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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980415026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898041502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898041502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-15
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Größer« Schriften laut unserem Preis« derzrichaiß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra«veilagcu (gefalzt), nur mit d» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderun^ ^l SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Äunahmeschlu- fiir Anzeige»; tzlbend-Ausgabe: vormittag« 10 U-L Vstorge n«Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr, Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Aazeiae» find stet« an die Expedittaa zn richten. Lrnü »nd Verlag von E. Pol« in Leipzig, 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. April. In die Agitation für die ReichStagSwablen ist nunmehr auch die CentrumSpartei durch eine am Mittwoch in Köln abgehaltene Versammlung eiugetrcten, an welcher der Weihbischof Schmitz, der schon wiederholt in schwierigen Momenten die bekannten Worte des alten Allinghausen variirt hat, und der Führer der bayerischen LandtagSfraction vr. Orterer theilnahmen. Letzterer befand sich „zufällig" auf der Reise nach Paris, und so hielt man ihn m Köln fest, zumal da er „durch ein ReichStagSmandat nicht vinculirt" war und obendrein zufällig eine lange Rede mitbrachte. Schon hieraus geht hervor, daß der Wahl feldzug eröffnet werden sollte mit einer Kundgebung für die Aufrechterhaltung der Einheit der CentrumSpartei. Ein Bayer, von preußischen CentrumSwählern mit Jubel empfangen, von preußischen CentrumSführern für seine Person und für seine Heimatb gefeiert, seine bayerischen Landsleute zur Eintracht mahnend — fürwahr, die bayerischen Klerikalen müßten hemmungslustiger sein, als sie sind, Herr vr. Orterer müßte ein ungeschickterer VolkSredner sein, als er ist, weun die gewünschte Wirkung ausbliebe. Liegt es doch auch auf der Hand, daß daS Centrum nur durch Eintracht so stark bleiben kann, wie es ist. Die Nothwendigkeit dieser Stärke nachzuweisen, hat vr. Orterer in Köln alle Register gezogen. Nach ihm besteht der Culturkampf im Reiche wie in Preußen weiter, weil den Jesuiten die Ausübung der OrdenSthätigkeit untersagt ist. Befriedigte vr. Orterer durch solche „Fest stellungen" und durch Hinweise auf mangelnde Parität und auf die Bedrückung der Orden rc. die Gesammtheit der Centrumswähler, so bediente er mit einer Ausnahme auch die dissentirenden Richtungen innerhalb der CentrumSpartei nach Wunsch. Den bayerischen Particularisten stellte er vor, daß daS Centrum im Puncte des föderalistischen Cha rakters der Reichsverfassung „tödtlich verletzlich" sei; den CentrumSdemokraten zu Gefallen sah er nach social demokratischem Muster das Reichstagswahlrecht als bedroht an, obwohl, laut seinem eigenen Eingeständniß, eine solche Besorgniß „mathematisch nicht zu beweisen" ist. Den kleri kalen Socialpolitikern schilderte er daS Centrum als den einzigen Hort fortschreitender Socialreform; nur den Cen- trumSagrariern that er nicht den Gefallen, das Centrum als Verfechter einer Jnteressenpolitik zu empfehlen, betonte vielmehr, daß der „sehr ernsten Bewegung" des bayerischen Bauernbundes um bedrohter Mandate willen nicht nach gegeben werden dürfte. Hier widersprach vr. Orterer noth- wendiger Weise sich selbst. Denn er betonte, zur Flotten- frage übergehend, ganz offen: Wir Bayern wohnen so weit vom Meere, daß wir den unmittelbaren Nutzen — d. h. den Nutzen für Bayern! — nicht einsehen. Ist das nicht parti- cularistische Jnteressenpolitik? Sehr wirkungsvoll schloß vr. Orterer unter Berufung auf die Autorität des PapsteS und Windthorst'S mit der Mahnung, die Ab stimmung über die Flottenvorlage nicht zum Grunde der Lostrennung der bayerischen Centrumsabgeordneten vom Gesammtcentrum zu machen. Der Papst habe die Er kaltung des Centrums für nothwendig erklärt und Wiudthorst würde jetzt zur Einigkeit rathen, „um das Eroberte zu behaupten und das Fehlende zu ge winnen". Was vr. Orterer unter dem „Fehlenden" versteht, hat er nicht gesagt; man weiß es ohnehin, und wer es nicht weiß, dem haben die Ultramontanen Württembergs einen lehrreichen Fingerzeig gegeben; eS ist, kurz gesagt, die Herr schaft der vaticanischen Weltkirche über Staat und Gesell schaft. Und daS legt die Verpflichtung nahe, im nächsten Reichstag den klerikalen Tendenzen wieder ein starkes Gegengewicht zu schaffen. Ferner aber lehrt der ganze Verlauf der Versammlung, daß die Annahme des Flotten- gesetzeS nur bei vereinzelten Centrumsabgeordneten eine beabsichtigte nationale That gewesen ist, daß daS Gros der Zustimmenden aber und die hinter ihnen stehende Masse in erster Linie darum zugestimmt hat, weil der vom Centrum geführte Reichstag nicht mehr die Autorität besaß, um vor dem Volke die Verantwortung für die Verweigerung der Stärkung der Seemacht zu tragen. Und daraus ergiebt sich, daß, um daS Eentrum weiter zu dieser nolous volens zu betreibenden „nationalen" Politik anrubalten, vor Allem die Nationalliberale Partri in den Reichstag in einer Stärke wiederkehren muß, die ein ausreichendes Gegengewicht gegen den Radikalismus bildet und auch zugleich sorgt, daß die klerikalen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Der eben erwähnte Vorstoß des württembergischcn CentrumS in der Schul- und Ordensfrage wird, wie der „Nat.-Zta." auS Stuttgart geschrieben wird, von der ge- sammten Presse des Landes, soweit sie nicht im Banne deS CenrrumS steht, als der Todesstoß für die Verfassungsreform betrachtet, falls es nämlich dem Centrum Ernst ist mit den angedrohten Folgen. Einzig und allein der demokratische „Beobachter" spielt den Harmlosen. Auch er glaubt übrigens, daß die CentrumSanträge weder in der Abgeordnetenkammer, noch bei der Regierung irgend welche Aussicht auf An nahme haben. Er giebl sich aber den Anschein, als ob er durch diese überraschende Wendung des CentrumS, die Niemand unerwarteter gekommen ist, als gerade der ganz in Vertrauen versunkenen Volkspartei, die Verfassungsrevision in keiner Weise für gefährdet und deshalb jede Polemik gegen daS Centrum eigentlich für unnöthig halte. Ganz anders fassen aber die Provinzialblättec der Demokratie die ver änderte Lage auf; sie haben weniger Verständniß für eine Vogel-Strauß-Politik, als ihr Hauptorzan, und haben den Kampf gegen die maßlosen Forderungen deS Centrums nicht weniger lebhaft ausgenommen, als die nationale Presse. Bezeichnend für den Uebermuth des Centrums ist eS, daß das ultramontane Organ, daS „Deutsche Volksblatt", das Verlangen seiner Partei ein „bescheidenes" nennt. Sie ver lange nichts, als daß das, was geltendes Recht bezw. Sinn des geltenden Rechtes sei, in der Verfassung festgelegt werden solle. Inzwischen hat nun das Centrum seinen Antrag in der Ordensfrage bereits geändert. Sein Organ erklärt, in der Eile, mit welcher der Entwurf des Antrags habe eingereicht werden müssen, sei ein „Redactionsfehler" vorgekommen. Nach der neuen Fassung soll dem Bischof ohne Einschränkung daS Recht zustehen, Orden im Lande einzu führen, während ursprünglich dieses Recht auf die „Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung" beschränkt sein sollte. Die neue Forderung enthält also eine ganz bedeutende, auch principiell außerordentlich wichtige Erweiterung. Dieser steht dann allerdings die Einschränkung gegenüber, daß der Regierung für Orte, die nicht überwiegend katholische Be völkerung haben, ein unbeschränktes Einspruchsrecht zustehen soll; bei den überwiegend katholischen Gemeinden bleibt es da gegen bei dem Einspruchsrecht wegen der Wahl eines ungeeigneten Ortes oder wegen der Zahl der bereits bestehenden Nieder lassungen. Mit vollem Recht sagt gegenüber dieser redac- tionellen „Correctur" die „Württ. Volkszeitung": „Was soll dieses unbeschränktere Einspruchsrecht bedeuten gegen über der ursprünglichen Fassung des Antrages, nach der der Bischof schon kraft Gesetzes an solchen Orten gar keine Niederlassungen errichten konnte?" Merkwürdig ist übrigens, daß man nunmehr im Centrumslager selbst zu gesteht, daß man „in Eile" den Antrag habe einbringen müssen. Und doch hat sich die Kammer volle 14 Tage lang unausgesetzt mit der Versassungsrevision beschäftigt! Mit diesem Zugeständniß der „Eile" giebt man tatsächlich jenen Stimmen Recht, die, wie seiner Zeit der „Schwäbische Merkur", in der plötzlichen Schwenkung des Centrums einen Sieg der schärferen Tonart erblickten, die gerade in den letzten TaAen vor der Abstimmung durch daS Erscheinen des Abg. Grober von Berlin her Verstärkung erhalten hatte. Unter der Spitzmarkc „Gendarmen-Politik" berichtet die amtliche „Erkelenzer Ztg." über folgenden Vorfall an der deutsch-holländischen Grenze: Der dortige Oekonom Hubert Gor iss en, der in dem Greiizort Sarfsellen wohnt, hat diesseits und jenseits der Grenze Aecker und Wiesen, und sein Hornvieh, das auch auf die im Holländischen gelegenen Wiesen getrieben wurde, war nach Vorschrift gekenn zeichnet. Im Jahre 1891 trieb der damals 15 Jahre alte Sohn Les Gorissen das Vieh einmal aus die Wiesen im Holländischen und hatte ein junges Rind mitgenommen, das bisher im Stalle geblieben war, daher keine Markirung trug und auch nicht aus dem Weidenscheine, den der Knabe mit sich führte, ver zeichnet stand. Kaum hatte der Knabe die holländische Grenze überschritten, so wurden von zwei holländischen Grenzbeamten vier Stück Hornvieh beschlagnahmt, auf Intervention des dazukommenden Onkels des Knaben jedoch bis auf das junge Rind freigegeben. Das Rind wurde mitgenommen und verkauft. Für den Knaben traf Ende August 1891 ein Protokoll ein, Las wegen des Vorfalles ausgefertigt war und auf einen Monat Gefängniß lautete. Diese Strafe verbüßte er nicht, er mied es aber auch, die Grenze zu überschreiten. Im Herbst vorigen Jahres kam der zum Manne herangereifte junge Gorissen vom Milttair zurück, und da seine Eltern inzwischen gestorben waren, trat für ihn die Nothwendigkeit heran, für seine fünf Geschwister zu sorgen. Da er seine Wiesen und Aecker im Holländischen uicht brachliegen lassen konnte, er sich andrerseits jenseits der Grenze nicht blicken lassen durfte, sandle er ein Gnadengesuch an dir Köniain-Regentin im Haag ab. Die Absendung geschah im November vorigen Jahres. Da bis Mitte M-irz dieses Jahres noch keine Antwort eingelaufen war, wurde der Officier der Justitie (Staatsanwalt) in höflicher Weife angefragt, wie es um das Gnadengesuch stehe. Am Morgen des 26. März erschienen nun zwei holländische Gendarmen in der Wohnung des Mannes, der für Gorissen das Gnadengesuch ab gefaßt hatte, und erklärten, Gorissen sei jetzt ganz frei und dürfe das holländische Gebiet ungehindert betreten; die Gendarmen baten den Mann, Namens Maaßen, den Gorissen behufs Unterzeichnung des Gnadenerlasses herbeizuholen, Gorissen erschien auf mehrfache Aufforderung hin in der im Holländischen gelegenen Wohnung des Maaßen, wurde aber sofort von den beiden Gendarmen für verhaftet erklärt und abgeführt. Hätte man dem Gorissen erklärt, fein Gnadengesuch sei abgelehnt worden, so würde er sich, weil er nicht anders konnte, zur Abbüßung der einmonatigen Gefüngnißstrafe selbst gestellt haben. Seit dem 26. März befindet sich Gorissen in Roermond im Gefängniß, doch ist der Fall dem deutschen Consnlat angezeigt worden. Diese Geschichte mag, wenn sich wirklich Alles so zugetragen bat, wie die „Erkel. Ztg." berichtet, als Illustration der wenig freundlichen Gesinnung der Niederländer gegen Deutschland zellen, gegen die sich der im Heutizen Morgenblatt abgevruckte Artikel des „Amsterd. Courant" in glücklicher Ironie wendet. Hoffentlich wirb das zuständige deutsche Consulat daS Seine zu thun wissen. Noch liegt die Entscheidung über Krieg «nd Frieden im Schoße des Senats der Vereinigten Staaten. Man sagt dieser Körperschaft nach, daß sie noch rücksichtsloser und rabiater sei, als das Repräsentantenhaus, nnd so wird vielfach angenommen, daß der Senat sich das Votum des Letzteren im Wortlaut, wenn nicht noch in schärferer Form, aneignen werde. Bis jetzt ist dies allerdings noch nicht geschehen. Ueber die Stimmung im Senat und die augen blickliche Lage geht uns folgende Meldung zu: * Washington, 14. April. Der Senat setzte heute die Be- rathung der Resolution der Commission für auswärtige Angelegen heiten fort. Die Sitzung nimmt einen ruhigeren Verlauf als gestern. Senator Hoar, räth alle Anstrengungen zu machen, nm eine ehrenvolle Lösung zu finden, bevor man sich in einen Krieg stürze, und erwähnt die Bemühungen des Präsidenten Mac Kinley zu Gunsten des Frieden«. Nach Ansicht des Redner« sei der Krieg auch jetzt noch nicht unvermeidlich. Da noch eine große Anzahl Senatoren ihre Absicht angekündigt hat, das Wort zu ergreifen, ist die Abstimmung vor morgen wenig wahrscheinlich. In diplomatischen Kreisen ist die Rede von erneuerten vermittelnden Schritten der Mächte auf Grund präciser Grundlagen; immerhin aber wird allgemein geglaubt, daß der Krieg unvermeidlich sei. — Der spanische Gesandte Bernabe ist bereit, abzureisen, sobald er dahin gehende Instructionen empfängt. Derselbe hat beschlossen, keine Einladungen von Ministern oder Senatoren mehr anzunehmen, da die Lage zu ernst sei. — Der Senat vertagte sich aus morgen Vormittag 10 Uhr, ohne über den Ausschußbericht Beschluß zu fassen. Sonach dürften heule Abend die Würfel fallen. Bon neuen vermittelnden Schritten der Großmächte versprechen wir uns nichts mehr, ja wir halten eS mit der Ehre derselben kaum vereinbar, ihre guten Dienste nochmals anzubieten, nachdem Mac Kinley dieselben in höflicher Form ab gelehnt und in sehr unhöflicher Weise sie in seiner Bot schaft todtgeschwiegen hat. Die spanische Regierung scheint sich auch an die Mächte mit keinem derartigen Verlangen gewandt zu haben. Sie hat nur nach den unS aus Madrid gewordenen Mittheilungen eine neue Note an die Mächte gerichtet, in welcher die Lage dargelegt und gegen den Beschluß des amerikanischen Parlaments Einspruch erhoben wird. Die Note erklärt schließlich, der Wunsch Spaniens, dem Ansuchen der Mächte zu entsprechen, werde durch die offensive Haltung deS BundeScongreffeS vereitelt. DaS ist vollständig richtig, aber mehr als die moralische Unterstützung Europas wird Spanien nicht erwarten dürfen, wenn es trotz deS AbmahnenS der Großmächte zum Kriege kommt. Diese können doch unmöglich selbst die Vereinigten Staaten mit Krieg überziehen. Wie mau in Madrid über die Lage urtheilt, zeigen folgende Nachrichten: * Madrid, 14. April. Beim Verlassen des Ministerrathes erklärte einer der Minister, der Conflirt stehe dicht vor der Entscheidung. Spanien habe das Möglichste gethan, um den Krieg zu vermeiden. Seines Rechte« sicher, sei r« bereit, sich zu vertheidigen. Nach dem Ministerrathe traten die Minister noch rin Mal zusammen und beschlossen, an die Vertreter der Großmächte eine Note zu senden, in welcher die Beschlüsse deS Ministerrathes bekannt gegeben werden und die Lage auseinandergesetzt wird. — Die Königin unterzeichnete Abend« ein Decret, die Cortes einzuberufrn. — Sagasta beräth heute mit den MinoritätSsührern. Es wird geglaubt, die Kammer werde am 23. April constituirt. — Die Königin-Regentin hat sür die Vermehrung der Flotte eine Million Pesetas gezeichnet, I die Infantin Isabella 50 000 Pesetas. — Die „Agence Fabra" er- Der Kampf mit -em Schicksal. 11j Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck «erboten. „Kühnes mag es ja mehr in der Welt geben, dagegen ist nichts einzuweuden. Aber in meinem Haus« giebt es außer mir und meinem Sohne keinen Menschen dieses Namens. Sie ver stehen mich hoffentlich." „Sehr wohl, Herr Amtsrath." Der Amtsrath beugte sich wieder nieder. „Höre, meitn Kind", sagte er im strengen Tone, „Du heißt Gretchen Ludewig, verstanden?" Furchtlos sah ihn die Kleine an. „Nein, »ich Adewig, Deichen Töhne." „Aber Du hörst doch, daß Du Grethchen Ladewig heißt!" Sie sah ihn ernst an und wandte sich ungnädig ab. „Sorgen Sie dafür!" sagte der Amtsrath streng und ging grimmig fort. Sofort theilte er Richard die unangenehme Geschichte mit. „Es ist doch auch hart", sagte Richard, „von dem Kinde so Etwas zu verlangen." „Ach was, hart! Es ist einfach in der Ordnung. Ich habe die Mutter nur unter der Bedingung der Namensänderung inS Haus genommen. Das gilt selbstverständlich auch für ihr Kind. Wir können mit unserer Wirthschafterin nichts gemein haben, auch nicht den Namen." Richard wagte nicht zu widersprechen, und rin Bleigewicht legte sich auf seine Seele. Er hatte sich aus dem besten Weg« zum Ziel zu befinden geglaubt. Jetzt erkannte er, daß ihn davon noch ein« breite Kluft trennt«. Der Alte blieb lange Zeit sehr ungnädig. Er machte sich wiederholt das Compliment, sehr edelmüthig an der „Person" gehandelt zu haben, und er sah den Anspruch deS Kindes aus den Namen Köhne als eine Beleidigung und Undankbarkeit an. Gretchen aber machte sich nichts aus der Ungnade des alten Herrn. - So oft er fragte: „Wie heißt Du?" antwortete sie: „Deichen Töhne." Zuletzt kam sie sogar von selbst an ihn heran gelaufen, rief schäkernd: „Deichen Töhne, Deichen Töhne", und lies lachend davon. „Ungezogener Balg!" wetterte der Amtsrath. Für die rei zend« Draller« im Wesen de» Kinde» hatte er kein Luge, er empfand nur die bodenlose Undankbarkeit, die darin bestand, daß in seinem Hause das Kind seiner Wirthschafterin durchaus Köhne heißen wollte. „Die ist nun bei einem Schulmeister erzogen", raisonnirte er zu Richard, „bei einem berufsmäßigen Erzieher! Schöne Erziehung! Hat gewiß allen Willen ge habt." „Sie hat jedenfalls diel Liebe gehabt", entgegnete Richard. „Schwatze mir nicht von Liebe! Pariren müssen die Bälger vor allen Dingen lernen, das ist die Hauptsache!" „Nach dem Urtheile des Ziegelmeisters ist sie aber keineswegs ungezogen. Im Gegentheil, er und seine Frau versichern, daß sie sehr artig und verträglich ist." Der Vater sah seinen Sohn scharf an. „Dein gutmüthiges Herz geht wieder mal mit dem Verstände durch. Du scheinst unsere Situation noch gar nicht erkannt zu haben." Welche Situation?" „Die Welt könnte in Hinsicht auf das Kind doch leicht etwas Anderes glauben." Richard konnte soine Verlegenheit nicht verbergen. „Nun ja, das ist es. Siehst Du jetzt ein, daß ich Recht habe? Ein Donnerwetter soll dreinfahren, wenn's nicht anders wird. Ich werfe die Mutter sammt dem Kinde zum Hause hinaus." In Richard stieg der Unwille empor. „Dann —" rief er und stockte, entsetzt vor der Kühnheit des Gedankens, den er aussprechen wollte. „Was dann?" „Dann würdest Du doch wohl — ein großes Unrecht thun." „Ich würde nur die Integrität meines Namens wahren. Ich habe Etwas aus mir gemacht. Sich um Dich, das Alles ist mein Werk! Seine Majestät hat mir den Amtsrathstitel verliehen. Wir haben uns dessen würdig zu halten. Wohl, zeigen wir uns unseren Untergebenen gegenüber gerecht und wohlthuend! Aber niemals dürfen wir die Scheidewand nieder reißen, die uns von ihnen trennt, wenn wir nicht selbst an un serem Ruin arbeiten wollen." Streng und groß wandte er seinem Sohn den Rücken, der in sehr gedrückter Stimmung zurllckblieb. Wie offen und selbst bewußt hatte er früher das Recht seiner Persönlichkeit geltend gemocht, und wie elend kam er sich jetzt vor! Die Würde d«s Vaters forderte von ihm, daß er seines KindeS Rechte ver- theidigte, und die väterliche Sorge macht« es ihm zur Pflicht, zu schweigen. Er sah sich in einen Widerstreit von Empfin dungen gerissen, der an dem Marke seines Lebens zehrte. „Halte aus!" flüstert« ihm gelegentlich Franzitka zu. „Er ist im Grunde edel und gut, wir werden ihn doch noch um stimmen." Zunächst gelang es dem Kinde selbst, in dem Amtsrath eine Wendung zum Besseren herbeizuführen. Die Beharrlichkeit, mit der es auf seinem Namen bestand, begann dem Alten zu imponiren. „In dem Kinde steckt Charakter", sagte er sich Der Vater mutz ein sehr selbst bemühter Mann gewesen sein, denn von der Mutter konnte sie dm Charakter nicht haben, da diese bereitwillig auf die Namensänderung tingegangen war. Er fing an, Achtung vor der kleinen Person zu bekommen, die sich keineswegs wie ein Kind untergeordneter Eltern, sondern wie ein Prinzeßchen trug. Einige Wochen sah er Gretchen noch finster an. Dann hellte sich sein Gesicht mehr und mehr auf. „Lassen wir sie bei dem Namen Töhne", sagte er zum Ziegel meister. „Zwischen Töhne und Köhne ist immer noch ein Unterschied." Es war im März, als der Amtsrath eine große Gesellschaft gab. Er mutzte sich endlich einmal für die vielen Einladungen revanchiron, und er konnte sich und sein Haus auch sehen lassen. Franziska hatte mit der Bewilligung des Amtsraths sämmtliche Zimmer nach und nach umgestaltet und jenen Geschmack zur Geltung gebracht, der sie nicht nur schöner und behaglicher, sondern auch reicher erscheinen lietz. Ihr« Kochkunst g<ck> der jenigen der altm Ladewigen nichts nach, und der Weinkeller war in bester Ordnung. Herr Held hatte seine Frau dem Amtsrath für einen Nachmittag und einen Abend „geborgt", damit sie die Honneurs machte. Di« Brunower Freunde waren vollzählig erschienen, bewunderten die schöne Einrichtung, liehen sich Speisen und Getränke gut schmecken und schufen zuletzt das Speisezimmer in einen Tanzsaal um. Inmitten der fröh lichen, strahlenden Gesellschaft fühlte sich der AmtSrath reich wie ein König. Seine Integrität erschien ihm sicherer als je, und Se. Majestät konnte sich keinen besseren Repräsentanten des Amtsrathstitels denken, als dm Besitzer von Krahnepuhl. Bei der Tafel, die eine Revue der leckersten Braten, Speisen und Weine darstellte, brachte der Pastor einen humoristischen Toast in Versen aus, die er selbst geschmiedet hott«, und in welchen sämmtliche Gäste in humoristischer Verbindung genannt waren. Am Schlüsse erhob sich der Toast zu einer schwung vollen Anerkennung der Tugenden des Amtsraths und seines Hauses und zu einem Hoch, in das Alle einstimmten. „Aber vom Wein versteht er nichts", flüsterte Herr Held mit vielsagendem Blick seinem Nachbar zu. „Da hat er sich von einem Reiseonkel gewaltig übers Ohr hauen lassen." Oskar hatte die Wirthschafterin flüchtig gesehen. Sofort eilt« er zu Richard und sagt«: „Donnerwetter, was, ist Euch da für eine Venus ins Haus geschneit! Daß Du das aushältst, Mensch! Da wäre ich schon längst Feuer und Flamme." Nach dem Essen eilte das „stille Lottchen" zur Küche, um Franziska zu sehen und zu begrllhen. Für die Dienerschaft hatte das nichts Auffälliges, da Fräulein Held auch die Ver traute der alten Ladewigen gewesen war. Durch Richard's Vermittelung hatten sich die beiden Damen nach ihrem geistigen Wesen ichon längst kennen gelernt. Jetzt genügte ein Hände druck, um das innere Einverständnih auszudrücken. Franziska führte das Fräulein auf ein Viertelstündchen in ihr Zimmer. Im schnellen Austausch ihrer Gedanken und Gefühle verbanden sie sich zu inniger Freundschaft, und Lottchen bot der zukünftigen Herrin von Krohnepuhl ihre thatkräftige Mitwirkung in allen Lebenslagen an. „Sie haben hier zwar nur die Stellung «iner Wirthschafterin, und was das bei dem Amtsrath sagen will, weitz ich. Aber ich werde dafür sorgen, daß Sie nach und nach zu der gesellschaftlichen Stellung gelangen, die Ihnen zukommt." Als sie wieder zur Gesellschaft zurückkehrte, fand sie diese in einer sehr lebhaften Unterhaltung begriffen. Ein alter Gutsbesitzer hatte vor einiger Zeit Brunow und Umgegend dadurch aufgeregt, datz er, blind für die Reize aller heiraths- fähigen Töchter d«r guten Gesellschaft, sein« eigene Wirth schafterin geheirathet hatte und sich in dieser Verbindung sogar wohl fühlte. Die Frage: „Darf ein Mann von Stande, un beschadet seines Ansehens, seine Wirthschafterin heirathen?" hatte auch hier in dem festlich erregten Kreise eine hitzige Debatte hervorgerufen und «ine sehr verschiedenartige Beantwortung gefunden. „Wenn sie hübsch ist, ja", meinte Oskar, wurde dafür aber von seiner Mutter zur Ordnung gerufen. Die jungen Damen erklärten übereinstimmend, daß Schön heit allein bei einer Verbindung fürs Ltben nicht entscheiden dürfe. Sie konnten dies um so unbefangener sagen, je sicherer bei ihnen das Gefühl war, von der Natur keineswegs vernach lässigt zu sein. Für d«n Amtsrath gab es über den besprochenen Fall gar keine Diskussion. Wer solche Taktlosigkeit begeht, der schadet nicht allein seinem eigenen Ruf, sondern auch dem An sehen des ganzen Standes. Das war seine Meinung. Der glückliche Gatte einer Wirthschafterin war für ihn gesellschaftlich unmöglich. Richard brannte das Herz. „Erlaube, Vater", entgegnete er, „daß ich Dich auf einen Ausspruch aufmerksam mache der vor Kurzem gerade in dieser Gesellschaft allgemeine Billigung fand. Auch Du hast ihn für zutreffend gehalten und bist für ihn eingetreten."
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