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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980720011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898072001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898072001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-07
- Tag1898-07-20
- Monat1898-07
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Dir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Nedaclion und Lrpedition: IohanneSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. , Filialen: Ltt» Klemm s Tortim. (Alfred Hahn)^ UniversitätSstraße 3 (Paulinus'), LouiS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz L BezugS-Prei^ fa der Hauptexpedition oder den lm Gtadb- bewirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.KO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- K.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MpMr Tageblatt Anzeiger. AittLsbM -es Königlichen Land- und ÄltttSMichtes Leipzig, -es Ratßes und Polizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Ar*-elgeir.PrrtF die S gespaltene Petitzrlle 50 ^fg. 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Diesen Vergleich stellt der sehr an gesehene englische „Globe" an, der am liebsten noch heute den Krieg an Rußland erklären möchte. Es ist nicht ganz klug von dem englischen Blatte, einen Vergleich zu ziehen, der zu einer Parallelisirung der Vergangen heit und der Gegenwart herausfordert. Wie war es denn mit der Befreiung Europas von der Tyrannei des großen Corsen? Hat England a l l e i n das große Werk vollenden können? Nein, die Engländer führten damals bereits seit 20 Jahren Krieg mit Frankreich, ohne daß es ihnen geglückt wäre, der Sieges laufbahn Napoleon's ein Ziel zu setzen. Im Gegentheil, immer härter lastete die schwere Hand des corsischen Tyrannen auf Europa, und erst der russischen Kälte und der Erhebung Preußens gelang es, den weitfliegenden Plänen des Tyrannen ein Ende zu bereiten. Und wie sehr England damals auf Bundesgenossen angewiesen war, das beweist die Schlacht von Waterloo, wo Wellington mit seiner gesammten Streitmacht verloren gewesen wäre, wenn ihm nicht Blücher mit seinen Truppen zu Hilfe geeilt wäre. England siegte also damals über Napoleon, weil es Verbündete hatte, heute aber, wo es am liebsten das russische Reich ebenso zertrümmern möchte wie die napoleonische Welt herrschaft, steht es allein. Das ist ein fundamentaler Unterschied, den zu vergessen die englische Presse nicht gut thut. Freilich rechnet die englische Presse auf einen Bundesgenossen: auf die Vereinigten Staaten. Sie citirt mit großer Freude Acußerungen amerikanischer Zeitungen, aus denen sich entnehmen läßt, daß auch in Amerika die russischen Fortschritte mit einiger Besorgniß beobachtet werden. Aber die englische Presse sollte doch aus ihren eigenen Leistungen wissen, daß Sonnabend den Preßstimmen noch nicht die Weltgeschichte machen. Sie haben ja in den letzten Jahren oft genug an Frankreich, Rußland und auch an Deutschland den Krieg erklärt, ohne daß die englische Regierung ihren Aufforderungen nachgekommen wäre. Es ist also ebenso wahrscheinlich, daß hinter den Acußerungen der amerikanischen Zeitungen noch lange nicht die amerikanische Regierung steht. Wenn selbst aber die Vereinigten Staaten mit England in Ostasien zusammen gehen sollten, so würde sich Rußland dadurch in seinem Vorgehen auch noch nicht behindern lassen. Es kann, wie überall, so auch in Ostasien, auf die Unterstützung Frankreichs rechnen, und der russischen und der französischen Macht sind auch England und die Vereinigten Staaten zusammen nicht gewachsen. Es würde sich überhaupt für die Vereinigten Staaten wenig empfehlen, etwa wegen ihrer leichten Siege über die Spanier eine Aenderung ihrer Politik der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Erdtheile eintreten zu lassen. Die Vereinigten Staaten dürfen nicht glauben, daß auch nur eine einzige der für die Weltpolitik in Frage kommenden europäischen Mächte in Bezug auf ihre militairische und sonstige Kraft irgendwie mit Spanien verglichen werden kann. Die spanischen Verhältnisse waren von jeher zerrüttet, und sie waren es durch den dreijährigen Kampf auf Cuba in einem ganz besonderen Maße. So war es nicht schwer, mit den Spaniern fertig zu werden. Trotz der Siege aber haben sich während des Krieges in der Armee der Vereinigten Staaten Zustände gezeigt, die bei einem Kriege mit einer starken europäischen Macht schlimme Folgen nach sich ziehen würden. Das weiß man in den Vereinigten Staaten recht gut, und deshalb wird man sich gewiß nicht voreilig in ein neues Kriegs abenteuer hineinstllrzen. Was verlangen nun die englischen Zeitungen von der Re gierung? Sie soll von China die sofortige Absetzung Li- Hung-Chang's verlangen, der des Einvernehmens mit Rußland beschuldigt wird. Weigert sich die chinesische Regierung, so sollen die Forts von Taku gestürmt werden und dadurch eine Pression auf die chinesische Regierung ausgeübt werden. Auch dieses Verlangen fordert zu einer Parallele heraus. Die Forts von Taku haben schon einmal eine Rolle gespielt, nämlich im August 1860, als sie in dem Kriege Englands und Frankreichs gegen China von den verbündeten englisch-französischen Truppen gestürmt wurden. Damals waren aber eben England und Frankreich verbündet, zwei Mächte standen also den Chinesen gegenüber. Heute würde das Umgekehrte der Fall sein: England würde allein stehen und China würde einen, ja sogar zwei Verbündete haben. Die englische Regierung weiß das sehr Wohl, und deshalb wird Lord Salisbury weder dem „Globe", noch dem „Standard", noch dem „Manchester Guardian" folgen. In England aber zeigt sich in den letzten Jahren so recht, wie bedenklich es für die auswärtige Politik eines Staates ist, wenn zwischen Presse und Regierung wenig Fühlung vorhanden ist. Denn manche von 20. August 1898. —————--»'M»—————»SS«! den Schlappen der englischen Diplomatie ist auf die Voreiligkeit I der englischen Presse zurückzufllhren; zum Mindesten aber sind sie dadurch verschärft worden, denn durch den Preßlärm wurde der Gegensatz zwischen dem Verlangten und dem Erreichten oder vielmehr Nichterreichten der Welt offenbar gemacht. Deutsches Reich. * Berlin, 19. August. Eine Enthüllung giebt die „Germania" nach dem „Pfälzer Volksboten" zum Besten: Diese- Blatt schreibt: „Der Tod de- Fürsten BiSmarck erweckt die Erinnerung an eine nur Wenigen bekannte Thatsach», die sich al-bald nach der Entlassung de- Fürsten ouS seinem Amte als Reichskanzler und als preußischer Ministerpräsident ereignet». Kurze Zeit nach dieser Entlassung ließ Seine Majestät, der jetzt regierende Kaiser Wilhelm II., bei unserem seligen Centrumssührer vr. Windt horst sondiren, ob er nicht zur Uebernahme eines preußischen Ministeriums bereit sei. Seine Majestät stellte sogar Windthorst, dessen diplomatische- Genie und parlamentarische Gewandtheit wie tiefes Wissen und langjährige Erfahrung der Kaiser sich offenbar sichern wollte, die Wahl frei, welche- Ministerium ihm am genehmsten sei. Windthorst brauchte sich nicht lange zu bedenken, er erklärte dem Mittelsmann de- Kaisers: „Der Wunsch Seiner Majestät sei für ihn zwar überaus ehrenvoll, und er bitte Seine Majestät, an seiner (Windthorst'-) deutschen und patriotischen Gesinnung nicht zu zweifeln; aber er glaube, Deutschland, dem deutschen Volke und der katholischen Kirche als Führer des katholischen Volkes und der Centrumssractionen im Reichstage und im preußischen Landtage mehr nützen zu können denn als preußischer Minister." Wir geben die Nachricht unter allem Vorbehalt und müssen dem genannten Blatte die volle Ver antwortung für dieselbe überlassen. So ganz unwahrscheinlich klingt die Mittheilung leider nicht, wenn man bedenkt, mit welchen Ehren Windthorst, der Reichsbremser, zu Grabe geleitet wurde, während zur selben Zeit Bismarck, der Reichsgründer, im Sachsenwalde über menschliche Dankbarkeit philosophiren konnte. Ist die Mit theilung aber richtig, dann erscheint der Besuch, den Windt- borst am 14. März durch Vermittelung Bleichröder's beim Fürsten machte, in eigenartiger Beleuchtung; denn dieser Be such, der dem Kaiser sofort hinterbracht wurde, bildete ja den an geblichen Anlaß, die Mißstimmung deS Kaisers gegen den Fürsten zum Durchbruch kommen zu lassen. Herr Windt horst hat in jener Unterredung mit dem Fürsten den Status cjuo auts von 1870 (also Herstellung der gestrichenen Ver fassungsbestimmungen, der katholischen Abtheilung im Cul- tusministrrium u. s. w.) gefordert. ES wäre interessant, zu erfahren, ob er diese Forderung auch an den Kaiser als coväitio sine qua non bei der Verhandlung über das Porte feuille-Anerbieten gestellt bat; jedenfalls wäre eine amtliche Aufklärung bezw. Richtigstellung dankenSwerth. . 92. Jahrgang. * Berlin, 19. August. Der Verband „südjütischer" VereineDänemarks hielt, wir die Tägl. Rdsch." berichtet, dieser Tage nahe der Grenze seine Jahresversammlung ab. Nordschleswigsche Emigranten bilden seine Mitglieder, Zweck dieser Vereinsbtldung ist dir Pflege gemeinsamer Interessen, wozu namentlich auch die Förderung der deutschfeindlichen Um triebe in Nordschleswig und die Pflege des Verlangens nach diesem preußischen und deutschen Landestheile in Dänemark selber gehört. Denn eine Vereinigung Nordschleswigs mit Dänemark hat für die im „Königreich" wohnenden „Südjüten" deshalb besonderen Werth, weil dir meisten derselben durch ihre Auswanderung und durch die mit dieser verbundene Nicht erfüllung ihrer staatlichen Pflichten innerhalb der schwarz weißen Erenzpfählr auch aller staatsbürgerlichen Rechte daselbst, vor Allem der Gestattung eines auch nur vorübergehenden Aufenthaltes in ihrer Heimath, entbehren müssen. In 52 Zweig vereinen zählt der Verband nicht weniger als 8000 Mitglieder, — eine für das kleine Land von etwa der Einwohnerzahl der kleinsten preußischen Provinzen recht ansehnliche Ziffer. Be schlossen wurde diesmal zur Belebung der Antheilnahme für Nordschleswig u. A. die Herausgabe eines für Schule und Haus bestimmten im Sinne der dänischen Ansprüche gehaltenen kleinen Handbuches der Geschichte und Landeskunde Schleswigs, das auch wohl diesseits der Grenze verbreitet werden dürfte, ferner die Veranstaltung einer die Geschichte Dänemarks seit 1864 in Wort und Lichtbildern darstellenden Vortragsrundreise in Dänemark. — Mit dieser Tagung war unter besonderem Hinblick auf das dänische „Jubiläumsjahr" zur Erinnerung an 1848/51 ein Verbrüderungsfest verbunden, dessen Massenbesuch aus Nordschleswig die Wahl des Fcstortes nahe der Grenze (die Insel Faenö im Kleinen Belt und die Stadt Middelfahrt auf Fünen) wesentlich förderte. Gegend tausend Dänischgesinnte aus Nordschleswig waren erschienen und wurden mit Danebrog- fähnchen empfangen und geschmückt, sowie mit dänisch-vater ländischen Liedern und Reden begrüßt. Das dänische Roth-weiß und der deutschfeindliche „Geist von 1848" bildeten die Kenn zeichen der Festlichkeit, die mitsammt der Tagung des „süd jütischen" Verbandes wieder eine unbeabsichtigte Verspottung der soeben in der Kopenhagener regierungsfreundlichen „Nationaltidende" aufgestellten Behauptung bildet, daß die von Dänemark aus betriebene Pflege dänischen Nationalgefühls in „Südjütland" sich „innerhalb der durch ein freundnachbarliches Verhältniß zu Preußen vorgeschriebenen Grenzen" halte. 0. II. Berlin, 19. August. (Privattelegramm.) Der Kaiser bat unterm 18. August 4 Generalmajoren und einer größeren Anzahl von StabSofsicieren, darunter 3 Regi men tSco mm andeu re n, den erbetenen Abschied bewilligt, resp. sie zur Disposition gestellt. L. Berlin, 19. August. (Privattelegramm.) Die „Post" meldet, daS Verhalten deS Reisenden Engen Wolff solle einer amtlichen Untersuchung unterzogen werden. Fettilleton. Nm die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck ««rtotni. (Schlußbericht.) Heimwärts! — DeutschlandinNewAork. — An Bord „Friedrich's des Großen". — Ein stolzes Schiff. — Innere Einrichtung. — 200 Eisen bahnwagen Kohlen. — Wassolch'einAmerika- faHrer an Lebensmitteln führt. — Dereinund- zwanzigste Dampfer. — Meilenzahl der Reise um die Erde. — Heimkehr! AnBord„Friedrich'sdesGroßen", 30. Juni. Heimwärts ist das Steuer gerichtet, dem theuren Vaterlande geht es wieder zu! „Deutschland, Deutschland über Alles", dir Capelle unseres machtvollen Dampfers spielte die markigen Wei sen, als sich langsam der gewaltige Schiffskoloß in Bewegung setzte und dann immer schneller und schneller die herrliche Bucht von New Uork durchfurchte. Im Morgenwinde flatterten fröhlich die schwarz-weiß-rothen Farben vom Heck und goldiger Sonnen schein hüllte in einen funkelnden Strahlenmantel die hoch ragende Gestalt der Freiheitsgöttin ein, die nebst den thurmhohen Häusern der Riesenstadt mählich den Blicken entschwand. Höher schlug das Herz und rosenroth war die Stimmung, weilte man doch wieder auf deutschem Boden, sollte man doch in kurzer Spanne Zeit das alte Mutterland erreichen. Am letzten Abende hatte man sich bereits ganz deutsch im fremden Welttheil gefühlt. Da der Dampfer früh abging, zog ich es vor, die Abschiedsnacht in einem Hotel in Hoboken zu ver bringen, jener am Hudson gelegenen Vorstadt von New York, in welcher sich die ausgedehnten Anlagen des Norddeutschen Lloyd befinden. Man konnte glauben, daß man bereits in Bremerhafen wäre! Nicht nur ähnelt Hoboken jenem Orte in vieler Be ziehung, es ist auch ein fast gänzlich deutscher Platz, da von den 50000 Einwohnern gewiß 40 000 Deutsche sind. Nur deutsche Hotels und fast ausschließlich deutsche Wirthsstätten; hier winkt uns der „Rathhaus-Keller" und dort die „Rheinweinstube Bac chus", da haben wir die Wahl zwischen dem „Edelweiß" und dem „Dollen Glase", und von den Vergnügungen der Einwohnerschaft erzählen uns allerhand in diesen und anderen Localen ausge hängte Ankündigungen: der „Gesangverein Euterpe" ladet zu einem Concert em, der „Schützenclub Eintracht" will ein Preis schießen veranstalten, der „Verein Ohnesorge" fordert zur Be theiligung an einem Sonntags-Picnic auf und der „Plattdütsche Verein" zeigt sein „Fünftes großes Volksfest mit PreiS-Kegeln, PreiS-Schießen und Vogelstechen für Damen" an. Neber dem einen Local lesen wir „Grüß Gott alle Bayern" und an einem anderen: „Ob von Hamburg oder Bremen, Hier kann Jeder einen Lütgen nehmen." Fast an allen Geschäften sind deutsche Schilder befestigt, und auf den Straßen tummeln sich in lustigen Spielen zahllose Blond köpfe umher. „Mariechen, lauf' nicht auf den Damm", „Fritz, komm mal gleich oben", „Hanl, wirst Du die Else in Ruh lassen", „Lieschen, Dir sind die Schuhbänder aufgegangen, falle nicht hin!" so hört man die zärtlichen Ermahnungen der lieben Mütter. Ueberall deutsche Matrosen mit der Aufschrift „Norddeutscher Lloyd" auf ihren Mützen — lagen doch gleichzeitig nicht weniger wie fünf mächtige Paffagier-Lloyddampfer vor Anker — und aus den Localen der Klang deutscher Lieder: ,,^a, ge- schmauset", und So leben wir" und „Die Wacht am Rhein"; wandernde Musikanten tragen deutsche Lieder vor und in einer großen deutschen Singspielhalle ging es gar lustig zu, eine kecke Soubrette versicherte immer wieder, daß sie die „Josephine von der Heils-Armee" wäre und fand, wenn auch keinen Glauben, so doch rauschenden Beifall! Am folgenden Morgen ging's dann zu früher Stunde an Bord des „Friedrich des Großen", eines der umfangreichsten und neuesten Schiffe deS Lloyd, zur „Barbarossa-Clasie" gehörig. Der Dampfer ist, was man nennt, „proppevoll", da durch die verzögerte Abfahrt des „Kaiser Friedrich" viele Fahrgäste, die sich dort ihre Cabinen bestellt hatten, nun hier ihre Plätze nahmen. Daher kommt'-, daß wir 232 Passagiere erster und 125 zweiter Classe haben, zu denen sich noch 426 Zwischendecke! gesellen; da die Be satzung aus 185 Köpfen besteht (darunter allein 50 Stewards und 40 Heizer), so trägt dies eine Schiff nahe an Tausend Personen durch die Wogen! Und es könnte deren noch mehr be herbergen, ist es doch 525 Fuß lang, 60 Fuß breit und 28 Fuß tief. Drei Verdecke liegen übereinander, die vorderen wie Hinteren Theilr des Schiffes sind für die Ladungen bestimmt, und die Einrichtungen für die Passagiere sind ebenso vornehm- geschmackvolle wie anheimelnd-praktische; Speisesäle, Damen- Salon, Rauchzimmer rc., wie groß und behaglich find all' diese Räume, mit erwähltrstem Luxus ausgestattet. Aber auch die unten liegenden Säle für die Zwischendecker, für die Angestellten u. s. w. sind weit und luftig, und unser trefflicher Capitain M. Eichel hat ein scharfes Auge, daß Alles im richtigen Zuge ist und daß auch für die Aermsten seiner Fahrgäste in richtiger Weise gut gesorgt wird. Früher wurden die Maschinenräume die Hölle eines Schiffes genannt, und man bedauerte die Heizer, als ob sie Galeeren sträflinge wären; bei diesen neuen großen Dampfern nun ist für die reichlichste Zufuhr von frischer Luft Sorge getragen, und bis tief hinunter, wo dir Kessel glühen, dringt durch die langen Schächte kühle Temperatur hinein und wird durch andere VentilationSanlagen die schlechte Luft fortgeführt. Die Ma schinen, die zwei Doppelschrauben in Bewegung setzen (daS Schiff gehört nicht zu den Schnelldampfern, macht aber mehrfach auf dieser Fahrt 385 Seemeilen in 24 Stunden, eine ausgezeichnete Leistung), verkörpern 7200 Pferdekräfte, fünf doppelte und zwei einfache Kessel verschlingen täglich 2300 Centner Kohlen; 40000 Center der „schwarzen Diamanten" werden auf jeder Fahrt mit genommen, und ist die- der Inhalt von 200 Eisenbahn-Fracht wagen. Neben den beiden Hauptmaschinen, welche die treibende Kraft find, befinden sich noch 50 weitere Maschinen (für Elek- tricität, Eisbereitung, Kesselspeise- und Feuerlöschpumprn, Auf winden der Anker rc.) mit zusammen 73 Dampf-Eylindern an Bord. Natürlich fehlt »S weder an einem tüchtigen Arzt «och a» einer gut besetzten Apotheke und an zwei Hospitälern mit Männer- und Frauen-Abtheilungen wie besonderen Bädern für die Kranken. Für die Sicherheit des Schiffe» find die umfangreichsten Vor kehrungen getroffen; die einzelnen Theile des Dampfers werden auf ein Signal (Läutapparat) hin durch eiserne Schotten wasser dicht abgeschlossen, und ein elektrischer Apparat zeigt an einem im Capitains-Kartenzimmer hängenden Schiffsmodell sofort an, ob die Schotten zu sind. Wie gut letztere schließen, beweist, daß der Ober-Maschinist, E. Prillwitz, während eines Aufenthaltes in Bremerhafen die vor den Kesselräumen liegenden vier vorderen Abteilungen mit 3600 Tons Wasser (L 1000 Liter) vollpumpen und achtundvierzig Stunden mit den Wassermassen gefüllt ließ, und daß sämmtliche Schotten dem ungeheuren Druck wider standen, wie vielmehr erst im Ernstfälle, wo die betreffenden Ab teilungen Ladung enthalten. 22 Rettungsböte sind für den äußersten Nothfall über das ganze Schiff vertheilt, jedes der selben kann 80 Personen fassen. Neben der Witterung hängt das Wohlbefinden der Passa giere bei einer so langen Reise von der Verpflegung ab; dieselbe ist ja auf allen Lloyddampfern gut und reichlich, aber ich habe sie doch nirgends so ersten Ranges gefunden, wie auf diesem „Friedrich dem Großen", wo ein unermüdlich thätiger Sachse, A. Uhlig, die Oberherrschaft in der Küche führt, und täglich neue Kochkünste entwickelt, die uns in dem ersten hauptstädtischen Restaurant überraschen würden. Und was will das unter diesen Umständen heißen, wo bei drei täglichen Mahlzeiten jeder Gang 28 Mal angerichtet, also stets in 28 Schüsseln aufgetragen werden muß, neben den Schüsseln für Gemüse, Kartoffeln, Sauce rc. Und Alles „klappt" ausgezeichnet, und ein Diner von sieben Gängen mit Eis, Früchten, Nachtisch und Kaffee wird für die 357 Cajüts-Passagiere in wenig mehr wie einer Stunde servirt! Dem Oberkoch stehen 5 Köche. 4 Kochgehilfen, 1 Conditor, 3 Bäcker, dann 2 Köche für die Mannschaften, zwei Schlächter und 3 Kartoffelschäler zur Seite; die Hauptküche enthält drei Feuerungen neben besonderen Dampftöpsen für Bouillon, heiße» Wasser rc., in der Conditorei sind mehrere Dampfknet-Maschinen in Thätigkeit und in der Bäckerei zwei enorme Dampfbacköfen. Für die Zwischendecker werden die Mahlzeiten in besonderen Dampfküchen bereitet; damit sich die, welche es nicht gerade „übrig haben", auch eine Stärkuna gönnen können, ist der Preis für Bier und Weine niedrig angesetzt, so kostet im Zwischendeck eine Flasche Julien nur eine Mark. Die Räume eines großen Berliner Mirthshauses nähmen so ziemlich die Vorräthe in Anspruch, die allein für die eine Fahrt New Uork—Bremerhafen mitgefllhrt werden müssen. Ich lasse hier nur einige Zahlen folgen: 12 500 Pfund frisches und 8000 Pfund gesalzenes Fleisch, 350 Pfund Speck, 110 Schinken, 600 Pfund frische Fische, 50 Pfund Schildkröten, 250 Pfund Weichkrebse, 3600 Pfund Geflügel, 800 Pfund gesalzene Schnitt bohnen, 1700 Pfund Sauerkohl, 1300 Pfund grüne Erbsen, 1300 Pfund weiße Bohnen, 1500 Pfund Reis, 1300 Pfund Zucker, 1800 Pfund Butter, 600 Pfund Zwiebeln, 2400 Stück Citronen, 10 500 Stück Eier, 360 Centner Kartoffeln. Und dazu gesellen sich noch Delikatessen, Lonserven, Gewürze, Gemüse, Früchte, Käse, frisches und Speise-Eis, einige Hundert Fässer Bier, Weinvorräthe, mineralisch« Wasser u. s. w. In den Räumen,- in welchen das frische Fleisch und Geflügel unter gebracht ist, herrscht stets Gefrier-Temperatur. Die Ausstattung an Geschirr und Weißzeug ist die eines der größten Hotels, der Werth des Silbergeräthes beziffert sich auf ca. 15 000 Alle Vorzüge solch' einer mächtigen Lloyddampfer» fallen Einem erst recht in di, Augen, wenn man, wi, der Schreib«, dieses, auf englischen und amerikanischen Dampfern gefahren ist, die ganz beträchtlich hinter unseren deutschen zurückstehen. Und ich hatte genug Gelegenheit, Vergleicht zu ziehen, ist doch dieser „Friedrich der Große" das rinundzwanzigste Schiff auf meiner neunmonatigen Reise um die Erde, auf der ich 27 800 Seemeilen und ca. 5000 (englische) Landmeilen zurücklegte. Die Dankbarkeit zwingt mich, hier noch Einiges zu erwähnen, es dürfte für Jene, welche größere Reisen planen, von Nutzen sein. So haben sich sämmtliche Ausrüstungsgegenstände der Berliner Firma von Tippelskirch L Co. auf das Ausgezeichnetste bewährt; die Preise waren mäßig, die Sachen für die Tropen wie für andere Klimate ungemein zweckentsprechend. Während ein Pariser photographischer Apparat nicht immer nach Wunsch arbeitete, bewährte sich auf das Trefflichste, selbst unter schwierigen Verhältnissen, der O. Anschütz'sche Moment-Apparat mit Goerz'sche Linsen in Schöneberg-Berlin und die Gelatine- Trockcnplatten der Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikatton in Berlin; letztere sind den Films-Rollen bedeutend vorzuziehen. — Keinerlei Einbuße während der langen Reise und unter dem häufigen Klima-Wechsel erlitt das „Odol", es wirkte stets er frischend, die geistige Zusammengehörigkeit mit dem fernen Baterlande vermittelte das „Echo"; die so Vieles in geschicktester Auswahl enthaltenden Hefte wurden stets mit Sehnsucht er wartet und mit Freuden begrüßt, es ist «ine Zeitschrift, die jedem Deutschen, der draußen weilt, unentbehrlich geworden ist. Besonderen Dank aber muß ich meinen Lesern sagen, die mir bis hierher so freundlich gefolgt sind, möchten sie so manchen Flüchtigkeitsfehler in den Berichten virzrihen, welch' letztere ja oft unter den ungünstigsten Umständen und meist in fliegender Hast geschrieben werden mußten; sie sollten in erster Linie auch nur persönliche Erlebnisse und Stimmungen wiedergebrn und die bunten Eindrücke von Tag zu Tag. Besseres, so hoffe ich, soll mein Reisebuch „Um die Erde in Wort und Bild" enthalten, wrlches mit zahlreichen Original-Illustrationen, vom Herbst an lieferungsweise im F. Dürmnler'schen Verlage in Berlin er scheinen wird. Kann ich dem eine» oder anderen Leser dieses Blattes, der vielleicht auch hinaus will in die Weite, irgendwie mit einem Rath dienen, so wird e» sehr gern geschehen, dir Leitung der Zeitung wird mir gewiß evrnt. Zuschriften übermitteln. Heimkehr! Wie sich daS Herz dehnt vor Glück und Freude bei dem Gedanken, bald wieder deutschen Boden zu betreten! Buntfarbige Bilder in reicher Füll» boten diese Wandermonate dar, der fröhlichen u«d auch ernsten Stunden diele, der wichtigsten und fesselndsten Eindrücke eine groß« Zahl, aber so viel Neues und Interessante» auch da» Ausland zeigt, so sehr sich manche Anschauungen über Dir» und Jene» ändern und sich der Gesichts kreis weitet — in Deutschland ist'» schließlich doch am besten! Und wer treue Lieb« zu seinem Baterlande im Innern trägt, der wird von solch einer Fahrt in die Ferne mit heißesten Wünschen für d»» theuren HeimathlandeS Macht und Blüthe, Größe und Ehr« zuruckkehren und begeisterter wie je zuvor werden ihr Echo bei ihm deS markigen Liede- hehre Klänge finden: „Deutschland, Deutschland über Alle-, übe. Alle» in der Welt!"
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