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Dresdner Nachrichten : 19.06.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187106195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18710619
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18710619
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1871
- Monat1871-06
- Tag1871-06-19
- Monat1871-06
- Jahr1871
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 19.06.1871
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K«K»t, «» «bend« «. S»«tt«Lsr «- MIttagSir Uhr M«rkos»ratzeisr t- «enßad«: >«,Hd»,ck,r«t V«ßl.r, «r.Wlvftergasse». Karren i» dies, «litt M««M eine erfolgreich« Veebnituag. >»fl«-er Exemplare. Tageblatt silr Naterhaltuag Md Geschäftsverkehr. Druck und «tgenchum der Hrmv-grher: Lltpfch ^ Neichardt. — DerantworÜicher Redattmr: IttlikS Neichardk. Alannement'. «ter,«ljrhrttch»VNM. Sri anrMgrldticherA«» fern»,, in'« Hs«. Durch tie lt>!iPoß »ierteijährl. TB 2 Agr Ein^lne Nummer» 1 Ngr. Anseratenpreis«: Für deu Raum etm, grspalteiien Zell«: 1 Ngr. Unter „Eingesandt* die Zeile 2 Ngr. Nr. 17V. Sechszehnter Jahrgang. Dresden. IS. Juni. — Die kirchliche Friedcnöscier am gestrigen Sonntagc, dein Weiten nach Trinitatis, war in allen Goncebäusen, l.nsrrer Stadt eine ebenso erbebende, tlekergrciscnde, wie vor Jahresfrist, als das gemclnschastliche (Scbet die Gemeinden in den Kirchen versammelte, um den so glorreichen Ausgang des beginnenden VSUerkampses von den, allweisen Herrscher aller Welten zu er stehen.- Und wlr glauben, eS wird kein Dorskirchletn, keinen «ajestätlstlic« Dom lm neuen Reiche geben, wo nicht der Dank der Gläubigen und Andächtigen am Altar des Herrn zum HiNnNel emporstlcg dafür, das» nach den blutigen Kämpfen end lich der segnende Friedenvcngcl seine Aittlge über unseren Häup tern schwingt. Der schwellende Orgetton. taS Klingen der rck,englocken, das crgrctscnde Wort des Pricstcl v — alles Da» la zur Ehre dessen, der diesen Frieden gegeben und alle» S wirb die Dankenden daran erinnern, daß nur „Gottes uim diese Wendung" der Geschicke der Deutschen gegeben, y Dresden speciell betrifft, so wurde diese Friedens- und DankeSseicr schon am Sonnabend Abend durch elnsttindigeS Ltuttn sämmtlicl^r Kirchenglocken der Residenz <außer der katholischen) von N—7 Uhr cingeieitet und namentlich war cs die Annenkirckn, die schon an diesem Vorabende den vollen Fiaggcni'chmuck in der Lichtung deö Thurmes prangen ließ. Am Festtag selbst, der Sonntag, den ein sonniger. friedlicher Junimorgen begrüßte, wehten von allen Thürinen die Flaggen m deutschen, sächsischen und städtischen Farben und selbst die Straßen erinnerten wieder durch Ihr bunteö Gewand an lene allgemeine Festivitäten, die wir. aiS sortwäl^rende Sieger seit Beginn deö Kriege». im Geiste folgend den Großthaten der deutschen Armee, innig und mit allgemeiner Freude begangen. — AtS am Sonnabend Abend um 7 Ubr von den Thür- men der Residenz da» kirchliche Friedcnöiest eingeläutet wurde, al» die Glocken der Residenz in ihrer Schwingung durch die reinen Schichten der warmen Lust alle Grmütbcr ergriffen und die Augen hlnaukschautcn na» den Zinnen der Gottcötcmpel, N» mußte eö auffalleu, daß die Glocken der katholisch,«» Hos- kkrche in stummem Schweigen blieben. Uebcrall strömte von Oben herab ba» tbnenkr Erz rrgreisendc Begeisterung auS, nur der Thurm der schönsten Kirche Dresdens hielt in diesem hetti- 8«i Drang der Geiahle seine Stimme zurück. Vereinsamt stand « da. wie ein Leicheuftein dir Zeit; ruhig in seinem Gebälk faßen die Tauben, lvclche von Zeit zu Zeit aulfl alterten, alö wollten sie fragen: Begreifst Du nicht auch die Zeit, de» Tag, wo die Friedenstaube mit dem grünet» Oclz,vclg kn daö deutsche Vaterland gekommen? Der Thurm schnvieg, wie seit, Erz. das doch sonst bei anderen Festen seine Stimnre so feierlich) zu er beben vermag. — Gestern Morgen ging wieder ein Trupp Franzosen <40 Mann» mit dem v Uhr-Zuge am dem Bbymiiclien Bahnhöfe hier ab, um über Chemnitz, Hof re. In Ihre langersehnte Hei mat- zu reisen. ES waren dicö solche Kriegsgefangene, die stir ihr eigenes Geld fahren und l5, Th'.r. dakür bezahlen müsse», den Baracken sind noch immer gegen GM) Mann untergc- Jn bra rächt, trotzdem baß alle Tage Rothboscn von hier abacbc». — Die bei uns dn Abnehmer, begriffene Blattermrankheit hat fick), wie man hört, uuhnach in nahe bei DreSe«, geic-v»c Ortjchastcn venchkeppt nnd fordert auch dort ihre Opicr. Sv starb denn vor mehreren Tagen In dem nahen Dsrsc K . . . a «ine Frau unter Zurücklassung des Ehegatten und mehrerer Kinder. Der sehr arme Wittwer bemühte sich nun um rin Ge schirre, welches den Leichnam nach dem Friedhöfe ln dir T odten- hallc bringen sollte, allein die reichen Herren der Gemeinde versagte» diesen christlichen Dienst, neue Pferde re. vorsck'ützend, und nachdem sich der zuletzt angcredete Herr Gutsbesitzer Win. bereitwilligst dem Samariterwcrke unterzogen, wollte man dem in tiefe Trauer versetzten Ehegatten noch zunuUhen, seine ver storbene Frau selbst mit tragen zu helfen. Aber auch diese Trägersteue suchte Herr Win. noch aus der Zahl seiner Dicnst- leute zu ersetzen. Das Bild „vom reichen Dtann und armen vazaruö" scheint den crstgctachten Herren entweder entfallen »der noch gar nicht gelehrt worden zu sein. — Ein treuer Begleiter für jeden Reisenden und Touristen, „Domann'ö Post- und Eisenbahn-Bericht" nebst Eiienbahnkartc von Deutschland" ist soeben alö Nr.ll, Sonuncr 187 l, l„ neue ster corrigltter AuWabe erschienen und an den bekannten Stellen zu haben. — Wir batten Gelegenheit, eine praktische Erfindung des hiesigen Klempnermeisters Schrlnpflng »am Povpitzpiatz 2l> zu besehen, die In »reu tvnstmirten Kühlapparaten lürBtcr, Fleisch, Butter, Speisen re. bestem und nanic, tiicl, kür Haushaltungen, Restaurants. Hotels re. sehr perwendbar ist. Diese Apparate ersetzen unbedingt die viel Raum ln Anspruch nehmenden Eis- tchränke und b anchcn zur Untcrbtt igung selbst nlir eine Quadratelle Platz. »Auch consum reu sic r><» Proeent EiS we niger, alö die Schränke, indein es erst nachStunden etwa nöthig ist, rin neue» Stück Eis hi>:ziizniüc>e„. Trotzvem halten sich ble Piriua.icn irisch. Ihre Viliigkcit erleichtert die An- 1"affung und vermehrt somit nur ihre p'actischc Brauchbarkeit. In unserer Expedition ist Interessenten Gelegenheit geboten, «inen solchen «»parat kennen zn ler>^',. — DU Bordcreittlngen zu dem Dürerfest in Meißen lassen R sultate sehen, welche man srcud g begrüßen kann. Die De koration deö Banketsaaleö, von Herrn Hofmaler Ehoulant ent- uor cn nnd unter seiner Leitung in Ausführung begriffen, läßt bereits die schönste Wirkung erkennen. Rami-atte Künstler be ll,eiligen sich an dem Werke, das, für die kurze Dauer eines Tages bestimmt, einen Schmuck b ctcn w rd. dem ctn längeres Leben zn wünschen wäre. Eben so schön Ist die Dürer,tatue, über Lebensgröße von dem Herrn Bildhauer Henzc gcarbciiet. AuS dem Atelier von Brockmann's Nachlolger wird sie Photo- graphisch bald In die Oeffeutlichkeit kommen. 'Anderwelte Vor bereitungen sind Im vollen Gange, nnd wenn vielfach im Publikum die Irrige Ansicht Raum ergriffen, daß das ganze Fest nur der Männerwelt gelte, io bemerken wir, daß dies durchaus n'cht der Fall Ist. SS wird sogar gewünscht, daß durch die Theilnahme von Frauen und Fräuleins daö Fest noch «inen Glanzpunkt erhalte, was sichert»«- auch geschehen wird. Al dem srrudlaen Tage das Wetter günstig, dann wird eö rtn Mitredacteur: Theodor Droblslsz. Fest, daö gewiß noch tauge in der Erinnerung Dersenigen fort lebcn wird, die ihm Ihre Theilnahme sckxntten. - Bekanntlich haben hiesige Bank - Flcischcrmeister eine» grinrinschattlichcn Eiskeller, in wclctxnn sie in für Jeden einzeln abgesonderten Behältniß ihr nicht verlaustes, oder erst zum Acr kauk zu stellendes Fleisch, Wurst re. auibeivalzren, um eö irisch zu erhctlttn. Jeder Einzelne hatte für seine Waare einen festen B ' ' Montag, IS. Juni 1871. »erschlich. Seit einiger Zeit wurde aber bemerkt, daß daselbst gewaltsame Diebstähle stattscmden, gewaltsam insofern. als sie mit Erbrechen der Schlösser mittels starker Werkzeuge geschahen. Mancher der Etokellergenossenschast erlitt dadurch beträchtliche Vcrluste. Niemand hatte eine Ahnung, wer der Dieb sei, da 'Niemand anders, wie die Fleischer selbst Zutritt hatten und ank einen College» konnte der Verbäckst doch kaum falle». Und doch war S ein Kollege gewesen, der daö Vertrauen der andern so gcmißbraucht. Im Verein mit seinem Gesellen ixtttr der sonst gut situkrke Mann alle diese Eutwcndimgen unter so erschwe renden ttmständcn sich zu Schulden kommen lassen. Woche und Tage vergingen und der Geselle spürte in sich eine Bewe gung deö Gewissens, die sich zur Reue hinneigte. Er wollte die Schuld durch Selbstmord sühnen und «Hing sich. Daö Schicksal hatte cS jedoch anders beschlossen — der Strick riß und der Schuldige blieb an» Leben. Diesen »nvcrhofftcn Um stand glaubte er nicht anders deuten z« können. aiS daß eö eine Mahnmrg Gottes sei, erst die weltliche Strafe a!ö Sühnemittel über sich kommen zu lasten und so brachte er die ganze Sache zur Anzeige. Selbstverständlich erfolgte die Verhaftung des Meisters und Gesellen und so sehen sie ln nächster Zeit ihrer Aburkhciiung entgegen. — Auv Kamcnz erfahren wir einen Porsall, der »vtcderum darin erinnert, wie leicht man zu einem Malheur kommen kann. Der Bürgern,elfter von Kamcnz halte sich eine Fuhre Holz be stellt und wurde dieselbe dieser Tage au seiner Wohnung a„- geiahren. Zufällig kommt der daiigc Schuhmacher Kaiser deö Wege» daher und geht an dem Hause vorüber, konnten aber nicht Unterlasten, auch eine Besichtigung des Holzes vorzunchmcn. Dabei sprang plötzlich eine große Otter auö dem Reißig her an». ans den Kai,cr loö und biß ihn in den Arm. Obgleich sofort ärztlich Hltse requirirt wurde, so schwoll der Arm indes» doch dermaßen an, daß große Befürchtungen auttauchten. Der , lg" so ist Popsicht auznrnthen. dir Ottern schrmen sich auf» Bethen dieses Zst,r speciell verlegt zu haben. - Oesscntlichc Gerichtssitzung am 15. Juni. Die Verhandlung, welche gegen den Holz- und Kohlenhändler Robert Kunath und Genossen wegen Hanolricdenkstörnng, Kör perverletzung und Beleidigung stattttnde», sollte, wurde zum Bchuse von Anstellung neuer Erörterungen vom Gerichtshof vertagt.- Johanne Christine Knetsch hatte die Johanne Agnes Silbermann beim hiesigen GerichtSamt in, Bezirksgericht ver klagt nnd wcw dieselbe wegen Beleidigung zu U» Thir. Geld buße verurtbcilt worden. Die Sache war die, daß die Silber mann erzählt hatte, die Knetsch habe ihr Kind umgebracht. Die zweite Instanz setzte hcitte die Geldstrafe aus 5 Thlr. brrab, belegte aber zugleich die Angeklagte mit deu Kosten. — Ein ncttcü Früchtchen stand heute vor Gericht, der kaum »Ljährige Schuhmackirlehrling Gustav 'Adolph Mager und seine Mutter, die verehelichte Fncterike Auguste Lttinscktc. Dieser Junge war in Arbeit bei dem Schuh»,achermctster Hilbert und hatte demselben „ach und »ach eine ziemliche Anzahl gefertigter Schuhwaaren entwendet, die er tbcilö an den bei demselben Meister bcicl'äitigtcn Gesellen Friedrich Hermann Kern ver kaufte, der ihn zu dein Diebstahl, wie der übrigens ganz ge ständige Jnculpat auösagtc, verleitet hatte, thcilü seiner Mutter überbrachte, indem er gegen dieselbe äußerte, „Kern habe sie ach den Piusci) gemacht" und auch von ihr ein paar Groschen alü Bezahlung an Kern erhielt. Das aus de». Geschälte ge löste Geld langte aber nicht iür die patii» plniairs de» edlen Jünglings von der Ahie »nd er vcrsuclste sich andrrwctt welches zu verscixstfen, so kam er denn ans den Gedanken, lieber gleich „Bamcö" zn stehlen und mackste sich bald an'ö Werk. In den verschlossenen Kasten, in dem der Meister seine Kasse hatte, bahrte er ein Lock,, drückte dcnin den Sckstoßricgcl nieder nnd cignctc sich aus diese Weise wohl fünf- bis sechsmal l'/s bis 2 Tlstr. au, einmal vergriff er sich sogar an einem amerikani schen Eoupon im Wcrthe von 4 Thlr.; er löste denselben ein und gab daö Geld seiner Mutter. Er hatte übrigens die Ab sicht, die Diebstähle so lange sortzuietzen, bis er entdeckt wurde; daö passtrtc ihm denn, freilich für seine Wünsche etwas zu stüh. Daö Gcrichtoamt im Bezirksgericht nahm n»n die Sache In die Hand nnd sckstcktc den strebsamen Jüngling aus l Jahr 2 Mo nate In'ö Geiängniß; Kern, der zmn Diebstahl verleitende Ge selle, erhielt 8 Wochen zncrkaunt und eben soviel die Mutter deö lungm Mager, gegen welche die Verdachtsmomente wegen Hehlerei vom erkennenden Richter als vorhanden anqcichcn wurden. Heute bestätigte der Gerichtshof, nach kurzem Piai- dovcr dcS StaatSanwaltö Assessor Di-.Hartmaiin. die 8 Woche» iür die Wünsche und das l Jahr 2 Monate tür den kleinen Dieb, dem vielleicht auch eine gehörige Tracht Hiebe nichts scha den würde. Dresden, 18. Juni. Die Berliner Zeitungen, »vekck e am 16. Juni wegen der Einzugüseierlichkeit nicht er scheinen konnten, bringen in ihren neuesten 'Nummern auöführ lichc Berichte über das vom schönsten Leiter begleitete herrliche Fest. Wir haben schon in voriger Nummer über den Einzug einen Bericht deck Reichüanzeigerö gebracht, eü wird aber nicht uninteressant sein, noch einige Details mitzutheilen. Schon von früh 4 Uhr an, für eine Großstadt sehr zeitig, war das Leben auf der Straße eiir bedeutendes und vor Allein die Viu t, ium- ptnttis, die Linden, von einer freudig bewegten Menge durch strömt, die bewundernd die herrliche Ausschmückung betrachteten. Um 8 Uhr begann der Auszug der Gewerke, von denen sich am glänzendsten die Fischennnung ausnahm, die in höchst kleids«Er Matrosentracht mit schwarz-weißen Schärpen erschien: Pe führ» ten ein großes, gvldgesäumtes Netz und ein vollständig <«f«>» tackelteS Fischerbost bei sich. Nicht inmder originell sah« 8» Maurer aus, alle im Schurzfell; die Anführer waren fast «» gethan wie die Grenadiere der alten Napolscmischan Garbe, « großen Bärnmtzen und die Axt in der Hand. Die Arbeiter; der Aktiengesellschaft für Holzbedarf errcgtm besonders groß«» Jubel, als sie unter anderen selbstthätigen Maschinen den Man« mit den bekannten drei Haaren vorführten, der rüstig in bä» Landkarte von Frankreich hineinsägte und dabei bereits bis zur Festung Belfort gekommen war. Bald nach 10 Uhr war dir Ausstellung der Gewerbe vollendet — man kann daraus a»> nehmen, wie gewaltig der Zug gewesen sein muß, der länger als zwei Stunden gedauert hat — und auch die Menge ge langte zum Stehen. Die Tribünen wimmelten von festlich ge kleideten Damen, die Dächer der Häuser waren sogar mtt Menschen gefüllt, die das Halsbrechen nicht scheuten; auS Millen- Feueressen guckten Köpfe hervor, und daß die Fenster sämmtlich occupirt waren, braucht nicht erst bemerkt zu werden. Die Menschenmenge ivar eine außerordentliche, größer als bei dem Einzüge 1866. Jeder Baum, jeder Ast der Linden trug einen schaulustigen Norddeutschen. Die Ordnung wurde von Schutz leuten und Bürger Conftablern leine neue, den Engländern ab-» gelernte Einrichtung) aufrecht erhalten, mit Letzteren ist aber die Volkszeitung ziemlich unzufrieden und tadelt ihr brüskes und rücksichtsloses Auftreten. Dicht vcr dem Brandenburger Thore hatten die Ehrenjungfrauen sich aufgestellt. Die jungen Dainen trugen sänuntllch weiße Cachemirtleider mit tiefem vier eckigem Zlusschnitt und blauem Besatz, darüber ein Busentuch von Tüll; die Aermel des Kleides waren durch blaue Bänder viermal in Puffen gelegt, der glatte Rock trug als einzige Ver zierung unten einen etwa handbreiten blauen Besatz. Ws Kopfputz trugen die Damen eine große blaue Schleife, b« Coiffure, bei der jeder künstliche Haarputz verboten war, sä» nicht immer die wtinschenswerthe Anmuth gezeigt haben. Gegen hast» 11 Uhr erschien der Kaiser, begrüßt von den die Lnst erschütternden Hurrahs des Volkes und der Truppen. Dis Kaiserin und die übrigen fürstlichen Damen fuhren in 8 sechsspännigen und 6 vierspännigen Wagen. Als der Zug sich in Bewegung setzte, gingen junge Mädchen an der Seile' des Pferdes des Kaisers und streuten Blumen umer die Huf« desselben. Die Königgrätzerstraße war an manchen Stellen fuß hoch mit Blumen und Blättern bestreut. Dem Zug voran rittz der alte Papa Wrangel, der zur linken Seite den österreichische,» Feldmarschall Lieutenant von Gablenz hatte, der einzige Gene ral, der 1866 über die Preußen Vortheile errang. Diesen folgte die glänzendste Cavaleade, die je in Berlin gesehen worden ist. Da waren sie Alle vertreten, deren Namen wir seit 11 Mo naten so oft und so freudig genannt haben, die Mostke, die Bismarck, Roon, Werder, Gäben «nd wie sie Alle heiße». Vor der Ehrcnjungsrau Tribüne machte der Kaiser Halt und gbfdl,.r van 6 Genossinnen trat eine „jugendlich schöne und änmuthi e Gestalt", Fräulein Jeanne Bläser, dem Herrscher entgegen uu sprach „ohne jegliche Befangenheit" folgende Verse, die den ,-i len Preußendichter Scheerenberg zum Verfasser haben: Hell Kaiser Wilhelm Dir im Sicgeökranzc! Wie keiner „och geschmückt ein Helteiwaupt. Heim führst Du Deutscplando Heer vom Waffentancc, So glorreich, wlc'ö der Kühnste nicht gcgl.rubk. Du bringst zurück in der Trophäen Glanze Die Lande, einst den, deutschen Reick, acraubt. Durch Dich geführt, errangen Deutschlands Söhne Germania »ntt« m ihrer alten Schöne. 'Nun grüßt der Jubel Dick, von Millionen A»S allen Himmeln, Ost, West, Süd und Nord Schlägt'» dentscl'c Herz doch unter allen Zonen Treu feine warmen Heiinatbvpuisc sott. Und mit deu unwelkbarcn Lorvccrkronen 'Bringst Du die Palme unö, a!ö FrledcnShott, O, daß ihr Schatten Dick, noch lange labe, Dein SämannS Mühen reiche Ernte habe! Man sieht, daß der Dichter eben kein Schiller ist. Nachdem das genannt« Fräulein dies Gedicht vorgetragen, überreichte sie dem Kaiser einen Lorbeerkranz, den derselbe mit dm Watten annahm : „Ich nehme den Dank, dm Sie mir in dem Gedichte auösprachm, an, nicht siir mich, sondern für die Armee." Der Kaiser wandte sich dann nach der Tribüne, auf welcher sich die verwundeten Offiziere befanden, sprach mit ciniaen und ritt darin nach dem Pariscrplatze, wo er von dem Bürgernwifier Hcdcmann mit einer schwungvollen Rede empfangen wurde, der der Kaiser die schon gestern mitgethcilte Antwort gab. Den Schluß der Feierlichkeit bildete die Einhüllung des Monu ments für Friedrich Wilhelm IIl. Die Illumination am Abend war die großartigste, die Berlin bis jetzt gesehen. — Währmd die städtischen Behörden der Ankunft des Kaisers harrten, gingen dem Bürgermeister 2 Telegramme aus Wien und aus Marburg in Steiermatt zu. In dem einen beglückwünschte der Wiener deutsche Volksverein in Wim die deutsche Metropol« zu dem heutigen Shrentagc und versichert, daß die Deutsche»
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