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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980430022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-30
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Vrützerr Schriften laut unjerem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Aiorgen-Ausgabe. ohne Postbesörderunx' M.—, mit Postbeförverung ^>l 70.—. Iianahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Vtorge n-Aasgabe: Nachmittags 4 Uhr. Del den Filialen und Annahmestellen i« etn» halbe Stunde früher. Anzeige« find stet« an die ExpeSitta» zu richten. Drnck nnd Verlag von E. Polz tu Leipzig Sonnabend den 30. April 1898. 92. Jahrgang. Der Lrieg um Cuba. —(>. In den Vereinigten Staaten braucht die Kriegs partei offenbar „Sieges"-Nachrichten, um die Stimmung hochzuhalten. Man meldet unS: "New Port, 29. April. Nach einem Telegramm der „Eveninz Post" aus Key West haben der Monitor „Terror" und das Kanonenboot „Machias" Cardenas (östlich von Matanzas) bombardirt. Zahlreiche Spanier sollen getödtet sein. Nach zweistündigem Kampfe wurden die Batterien zum Schweigen gebracht. Die Schisse haben keinen Schaden gelitten. DaS wäre ja ein würdiges Gegenstück zum Bombardement der Forts von MatanzaS, allein richtig scheint nur, daß sich amerikanische Schiffe vor Cardenas begeben haben, im Uebrigen dürfte die ganze Geschichte erlogen sein. Man berichtet uns nämlich weiter: * Key West, 29.April. (Reuter'jchesBureau.) Der Capitai» des amerikanischen Monitors„Puritan" bezweifelt die Richtigkeit der Meldung von einerBeschiehung Cardenas' nnd erklärt, es sei un- möglich, sich bis aus 6 Meilen der Stadt zu nähern, er habe auch keinen Kanonendonner gehört. Des Weiteren wisse er, daß zwei spanische Kanonenboote vor Cardenas versteckt seien. So wird auch mindestens die Hälfte der SiegeSnachricht von Matanzas auf das Lügenconto amerikanischer Blätter kommen. Nach officieller spanischer Darstellung ist der An schlag ganz anders verlaufen. In Havannah spricht man von einem Mißerfolg der Amerikaner und ist darob voller Begeisterung. Wir erhalten noch folgende Meldung: * Madrid, 29. April. In der Dcputirtenkammer theilte der Kriegsminister Correa in Beantwortung einer Anfrage mit, das amerikanische Geschwader habe 60 Geschosse gegen die Forts am Eingang der Bucht von Matanzas geschleudert. Das einzige Opfer der Kanonade sei ein Maulesel gewesen. (Gelächter.) Dagegen habe ein amerikanisches Schiss Beschädigungen erlitten. Die Insurgenten wären mit der amerikanischen Flotte im Einvernehmen gewesen, denn sie wären gleichzeitig gegen Matanzas hin vorgegangen, hätten aber eine völlige Nieder lage erlitten und viele Todte zurückgelassen. Der KriegSminister schloß mit den Worten: „Es war ein ruhmreicher Tag für Spanien." Man braucht natürlich auch diese Mitthrilung nicht für baare Münze zu nehmen, denn auch in Madrid versteht man etwas von der Kunst, die Geschichte zu corrigiren und den Mund voll zu nehmen, aber viel können die amerikanischen Schiffe nicht ausgerichtet haben, denn sie zogen sich, obwohl die spanischen Kugeln ihr Ziel verfehlten, doch auf die hohe See zurück, woraus man schließen kann, daß es dem Admiral Sampson in der Bucht, wahrscheinlich auS Furcht vor Torpedos (in Madrid hält man eine Landung bei Matanzas der sehr zahlreichen Torpedos halber für ausgeschlossen), un behaglich zu Muthe wurde; und obwohl die Amerikaner be haupten, selbst gar keine Verluste erlitten zu haben, so kehrte die EScadre nach der halbstündigen Beschießung doch wieder in die Blockade-Stellung vor Havannah zurück, das von Matanzas etwa 100 Kilometer entfernt ist. Ein spanischer Bericht behauptet, daß die Amerikaner zum Rückzüge gezwungen worden sind. Es ist kein Zweifel, daß Admiral Sampson die Bucht von Matanzas im Hinblick auf dis geplante Landung auf Euba recognoSciren wollte. Nach den letzten Meldungen scheint ja der KriegSplan der Vereinigten Staaten völlig auf den Kopf gestellt zu sein. Während man früher eine Landung größerer Truppencontingcnte aus Cuba perkorreScirte — auch die Insurgenten riethen davon ab wegen des mörderischen KlimaS—, soll jetzt eine kleine Armee von 10 000 Mann ans die Insel geworfen werden. Wir meldeten schon auS Tampa (au der Westküste von Florida), Oberst Eochrane, der Eommandeur der ersten Brigade der Division von Tampa, habe den Be fehl erkalten, seine Streitkräfte zu sofortigem Abmarsch bereit zu halten und mit Lebensmittel» auf 30 Tage zu ver sehen, und die Kriegsverwaltung in Washington habe 8 große Dampfer mit einem Tonnengchalt von durchschnittlich 2000 Tonnen gechartert für den Transport der ersten mili- ta irisch en Expedition nach Euba. Außerdem geht uuS folgende Nachricht zu: * Chattanooga (Tennessee), 29. April. (Reuter'jches Bureau.) Acht Batterien Artillerie, das 21. Jnfanterie-Regiment und vier Schwadronen des 9. Cavallerie-Regiments verließen heute das diesige Lager mit dem Befehle, nach Tampa zu gehen. Die Truppen und das Kriegsmaterial sind bereits in Extrazügen verladen, welche vor den fahrplanmäßigen Zügen befördert werden. Obgleich der spätere Bestimmungsort der Truppe» geheim gehalten wird, zweifeln die Osficiere und die Soldaten nicht daran, daß sie zu einer sofortigen Invasion oder wenigstens der Be- setzung eines cubanischen Hafens bestimmt seien. Man glaubt, daß sämmtliche schwarze Truppen vor morgen Abend nach dem Süden auf dem Marsche sein werden. Die Artillerie wird noch vor Abend abgehen. Ten Rest der Streitkräfte vor morgen abgehen zu lassen, ist unmöglich. Mit der Sammlung der Streitkräfte der Union scheint cs aber zu hapern. Wir verzeichneten schon die auffallende Meldung, daß ein New Iorker ^giment, das sich aus den reichsten Eith-Leuten recrulirt, sich geweigert hat, in den Krieg zu gehen. Sehr bedenkliche Nachrichten kommen auch aus mehreren mittleren und südlichen Staaten der Union. Dort stößt die Einbernfung der Milizen auf große Schwierigkeiten, da die Mann schaften erklären, sie seien nur zum Kriegsdienst verpflichtet, wenn ein Feind in das Bundesgebiet eingedrungen sei. Die Verwendung der Milizen zu Eroberungskriegen außerhalb der Union verstoße gegen die Verfassung. In der Stadt Richmond kam es zu einem vollständigen Aufstand, indem die Milizen sich der öffentlichen Gebäude und Eassen be mächtigten. Zugleich flößt die Haltung der Indianer Besorgnisse ein, da besonders die Sioux-Stämme nach dem Abzüge der in ihrer Nähe statisnirlen Garnisonen unruhig geworden sind. Aus New Jork wird den „Times" telcgraphirt, daß die Einberufung der Freiwilligen mancherlei Ueberraschuugen verursacht habe. Es herrscht dabei viel Verwirr ung. Der Staat New Jork bat seit Jahren die beste Cavallerie und die beste leichte Artillerie, dennoch ist nur die Hälfte der Cavallerie und nicht eine einzige der 8 Batterien einberufen worden. Ealifornien und Maryland haben gar keine Artillerie, allein ein jeder dieser Staaten soll vier Batterien stellen. Fünf Staaten, die keine Artillerie haben, sollen 14 Batterien und von 26 Staaten, die 51 Batterien, mehr oder weniger bereit zum Dienst, besitzen, ist nicht ein einziger aufgefordert worden, Artillerie auszurüsten. Die Garbe Pennsylvaniens umfaßt 3 leichte Batterien und 3 Eavallerie-Regimenter, dennoch soll dieser Staat nur Infanterie und schwere Batterien, die gar nicht vorhanden sind, liefern. Die Amerikaner fangen natürlich auch an, die Kosten des Krieges zu berechnen. Im Repräsentantenhause meinte der Demokrat Sayers von Texas, daß die Kosten dcS Krieges mit Spanien sich wahrscheinlich auf 300 Millionen Dollar per Jahr belaufen würden, worauf Dinglcy ihn daran er innerte, daß der Bürgerkrieg jährlich 1100 Millionen Dollar gekostet habe; Dingley schien zu glauben, daß mindestens 500 Millionen Dollar — die vom Eongreß geforderte und wie uns gemeldet wird, soeben auch bewilligte Summe — nötbig sein würden. Die spanische Flotte ist nun endlich von den Eapverden ausgelaufen, nicht ohne einen Unfall, über den unS Folgendes berichtet wird: *Sao Vincente, 29. April. (Renterineldung.) Um 4 Uhr 30 Ml». Nachmittags kehrten von dem ausgelaufenen spanischen Geschwader drei Torpedoboote und zwei Transportschiffe hierher zurück, und zwar infolge eines Zusammenstoßes zwisch«» zwei der ersteren. Dieselben haben leichte Beschädigungen erlitten und norden morgen wieder in See gehen. Kein gutes Omen! Welche Ordre die spanischen Schiffe haben, ist natürlich noch Gehcimuiß, aber cs scheint auf Handstreiche gegen die bedeutendsten Hafcnplätze der Union, wahrscheinlich auch gegen New Jork abgesehen zu sein. Man meldet.uns: I. ('. Rclv Bork, 28. April. Tie Kabel für die im New Yorker Hasen liegenden Ali neu sind zerstört worden. Es wird dies als das Werk spanischer Spione und geheimer Sendboten bezeichnet. Ter angerichtete Schaden ist sehr beträchtlich und bisher noch keineswegs ausgeglichen. Es ist jedoch jetzt ein sehr scharfer Nachtdienst im Hafen eingerichtet, und in der Stadt wurden zahl reiche Personen verhaftet, welche verdächtig sind, im Dienste Spaniens zu stehen. Ter Borgang wird allgemein als Beweis dafür ange sehen, daß von spanischer Seite ein Angriff auf New Jork geplant ist. Kommt cS zur Beschießung amerikanischer Häsen, so ist dies daS Signal für die Aufgabe der Blockade Eubas, da dann die Blockadeschiffc anderwärts uölhiger gebraucht werden. Dann dürfte aber auch die Lage der auf Euba gelandeten amerikanischen Truppen sich nicht sehr gefahrvoll ge stalten: ihre Verbindung mit dem amerikanischen Festland! und ihre Verproviantirung von dort auS wäre dann aufs Acußersle in Frage gestellt. Es kann zu grausigen Episoden menschlichen Elends in diesem Kriege kommen. Einen kleinen Vorgeschmack erhält man schon aus folgender Mittheilung: London, 29. April. Das „Reuter'sche Bureau" meldet aus Kingston (Jamaica) über New Aork: Der deutsche Dampfer „Remus", von Hamburg noch Baltimore unterwegs, lief heute früh Port Antonio an und brachte 441 deutsche, cubanische, bri tische und amerikanische Flüchtlinge aus Santiago (Cuba) ans Land. Der Führer des Dampfers hatte dieselben aus Menschen freundlichkeit mitgenommen. Die Flüchtlinge waren größtcntheils Frauen und Kinder. Sie hätten gemeldet, daß die spanischen Behörden falle Lebensmittel in Santiago für die Armee in Sicherheit gebracht hätten. 20000 Einwohner seien fast gänzlich ohne jede Nahrung. Die Flüchtlinge hätten ferner mitgetheilt, Laß die Insurgenten große Anstrengungen machten, die Außenwerke von Santiago und Guantanano anzu greisen. Der Kampf auf Euba verspricht demnach ein furchtbar erbitterter zu werden, zumal da den Amerikanern jedes Mittel recht ist. Sie schrecken vor völkerrechtswidrigem Handeln nirgends zurück. So war schon die Beschießung von Matanzas ohne vorherige Benacbriwtigung gegen allen Kriegsbrauch, weshalb auch, wie wir mittheilten, die Eonsulu Frankreichs und Oesterreich-Ungarns protestieren. Die englische Neutralitätserklärung, in welcher den Kriegsschiffen beider Parteien gestattet wird, in englischen Häfen Schutz zu suchen und sich daselbst mit Lebensmitteln und Kohlen zu versorgen, wird in den spanischen Regierungs kreisen als eine unmittelbare Parteinahme Eng lands für die Vereinigten Staaten angesehen. Da die spanischen Kriegsschiffe in Westindien eigene Häfen haben, so hat das britische Zugeständniß nur für Nordamerika einen Werth; und die Bestimmungen sind derart, daß hiernach die ganze nordamerikanische Flotte im Bedarfsfälle in den englischen Häsen auf den amerikanischen Inseln Schutz und Kohlen finden kann. Tie Frist von 21 Stunden kommt hierbei auch nicht in Betracht, da beschädigte Schiffe nach Ablauf dieser Zeit ja doch nick: wieder auslaufen können. Die Erlaubniß, Kohlen zu nehmen, ist dabei um so auffallender, als Mac Kinley Kohlen aus drücklich als Kriegscoutrebande erklärt und jede Ausfuhr von Kohlen aus den Vereinigten Staaten verboten hat. Sodann beklagt man sich in Madrid über zwei weitere Handlungen Englands, welche dessen Neutralität in einem eigentbümlichcn Lichte erscheinen lassen. Der britische EonsuL in San Vincente verlangte täglich die Absendung chiffrirter Tepcscben, in denen cr nach London über alle Bewegungen der spanischen Flotte am Cap Verde berichtete. Diese Meldungen aber sind, wie man in Madrid genau erfahren haben will, von England aus nach Washington weiteraegangen. Sodann hat man von London aus die kanadische Regierung veranlaßt, dem bisherigen spanischen Gesandte» Bernabe-, welcher in Toronto bleiben wollte, die unverzügliche Weiter reise nahezulegcn, da der Aufenthalt dieses Diplomaten in Canada Len Bereinigten Staaten unangenehm sei. politische Tagesschau. * Leipzig, 30. April. Nachdem sich der Abg. Eugen Richter bereits in der ersten Sitzung de- PeichStage« nach der Osterpause da- Verdienst erworben hatte, die Beschlußunsähigkeit des Hauses feslstellen zu lassen und dadurch eine Beschlußfassung zu vereiteln, haben gestern die freisinnigen Herren Benoit und Hermes noch vollere Lorbecrkrcinze um ihre Stirnen dadurch gewunden, daß sie zweimal ihre Kunst des Zählens erprobten, in zwei aufeinander folgenden Sitzungen die Beschlußunfähigkeit constatiren ließen und zweimal eine Abstimmung unmöglich machten. Am wenigsten war diese Taktik sachlich gerechtfertigt im ersten ter beiden Fälle, in dem es sich um die Frage bandelte, ob eine Petition wegen Einführung des Befähigungsnachweises für das Baugewerbe dem Reichskanzler nach dem Vorschläge der Commission als Material, oder nach dem Anträge einiger Mitglieder deS Hauses zur Berücksichtigung überwiesen werden sollte. Wie die Abstimmung auch aus fallen mochte, keinesfalls hätte sie den Reichskanzler gebunden, die Petition zu berücksichtigen oder als Material zu be trachten. Die Anzweifelung der Beschlußfähigkeit deS Hauses hatte also in diesem Falle keinen sachlichen Zweck und war lediglich eine Provocation der die Ueberweisung zur Berück sichtigung wünschenden Gruppe, auch ihrerseits durch einen AuS- zählungsan traz eine Abstimmung unmöglich zu machen, wenn diese Feuilleton. Die Herrin von Echtersloh. Roman von Toni Krüger. Nachdruck verboten. „Befell, Herr Leitnant", und seinen Mund von einem Ohr bis zum andern ziehend, wollte er gerade abtreten, als ihn sein Herr nochmals zurückrief: „Joseph, auf dem Rückwege kannst Du diesen Brief persönlich — verstehst Du, Du selbst, — Herrn Lieutenant Leistner bringen. Aber nicht verlieren, es steckt Geld drin, und nun marsch, vorwärts!" Nach etwa einer Stunde kehrte Joseph glücklich lächelnd zurück, seinem Herrn die Quittung des Lieutenants Leistner und ein zierliches Briefchen überreichend. „Nun, war Dine Guste gut zu Dir?" „Jawoll, Herr Leitnant, essen sich Guthke's heute Putenbraten und da " „ Hast Du Dich zu Gaste geladen, ich weiß schon. Und nun laß mich allein!" Hastig erbrach Herbert den Brief und las die wenigen Zeilen, die, — freilich mit Widerstreben — die Zusage zu dem heutigen Stelldichein enthielten. Die Uhr hatte gerade die achte Abendstunde geschlagen, als sich zwei Gestalten, von entgegengesetzten Richtungen her, der Wasserkunst näherten. Die eine derselben war unser Held, der schöne Graf, der mit schwerem Herzen den festen Entschluß gefaßt hatte, sich endgiltig von Louison zu trennen. Die andere war ein schlankes, junges Mädchen, das fest in einen weiten Staubmantel gehüllt war. Der Lieutenant eilte auf sic zu und wollte, sie umarmend, einen Kuß auf ihre vollen Lippen drücken, doch sie bog das braune Lockenköpfchen rasch zurück und sah sich scheu um. „Du hast nichts zu fürchten, Herzchen, wir sind ganz allein, ich habe die Gegend vorher abpatroullirt!" Glückselig lächelnd ließ sie sich mit ihm auf einer im dichten Gebüsch stehenden Bank nieder, indem sie ihn liebevoll schalt: „Du böser Schatz, ich sollte Dir zur Strafe, daß Du mir dies (Ste k tSto abzwangst, gar keinen Kuß geben!" Sich selbst aber sogleich Lügen strafend, bot sie ihm die rothen Lippen zum Kusse und schmiegte sich zärtlich an seine Schulter. Sie war so selig, ihn endlich einmal ganz allein für sich -tl Haben, plauderte so zuversichtliH von der gliickliHen Zukunft und war so bestrickend süß in ihrer Naivetät, daß Herbert's Vor haben, ihr von der Trennung zu sprechen, mehr und mehr schwand. Er konnte das entzückende Geschöpf nicht von sich stoßen, sich nicht losreißen von ihrem Liebreiz. Vielleicht fand sich noch ein Ausweg, jedenfalls wollte er noch abwarten. Er zog sie fest an sich, sah ihr mit zärtlichem Verlangen in die dunklen Augen und fragte mit vor innerer Erregung zitternder Stimme: „Wirst Du mich denn immer, immer so lieb behalten, meine Louison, auch wenn uns das Schicksal unhold ist?" „Bis in die Ewigkeit, mein süßer Schatz, ich habe Dich un aussprechlich lieb!" Von Leidenschaft hingerissen, bedeckte er ihr Gesicht, ihre Hände mit Küssen. Der ernste Entschluß war vergessen! „Ist so ein ungestörtes Viertelstündchen nicht unaussprechlich süß?" fragte er, „und könntest Du es mir nicht öfter gewähren?" Heftig schüttelte sie das Köpfchen: „Es geht nicht. Wenn Frau Guthke etwas merkte, würde sie mich sofort entlassen; Du weißt ja, ich bin eine heimathlose Waise, auf die Güte fremder Menschen angewiesen!" „Armer Schatz!" flüsterte er. „Ach, Herbert! Wenn Du mir erlaubtest, Frau Guthke in unser süßes Geheimniß einzuweihen", flehte sie leise, „sie ist mir eine mütterliche Freundin und würde gewiß gern gestatten, daß Du mich oft besuchst, und mir ihr Haus bis zu unserer Ver- heirathung als Heimath anbieten." „Noch nicht, Schatz, aber bald", tröstete er, „Du weißt, ich muß erst mit meiner Mutter sprechen, die nicht ganz vorurtheilsfrei ist, und gewiß wird es einen kleinen Kampf kosten, bis sie eine bürgerliche Schwiegertochter will kommen heißt. Doch sei nur getrost, ich werde sie sicher um stimmen. Nach dem Manöver geh' ich auf Urlaub nach Echters- loh, um sie für mich zu gewinnen, denn brieflich würde ich durch aus nichts ausrichten." „Wenn es sein muß, will ich mich fügen", erwiderte Louison. „Ach, es vergeht immer so lange Zeit, bis wir uns einmal wieder ungestört sprechen können, und die Sehnsucht nach Dir verzehrt mich!" „Es liegt in Deiner Macht, uns ein öfteres Beisammensein zu sichern; sei doch nicht so spröde, Liebchen", bat er, „sieh, mein Herz, wir werden beide glücklicher sein, wenn wir uns öfter sehen." Die Thurmuhr schlug halb Neun und ermahnte die beiden Liebenden zum Aufbruch. Herbert fühlte einen heißen Kuß auf seinen Lippen, und die schlanke Gestalt seiner Louison war hinter den Büschen verschwunden. ,- - Eine laute, lachende Stimme ließ ihn aus seinen süßen Träumereien, in die er versunken war, auffahren. „Nun, Stock hausen, was machst Du denn hier? Mondscheinschwärmcn, he? Oder dichtest Du etwa?" Es war Gerstorf, der von einem solennen Diner kam. Er nahm Herbert mit sich und beide schlenderten Arm in Arm dem Casino zu. 5. Capitel. Als Margot am Morgen nach der Testaments-Eröffnung er wachte, kam ihr sogleich wieder der Brief ihres Vaters in den Sinn. Sie nahm sich vor, die Stunde nach Tische zu benutzen, wo sie sicher vor Störung war, um die Zimmer ihrer Mutter auf zusuchen. Zögernden Schrittes betrat sie zuerst das Arbeitszimmer des Vaters. Gedankenvoll setzte sie sich in den großen geschnitzten Sessel vor dem Schreibtisch. Wie ost hatte hier der geliebte Vater arbeitend gesessen! Dann war die Thür leise aufgegangen und trippelnde Schritte hatten sich ihm genähert. Die kleine Margot hatte ihr Köpfchen dicht an des Vaters Brust geschmiegt und mit leuchtenden Augen und jauchzender Stimme erzählt, daß sie für ihn ein ganzes Körbchen Beeren im Walde gesucht habe und nun zum Lohn einen gemeinsamen Spaziergang durch die Wiesen erwarte. Wie deutlich das vor Margot's Seele stand, als wäre es gestern erst gewesen, und nun sollte sie immer ohne ihn leben! Leise seufzend hob sie den Kopf. Ihr Blick fiel auf ein Gemälde, das über dem Schreibtisch des Vaters hing. Es stellte ihre Mutter dar, deren getreues Ebenbild sie sein sollte. Die zarte Figur war von den weichen Falten eines hell blauen Seidenkleides umflossen, welches die weißen Arme und den Hals frei ließ. Um den Hals und durch die üppigen blonden Haare zogen sich matte Perlenschnüre. Der Beobachter hätte das stille Mädchen und die Gestalt, welche aus dem Rahmen blickte, für eine und dieselbe Person halten können, wenn nicht ein Zug schmerzlichen Leidens um die Lippen der Letzteren geschwebt und ihre tiefblauen Augen trübe sinnend in die Ferne geschaut hätten. „Werde ich auch würdig sein, die durch Dich geheiligten Äe mächer zu betreten, liebe Mutter?" Und es war ihr, als wenn die Mutter ihr ermuthigend zunickte. Sie nahm den Schlüssel aus dem bezeichneten Kästchen und begab sich nach der verschlossenen Thür. Zögernd schloß sie auf, zögernd drückte sie die Klinke herab und überschritt dann hochklopfenden Herzens die Schwelle des Wohnzimmers ihrer Mutter. Ihr Auge mußte sich erst an das herrschende Dämmerlicht gewöhnen, ehe cs die verschiedenen Gegenstände unterscheiden konnte. Zuerst wandte sie sich zu einem der Fenster und zog die herab gelassene Jalousie in die Höhe. Eine tiefe Rührung drängte ihr Thränen in die Augen, als sie die mädchenhaft zarte Ausstattung des Zimmer erblickte. Wände und Decke waren zeltartig mit himmelblauer Seide tapeziert. Von der Decke hing ein äußerst zierlicher, wie aus gesponnenem Glase gewebter Kronleuchter herab. Die feingeschnitztcn Möbel waren mit demselben Seidenstoff bezogen, den die Wände zeigten, und reich mit Spitzen verziert. Auf dem Tische lag eine Decke, die eine kostbare Stickerei auf wies, eine Arbeit von Frauenhand. Zu beiden Seiten der Thür, die in das Arbeitszimmer des Vaters führte, befanden sich zwei Verticows, durch deren Glasscheiben sie der Mutter gehörende Sachen erblickte. An einem der Fenster, die einen schönen Fernblick gewährten, stand der Schreibtisch der Mutter. Auf der aufgeschlagenen Schrcibmappe lag ein mit einem zwanzig Jahre zurückliegenden Datum versehener Briefbogen. Margot beugte sich gerührt über die Schriftzüge der geliebten, nie gekannten Mutter, und eine Thräne fiel auf das Blatt. Am andern Fenster war der Mutter Nähtischchen. Zwei Bilder standen darauf, das eines älteren Mannes mit edler, freier Stirn und das eines kleinen Knaben von etwa einem Jahre. Um die Rahmen beider Photographien waren Blumenkränze von liebender Hand gewunden. In dem Arbcitskorb lag ein winziges Häubchen. Eine noch mit dem Faden versehene Nadel steckte darin, als ob es die fleißige Frau soeben erst aus der Hand gelegt hätte. Auf dem niedrigen Sessel vor dem Nähtisch lag ein weißes Spitzentuch. Alles machte den Eindruck, als hätte hier eine stille Frau nie aufgehört, zu walten. Margot betrat dann vorsichtig, als könne sie etwas zerstören, das Nebenzimmer durch eine Thür, die nur mit einer Portiöre geschlossen war. Fast wäre ihr ein Ausruf der Ueberraschung entschlüpft: Au der breiten Mittelwand standen zwei mächtige Betten, die Ruhe stätten ihrer Eltern. Der große Baldachin, die Decken, Wände, Möbel, der Teppich nnd die Gardinen zeigten dieselbe Himmel blaue Grundfarbe wie das Wohnzimmer. Es mußte wohl die Lieblingsfarbe der Mutter gewesen sein. Zur Seite des einen Bettes stand eine entzückende kleine Wiege in der Gestalt einer weißen Muschel. Eine zarte Engclgestalt hielt den blauen Vorhang zurück, auf dem weißen Batistüberzuge
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