21. August abgehaltene Vtämencongreß in Brügge sich bereit» mit dieser Frage beschäftigt, aber keine» Beschluß gefaßt, weil einer der Hauptsührcr der vlämischen Bewegung, der Ant« werpcncr Abgeordnete CorcmanS, gegen den Beschluß Wider spruch erhob. Coremans betonte die Nothwendigkeit, aus di« Thatsachc Rücksicht zn nehmen, daß die große Äiehrhrit der Fririllrt-ir. In Fesseln. si Roman von C. Vollbrecht. Alle Rechte »ortetzallen. (Fortsetzung.) Dennoch zögerte er nicht, ihn aus peinlichen Geldverlegen heiten zu befreien, bis dieselben sich in immer kürzer werdenden Zwischenräumen wiederholten. Ta habe er sich erlaubt, einmal „Nein" zn sagen und als Erwiderung darauf eine» so berauS- sorterndcn, unangenebmen Brief des Oheims erhallen, daß er sich an der Wiege seines Erstgeborenen daS Ehrenwort gegeben bade, niemals wievcr etwas für diese berabgekoinmene Seitenlinie seines Geschlechts zu thun. Und daran werde er scstbalten ... Er gebe dem Cousin den guien Rath, die Ereignisse nickt auszuhalten, sondern das brennende Haus in sich selbst zusammenstürzcii zu lassen. Er möge ihm den Rücken kehren und im Kloster wieder seine Hcimath suchen . . . Der Körper deS jungen Schloßberrn erbebte. Seine Hände krampften sich zusammen im Zurücktenle» an die ihm angethane Schmach. Er stürmte den Weg zurück, den er gekommen, immer noch eine Beute seiner Grübeleien, doch hatte er den Kopf ein wenig gehoben. — So wie er dazumal den Brief zerrissen hatte, der ibm die kalten Rathschtäze eines kalten Herzens verkündete, so riß er auch anS seiner Seele jede Hossnung aus den Beistand der Menschen. Klar war sein Weg ihm vorgczeichnet — eS galt auSzubarren in den ihn umdräuenden Sorgen. Den Namen des BaterS rein zu waschen von Verachtung und übler Nachrede, war das Ziel seines Lebens. Jedoch welch'aussichtsloses Streben! Ueberall stellte die TestaiiientSclansel sich ibm abwehrend entgegen, diese Clausel. welche sich wie eine drobende Hand vor ihm empor- reckte. Noch wußte Hildegard nicht- von den ihr vorbebaltenen Reckten, Loch mußte sie eS demnächst erfahren. Unv abermals tauchten die Worte dcS Agenten auf in seinem Sinnen. Nicht wie vorhin flößten sic ihm Abscheu ein. Er begann darüber nachzudenkcn, sie zu erwägen. Wa» war eS denn weiter, der Mann halte ja recht, ganz recht — welches Glück, wenn da« Mädchen sich bald vermählte! Und er begann nachzusinncn, ob unter seinen wenigen Bekannten sich wohl eia paffender Bewerber für Hildegard finden könne. Clemens war einem abwärtSsührenden Pfade gefolgt und kand nun an dem Psörtchen, welches aus die Landstraße siibrte. Vor ihm lag das weite Land, und unverzüglich ließ seine Ein bildungskraft aus ihm belle, vielsenstrigc Gebäude mit Koben, rauchenden Schloten erstehen. Der Dampfkessel zischte, Räder kreischten. — Und aus fernem, unwirthbarem Welttheil lebte und wirkte ein stiller Mann unter Wilden, mit sich zufrieden durch das Bewußtsein, daß er Keinen im Vaterland« zurück- gelassen habe, der seinem Namen fluche. Ein Zuruf schreckte ibn aus anS seinem Sinnen. Bor ibm stand Hildegard, die Wangen gerötbct von der frischen Morgenluft. Sie kam von einem Spaziergang zurück und hielt einen Strauß Herbst zeitlosen in den Händen. Wäbrcnd sie an seiner Seite heim wärts ging, beobachtete er sie verstohlen. — Würde sie sich seinen P'.äncn geneigt zeigen? War sic im Stande, dem guten Namen des BaterS ein Opfer zu bringen, und wie mußte der Mann Wohl beschaffen sein, in dessen Hand sie ihre Zukunft legen, mit dem Freud und Leid zu theilen sie bereit sein würde? I» der Bibliothek fand er einen Brief vor, der seine Speculationen plötzlich zerriß und seine Gedanken aus sreund- lichcre Bahnen lenkte. Drittes Capitel. „Dresden, 8. October 13 . . Mein lieber Junge! Ja, Du mußt es sein. Ich setze mir in den Kopf, der Name „Clemens Graf Föhl" könne nicht ein zweites Mal aus der Weit existiren. Denkst Du noch unserer fröhlichen Kinder zeit? Wie kam eS doch, daß wir nn- so ganz au» den Augen verloren? Beinahe zwanzig Jahre sind e- her, ja, gewiß, denn wir waren damals Knaben zwischen dreizehn und vicrzeb». Jetzt steht die lustige Zeit mir wieder vor Augen, als batten wir gestern erst Festung gespielt, die Obstbäume geplündert oder als Indianerhäuptlinge im Hinterhalt gelauert. Wir, Jettchen und ich. bewohnen noch immer da» Hau» unserer guten Eltern. Meine Schwester Melanie war ja schon ver deiratbet, al» Du mit Deiner Mama bei uns waist. Die Nachricht, daß Du die Theuere bald, nachdem Ihr uns ver lassen battet, verloren hast, war die letzte Mittheilung, die wir von Euch empfingen. Auch unsere gute Mutter starb für un» viel zu früh. Papa wirkte als vielgesuchler Arzt bi» zum vergangenen Jahr. Ein Verlust für die Wissenschaft, wie all« Welt auerkaoote, ein herberer für un-, feine Kinder, da er un» entrissen ward... Nun aber zu Dir, mein Clemens. Weißt Du, wie Dein Name mir plötzlich inS Gedächtniß ge rufen wurde? Bon sehr unliebsamer Seite, aber ich danke ihr'S doch. Ein hiesiger Wafsenkändler nämlich erschien in meinem Bureau, um eine alte Schuld einzuklagen. Ter Name des Schuldners der Deine. Mein Client sagte mir, eS handle sich um eine ererbte Schuld, die Du von Deinem Vater mit seiner Hinterlassenschaft übernommen habest. Ich schickte den ungehobelten Mahner ins Psesserland, will sagen, in seinen VcrkausSladen zurück, nachdem ich seine Sorgen beschwichtigt batte. Nun aber soll mich nichts zurückhaltcn. Dich auszusuchen; vielleicht kann ich Dir mit meinem juristischen Rath dienstlich sein. Jettchen meint auch, eine kleine Reise würde mir, im Actenstaub verkümmernden TbemiSjünger, sebr ersprießlich werden. Wir wohne» zwar in verschiedenen Ländern, aber die Reise ist kurz. Nächsten Sonntag erscheine ich bei Dir im schönen Böhmen. Schütte mir dann ekrlich Tein Herz anS, mein Alter, und laß unS auch von den vergangenen«» Zeiten plaudern. Dein Jugendfreund Vr. Paul Reinhold, Rechtsanwalt." ES war keine angenehme Veranlassung gewesen, welche Gräfin Föhl bewogen batte, beinahe ein Jahr hindurch mit Clemens Aufenthalt in Sachsens Hauptstadt zu nehmen. Es batte sich bei dem dreizebnjäbrigen Knaben nach einer Kinder krankdeit eine Schwäche der Nerven gezeigt, welche ein an dauerndes Heilverfahren erforderte. Die Verhältnisse fügten eS so günstig, daß, da die älteste Tockter des berühmten Arztes Medicinalratb Reinhold, dessen Hilfe Gras Föbl für seinen Sohn anrief, sich soeben vcrheiratbet batte, die Billa desselben Raum genug bot, um die Gräfin mit Clemens darin auf- zunedmen. Die Heilung deS Kleinen ergab sich da von selbst, eS hatte ibm im Grunde nicht« gefehlt al» Kmdrrgesellschast, und in Paul und seiner um «in Jahr jüngeren Schwester Jettchen fand er die heitersten Spielkameraden. DaS Antlitz de» Träumer» klärte sich aus, da er jener glück lichcn Jugendzeit gedachte. Wie war «» nur möglich, daß die wechselnden Jabre die Erinnerung an sie so sehr in den Hinter grund gedrängt hatten?... Bor ihm erstand, al« batte er eS gestern verlassen, da» behagliche Hau« seine» ebemaligen Arzte». E« stand an der Schillerstraße und ward von dieser breiten, mit Kastanien beschatteten Promenade Dresden» durch eine» Vorgarten getrennt. Seine Hauptfront lag nach dem in Terrassen abfallenden Park, an dessen Mauer die Elbe dahin- koß. Drüben, jenseits der den Strom überspanncnden Brücken, hoben sich die dunklen Laubmassen des Großen Gartens vom Horizont ab. Reckt« streckten die Tbürme der Altstadt — die Kuppel der Frauenkirche, der spitze Dburm der Kreuzkircke, der herrliche Oberbau der katholischen Kirche — sich stolz über daS Ge» tümmel zu ihren Füßen empor. In sonniger Beleuchtung er, strahlten die Fenster der Rotunde der Brüblschcn Terrasse. Linls hin zogen sich weinbepslanzte Gefilde. Weiße Schlösser, liebliche Landhäuser ruhten eingebettet in duftige« Grün. Bunt bewimpelte Käbne, beladene Zillen zogen aus dem glitzernden Strom ihre Bahn; Dampsschisse kreuzten in wechselndem Ver, kehr auf und abwärts Welch herrliche Verstecke gab c» zwischen den laubumsponncncn Spaliergängen und binter den Säulen der Veranda, auf welchen der Balcon dcS oberen Stocke» seine Stütze fand... . Anselm vermochte kaum sein freudige« Befremden über daS eine Hobe innere Befriedigung widcrspicgelnde Antlitz seine« Gebieters zu verbergen, mit welchem dieser ihm an» kündigte, daß am Sonntag ein Gast auf dem Bärcnstein ein« kehren werde. In ihrem Zimmer, welches dickt neben den Gcsellsckast»- räunicn des SmlosscS lag, saß Hildegard vor dem kleinen Näh tisch, den sie schon als Kind ihr eigen genannt hatte. Si» war beschäftigt, in seine Schublade jene Tausend technischen Werkzeuge einzuordne», anS welchen das Inventar eine« solchen Möbels besteht. Im anstoßenden Alkoven war Marie mit Staubtuch und Fcdcrwcdel thäti.i, doch schienen die Gedanken der Zofe nickt ganz bei ihren Obliegenheiten zu verweilen, denn ihre Augen schweiften wiederhotl zu ihrer jungen Ge« bieterin. „Wenn die Frau Vorsteherin unS hier sehen würde", sprach sie plötzlich mit einem tiefen Seufzer. „Gefällt eS Dir nicht aus den, Bärenstein?" „Ack. Tu mein Gott — was denn ich! — Aber mein« Comtess« hier in dem einsamen alten Rittcrschloß, wo kein Mensch sie sieht." „Laß das — Jedem gefällt sein Vaterhaus. Wenn r» Dir jrkock hier zu bange sein sollte —" „Nein, nein", — wehrte Marie lebhaft ab und setzte dann etwa« schüchtern hinzu: „Aber eine Bitte hält' ick dock." „Nun?" „Ich möchte halt mein Bett in dem Cabinet neben der
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