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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920521023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-21
- Monat1892-05
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Tabellarischer und Zifserasatz nach höherem Laris Etztra-Veilagen (gesalzt). »nr «tt de» Mor qen-Ausgabe, ohne PostbesördeNlNA SO.—, mit Posldesorderung 7V.—. Ännahmeschluk für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittags s Uhr. Sonn- und Festtag» früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen j» ein» halbe Stunde srüher. Inserate sind stet« an di» Grnrdttta» zu richten. Driiii »ud Verlag von E. Pol» tu Leihst» Tonnabend den 21. Mai 1892 86. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den Ä2. Mai, Vormittags nur bis V Uhr gross net. Lxp6«1Itl»tt ,108 I,6ip/,iLcvl' politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Mai. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat. ist in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag im Alter von 78 Jahren der NeichSkagSabgeordnete von Kleist-Retzow gestorben. Mit ihm tritt rin Charakter »nd Typus vom Schauplatz ab, wie sie sich in solcher scharfen Ausprägung selten in unserem öffent lichen Leben finden. Der Verstorbene war ein Vertreter des reaclionairen altprcußischen IunkerlhumS in seiner schroffsten, folgerichtigsten Ausgestaltung der Welt- und StaalSansckauung, aber die Offenheit und Ehrlichkeit seines Wesens, das keinerlei Scheu und Rücksicht kannte, machte ihn zu einer charakter vollen, auch den Gegner» Achtung und Gehör abnötbigenden Erscheinung. Bis in sein hohes Alter binein bewahrte der kleine, lebhafte Mann eine glühende Leidenschaft der Seele, einen gewissen politischen Fanatismus, der sich oft genug in Reden von übersprudclnder hinreißender Art geltend machte. Er stand noch vollständig aus dem Boden eines preußischen Staats, wie er vor einem halben Iahrbundert möglich gewesen. Die conservalive Partei Preußens ist nicht reich an solchen, geistig immerhin be deutenden und durch dir Ehrlichkeit ihrer Ueberzeugung ge winnenden Männern; was heute in der Partei das große Wort führt, steht an Charakter, Geist und Ehrlichkeit unend lich unter dem alten Mann, der die ganze neue Zeitrichtung zu bekämpfen kür die Aufgabe seines langen streitcrsüllten Lebens hielt. Im Reichstag vertrat er seit dem Jahre l877 ununterbrochen den westfälischen Wahlkreis Herford-Halle, der jetzt also erledigt ist. Der Wahlkreis war nur einmal, 1874—1877, nationalliberal vertreten. Bei den letzten^ Wahlen wurde Kleist-Retzow mit 7899 gegen 2168 national liberale, 1286 freisinnige und 2l9t socialdemotratische Stimmen gewählt. Wohl hauptsächlich an Kleist-Retzow'S überlebende Ge sinnungsgenossen i» Prcnßcn und den übrigen deutschen Staaten wendet sich eine Broschüre, in der einer der „christlich-conser- vativen" Welfen Protest dagegen erhebt, daß mehrere KreiS- deputirtc in der Provinz Hannover wegen Belhciligung an welsischer Agitation nicht bestätigt oder ihres Amtes entsetzt worden sind. Um seinem Prolcjle Nachdruck zu geben, wett eifert der Verfasser mit jenen ullramontanen „Geschichts schreibern", welche den Jesuiten unsterbliche Verdienste uni Preußen und das Reich zuschreiben, indem er folgendes Ge schichtsbild entwirft: „Für Deutschlands Unabhängigkeit und Freiheit haben Hannovers Fürsten und Söhne stet« in vorderster Reihe gekämpft, gegen die Türken auf Seite Oesterreichs, und vereint mit England, als dieses unter der glorreichen Herrschaft der Lranijchen und Welfischen Könige für die Glaubens- und Bölkersreiheit Europa« auslrat gegen Frankreich feit Ludwig XIV. bis zu Napoleon, während die Brandenburger ihre eigene Hausmacht aus Kosten Deutschlands vergrößerten. Und die Erinnerung an diese Kämpfe, dir unserem Lande schwere Opfer, aber wenig Gewinn brachten, und mehr noch die Erinnerung an die Leide» durch die preußische und französische Annexion des Jahres 1806 sind wieder lebendig geworden, seit cs im Jahre 1866 von dem heimlich mit Italien verbündeten Nachbar (!). der bis zum letzten Tage Freundschaft betheuerte und ui» Bündniß gebeten hatte, über fallen, leine« Königshauses, seiner Unabhängigkeit und Verfassung und aller allen Einrichtungen beraubt wurde, um in seinen heiligsten Gefühlen »nd Inter essen mißhandelt, verrathen und verleumdet zu werden." Es dürfte sich gewiß empfeblcn, in das neue Programm der preußischen Conscrvativen einen Passus ausziinehmen. der auch der Geschichtsauffassung der welfischen Freunde in der Provinz Hannover Rechnung trüge »nd es ihnen gestattete, neben rem jcsuitenfreundlichen Cenlrum an dem Krisen der preußischen Thronwächter zu ruhen. Die Agitation für die Einführung des Znnungs zwange« in Deutschland pflegt sich auf das Beispiel Oesterreich« zu berufe», hat aber dabei da« Unglück, daß da« Fia«co des österreichischen JnnungSexperiiiicnk« von Jahr zu Jahr un widerleglicher an den Tag tritt. Daß ^ic materielle Lage deS österreichischen Handwerkerstände«, trotz der nun schon reiht langen Wirksamkeit der obligatorische» Innungsorguni- salion, um kein Haar besser ist, als diejenige des deutschen, ist eine so notorische Tbalsache. daß man kein Wort darüber zu verlieren braucht. Aber auch der Geist in den Innungen oder Genossenschaften, wie man sie in Oesterreich nennt, ist keineswegs ein solcher, daß man von demselben viel für einen künftigen Aufschwung de« Handwerks erwarten könnte. Gerade aus diesen „Geist" aber, der daS Pfusche»thum hinwcgfcgen und dem Handwerk seine alle Tüchtigkeit zurückgeben sollte, batten die Znnstschwärmer da« größte Gewicht gelegt. Vor Allem sollte der Innungszwung allein eine wirklich befriedigende Lehrlingsausbildung verbürgen. Sehr lehrreich ist nun, was über diesen Punel in den Berichte» der österreichischen Gcwerbcinspcctoreii, wie schon früher, so auch in diesem Iabre wieder zu lese» ist. Unsere Zunstsagilatvren haben e« als eine Verleumdung bezeichnet, wenn ihnen gesagt wurde, baß das von ihnen vcr langte Verbot teS LcbrlingShaltens gegenüber von Nicht- innungSmeistcrn lediglich den Zweck bade, de» Jnnungs- meistern wohlfeilere Arbeitskräfte zu verschaffen. In den er wähnte» österreichischen Berichten kann man jetzt nur zu oft bas Unheil ausgesprochen sindcu, daß die Handwerksmeister in den Lehrlingen in erster Linie die wohlfeil« Arbeiiskrast ausbeute», eine gründliche Ausbildung derselben aber in sehr vielen Fällen auf das Unvcranlworllickiste vernachlässigen. Der Gewcrbeinspector fllr Pilse» spricht in dieser Beziehung von den» Mißbrauch, zumeist nur Lehrlinge und keine Gesellen zu verwenden, und fragt: „Wie kan» es in einer Schlosserei, wo l lLehrlinge ohne Gesellen beschäftigt werden, init der gewerblichen Ausbildung destellt sein?" lieber schleckte Behandlung der Lehrlinge, ungebührliche Berwcnkung derselben zu häuslichen Arbeite» und dergleichen wird vielfach geklagt. Ganz beionderS aber tritt in Oesterreich die Erscheinung hervor, daß die Weiter bildnng des Lehrlings durch die Fortbildungsschule vollständig im Argen liegt. Unsere Zünftler baden stets die „Innung« schule" als das einzig Zweckmäßige bingestellt und cs ist ihnen bei der letzten Gewerbeorknungsnovelle auch gelungen, eine Bestimmung diirchznsetzen, nach welcher von der statutarischen Verpflichtung zum Besuche einer Fortbildungsschule diejenigen befreit sind, welche eine InnungSsckule besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von der höheren BerwallungSbehörde als ein ausreichender Ersatz des allgemeinen Fortbildung« schuliinIerrichtS anerkannt wird. Man kann angesichts der österreichischen Erfahrungen nur wünschen, daß die deutschen Behörden mit dieser Anerkennung der Innungsschuleii sehr vorsichtig zu Werke gehen, wie denn überhaupt zu hoffen ist, daß der Mißerfolg dcö österreichischen IniiungSexperimcntS in Deutschland die ihm zukoiiimcnte Beachtung finde. Der österreichische Finanzministcr ISr. Steinbach ist un ermüdlich und mit großem Geschick bemüht, die Schwierig leiten, auf welche die Valuta-Vorlagen im Wiener ReichSralb gestoßen sind, aus dem Weg zu räumen und es gewinnt immcr mehr den Anschein, daß cö ibm gelingen wird, rn seinem Ziel zu gelangen. Am gestrigen Tag erschien der Minister im Club der Conscrvativen unk er de zeichnete iinlcr Anerkennung der große» Fortschritte der öster reichisch - ungarischcii Wäbruiigsverbältiiiffc die noch ungelöste Silbersrage in den Vereiniglcii Staaten von Nord-Amerika, die schwankenden Agio-Verhältnisse, insbesondere bei Hiiizu- lritt internationaler Wäbruiigsverwickelung sowie die Ungleich Mäßigkeit mit Isolirtbeit der österreichisch-ungarischen Währung als Gefahren, welche beseitigt werden müßten. Oesterreich Ungarn könne sich nicht dauernd aus den Staiidpunct einer glücklichen Noten - Insel stellen. Namentlich seien cs politische Momente, welche die österreichisch-ungarischen Wäbriiiigsvcrbälliiisse oft weil über ihre Tragweite bcein slußicii; dies lasse sich bei Herstellung einer metallische» Wäbriingsgriiiidlagc vermeiden. Der Minister erklärte auch nochmals, für eine weitere Ausgabe unbedeckter 'Noten oder die Frcigcbnng der Silberprägung könne Niemand die Ver antwortung übernehmen. Die Rolle des Goldes als reellen UmsatzmilielS werde überschätzt, wie die Erfahrung aller Staaten mit Gold- und Doppelwährung zeige. Die An häufung eines Kricgsschatzcö in Gold sei eine wirlhschaftlich ganz irralionelle Maßregel. Der beste KricgSschay sei, beim Beginne eines Krieges keine unbedeckten Noten zu besitzen, dabcr sei die Beibehaltung des Papicrgeldwesenö trotz der friedlichen Verhältnisse gefährlich und unmöglich. Auf die Einzclsragen ein gehend, betonte dcrMiiiister nochmal« die absoliileRotbweiibigkeit der Festballiing eines tesieitloscn Budgets und die Unzulässig feit der Vergnickiing der Steuerreform mit der Valutaresorm, die Gcsabr der Bildung eines Goltringes sei bei dem ein- geschlagcnen System der Goltschaffniig ausgeschlossen. Die vorhandenen Cassenbestäiite müßten für die regelmäßige Ge baiiing reservir» bleiben. Die Rete wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Gras Hohenwart dankte im Name» des Club« dem Minister für seine lichtvollen beruhigenden Aeußcruiigen. — Der Polencjub hat beschlossen, für die Verweisung der Valutavorlagen an eine Commission zu stimmen; der Obmann wird die Erklärung abgeben, daß die Machtstellung des Reiche«, mit welcher die nationale Existenz der Pole» eng verknüpft sei, nach Ansicht des Clubs die Valiiiaregclung erfordere. Der Kampf der sranzösischenMonarchisten gegen den Papst wegen dessen Parteinabiiie für die gegenwärtige französische Republik wild immer allgemeiner und deftiger. Heute wird aus Paris gemeltet, baß die „Correspontenec Nationale", das Organ de« Grasen von Paris, einen heftige» Artikel gegen die Cinmischung des Papstes in die »inere» französische» Partei Verhältnisse veröffentlicht und erklärt, der Papst bade damit seine Rechte überschritten Gleichzeitig zeigte der Vertreter des Grasen von Paris, Gras Houssviiville, dem Nuntius Ferrata an, daß der seiten« der Familie Orleans bisher gewährte Beitrag zum PcterS- Pfennig eingestellt werde. Der Vertreter des Prinzen Victor Napoleon, Baron Legoux, hielt im Bonapartistcu-Verein de« sicbcnlcii Pariser Bezirks gleichfalls einc scharfe Rede gegen de» Papst und erllärte, die »apoleonischc Dynastie habe niemals die Päpste als ihre Ralhgcber anerkannt. Die royalistische Rechte hielt unter dem Borsitzc deS Herzog« von Larochcsoucault- Doudeauville eine lange Berathung ab und beschloß, Feuilleton. Gerettet. 16j Novelle von Alexander Römer. Nichten« »erdeten. (Fortsetzung.) „ErichI Erich! ich wußte nichts Bestimmtes — Arthur sagte mir nur einmal, daß Lisa ihm gesessen zu seinem Gretchen, ein paar Mal — in Gegenwart der Mutter, glaube ich. Das Bild war ausgestellt, ein Jeder konnte sie la erkennen." Die Todesangst, welche sein Anblick hervor rief, verwirrte ihre Sinne, sie wußte kaum, was sie sagte. Der Hut, den er in der Hand hielt, rollte zu Boden, er selbst wankte und wäre gefallen, wenn sie nicht herbei- gesprungen wäre und ihn gehalten hätte. Sie ließ ihn in den Seffel gleiten, der an der Thür stand, sie nahm seine lallen Hände in die ihren und rieb ihm die Schläfen mit Kölnischem Wasser. Ibre ganze heiße Liebe zu ihm brach hervor, sie beugte sich über ihn und ries ihn mit zärtlichen Namen. Es packte sie eine grenzenlos« Angst, sie klagte sich bitter an, nicht gleich, als er ihr seine Verlobung miltheille, gesprochen zu haken. Er saß da starr mit gläsernen Augen, die nicht« zu sehen schienen. „Sic liebten sie so sehr", flüsterte sie mit erstickter Stimme, „und ich wußte nichts Bestimmtes. — Artbur war verschlossen — und als er abreistr, glaubte ich, daß ich mich getäuscht. Und dann — dann — Erich, ich konnte Ihnen daS nicht sagen." Seine Sinne schienen sich zu erholen — ein Strahl deS Verständnisse- lehrte in seinen Blick zurück. Er sah sie an. lange, traumverloren, wie ein Schauder ging cS durch seinen Körper, er schüttelte sich wie im Fieber. Endlich richtet« er sich mühsam auf und legte seine Hand schwer auf ihren Scheitel, die zu seinen Füßen kauerte. „Thekla! Warum ließen Sir mich wandeln wir ein Blinder? Warum ließen Sie al? daS Furchtbare sich häufen aus mein Haupt und 'chwiegen?" Sie ertrug seinen anklaaenden Blick nicht. »Erich! Erich! Wenn Sie um meine Qualen wüßten — ich — ich traute mir selber nicht. Und jetzt — was wissen Sie? WaS haben Sie erfahren?" „Genua!" Er stand wieder fest auf seinen Füßen, seine Züge erschienen wie aus Stein gehauen; er blickle wieder starr vor sich hinaus ins Leere. Da trafen seine Augen auf Thekla'S von Angst und Schmerz durchwühlleS Gesicht. Die Harle», versteinerten Muskeln lösten sich, ein schwaches, unsäglich traurige« Lächeln umspielte seinen Mund. „So war ich ein dummer, blinder Thor, de» man be trog", sagte er. Ich glaubte, dem Teufel eine Beute ent reiße» zu können, die furchtbare Macht der Erbsünde zu brechen. Gott, o du gerechter, großer Gott! Wie sieben wir unwissende Menschen rathloS vor deiner Weisheit Pforten!" Tbekla'S Herz wallte heftig empor. Die Angst ihrer Seele löste sich, sie sah bewundernd aus den erhabenen Ausdruck, den sein ernstes Gesicht witcrspiegelte. Allmälig gewannen befreiende Gedanken in ihr die Oberhand. Es mußte jetzt Licht werden, er rannte nicht mehr blind in-sein Verderben, all' da« Heimliche mußte hervor, und — er ward frei! Cie war besten jetzt beinahe sicher, er ward frei! Es wollte sie wie ein Taumel erfassen, sie gedachte der Generalin, der schwer leidenden Eltern. — „Erich! Es ist noch nickt zu spät — Gott sei gelobt!" Die Worte rangen sich los wider ihren Willen. Er seufzte tief und langte nach seinem Hut. „Ich muß Lisa hören , murmelte er. Dann reichte er ihr die Hand und nickte stumm. Sie verstand, wie ihm zu Mulde war, und daß er jetzt nicht sprechen konnte. Er ging, und sie blieb allein in den leeren Räumen zurück, durch die e« wie ein Hauch des Tote« wehte. Ihr graute. Sie raffle ihre Handschuh« vom Tische, löschte daS Licht und verschloß die öde Wohnung, welche wohl umsonst geschmückt war für ein liebende- Paar. Lisa war langsam nnt schweren Gliedern dir vier Treppen hinausgeklommen, als Erich sie verlassen. Er wollte morgen kommen, er wollte sie fragen, was sie ihm verbarg. Ja, warum hatte sie ihm Alle- verborgen, war ihr Herz mil Eentncrlasten bedrückt und ihre Seele in einen Abgrund von Finsterniß und Elend gestürzt? Sie mußte es ihm noch sagen, «h« — sie saßt« an ihre Schläfe — es wirbelte da so — ebe sie ihm Treue schwur am Altar und als sein Weib in sein Hau« zog. Konnte sie denn einem Andern als Arthur Treue schworen? Sie war wahnsinnig gewesen, als sie das geglaubt. Oben war cS still und leer, die Mutter und Angela wieder fort. Sie suckle den Scklüsiel aus ihrer Tascke, sckloß auf und trat ei». Sie schlief jetzt allein in der Kammer, welche der Vater inne gehabt. Sein friedlicher Geist störte und quälte sie nicht, die Todten hatten Ruhe, nur die Lebenden — Da lag auf der allen Trübe, sorglich ausgebreitet, ein weißes lustige« Gewand, ihr Braulklcik, und darüber der Schleier. Sie schauderte — ihr graute vor der gespenstischen Weiße Erich batte de» Hochzeiissckmuck besorgt, wie er Alles besorgte, was sie bedurfte; was forderte ihr künftiger Gatte von ihr? Was mußte er fordern? Er war auch still und traurig und verändert — er war nickt glücklich — konnte sic irgend Jemand noch glücklich machen? Sie setzte sich, müde und schwer grübelnd, an« Fenster. Volgersen'S Anblick Halle sie so erschüttert. Er war der Plan», welcher »nt barter, erbarmungsloser Hand ihr Glück vernichtet. Ob Arthur wußte um das, was er getban? Ha! was war das? ein Brief? Alle« Blut schoß ihr plötzlich in da« Gesicht — ein Brief, mit dem Poststempel Rom und von Arthur - Hand. Die Wände drehten sich mil ihr im Kreise. Sie erbrach zitternd da- Couvert Sie starrte auf die Buchstaben, die vor ihren Augen tanzten, sie war zu Anfang »ichl im Stande, zu lesen, zu begreifen — eS war ja Alle« au« zwischen ihnen. — Das Blatt entsank ihrer Hand, Blässe des Todes überhauchte ibre Züge. Der Brief war ein Schmerzen»- und Zornesschrei. Sie halte ihn verralbcn, ihm die Treue gebrochen. Ihre Liebe batte nicht die Probe eine« einzigen kurzen Jahres bestanden, sie schrieb ihm den Scheidebrics, um einen Andern, einen Reicheren zu heiratben. Arthur hatte eS nicht glauben wollen, nicht ihren eigenen — von ihrer Hand selbst geschriebenen Worten — nicht dem Onkel, der cbm gemeldet: Lisa hat sich mil dem Doctor verlobt. Er hatte gerast, getobt — irgendwo Berrath, Tücke, Bosheit gewittert, bi« — er ruhiger geworden und erkannt: Treue giebt e« nicht in der Welt, und — der Apset fällt nicht weit vom Stamme. Sie schrie laut auf — rin wilder, uuartikulirter Laut ungeachtet der letzten Weisungen deö PapstcS, an den monar chistischen Bestrebungen festzubaltc». Mehrere Redner ver- urlbeillen ciilschietcn die Haltung des VaticanS. Der römische Corrcspontent des „Daily Chronicle", der in vaiieaiiische» Dinge» in der Regel gut unterrichtet ist, thcilt seinerseits mit, die Haltung des Grasen von Paris und seiner Anhänger werte den Papst von seiner Haltung nicht ab- b,i»gen. auch die Drohung der Monarchisten, sie würden sich nicht iiiebr am Pctcrspscniiig beibeiligcn, mache im Balican keinen Eindruck, da der etwaige Ausfall durch Amerika und Australien gedeckt würde Durch letztere Länder sei eS bereit- möglich geworden, in den letzten Jahren den Peterspsennig, der in Europa eine Abnahme erfahren habe, stets auf der gleichen Höhe zu halte». Im englischen Parlament bat bekanntlich da« Cabinet Salisbury einen Gesetzentwurf vorgclcgt, dessen Zweck ist, iu Irland eine Reibe von Reformen einzuführen, durch welche die ärgsten daselbst bcrrsckende» Mißbräuche beseitigt werden solle». Diese irische „Localverwaltuugsdill" genügt nun bei Weitem, wie der erste Tag der Verhandlung darüber gezeigt bat, den Irländern und den Liberalen nicht, weil diese einc weit größere Selbstsiäntigmachung Irlands im Form von Home Rnlc verlangen. Ta die Tage des Parlaments gezählt sind — nach einer von gestern aus London vor liegenden Meldung verlautet zuverlässig, daß in dem letzten Ministcrrath beschlossen worden sei, da« Parlament Ende Juni anfziilösen —, so liegt es aus der Hand, daß die Ver handlungen über die genannte Bill zu keinem praktischen Zweck führen, sonder» die diesbezüglichen Reden nur zum Fenster hinaus an die Wähler gehalten werden Ueber die gestrige Parlamentssitz»!^ meldet die „Voss. Ztg ": London, 20. Mai. Vei der Berathung der irischen Loral- verwaitungsbill siegle Sextv» an Liellc des durch Krankheit ver- hliidirten Führers der Aiilipariictlilen Justin Mac Earlhy den Antrag aus Berwersung der Vortage. Er behauptete in euicr lange», sehr heilige» Rede, die Maßregel erfülle nicht da« von der 'Regierung in der Thronrede geniachic Versprechen, daß auf Irland dieselben Grundsätze der Loeaiverwallung angewendet werden würbe», die in Großbritannien geite». Ten Vor>chiag, daß 200 öffentliche Körperschaften ganz und gar aus die Gnade zweier Stichler angeiviese» werden sollte», bezeichnet« er al« beispiellos und als eine Beleidigung des irischen Volke«. Der General» anwalt sür Irland veriheidigle di» Vorlage. Laboucher«' verlangte von Balsvur die Erklärung, ob die Regierung wirklich beabsichtige, der Vorlage in Liejer Tagung Gesetzeskraft zu geben. Herbert Gladstone erklärte, er würde gegen die Vorlage stimmen, weil sie schlecht und unzulänglich sei, die seierlichen Beriprechungen der Regierung nicht hinreichend ersülle. Nachdem noch mehrere Eonservative für, der Parnellit Blaue und der Aniiparnellit Web gegen die Vorlage gesprochen hatten, erfolgte gegen Mitter nacht die Vertagung der Debatte. Seit etwa einem Jahr sind in Rußland die Vorbe reitungen zur Anlegung eines Krieg-Hasen« in Libau im Gange. Diese Vorbereitungen sind nun so weit gediehen, daß gegen Ende Mai die feierliche Grundsteinlegung zu dem Hasen erfolge» soll. Bei dessen allgemeiner Bedeutung auch sü> Deutschland erscheint es zweckmäßig, auf die Vorgeschichte dieses Baues einen Blick zu werfen. Obschon e« langst in Deutschland lei» Geheimniß mehr war, daß man in aller Stille nördlich Libau die grundlegenden Vermessungen zu einem i» großem Stile angelegte» KricgShafen aussühre, fand man doch i» der russische» Presse davon noch kein Wort er wähnt Al« aber da und dort in deutschen Zeitungen dies bezügliche Nachrichten austaucktcn, begann die „Allgem. R. Corrcsp." ihre bekannte russopbile Ausgabe, indem sie in Form orientircndcr Mittbeilungen sich bemühte, diese Pläne in dcni harmlosesten Lichte von der Welt er scheinen zu lassen. Herr v. WischuegradSky halte damals jedenfalls berechtigten Grund zu dem Wunsche, daß der Rubel- — den Niemand hörte Doch — Angela hatte ihn gehört, sie kam gerade nack Hause. „Na — was ist denn nun wieder los? Da» klingt ja beinabe, als ob unser Seliger noch lebte. Hast Du daS Stöhnen und Schreien etwa von ihm geerbt?" Angela war sehr übler Laune jetzt im Allgemeinen. Es paßle ihr nicht, aus Dresden fort zu sollen, sie war bitter neidisch aus Lisa und baßte sie beinahe, seit diese sie so schlau und ängstlich von sich abwehrtr. „Eine hochmüthigc Kröte" nannte sie sie. Lisa sah aus wie eine Irrsinnige. DaS letzte furchtbare Wort in Arthur « Brief vernichtete sie. Sie hörte kaum, WaS Angela sagte. Angela biickle sich und hob da» Couvert auf, da zu Boden gefallen war. Sie sab den Poststempel und die auck ihr bekannten Schristzüge. „Ach so! Von dem —" sagte sie. „Ja. so gebt es, wenn man zwei Liebhaber bat Kommen sie einander in da« Gehege? Ich dachte, Du wärest von diesem da loS. Als es Ernst werben sollte, ging er ja' von dannen. Sie wollen Alle nicht — ick weiß lange, WaS da« bedeutet, meinst Du, daß ich cS nicht gespürt? Unsere Mutter hat lustig gelebt in ihren jungen Jahren — sie hat wenigstens etwas davon ge habt — aber wir — ich vor Allem. Halt Deinen Doctor fest, wenn ich Dir ratben kann —" in Angela regte sich bei Lisa« Anblick etwas wie menschliche« Erbarmen — „der ist ganz ungewöhnlich treu. Seine Eltern wollen auch nichts mehr von ihm wissen, seit Du seine Braut bist; seine Mutter ist krank, aber er darf nicht einmal zu ihr." Lisa hörte jetzt, was sie sprach. „Erich s Eltern —" wiederholte sie tonlos. „Seine Eltern, ja — die in ihm einen Halbgott gesehen. Hast Du denn das nicht gemerkt, daß er immer mit eioer Leichenbittermiene umberging? Ich mußte mitunter lachen, wenn ich mir dachte: das ist nun ein Bräutigam." „Angela!" „Na, wa« ist denn wieder? Da« stehst Du ja, daß er festhält trotz Allem. Er ist ja solch' rin wunderlicher Heiliger, der meint, wenn er einmal Ja gesagt hat, muß er dabei bleiben." Lisa war in ihren Stuhl zurückgesallen, sie wandte ihr Gesicht dem Fenster zu Da« jagte sich wild und bunt in ihrem Kopf. Sir war schlecht — rin« Berbrrcherin, wa-
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