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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 25.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-191008253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19100825
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19100825
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Anzeiger
- Jahr1910
- Monat1910-08
- Tag1910-08-25
- Monat1910-08
- Jahr1910
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 25.08.1910
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Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittewach, Htrchberg, Erwach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Hüttengrund rc. Der .Hohensteln-tlrnstthaler" Anzetg« erschetm »b Ausnahme der Sonn- uv^ Festtage täglich abends mit dem Datum de» folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bet freier Lieferung ins Kaus Mk 156. bei Abholung in car GOchöstssicüc Mb.l.Lb, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mb. 1.50. Glnzetnr Nummern tv Pfg. Bestellungen nehmen di« Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kastell. Pvhavstaßen und die Landbriesiruger entgegen. Als Eitra- betlage erhalten dte Abonnenten seden Sonntag da» .Illustriert« Konntagsblatt". — Anzrigengebllhr für die vgespaltene tiorpuszeilr oder deren Baum >2 Psg., sltr auswärts 15 Psg., im Rcklameieil die Jelle bv Psg. Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig tm .Oberlungwitzer Tageblatt' Aufnahme. 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Hunderte von fleißigen Händen waren in den letzten Tagen tätig gewesen, um die Ans- schmückuttgsarbeiten zu vollenden, woran die Behörden, die Bürgerschaft und die Kunstakademie sich in gleich umfassender Weise beteiligten. Das Kaiscrpanr, sowie Prinzeß Viktoria Luise und Prinz Oskar trafen mit Sünderzug nachmittags 5 Uhr 30 Min. auf dem Ostbahnhof ein, wo großer militärischer Empfang stattfand. Hierauf erfolgte der feierliche Einzug in die Stadt. Tie Investitur des deutschen Kronprinzen als Rektor Maguificentissimus der Königsber gec Universität hat ani Dienstag stattgesundcn. Der Kronprinz hielt eine Rede, in der er die Wissenschaft zur Fortbildung der nationalen Eigentümlichkeiten des deutschen Volkes aus- rief. Die Investitur erfolgte in feierlicher Ze- renjfonie. Nach der Proklamation zum Rek tor Magnificentissimus wurde der Kronprinz, der in der Uniform der Pasewalker Kürassiere erschienen war, mit dem schwarzsamtnen Man tcl mit Purpurkragcn und dem roten Barett geschmückt. In seiner Rede führte der Kron Prinz n. a. aus: „Die Wissenschaft muß die Wege weisen, auf denen unser deutsches Zoll wandeln soll, um die Stellung unter den Völ kern cinzunehmen, die ihm nach seiner Beran lagung zukvmml. Dabei ist nicht allein da mit gedient. , die Schwächen und Mängel un sercs Landes zu kennen, denn diese Erkennt nis führt leicht zu Verdrossenheit und unfrucht barer Kritik, vielmehr sehnen wir uns nach Betonung unseres deutsch-nationalen Volks- inms im Gegensatz zu den internationalisieren den Bestrebungen, welche unsere gesunde völ kische Eigenart zu verwischen drohen." Der Kronprinz schloß mit einem dreifachen Hoch auf die Alma mater Albertina. Tas goldene Vließ für den Großherzog von Hessen. Ain Dienstag mittag wurde, wie ans Darmstadt gemeldet wird, dem Großherzog von Hessen im Residenzschlosse der ihm vom König von Spanien verliehene Orden vom Goldenen Vließ durch den Prinzen Ferdinand von Bayern, Infante» von Spanien, feierlich überreicht. Nach der Audienz fand im Resi- dcnzschlosse Galatafel statt. Neber das Befinden -er Großherzogin von Oldenburg, die bekanntlich vor längerer Zeit an einem Gemütsleiden erkrankte, wird jetzt amtlich be kanntgegebcn: Die Großherzogin verläßt am 31. August das Sanatorium Hohemark im Taunus, in dem sie längere Zeit zur Wieder herstellung ihrer Gesundheit weilte, nach gutem Erfolge der Kur und bei bestem Befinden. Nach kurzem Besuch bei den Fiirstlich-Schön- burgschen Verwandten wird die Großherzogin Elisabeth für einige Zeit im Schloß Raben steinfeld bei Schwerin Wohnung nehmen. Zum Empfange der Zarcnfamilie wehen in Friedberg Girlanden und Fahnen, Ehrenpforten erheben sich mit den Initialen des kaiserlichen Gastes, Kriminalbeamte aller Herren Länder sind in eifrigster Tätigkeit, rin großer Teil der gesamten Schutzmannschast des, Gcoß- hcrzvgtums Hessen ist in Wolfsgartcn bezw. in Friedberg postiert, und doch weiß niemand im Publikum, wann die hohen Gäste aus Rußland ciiitreffcn werden. Daß so unersreiüichc Sicher heitsmaßnahmen zum Schutze der Zarensamilie für notwendig gehalten werden, ist in hohem Maße bedauerlich. Es ist auch gnruicht abzu sehen, wann und wie das einmal besser wer denEsollj Ter Katholikentag in Augsburgs hat sich mit der Borromäus Enzyklika des Papstes beschäftigt und einhellig den Ausfüh rungen seines Präsidenten, des Rcichstagsab geordneten Marx, zugeslimmt, in denen erklärt wird, für die Katholiken sei die Sache eile digt, die von den Protestanten mißdeutet und entstellt worden sei. In der Enzyklika, so sagte der Redner, sind Urteile über Verhält nisje aus der Zeit des heiligen Borromäus ausgesprochen, die eine Anwendung auf die Gegenwart ausschlicßen. Ohne Rücksicht aus diesen Umstand hat man den Wortlaut des Rundschreibens bei der Nebcrsctzung aus dem Lateinifchen teils durch Mißdeutung, teils durch Entstellung verschärft und eine absichtliche Beleidigung Andersgläubiger nachzuwcisen vcr sucht. Jene Kreise schüren noch immer weiter, um den konfessionellen Frieden zu stören. Die Katholiken wollen aber mit ihren evangeli schen Mitbürgern in Frieden und Eintracht leben. Der Katholizismus Deutschlands kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn seine Parole „Richtung Nom" und sein Feldgeschrei „Mit Gott für König und Vaterland!" lautet. Dop Pelt ultramontan muß er sein: Jenseits der Berge dem heiligen Pater, als dem von Gott gegebenen Oberhaupt in kirchlichen Dingen in Liebe und Treue anhängen, und auf der an dern Seite dem herrlichen deutschen Kaiser, dem von Gott die Gewalt in irdischen Dingen gegeben ist. Die Katholiken wollen den Frie den; aber die Zeiten sind vorbei, da sie nur mit Friedensworten ihre Lage erträglich ma chcn können. Der katholische Mann muß hin aus, um sein Recht zu fordern und zu vertre ten, nicht mit Gewalt, sondern auf legalem Wege. Redner schloß mit den herzlichsten Grüßen an die verbannten Jesuiten. Nach ihm sprach der österreichische Ackerbauminister Ebenhoch über katholische Weltanschauung. Schon die katholische Lehre von dem göttli chen llrspkung Vrr StacrkStzeirmtt, Zo sagte er, wird die Katholischen antreiben, ihr Bestes siir das Wohl des Volkes einzusetzen. Der Ka tholik wird auch alles unterlassen, was gegen die sittlichen Gesetze verstößt. Endlich kann auch nur durch die katholische Weltanschauung die Sehnsucht der Völker nach dem Weltfric den erfüllt werden. Zum Schluß verlas der Präsident das Danktelegramm des Papstes auf die Huldigung des Katholikentages, dem mit dem Telegramme der apostolische Segen gc spendet wurde. Im Anschluß an die Haupt Veranstaltung fand eine Generalversammlung des Volksvcrcins für das katholische Deutsch laud statt. Es wurde darin festgestellt, daß die Mitglicderzahl des Volksvercins um 27 769 auf 552 645 Mitglieder augewachscn ist. Im Rheinland fiel die Mitglicderzahl um 5000, dafür erhöhte sie sich umsomehr in Bayern. In einem Vortrage wandte sich der Rcichstagsabgeordnete Gröber gegen die So zialdemokratic, die in der Sozialpolitik nichts geleistet habe. Sic suche aus einer Arbeiter Partei eine WcllanschauungSpartei zu werden. Der Liberalismus vermöge auf eigenen Füßen überhaupt nicht mehr zu stehen, und müsse da her der blutigrotcn Sozialdemokratie Gcfolg säurst leisten. Dem gegenüber habe das ka tholische Volk die Aufgabe, für das Christen tum zu kämpfen. — Die Vorträge der zwei ten öffentlichen Versammlung des Katholiken tages galten ausschließlich Missionssragen, die auch vor zwei Jahren in Breslau eine her vorragende Rolle gespielt hatten. Zum Schluß der Versammlung wurde die Antwort des Kaisers auf das Huldigungs-Telegramm des Katholikentages verlesen. Die Antwort lau- tete: „Ich spreche den dort versammelten deut schen Katholiken für das freundliche Gedenken und die Versicherung ihrer Ergebenheit mei nen Dank aus." Zu der Spionage-Affäre in Borlum. Wie aus Emden gemeldet wird, bestätigt cs sich, daß auf Borkum ein junger Englän der unter dem Verdacht der Spionage verhaf tet und in das Emdener Gerichtsgefängnis eingelicfcrt wurde. Er war vom Posten beob achtet worden, wie er mit Blitzlicht nächtliche Aufnahmen der Festungsanlagcn machte. Ferner schreibt die „Emdener Zeitung": Wie wir vernehmen, wurde auch ein Freund des wegen Spionageverdachtes verhafteten Engländers Brendon, namens Trench, hier fellgeuommeu, nachdem er in Borkum nach Durchsicht seiner Papiere und Effekten freige- lasfeu worden war. Näheres über die Vor untersuchung ist noch nicht bekannt geworden. Das Handwerk und die ReichSverjichernngs- ordnnng. Der Bund deutscher Zimmcrmeistcr, der in Freiburg (Breisgau) zur 7. Generalversammlung zusannucugetreten ist, hat eine Resolution ange nommen, die den Entwurf der Rcichsversichc- rnngsordnung ablehnt, „da er dem Handwerk über seine Leistungsfähigkeit weit hiuausgehende Lasten auferlcgt und keine Vereinfachung und Verbilligung der Arbeitervcrsichcrung mit sich bringt." Ter Taatenstand im Reiche. Der amtliche Bericht über den Saalcnstand im deutschen Reiche um die Mitte des Monats August hat ernste Sorge hervorgerufen. Der Stand der Kartoffeln bleibt mit 2,8 (2 bedcn del gut, 3 mittel) um 2 Dezimalen hinter dem zehnjährigen Durchschnitt zurück, der durch die große Mißernte des Jahre 1901, sür welches die Kartoffelnote 3,1 lautete, hcrabgedrückt ist. Es ist sogar zu befürchten, daß das endgül- Lehrjahre. Roman von Emmv v. Borgstedt. sss (Nachdruck verboten.) Die feine, schmale Hand Fräulein Mainaus strich sanft, wie mitleidig über das lies gelenkte, blonde Haupt, ihre Stimme jeooch verriet nichts von innerer Bewegung, als sie erwiderte: „Und was würde aus meinen Schülerinnen? Ich hätte, oben gestanden, den ganzen Tag keine Ruhe, wenn ich meine Pflicht ohne zwingenden Grund versäumt Hütte." „Ach, wer doch so sein könnte, wie Du!" — Dann begleitete Reine die Freundin bis ans den Flur und schloß tief aufscufzend die Thür hinter ihr. Wie von plötzlicher Schwäche übermannt, stand sie geraume Zeit nüt an die Wand gelehntem Haupt und gefalictcn .Händen. Jetzt rill Kurti aufs Feld und ans dem Gms- hos herrschte reges Leben. Sogar der Gedanke an den alten Heymann schien ihr erträglich. Eine wahre Herzensangst erfaßte sie nach dem Grün der Wiesen, des Parkes, nach den Bäumen in Wald und Garten, nach den Vögeln, deren Gesang sie sonst oft gestört haue. Hier war alles, alles kalt und tot. nur ein steinernes Meer steifer Häuser gähnte ihr entgegen. Keine Seele außer Irenen in der ganzen., großen Stadt, die nach ihr fragte, die sie vermissen würde! Ach. Kurti, Kurti! Wie gut. zärtlich und nachgiebig «r von Anfang an tyar. Vielleicht hat er garnicht einmal etwas Un gerechtfertigtes von ihr verlangt, wie Thea auch damals wiederholt gemeint hatte! Irene war viel klüger und tausendmal besser als die Fürstin und scheute sich vor keiner häuslichen Arvcit. und alle verehrten sic sehr. Kuni auch. Pa war sie schon wieder mit ihren Gedanken bei ihm, den sie doch ansgcgcbeu und verlassen Halle. Ob cr wohl einmal leidenschaftlich, schntuchüg an sie gedacht batte, wie sie an ihn? Ob n ne dock tvokl wieder haben möchte, trotz aller ihrer Fehler und ihrer llnvegmmll? Reine warf sich mit halbem Leibe über Bett und schluchzte verzweiflnugsvoll. Ob sie an Onkel Wolf schrieb und ibn um Verzeihung und Ver mittlung bat? Sie wußte nicht einmal seine nähere Adresse und der Vater ihres Mannes, der ihr stets ab geneigt war, durfte von der ganzen Angelegenheit nichts erfahren. Nein, nein, sie müßte «ich totschämen! In der Nacht, als Irene schon längst von bitter lichem Schluchzen erweckt worden war, fühlte sie plötzlich ihre Hana von einer glühendheißen ergriffen, und eine halberstickte Stimme flüsterte: „Ach, Irene — ich glaube, ich sterbe." „Reine, mein armes, liebes Kind", — Fräulein Mainau war plötzlich ganz Güte nno Erbarmen. Sie erhob sich, sie half der jungen Frau sich uicderlcgen uud setzte sich neben sie. „Was hast Tu, Reine? Hast Du Schmerzen? Sage mir alles, damit ich weiß, wie ich Dir Helsen kann." „Weh tbnl mir eigentlich nichts. Nur mein Kopf nach dem vielen Weinen, aber —" „Aber? Reine —", fragte sanft Fräulein Mainau uud senkte die Stirn auf das blonde Haupt. Ta schlangen sich zwei Arme um ihren Nacken, und die junge Fran flüsterte an ihrem Ohr: ..Aber Irene, ich habe solche furchtbare Sehnsucht nach Knrti »nd wenn ich ihn uickn wicderschc, m. ß ich sterben, und Du sagst ja, er kann sich niemals wieder mit mir vertragen, weil ich zu abscheulich gewesen bin." „Meine arme, kleine Reine!" „Nun kann ick ihn vor meinem Tode nicht noch einmal sehen und ihn nm Verzeihung bitten! Niemals wird er wieder lieb und zärtlich zu mir seiu „Du mußt Dich nicht mit solchen Dingen anälcn, Reine, Du hättest mit dem Grafen gewiß eine sehr glückliche Ehe geführt, wenn er nicht ohne Vermögen wäre. Auch das Leben in Lindenhof jagte Dir nicht zu. Wenn Tei» Mann Offizier geblieben wäre, hätten Du ganz andere Lebensbedingnngcn kennen gelernt. Es bat eben alles so kommen sollen!" „Irene, verspreche mir eins, wenn ich tot bin, sagst Du Kurti alles, alles! Daß ich immer gehofft habe, er würde kommen oder schreiben und wie schrecklich un glücklich ich ohne ihn gewesen bin." Um Fränlein Mainaus Lippen zog ein Lächeln, aber die Gräfin gewahrte es nicht. Ihr Jammer, ihre Sehnsucht erstickten sie fast. Sonst hatte die kluge und gille Irene stets einen Rat gewußt, warum nur jetzt, mir jetzt nicht? Aber freilich, sie ahnte nicht, wie gut man icmaud sein, wie nian ihn vermissen kann. „Weißt Du was, liebe Reine", sagte Fräulein Mainau am andern Tage zu ihrem jungen Gast, „wie wäre es, wenn wir heute am Sonnabend einen kleinen Ansslug machten? Die Zerstreuung würde uns beiden gntthun und am Sonntag abend sind wir wieder zurück." Reine weigerte sich anfangs, aber endlich stimmte sie zu. Irene schien sich auf die Fahrt zn freuen, da >var es wohl ihre Pflicht, nachzugebc», trotzdem sic leinen Menschen scheu mochte, schon aus Furcht, irgend einem Bekannten zn begegnen. Scheu wich sie auf dem Bahn hof jedem einigermaßen anständig ausschenden Menschen aus, solange Irene die Fahrkarten besorgte und atmete ans, als sie endlich im Convee saßen. „Wohin fahren wir eigentlich?" fragte Reine plötzlich, als mindestens zwei Stunden vergangen waren, und Irene noch immer nicht ans Ansstcigen dachte. „Das wirst Du sogleich erfahren, mein Herz." „Liebe Irene, Du führst mich doch nicht zu Be kannten von Dir? Verzeihe, ich kann in meiner jetzigen Stimmung mit keinem Menschen sprechen." „Beruhige Dich, Reine, Du sollst von Fremden unbehelligt bleiben." Als der Zug wieder hielt, berührte Irene sanft der Gräfin Arm. „Komm, Reine, laß »ns ansstcigen." Tie junge Fran iah auf und oer Freundin ins Antlitz. Aus den schönen Zügen Fränlein Mainaus und in ihren dunklen Augen lag ein so icllsamer, weicher Schimmer, ihre Hano umfing so fest und zärtlich Reines Rechte. „Irene, wohin führst Du mich?!" — Es klang wie ein Aufschrei. — „Gott im Himmel, das ist ja unsere Station!" — Einer Ohnmacht nabe, sank Reine an die Brust der Freundin, die sie innig umfangen hielt. Lange, lange blieb die sonst so gleichmütige Reine fassungslos. Sie war nicht imstande, sich zn bewegen, es schien ihr wie ein Traum. Diese schlichten, einst jo mißachteten Gebäude düukten ihr herrlicher, als die stolzesten Paläste. Endlich löste sich das Ilebermaß ihrer Empfindungen in einem Strom heißer Thronen. Auch das ließ Irene ruhig über sich ergeben, dann sagte sie weich: „Wir find noch nicht am Ende unserer Reise, mein Herz, sei jetzt stark, bis wir am Ziel sind." „Liebe, liebe Irene, bringst Tu mich nach Lindenhof ?" „Ja, Reine, und dvrt wird es Deine Ausgabe sein, gut zu machen, was Du verschuldet, und durch ein Leben selbstloser Liebe Dir das Glück zu erringe», dessen Du jetzt würdig bist." „Und wenn Kurti mir nicht verzeiht —" „Daran denke jetzt nicht, sondern hoffe." Graf Lindberg war nicht im Schloß. Er war in seinem Arbeitszimmer, welches er sich nicht weit von Henmanns Wohnung eingerichtet batte. Die beiden Damen begaben sich dorthin. Irene legte die Hand auf die Klinke, die Thür gab nicht nach. Sic ließ Reine zurück in dem dämmerigen Gang und warf einen Blick durch die schlecht schließenden Läden vor den Fenstern, um zu sehen, ob Kurt nicht anwesend ist. Was sie er blickte, ließ sie bis ins innerste Mark erschauern. Der junge Graf saß zusammenacfnuken vor dem schlichten Schreibtisch, sie konnte sei» Gesicht nicht sehen, aber seine ganze Haltung sprach deutlich genug von einer grenzenlosen Verzweiflung und vor ihm das Helle, Funkelnde — Irene Mainau besiegte die sie an wandelnde Schwäche mit jenem Heldenmut, der ihr zur zweiten Natur geworden war und eilte in die Wohnung Heymanns. (Fortsetzung s stgt.)
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