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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 11.02.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19100211020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1910021102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1910021102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1910
- Monat1910-02
- Tag1910-02-11
- Monat1910-02
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Dieses Blatt wird und Umgebung am den Lesern von Dresden Tage vorher bereits als Meiltl.Mzgabe zugestellt, während cS die Post-Abonnenien am Morgen tu einer Gesamlauogadc erhalten. 54. Jahrgang. 41. Freitag, 11. Februar 1911>. BczugSgetühr »krNljLdrl für LrM. den bet täqltch zwei- mallger Zutraaung < aa Sonn, und Wontaaen nur einmal» 2 SO vlk.. durch au«würliae Kom- n.itstonüre » 50 Mt. vet einmaliger Zu- slellung durch die Post 34U.,odn,«eNeUgeld). Tte den Leien, von Dresden u. Umgebung am Lage vorher »u. gestellten Sbend-Aus. gaben erhalten die au«, vartiaen Be;teher mit der Morgen. Au-gabe susammen -ugestcllt. Nachdruck mii m»t deut licher Quellenangabe l^D»e«d. Nachr ") zu lässig. — Unverlangte Manuskripte werden lücht ausdewuhrt. Tclcgraunn -Adresse: Nachrichten Trrsdcn. 1858 Druck und Verlag von Licpsch 5c Reicbardt in Dresden, kauptaescbästsstelle: Maricnstrasre äK OO. Fernsprecher: u » 20»« . :NU»I. Anzeigen-Tarif dtgungeu bis »uickuu. 3 Uhr, Sonntaatz nm Mar LLnstraßc Ud vcr N bis ',.^1 Uh» einspaltige (^rundreil? (ca. ft Silben» 2ö . F«milien ^achl»<b,. aus Treodrn 20 D» : Geschäfts An felgen o'.,, der Prmatftitc Zr»i- .'jS Ps. l die jwerirtNl-. - Zeile a. Textseite LO ^ - — In Nummern na '» Sonn u. Feirrtagen die e»i»ipalttge t^runr- /»erle 30Pi.,ausPrw^. srue tOPft, ssamftie!, Ncichrichte» a T reSvei, dre^iundieileL'.P' - Äuswärtige ^Allirrag' -sahl'mg. — Jede; 2». legvlatt kostet 10 D^esclner kanlr ^ktionkspilal und k65srven 23>'/- blil!. >gli. ikro Vrosdsu-I., Lörux llokkirlu-Ltrasso 3 „ „ kraxor Strasss 3S Vrssdsu-Is., LautMor Strssso 3 Llsisssv und Lürrsodsudrods. :.: Ziür? ertrge Lofev. Im preußischen Abgeordneten banse kam es heute bei Beginn der ersten Lesung der Wahlrechts- Vorlage zu stürmischen Szenen. Ministcrpräsidcni v. Bethmann-Hollwcg verteidigte die Regierungsvorlage in längerer Rede. Die Rcichsbank crmäßi/tc den Diskont auf 4 Prozent, die Rank von England auf 3 Prozent. Gras Tatienbach, der deutsche Bvilchaiier in Madrid, ist heute früh dort gestorben. Das neue spanische Ministerium ist gebildet worden. Der Senat der Union Hai dem Gesetzentwurf zu gestimmt, wonach dem Deutschen Kaiser die Statue des Generals Steubcn als Gescheut übersandt wer den soll. Neueste Orslitmelllungen vom 10 Februar Deutscher Reichstag Berlin. «Priv.-Tcl.) Der Reichstag, dem der Eni wurs eines S i e i l e ü v e r in i i t l u n g s a c i c tz c s zu- gegangen ist, setzte die Beratung des Miliiärciats Velin Kapitel ..Höhere Triippenbrfehlshabcr" fort. Preußischer Landtag. Berlin. (Priv.-Tel.) Im Abgeordneten haus«! kam cs heute bei Beginn der ersten Lesung der Wahlrcchtovorlage zu einer S t u r in i z e n e. Hans und Tribunen waren dicht besetzt. Bor Einiritt in die Tages ordnung erklärte Aba. St rosser, daß bei der Erörte rung des Falles Schönebeck in einem hiesigen 'Blatte die Tnrüellung gänzlich unrichtig war. Bor allen Dingen habe ihm Herr Weber seine Zeugen schicke» wollen. Als der Präsident zum Einiritt in die Tagesordnung dem Mini sterpräsidenten von B e t h m a n n H v l l w c g das Wort erteilen wollte, erhoben die Svzialde in o i rate n st ü r - mische Psnirnsc, die iwiiier stärker wurden und sich »linnicnlang wiederholten. Amt, der Rns „V o l k S v e r r ä i e r" ivnrde laut. Eine» Augenblick waren die übri gen Abgeordneten stutzig, denn im preußische» Abgeord netenhaus hat ein solcher Empfang eines Minislerpräiiden- leu noch niemals slaitgefunden. Dann ertönte ans der Rechte» der Rns: „Hinaus!", während von de» Sozial deniolrate» und wohl auch einiaen Freisimiigen mit dem Nus: „Pfui! Slandai! Ist das eine Wahlresorm?" geant wortet ivnrde. Der Präsident schwang energisch die Glocke, aber diese verhallte zunächst im Lärm iniaehvrt. Es be durfte ziemlich geraumer Zeit, ehe die Ruhe iviederliergestetst werden konnte. Der Vizepräsident Tr. Porsch bedauerte, daß der Ministerpräsident vom Abgeordnetenhaus am Reden verhindert worden sei und erteKic den Schreiern Ordnungsrufe. Herr v. Peihmanii-Hollweg wechselte zu nächst einige Worte mit dein neben ihm stehenden Ehcf der Reichskanzlei, iinierstaatsselreiär Wahnschassc. Die ersten Sätze seiner Rede gingen noch in der Unruhe verloren. Ministerpräsident v. B e t h m a n n - -H o l l w e g führte aus: Lareillla^ea, Iuoakms rur Vsr^iuKunx;. Lcbeck-Vertcekr, biröstounr: von 8okoeictcoakcgi Wertpapiere, In- uuck VcnTnul, Leleitruntz LoupOQS, ilünlösuus; uuck Vsrzvsriuvtz'. Depots, Iukbozvabrunx oTsuer u. vsrLoßliessbacei Xreditbrieke auf alls HauptpIatLo cker >Va!t. Die Regierung hat den Entwurf cingebracht keiner Partei zuliebe, keiner zuleide. (Gelächter links.) Tie Sucht nach Popularität wird keinen Schritt der Regierung beeinflusse». Das sage ich auch denen, die hinter meinem Bestreben, sach lich vorzngchen, Acngstlichkcit und Schwäche sehen. Es ist gesagt worden, die Negierung habe eine Aendcrung des Wahlrechts nicht für nötig gehalten, i!c sei nur durch die Thronrede dazu gezwungen worden. Das ist nicht der Fall. Der äußersten Linken sagt nur ein Wahlrecht zu. das die Sozialdemokratie auf dem Wege zur llnterminierung des monarchischen Staates vorivärtsbringi. iAbg. Borgmann: „Ans dem Wege zur Vernunft!" Unruhe rechts.) Die Sv-, zialdemokraiie läßt sich nur von ihrem Drange noch Macht keilen, von dem nackte» Willen zur Macht. iLärm bei den Sozialdemokraten.s Bizepräsident Dr. Porsch bittet »in Ruhe und bedauert, daß ihm keine Mittel zur Bersügniig stehen, dem Berlialien der Sozialdemokraten Einhalt zu tun. Ter Ministerpräsident geht dann ous die Wirkung der Wahlreform aus die einzelnen bürgerlichen Parteien ein. DaS Zentrum werde von ihr kaum beeinflußt, der Freisinn wird bei dem Wettrennen »m die Gunst der Massen stets nm eiingePferdelängen hinter der Sozialdemokratie zu rnckbleiben. «Heiterkeit.) Die Zahl der Kämpfe kann nicht der alleinige Maßiiab für politisches Intcreße und Verständ nis sein. Ich verzichte darauf, die Vorteile und Nachteile des abgestnften und des gleichen Wahlrechts hier abzu wägen. Zu einem Rcsiiliai würden wir ja doch nicht kom me», weil wir in einem Zeitalter leben, in dem die sug gestive Kraft der Zeitungen sich besonders zeigt. Mir scheint, die Wahlreckiissrage ist die Ivrmel, in der sich beute alles ansdrücki. was in politischer Mißstimmung und Zufrieden heit im Volke lebt, gleichgültig, ob cs das mindeste mit der Wahlreform zu tun hat oder nicht. Was soll die Wahlresorm nicht alles beseitigen: Ngrarsnchi, agrarischen Iendalismiiv, Iunkerivillkür will man damit beseitigen.- In ruhigen Si tuationen haben diese Schlagworie aber nichts zu sagen. Wir haben eben den englischen Wahlkampf gesehen. Dort ist man weiter als bei uns. Dort schützt man den Gegner nicht so gering, weil er anders denkt. Wir sind noch nicht so weit, und deshalb nehmen bei »ns politische Konflikte so scharfe persönliche Formen an. Aus diesem Grunde sind auch die Gegensätze bei der Reichsfiiranz- rcform so schroff gewesen. Man erwartet litt» yvn. der Be- >e'iia»ng des Dreiklassenwahlrechts den Wmrdel aller Dinge. DaS ist eben die Täuschung. Es ließe sich hören, wenn cs möglich märe, die politische!, Kräfte des Landes ziffernmäßig ziisammcnziifassen: aber das ist nicht möglich. Es ist nickt richtig, daß unser jetziges Wahlrecht auf eine Begünstigung der agrar-koniervativeu Elemente zuge- schiiitteu sei. Man bezeichnet Preußen immer als das Land der siiisierstc» Reaktion. Leuchten wir diesem Gespenst einmal ins Gesicht. iZiistimmmig.) Gewiß ist nicht alles in schönster Ordnung bei uns, aber Schimpf und Schande ans unser Land zu werfen, das eigene Nest so zu be schmutzen, das ist iiiiwürdia. Unsere Einkommensteuer, die eine der Grundlagen des Wahlrechts ist, ist nicht ungerecht gegen die Mindcrbcmiiiclien zugunsten der Reichen. In demokratisch regierten Ländern hat man schlechtere Stcueraeietze. Ist unsere Steuergesetzgebung antisozial oder nur unsozial? Hat dieses Parlament, das man Gcld- sackparlameni betitelt, seine sozialen Bcrpslichtnngen nicht in hohem Maße erfüllt? Wir haben bei uns die Selbst verwaltung, in der der Schwerpunkt unserer Kulturarbeit liegt. Auch die Selbstvcrwaltnna hat das Drciklasienwahl- rcclit. Unsere Kommunen brauchen sich ihrer Kulturarbeit nicht zu schämen, »nd man kann un-se''c Selbstverwaltungs. "esetzaebnng wirklich nicht reakcionär nennen. Unser Polizciwcsen soll rückständig sein, aber nirgends ist die, >dcc des Rechtsstaates im Gegensatz znm Polizei-^ staat so verwirklicht wie in Preußen. Unser Pol>.,«'' wesen ist geradezu musterhaft und die Polizei wird nicht willkürlich, sondern mit geradezu bureankratz scher Gewissenhaftigkeit gehandhalü. Man verlangt das Rcichslagswahlrecht als Gegenmittel gegen den Polizei staat. Wenn das Dreiklasienwahlrccht wirklich vcrsag hätte, würde ich das Rusen nach dem RcichstaaswahlrrcG verstehen. Aber das ist nicht der Fall. Der acmäßigie Liberalismus nennt die Konservativen nickt schlechthin reaktionär, glaubt aber, sich über eine Bevormundung de, Konservativen beschweren zu dürfen, namentlich in der Verwaltung. (Sehr richtig! links.) Sic-werden nvch sehen, wieweit das richtig ist. (Heiterkeit.) Man hat mir böse Dinge gesagt, weil ich erklärt habe, in Preußen sei eine Parteiregierling unmöglich. Widerlegt aber bat mich nie mand. Eine Partei, die die Herrschaft in Preußen g« wvnne, würde der Tviengräber Preußens sein. Preußen wird sich in das Fahrwasser des Parlamentarismus »icku verschleppen laßen, so lange die Macht seines Königtums nickt gebrochen ist. Und diese Macht wird uicki gebrochen werden. Tie Stellung der Regierung zu den Parteien in einfach. Tie konservativen müssen bei aller traditionellen Regieriingssreundlichkcii sich ihre völlige Unabhängigkeit gegenüber der Regierung wahren: aber ick werde stets auch die Unabhängigkeit der Regierung gegenüber den Konscr vatrven wahren. (Gelächter links.) Man dari nicht be Haupte», daß unsere Beamten, insbesondere die Landräte, einzelne Parteien begünstigen. Die Stellung der Beamte» erfordert viel Takt, und politische Ueberzeuauna müssen sie auch haben, sonst sind sie keine tüchtigen Staatsbürger. Aber diese Ueberzcngnng darf nicht zu einem Konflikte mit ihrer Amtspflicht führen, und ein Beamter, der seine Parteifreunde begünstigen wollte, würde pflichtwidrig handeln. Griffe das bei uns ein — hier und da mag cs ja Vorkommen, aber dagegen schreite ich stets ein —, so würde das für den Staat verhängnisvoll werden. (Zu stimmung links.) Die Vorwürfe, die in dieser Hinsicht gegen die Landräie erhoben werden, weise ick zurück «Lachen bei den Sozialdemokraten.) Sie lachen immer, weil Sie uichis z» erwidern haben. Dann schweigen Sie doch lieber. Unsere Laudrätc sind mit der Bevölkerung vcr. wachsen, und unsere Krcisverwalinngen haben Großes ge leistet. Das wäre unmöglich, wenn an der Spitze der Kreise Männer von politischer Unduldsamkeit qestanoen hätten. Gewiß, nicht immer hat dieser politisch duldsame Geist der Beamten Stich gehalten, aber die politische Tole ranz der Beamten ist heute da und soll erhalten bleibt» Selbst der Drang nach religiösem Leben, dieser Grund pfeiler unseres Volkslebens., hat zu der Forderung nach Abschaffung dcS Drciklassenwahlrechis geführt. Ich ge höre nickt z» denen, die in einer Demokratisie rnng des Staates das große Heilmittel sehen. (Lebhafte Zustimmung rechts.) .Früher ging die politische Kultur des Volkes von den Parlamenten aus. Hcntc iß das nicht mehr der Fall. Welchen Anteil nimmt das Voll noch am Parlamentarismus? Tie Preise behandelt «'sie Verhandlungen in ihren Stimmungsbildern sozusagen a(s Thcaiervorstellnngcn, nicht mit besonderem Ernst. Das entspricht sicher der Stimmung im Volke. Die Zeit, wo di Parlamente die Zentren der politischen Bildung waren, scheinen mir vorbei. Dazu hat in allen Ländern die Demo kratisierung des Parlamentarismus geführt, die zugleich auch eine 'Verflachung und Berrohnng der politischen Litten hcrbcigcführt hat. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ich sage das alles, um vor einer Ucberschätznng der politischen Be dcutilng des Wahlrechtes zn warnen. Die Regierung sieht ihre Ausgabe bei der Wahlreform darin, daß sie ver altcte Bestimmungen beseitigt, unter Schonung des histv risch Gewordenen. Der radikalen sozialistischen Forde V ' ^ Ku>M uns MzzenrclM. Beethoven-Abend im Opernhaus zumBesten d c s ll n i e r st ü tz n n g s s o n d s f ü r die Witwen n nd Waisen v v n M i t g l i e d e r n der K ö n i g l. m n s i k a l i s ch e n Kapelle. Nach dem großen Erfolg des kürzlichcn von der Königl. Kapelle veranstalteten Beethoven-Abends war für den gestrigen Beethoven-Abend nicht nur ein gleich künst lerischer Verlauf zu erwarten, sondern auch in Anbetracht des guten, »nterstützungswcrten Zweckes ein ausverkansies Haus. Was denn auch richtig eingetrossen ist. So kann! die Königl- Kapelle einerseits mit dem materiellen Erfolge des Abends zufrieden sein und anderseits auch mit Genug tuung seststellcn, daß das große Publikum für ihre außer ordentlichen Leistungen jahraus jahrein sich durch vollzäh ligen Besuch erkenntlich »nd dankbar erweist. Und selbst wenn die Aiissührungcn keine so ausgezeichneten gewesen wären, als sie es tatsächlich gewesen sind, hätte sich das innstliebende Publikum dieser Daukcspslicht nicht entziehen« dürfen. Das Programm brachte vom Besten und Schönsten, was cs in der Musik überhaupt gibt: ausschließlich Werke' ans Beethovens mannesreiser Periode. Die Ouvertüre zu Eollins Trauerspiel Eorivlan bildete mit ihren wuchtige» Schlägen und ihre» miindcrl'arlichen kantablcn Zwischcn- jängen den Anstalt zu dem herrlichen Abend. Als erste Solistin betrat die Kammersängerin Frau Marie Witt ich die Bühne mit der Szene und Arie „Iß! pc-riiclo!" „nd bewährte in der dramatischen Lebendigkeit des Vortrages und der meisterlichen Beherr schung der große» gesanglichen Ansprüche ihre liebre Kunst. Herzlich willkommen war wiederum Herr Professor Karl Fl e sch, der sich schon bei dem vorigen Beethoven-Abend mit seinem wahrhaft vollendeten Vortrag des Violinkonzerts bei allen ei» dankbares Angedcnlen gesichert hatte. Und seine gestrige Wiedergabe sinnd der letzten wahrlich in nichts nach. Wiederum klangen d<c Lüne des verrliä-en Werkes in klas sischer Vollendung durchs Haus in die Herzen der atemlos lauschenden Hörer, wiederum senkte sich die Weihe des Genius in der himmlischen G-Moll-Epiiodc des ersten Satzes herab. Es ging nicht anders, Professor Flcsch mußte für den rasenden 'Beifall mit der F--Tiir-Romanze danken. Während den ersten Teil des Programms Herr Kapellmeister Kutzschbach leitete, trat zur sinfonischen Haupinnmmer des Programms, der fünften Sinfonie, Herr Gcncralinnsikdirckior v. Schuch selbst anS Pult und ließ diese erhabene Schöpfung mit Ausbietung all seines Tempe raments und seiner ganzen Genialität in einzigartiger Weise vor den Hörern erstehen. Auch ihm jubelte das Publikum stürmisch zu. Dem Konzert wohnten auch Ihre Königl. Hoheiten der Kronprinz, die Frau Prinzessin Johann Georg und Prinzessin Mathilde in der Hof- logc bei. H. v. -s* Heute früh verstarb hier im 76. Lebensjahr^ Professor Wilhelm Risckibictcr, vormals Lehrer am Königl.! Konservatorium für Musik zn Dresden, ein namhafter Kvnirapnnktikcr. Berliner Leben. L. B crlin, V. Februar. Die -Herrschaften ans der Provinz erleben in Berlin manche Enttäuschung. Zum Teil natürlich durch eigenes Verschulden, weil sic sich nach den hiesigen Gewohnheiten nicht rechtzeitig erkundigen und meinen, daß der Brauch,! der etwa für Hannover oder eine andere dcnischc Groß- : stadi gilt, auch unbedingt in Berlin Gesetz sein müsse.' Hätte jener Herr, der sich so bitter über seine Erfahrungen! der letzten Nacht zum Sonntag beklagre, sich bei einem orts kundigen Zeitgenossen vorher Rat geholt, dann wäre cs ihm minder schlecht ergangen. Also er war nach der RcichS- hauptstadt gekommen, teils »m sich in evnste Geschäfte, teils um sich in den Strudel der Vergnügungen zu stürze». Zuerst war er in ein Theater gerate», das sich zwar klein nennt, aber große Preise nimmt, dafür gegenwärtig nur herzlich wenig bietet. Er hatte bald das richtige Gefühl, daß er der einzige so ziemlich in seiner Umgebung sei, der für das Billett den vollen KaffenpreiS mit 6,äk> Mk. ge zahlt hatte. Nachdem er sich bis gegen 1i Mir glücklich durchgclangwcilt hatte, machte er sich in Erwartung besse rer und lustigerer Genüsse auf den Weg zum zweiten Metrvpolthcaterball. Kostenpunkt: ll Mk. Erwartung-- voll betrat er den schönen, reich gelchmückten Saal. Nicht einmal eine Katze, wie er sich entrüst >t äußerte, befand sich darin und sämtliche Mäuse hätten sich dort ungestört einem Tanzvergnügen hingebcn können. Nachdem unser Fremd ling eine Zcitlang die leeren Wände gemustert uird bei nahe einen Gähnkramps davongctragcn hatte, entfernte er sich, schleuderte ein Stündchen die belebte Friedrichstrahe entlang und kehrte gegen Mirternacku zurück. Nun hatte sich das Bild insofern etwas aeänderc. als sich im hell erleuchteten Saale zu munterer Walzerwcise wohlgczählte drei Pärchen im Takte drehten, und zwar in so kunstvoller Weise, daß er bald darüber klar war, kiinstgcübte Ange stellte des Hauses vor sich zu haben. Die Zuschauer-„Mengc" bestand aus etwa einem Dutzend älterer Herren und Damen von unverkennbarem Provinztyp gleich ihm. Immerhin ein Anfang: er ließ sich an einem der gedeckten Tische nieder und bestellte eine Flasche bhampagner. Kostenpunkt: W Mk.! Mit ihr hielt er ein Stündchen melancholische Zwiesprache. Der Saal war und blieb „hundclcer". Gegen 1 Uhr schlick er. um mehr als IN Mk erleichtert, nach seinem Hotel llnter den Linden und begab sich in trübseliger Stimmung — mehr trüb, als selig — zur Ruh. Am nächsten Tage schimpfte er wie ein Rohrspatz über den Berliner Ball-Betrug, während er doch allein seine eigene Uncrsahrcnheft anklagcn durfte. Wäre er. an statt am „frühen Abend" um 1t Uhr zum Ball zu gehen, zunächst dorthin, wo die große Welt verkehrt, zum Abend essen gegangen »nd dann etwa um 1'ß Uhr ins Metropol, dann hätte er wenigstens gleich den Beginn des eigeni lichen Balles erlebt, der erst in der ?). Morgenstunde lang sam seinen Höhepunkt zu erreichen pflegt. Das Berliner Nachtleben ist für gewisse Kreise schon längst ein ttbcrwun- ,'AlW
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