Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001208025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-12
- Tag1900-12-08
- Monat1900-12
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS.Pret- i» der Haa-texpedilio« oder den im Stadt» bmtrk und den Vororten errichteten Aus gabestelle« abgeholt: vierteljährlich 4 50, oet zweimaliger täglicher Zustellung in- HauS ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland n. Oesterreich: vierteljährl. .Ä 6. Man abonairt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Hollnnd, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Douaustaateu, der Europäischen Türkei, Egnpteu. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese- Blatte- möglich. Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Rr-action und Expedition: JohanniSgasse 8. Filialen: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'- Sortim. Uawersitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. UcipMer TagM alt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratyes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Sonnabend den 8. December 1900. Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 8S Lj. Reklamen unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 H, vor den FamUieuuach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung».« und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^il 70.—. Ännahmelchlllk für Änzeigea: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 94. Jahrgang. Die Wirren in China. AuS der Leidensreit in Peking Aus einem zur Veröffentlichung in einer medicinischen Zeit schrift bestimmten Bericht Des der kaiserlichen Gesandt schaft in Peking beigegebencn Stabsarztes Or. Velde über Vie allgemeinen Gesundheitsverhältnisse, sowie über sie Thätigkeit und Beobachtungen in dem internationalen Hospital während der Belagerung der Gesandtschaften in Peking, "den wir schon kurz telegraphisch erwähnten, theilen wir Folgendes Mit: Da zu Beginn der Unruhen Niemand an die Möglichkeit einer zwei Monate währenden Belagerung gedacht hatte, war man mit Der Bereitstellung Der erforderlichen Nahrungsmittel nicht recht zeitig vorgegangen. Zwar gelang es noch in Den letzten Tagen, ein« größere Menge Weizen uttd Reis in Sicherheit zu bringen, doch mangelte es an Schlachtvieh und an Futter für die vorhan denen Thiere. Günstig war ferner der UmstanD, daß wegen der schlechten Verbindung Pekings viele Familien sich größere Vor- räthe an europäischen Lebensbedürfnissen und Conserven hielten, sowie daß sich «innerhalb der Vertheid'igungslinie zwei europäisch- Läden befanden, deren Bestände an Nahrungsmitteln sehr zu Statten kamen. Pferde und Maulthiere waren in ausreichender Menge vorhanden, und so erfolgte die Ernährung vorwiegend Durch Pferdefleisch, Reis und Brod. Milch und frische Gemüse fehlten vollständig, und Eier konnten erst in der zweiten Hälfte Der Belagerung in geringer Anzahl eingeschmuggelt werden. Die augenfällige Herabsetzung Des Körpergewichts, welche bei allen Belagerten eintrat, ist neben Der seelischen Erregung weniger aus Unzulänglichkeit Der Nahrungsstoffe, als auf den Mangel an Abwechselung in Den Speisen zurückzuführen. Für die Chinesen war schließlich Reis nur noch in Ausnahmefällen vorhanden; Dieselben erhielten in der letzten Woche täglich 50 Gramm Weizen, welchen sie grob geschrotet und mit Baumblättern vermischt zu harten Kuchen verarbeiteten. Biele lebten in Den letzten Tagen nur von einem Gemüse von Baumblältern; es waren Personen, welche unangemeldet in unserem Bezirk wohnen geblieoen waren und bis Dahm von Den Abfällen und Almosen ihrer Landsleute ihre Nahrung bereitet hatten. Am Ende Der Belagerung waren in Den Gesandtschaften noch Lebensmittel für etwa 14 Tage vor- räthig, während im Peitang im Augenblick des Entsatzes für 1000 Menschen noch ein Bestand von 50 Pfund Reis vorhanden war. — Der Gesundheitszustand bei den Belagerten war unter Berücksichtigung der Berbältnisse recht günstig; nur die Erkrankungen Der VerDaimngswerkzeuge erreichten eine nennens wertste Verbreitung. Der Mangel an frischer Kuhmilch und der Dadurch bedingte Wechsel in der Ernäbrung erwies sich für die Kinder unter zwei Jahren verhängnißvoll, da von ihnen der größt« Theil an schwerem Brechdurchfall erkrankte und die Hälfte (5) starb. Ruhr kam ungefähr 15 Mal vor, und zwar fast ausschließlich bei Den Matrosen einer bestimmten Nation, von welchen zwei starben. Hier hatte der Offic'ier, trotz erfolgter Warnung, den Mannschaften den Genuß schlecht schmeckenden Wassers aus einem verdächtigen Brunnen in ungekochtem Zu stande gestattet, „um dieselben Daran zu gewöhnen". An Unterleibstyphus litt zu Beginn der Belagerung eine Civilperson; auf nicht völlig aufgeklärte Weise erkrankten später zu verschiedenen Zeiten drei Mann Daran, welche wegen Ver- wundung«n in Behandlung waren. Alle genasen. Scharlachsieber, welches bei den Chinesen ziemlich häufig vorkam, wurde auf vier Europäer übertragen, welche sofort streng abgesondert wurden. Von Diesen starb ein Kind in der fünften Woche (nach Aushebung Der Belagerung) an Zellgewebs entzündung am Halse. Weitere übertragbare Krankheiten kamen nicht vor. Die Ge- sammtsterblichkeit an Krankheiten betrug 7, ooer, auf das Jahr berechnet, 42 «/oo- Nach Abzug Der Altersclasse unter zwei Jahren, welche 500«/oa Sterblichkeit auswies, bleibt kür die übrigen indessen nur eine Jahressterblichteit von 12", oo bestehen. Die ganze Ausstattung des Lazareths war natürlich im- provisirt. Betten und Wäsche wurden von allen Seiten bereit willigst in genügender Anzahl geliefert, so daß sämmtliche Ver- wundete auf Matratzen, wenn auch nicht in Bettstellen, ruhen konnten. Zur Verpflegung fanden die in den europäischen Läden vorhanden gewesenen Conserven in ausgedehnter Weise Verwendung. Die vorhandenen Hammel waren von Anfang an für Kranke arrfbewahrt worDen, so Daß im Hospital während d«r ganzen Belagerung zwei Mal wöchentlich Hammelfleisch gegeben werden konnte; an Den übrigen Tagen mußte Pferde- bezw- Maulthierfleisch verabfolgt werden. Aerztliche Instrument: und Arzneien waren aus meinen Be ständen und aus denjenigen der englischen Gesandtschaft in ge nügender Menge vorhanden; von Verbandstoffen dagegen reichten Watte und Gaze nur etwa fünf Wochen lang, da eine frische Sendung, welche ich für meine Poliklinik erwartete, nicht mehr rechtzeitig erntraf. Ich benutzt: daher Gazesäckchen, welche mit Torf und, als dieser zu Ende war. mit Sägemehl gefüllt und dann in strömendem Wasserdampf strrilisirt wurden. Dieselben erfüllten ihren Zweck vollkommen, solern es sich um Aursaugrn von WunvabsoNoerungen handelte, konnten aber zum Polstern keine Verwendung finden. Die Anwendung des Sägemebls war reinlicher als diejenige Des Torfs. Zum Polstern wurde ungereinigte rohe Baumwolle ohne Nachiheil angewendet. Gips stand leider nur in geringer Menge zur Verfügring, so daß wir öfter, als uns lieb war, zu allerhand improvisirten Lagerungs- vorrichtungen unsere Zuflucht nehmen mußten, welche indessen, wenn auch viel umständlicher, schließlich Doch zum Ziel: führten. Die Gesammtziffer der in das Hospital aufgenommenen Personen betrug 166: davon waren iodt einaeliefert 5; an Wund«n starben innerhalb 24 Stunden 13, nach längerer Zeit vier; schließlich gingen an Krankheiten (Ruhr) zu Grunde zwei, so daß die Zahl aller Gestorbenen 24 beträgt. Von Den Auf- genommenen litten an Wunden 126, an Krankheiten 40. Der Krieg in Südafrika. Tas englische Unterhaus gerbte gestern das Fell des boeriscben Bären, obwohl ihm »och nickt völlig der GarauS gemacht ist. Chamberlain, das Berbängniß der beiden Republiken, führte aus, das erste Ziel ter Negierung sei, den Kleinkrieg in Südafrika zum Ende zu bringen. Uebergebend auf die Frage der Niederbreunung der Farmen sagt Chamberlain, sowohl die Regierung als auch die englischen Generale seien darin einig, daß diese Bestrafungsart so sparsam als möglich anzuwendcn sei und bedauerten, daß Anlaß zu ihrer Anwendung vorhanden sei. Zn Bezug auf die gegen die englischen Soldaten erhobenen An klagen saat der Minister, die Soldaten seien in keinem einzigen Fall gereckter Weise einer Gewaltbat beschuldigt worden. Das zweite Ziel der Regierung sei die Errichtung einer Kroncolonie. Es sei Hoffnung vorhanden, daß binnen Kurzem, jedenfalls aber vor der nächsten Parlaments tagung, eine gewisse Civilverwaltung in Transvaal und im Oranjefreistaat eingerichtet sei. Sir Alfred Miln er werde zum Gouverneur beider Colonien bestimmt werden unter Beibehaltung seines Amtes als Ober-Commifsar. (Ein Mitglied der Liberalen unterbricht den Minister mit dem Zuruf: „Dann werden Sie Südafrika verlieren".) Chamberlain fuhr dann fort, die Negierung plane, einen stellvertretenden Gouverneur für die Oranje-Colonie zu er nenne». Beide, der Gouverneur und der stellvertretende Gouverneur, solle» durch einen Exec»tiv-Rath unterstützt werden. Indessen sei nickt geplant, daß die Verfassung der beiden Colonien nothwendiger Weise dieselbe sein müsse. Die Negierung lege den größten Werth auf die schleunige Schaffung von Gemeindeverwaltungen in Pretoria, Bloem fontein, Johannesburg und in anderen Orten. Diese Gemeindeverwaltungen würden alle Befugnisse erkalten, welche solchen Körperschaften gewöhnlich übertragen seien. Chamberlain schloß, unter diese» Umständen könne die Regierung versprechen, daß in ganz Südafrika das gleiche Recht und die gleiche Freiheit herrschen werde, aller dings keine tbatsächlicke politische Unabhängigkeit, aber eine Freiheit und eine Verfassung, welche schließlich zu der Selbstregierung führen werde, welche England daselbst eingesübrt zu sehen wünscht. Zu Bezug auf den Borschlag, daß die Regierung diese Absicht unter den Boeren verbreiten solle, sagt Chamberlain, dies sei bereits geschehen und man habe sich auch bereits mit Milner in Verbindung gesetzt wegen der Form einer Procla» mation, die in englischer und holländischer Sprache und im Transvaalkialcct veröffentlicht werden soll. Nichts werde von englischer Seite verabsäumt werden. England hege keine Nachegeiüble gegen die Männer, welche gegen dasselbe in Waffen gewesen, cS beklage sich nicht über die Art, in welcher sie den Krieg geführt hätten. Sie seien tapfere Feinde und würden als solche behandelt werden. (Beifall.) Asquith begrüßte diele Erklärung Chamberlain'S, die einen befrie digenden mockns vivoncii biete, der schließlich zu einer völligen Selbstregierung zu führen vermöge. Campbell B annerm a n schlug hierauf vor, den Zusatzantrag Emolt zurückzuziehen. Zm weiteren Verlaufe der Beratbung griff Healy befug die Politik ter Negierung an. Er erkläite, die Boeren hätten nichts zu verl-eren; wenn sie den Kampf fortsetzten, würden sie sich vielleicht fragen, ob eS nicht besser sei, eine Boerenleicke, als ein britischer Uutertban zu sein. Er fei den Boeren wohlgesinnt und wünsche ihnen Erfolg. Schließlich wurde der Zusatzantrag Emott zurück gezogen. Bon« Kriegsschauplätze. Lord Kitchener meldet auS Bloemfontein: Wie Patrouillen berichten, ist Dewet's Streitmacht von Oecndal Drift in östlicher oder nordöstlicher Richtung ab gegangen. General Knox verfolgt: sie und erbeutete ein Geschütz und einen Wagen mit Munition. — Die bei Dewetsdorp gefangen genommenen Engländer sind mit Ausnahme der Officiere wieder freigelassen worden, sie sind jedoch noch nicht hier eingetrosfe». — Macl donald ist abgcgangen, um Len Befehl in Aliwa- North zu übernehmen. — Während die Eng länder am 5. December in der Nähe der Borposten bei Belfast auf Ersuchen eines Felkcornets den Boeren unter rem Schutz: der Parlamentärsflagge einige Frauen aus lieferten, griffen lUO Maun vom Feinde den kleinen be rittenen Vorposten an. Dieser hielt in heißem Feuer aus, bis sie entsetzt wurden. Die Boeren stoben und ließen einen Todten zurück. Tie Engländer batten keine Verluste. Eine Patrouille berittener Znianterie stieß gestern in der Nähe von Tbabanchu auf eine Boerenabtbeilung, machte 7 Gefangene und erbeutete zehn Pferde; ein Boer wurde verwundet. Tic AufftandSgefahr im Caplande. Landau, 7. December. Der britische Obercommissar in Capstadt bat von der Londoner Regierung den bündigeu Befehl erhalten, sobald der Uebertritk eines Boerencommandos in das Gebiet der Capcolonie erfolgt und dort selbst auch nur die geringste Zahl Capbolländer zu den Waffen greift, sofort den Belagerungszustand über daöganzeCap- land zu verhängen und sämmtliche Zeitungen der Boerenpartei zu unterdrücken. politische Tagesschau. * Leipzig, 8. December. Während im Plenum des Reichstags gestern die Debatte über die Interpellation des Centrums wegen der Kohlea- theuerung ohne greifbares Resultat zu Ende geführt und der ungeschickte Versuch gemacht wurde, trotz der Abwesenheit des Reichskanzlers etwas über die Gründe der Fernbaltung des Präsidenten Krüger von der Reichshauptstadt zu erfahren, wurde in der Budgetcommission einer der kritischsten Puncle ver China-Vorlage erledigt: die Frage der „Indemnität". Es muß anerkannt werden, daß die Reichsregierung in dieser Frage den Wünschen der Volks vertretung, obgleich diese sich anfeckten ließen, ohne Zögern und ohne Hinterhalt entsprochen hat. Die Erklärung, die der Reichs kanzler Graf Bülow gestern in der Commiision abgab, muß alle, die nickt grundsätzlich die Cbina-Expedition bekämpfen, son dern nurstaatSrccktlickeBedenkengegendas Vorgehen der Reichs regierung, insbesondere auch binsicktlich ter Truppenorgani- salionen in Ostasien, geltend machen, befriedigen und dadurch die principiell: Opposition isoliren. Ter Reichskanzler bat nicht nur ausdrücklich für die Ausstellung der nach Ostasien entsandten, in der Reicksverfassung und den Reichsmilitär- gesetzen nicht vorgesehenen Truppenkörper, sowie für alle durch die Expedition nach China entstandenen, im Reichsbaus- balt nicht vorgesehenen Ausgaben Indemnität nachgesucht, sondern auch erklärt, eS könne keinem Zweifel unterliegen, daß die nach China entsandten Truppenkörper, für welche eine gesetzliche Basis nickt bestehe oder nicht geschaffen werde, aufzulösen seien, sobald sie ihre Mission in Cbma erfüllt haben werden. Ten ersten Tbeil dieser Erkläiunz bat die Budgetcommission gestern bereits in die Form einer Gesetzes bestimmung gekleidet, die fick eng an die vom Reichskanzler gewählten Worte ansckließt. Die Uebereinstimmung der Auf fassungen bei der Reichsregierung wie bei der Mehrheit der Volksvertretung wird auf diesem Wege in bester Weise zum Ausdrucke gekrackt. Der Inhalt des zweiten TbeileS der reickskanzleriscken Erklärung unterliegt noch der weiteren Erörterung; es kann aber kaum ein Zweifel daran be stehen, daß auch in dieser Beziehung allen Anforderungen Genüge geleistet wirb, welche vom staatsrechtlichen Stand punkte gestellt werden können, nachdem auch der Kriegsminister in der Commission erklärt hat, die Notbwendigkeit specieller Formationen für China habe sick nur aus der Rücksichtnahme aus die Erhaltung der vollen Schlagfertigkeit der Armee für den Mobilmackungsfall ergeben und die neuen Truppenkörper würden selbstverständlich nach Beendigung der Expedition wieder aufgelöst werten. Für den Fall, daß bas Bc- kürsniß einer längeren Aufrechterhaltung einzelner Truppen körper sich Herausstellen sollte, hat der Kriegsminister die Noth- wendigkeit einer gesetzlichen Regelung unumwunden anerkannt. Darnach besteht bei der ReickSrezierung wie bei der Armee verwaltung offensichtlich das Bestreben, ehrlich alle Bedenken Frttrlleto«. Lucie. Original-Roman von Ferd. Gruner. Nachdruck uerrol.ii. Der Angesprochene war durch das soeben Gehörte frappirt, obwohl er sich Mühe gab, dies zu verbergen. „Haben Sie das auch Alles richtig gehört?" fragte er von Eichentreu, der sich augenscheinlich etwas zugute that, eine Spur gefunden zu haben. „Ganz sicher, Wort für Wort!" „Dann werden Sie wohl dem Untersuchungsrichter hiervon Mittheilung machen müssen." „Wenn Sie es für nöthig halten. Es ist mir dies freilich recht peinlich, denn es könnte das schließlich anders aufgefaßt werden." „Gewiß nicht! Im klebrigen kann ich ja vr. Rosen selbst die Sache mittheilen. So ist wenigstens für Sie der äußere Schein gewahrt." „Ich wäre Ihnen wirklich sehr verbunden, wenn Sie es thäten", bemerkte lebhaft Eichentreu. vr. Bollant nickte leicht. „Ich werde es also besorgen. Doch glaube ich, daß dem Untersuchungsrichter dadurch keine zu große Ueberraschung erwachsen wird, denn er hat bereits über Herrn Horwart Zimmerarrest verhängt." „Richt möglich!" Eichentreu schnellte in die Höhe. Sein bleiches zerwühltes Gesicht war vor Aufregung fast entstellt. Die tiefliegenden Augen glühten in eigenthümlichem Feuer und der Mund war l>alb geöffnet, daß man hinter den farblosen Lippen die starken kräftigen Zähne weiß schimmern sah. „Nicht nur möglich, sondern leider wahr", sagte Oe. Bollant trnst und griff nach seinem Hute. Herr von Eichentreu warf die Cigarette weg und fuhr sich mit dem Taschentuch: über die feuchte Stirn. Er antwortete nicht, wiewohl das Dibriren der Nasenflügel verrietst, daß es in seinem Innern nicht ruhig sei. Erst nach einer Weile sagte er im Tone des Bedauerns: „Der halbtrunkcnc Bote scheint also mit einer gewissen Berechtigung das Unglaubliche behauptet zu haben." Der Arzt zuckte die Achseln. „Ich glaube trotz alledem nicht daran", sagte er bestimmt; „doch ich will vr- Rosen unverzüglich von Ihrer Mittheilung Kenntniß geben. Er wird jedenfalls den Malcher hierher bringen lassen, und man wird ja dann ersehen, was der Mensch weiß. Zur Aufklärung des geradezu mystischen Falles werden seins Aussagen doch etwas beitragen. Ich wünsche sehnlichst, daß das Nachspiel der entsetzlichen That, das noch trauriger zu werden scheint, baldigst geendet werde. Vielleicht warten Sie. Herr von Eichentreu, in meinem Zimmer, bis ich vr. Rosen diese Mittheilung gemacht habe, falls Sie es nicht vorziehen, Herrn Horwart, den Sie in seinem Zimmer finden werden, zu besuchen." „Mit Ihrer Erlaubniß bleibe ich hier", beeilte sich Herr von Eichentreu zu bemerken und ließ sich breitspurig auf ein Fauteuil nieder. vr. Bollant ging hinunter in das ehemalige Studirzimmer des Herrn Rawen und theilte Dr. Rosen kurz Eichentreu's Er zählung mit. Der Untersuchungsrichter entschloß sich sofort, den Malcher Franz vorzuladen, und ließ durch seinen Schreiber den alten Johann zu sich rufen. Er ertheilte ihm den Auftrag, sofort im Dorfe nach dem Einarmigen zu fahnden und ihn auf das Schloß zu bringen. Mit verdrossener Miene machte sich der alte Diener daran, den Befehl auszufllhren. Als er seinen Livreerock gegen einen anderen nmgetauscht hatte und das Haus verlassen wollte, rief ihm Lucie, die über die Stiegen herunterkam, die Frage zu, wohin er denn gehe. „Den Malcher Franz, den einarmigen Hallunken, toll ich aufsuchen; er wird wohl in einer Schenke im Dorf: herum lungern. Weiß Gott, was der Herr Untersuchungsrichter mit ihm will! Vielleicht gar einen Zeugen machen, der . . . Gnädiges Fräulein werden sich vielleicht noch erinnern, wie er vor fünf Jahren den Arm verlor und daß er seitdem einen kleinen Unterstützungsbeitrag von Herrn Rawen bezogen hat. Er war damals fuchsteufelswild auf den Herrn Max, weil der's gesehen und erklärt hat, daß der Liederjan nur deshalb in die Maschine kam, weil er betrunken war und nicht gewußt hat, was er that. Auf dessen Aussag' geb' ich kein' Pfifferling." „Aber wieso ist man denn plötzlich auf den Malcher ver fallen?" unterbrach Lucie den ärgerlichen Alten. „Kann's nicht sagen, gnädiges Fräulein. Der Herc vr. Bollant war bsim Untersuchungsrichter drinnen, als er mir den Befehl gab; aber ich meine gehört zu haben, daß sie den Namen des Herrn von Eichentreu genannt hätten." Ueber Lucie's hübsches Gesicht ging ein Zug des Widerwillen-. „Ach so, Herr von Eichentreu. Es ist gut. Gieb Dir Mühe, den Einarmigen rasch zu finden, vielleicht ist seine Mittheilung doch wichtig!" Der Alte verließ mit schweigendem Gruße das Haus, man sah es seinem Gesichte an, daß er die Meinung seiner Herrin nicht theilte. Elftes Capitel. Es mochte wohl eine Stunde verflossen sein, als der alte Diener mit dem Malcher Franz auf dem Hofe anlangte. Der ehemalige Knecht trug in seinem rotsten aufgedunsenen Gesichte deutlich die traurigen Spuren gewohnheitsmäßigen Uevergenusses des Alkohols. Ein borstiger zerzauster dunkler Vollbart verlieh ihm im Vereine mit den tiefliegenden entzündeten Augen ein keineswegs sympathisches Aeußere. Die schmutzige, abgetragene, theils zerrissene Kleidung trug hierzu auch in keiner Weise bei. Ein alter Strohhut mit halbabgetrennter Krempe saß ihm tief im Genick und ließ die Stirn mit den wirren schwarzen Haaren frei. Schwerfällig stützte er sich mit der Linken auf einen knorrigen dicken Ziegenhainer. Es war ihm augenscheinlich diese Eitirung nicht angenehm, denn mehrmals sah er sich nach der Seite um, als wollte er sich vergewissern, ob eine Flucht auch Erfolg hätte. Aber der alte Johann ließ ihn nicht aus den Augen. „Mach' keine Ä'schichten, Franz!" sagte er, als dieser stehen blieb, den Stock an seine Beine stützte und mit der einzigen Hand, die er besaß, die Pfeife sich aus dem Munde nahm, um sie in die Rocktasche zu stecken. „Hast ja genug laut im Dorfe herumgebrüllt, daß Du unfern jungen Herrn draußen am Brett grunde g'sehen hast; 's wird Dich daher Dein Gewissen wohl nicht drücken, wenn Du jetzt vor dem Herrn Untersuchungsrichter bekennen mußt, ob Du gelogen hast oder ob's wirtlich so war." „Na, gelogen hab' ich nicht, und genau so, wie ich's den Bauern im „Krebs" erzählt hab', werd' ich's auch dem Herrn vom Gericht sagen; ka Wört'l mehr oder weniger. — Aber mich fuxt'S, daß Du mich g'rad' so wie an Arrestanten her schleppst", brummt« er und schob sich den Hut noch tiefer in den Nacken. Der alte Diener sah ihn mit überlegenem Lächeln an. „Meinst vielleicht, daß ich das glaub'? Ich müßt' Dich nicht länger kennen! Nicht das Ehrg'fühl ist's, weshalb Du so muckisch bist, sondern weil Du nicht weißt, wie Du mit Deinen Lügen anstommen wirst vor dem Herrn Untersuchungsrichter." Der Einarmige blickte den Alten verschmitzt von der Seite an. „Ka.Wprt'l werd' ich's anders reden, hab' ich g'fagt, und so wird's auch sein. Daß 's Dir und manchem Anderen nicht recht wird sein, das glaub' ich schon. Aber Recht muß Recht bleiben!" Der Diener würdigte ihn keiner Erwiderung, denn sie waren mittlerweile im Vorhause angelangt. „Da hinein!" sagte er und wies ihm die Thür zu dem Zimmer des Untersuchungsrichters. Als Malcher Franz, denn doch ein wenig verschüchtert, zu zögern schien, schob er ihn mit kräftigem Rucke vor sich hinein. „Da bring' ich, Herr Untersuchungsrichter, den verlangten Malcher Franz", meldete er. „Gut, ich danke Ihnen, Sie können gehen", sagte der Criminalist freundlich. Der Diener entfernte sich. vr. Rosen erhob sich von seinem Sessel und unterzog den Einarmigen, der ihm nicht ins Gesicht zu schauen wagte, einer scharfen Musterung. „Den Hut herunter!" herrschte er ihn an. Mit einem Rucke ritz ihn Malcher herab. „Ihr Name?" begann dann vr. Rosen dar Verhör. „Franz Malcher." „Alter?" „Dreißig Jahre." „Geboren?" „Hier im Dorfe Langberg." „Beschäftigung?" „Ich mach' all'weil die Botengänge für die Laagberg« nach Bärenstein hinein und umgekehrt." Die Antworten erfolgten sehr exact. „Sie haben im hiesigen Gasthause „Zum Krebs" erklärt, daß Sie Genaueres über den an Herrn Rawen begangenen Mord wissen. Ist das wahr?" Di« grauen Augen drS Untersuchungsrichters hafteten un ablässig auf dem Gesichte deß Einarmigen. Nicht di« leiseste Bewegung in den Zügen konnte ihm entgehen. Ein paarmal zwar versucht« derselbe seine Augen frech gegen den Triminalisten zu erheben, aber die Lider senkten sich immer wieder bald. „Mit Lerlaub, Herr, das wollt' :ch g'rad nicht behaupten." „Also erzählen Sie mtr ausführlich Alles, wa» Tie wissen.' Aber bleiben Sie bei der Wahrheit, denn Sie werden dat, was Sie hier sagen, im Gerichtssaale wiederholen müssen, und eine schwere Strafe wartet Ihrer, wenn Sie eine falsche Aeußerung machen." Malcher Franz hielt den Kops gesenkt, nur die Aygeyltdir zuckten ein paarmal bei diesen Worten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite