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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.06.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070612027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-12
- Monat1907-06
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Bezuqs.PreiS kür Leipzig und Bororte durch unsere Träg« und Spediteure in« HauS gebracht: Aus gabe ü (nur morgens) vierteljährlich 3 M., mouatlich 1 M.: Ausgabe U (morgens und abendS) vierteliährlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich I M. auSschl. Poslbrslellgeld, für Oesierreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 k. Abounement-Annahwe: Augustnsplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet IO Psg. Redaktion und Expedition: Iohannisgasse 8. Teleph. Nr. 14692, Nr. 14693^ Nr. 14694. Berliner Redaktions-Bureau: Berlin 7, Prinz Louis Ferdiuaud- Straße 1. Telephon I. Nr. 9275. Abend-Ausgabe 8. UchMr TaMatl Handelszeitung. Ämtsölatt -es Males und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. A»Heiqe«oP«iS für Inserate aus Leipzig u. llmgebuua di» 6 gespaltene Petitzeite 25 Pf„ finanzielle rlu- zeigen 30 Pf* Reklamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen I M-j vom Ausland 50 Pf., finanz. Anzeigen75Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40Ps. Beilagegebühr 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. GejchäftSanzeigen an bevoMrgter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an deirimmtea Tagen nud Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguftuSPlatz 8, bei sLntlichrn Filialen n. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: TarlD unck« r.HerzghBayrHosbuchhaadlg, Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4603). Nr. 161 Mittwoch 12. Juni 1907. 161. Jahrgang. Das Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Depeschen stehen auf der 3. SeUe des HauptblatteS^ Zur Herkomerfahrt. DK Königliche Amtshauptmannschaft Leipzig übersendet uns mit dem Ersuchen um Auf nahme nachstehende Zuschrift: Nach Berliner Blättern will die Oberleitung der Herkomerfahrt die am Nachmittag des ersten Tages ein getretenen Unglücksfälle auf die Anordnung des Amts hauptmanns in Leipzig zurückführen, wonach die Weiter fahrt vom Leipziger Palmengarten aus erst um 1 Uhr zugelassen wurde. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, datz nach den eigenen Angaben des Kaiserlichen Auto mobilklubs, die den Polizeibehörden vom Königlichen Ministerium des Jnnedn übermittelt worden sind, das Gros der Fahrtteilnehmer die über 26 Kilometer von Leipzig entfernte Landesgrenze mit Aldenburg etwa um 12 Uhr, die Sdadtgrenze bei Probstheida um 12°K Uhr, den Palmengarten um 1!4 Uhr und die sächfisch- preuhi'chc Landesgrenze westlich Markranstädt um 2 Uhr passieren sollte. Dementsprechend waren von der König lichen Amtshauptmannschaft wie von dem Polizeiamt in Leipzig alle Anordnungen dahin getroffen worden, das; zu der vom Automobilklub angegebenen Zeit die Stratzenstrecke von Espenhain (Amtshauptmannschaft Borna) bis an die Landesgrenze von allem gefährdenden Verkehr freigehalten wenden konnte. Wenn nun das Automobil der Oberleitung, dem sich das Gros der übrigen Teilnahmen eng anschloß, schon vor IlMhrLeipziq erreichte und sogar der Lchlustwagen schon um Al Ubr dort eintraf, so ist das lediglich ein Beweis, daß die angebliche Zuverlässigkeitsfahrt, die auch nur als solche genehmigt war, in eine Wettfahrt ausgeartet ist, bei der in der Stunde anstatt 36 Kilometer, wie in Aussicht gestellt, deren 50—60, wenn nicht bedeutend mehr, zurück gelegt worden sind. Nur dem Umstairdc, daß die Gen darmerie stundenlang vor der befohlenen Sperrungszeit auf ihrem Posten war, ist es zu danken, daß aus der Strecke Espenhain—Leipzig ein Unfall nicht vor gekommen ist. Um so bedauerlicher war es, daß die Beamten bei Ausübung ihres Dienstes dem ganz be rechtigten Einwande des gefährdeten Publikums be- aegneten, die Stunde, für die die Sperrung angeordnet war, habe noch nicht geschlagen. Sollteil nicht alle fiir die Strecke Leipzig—Eisenach im Interesse der Allge meinheit wie der Fahrtterlnehmer getroffenen Siche- rungsmaßnahman vollkommen umsonst sein, so mußte 'unbedingt dafür gesorgt werden, daß die Wüter fahrt von Leipzig nicht wesentlich früher begann, als der Kaiserliche Automobilklub selbst angenommen hatte. Dieser Aufgabe unterzog sich auf das Ersuchen dos Amts hauptmanns das Polrzeiamt in Leipzig in bereit- nülligster und dankenswertester Weise. Ter Kaiser in Hannover. Der Kaiser ist heute früh 6»/^ Uhr hier eiugetroffen. Am Bahnhofe und in den zum Schlosse führenden Straßen hatte sich eine zahlreiche Menschenmenge eingefunden, die den in offenem Automobil zum Schlosse fahrenden Monarchen leb haft begrüßte. Eine Berichtigung. Wir hatten heute morgen mstgeteilt, daß der Zar das Bahnprojekt Alaska—Sibirien genehmigt habe. Jetzt teilt das Wolfsche Bureau mit, daß in der älteren Depesche, auf welche sich unsere Notiz bezog, ein Telegraphier fehler stehe: Der Zar habe die Konzession an die ameri kanische Gesellschaft verweigert. Solche Mutwilligkeiten des Telegraphenteufels erleichtern nun allerdings die jour nalistische Berichterstattung ungemein. Zur Konferenz. Das römische Blatt „Capitcrle" berichtet, daß Italien auf der Haager Konferenz die Initiative ergreifen werde, das schiedsgerichtliche Verfahren auch auf die Garantien des Privateigentums und die KriegSkontrebande auszudehnen. England, Deutschland und Oesterreich ständen dem sympathisch gegenüber. Die Ausgleichsfrage. Tic „Neue Freie Presse" meldet: Die Ausgleichsver bandlungen in Pest haben zwar in den Details manche An näherung gebracht. Das Zustandekommen eines Ausgleiches scheint aber bis auf weiteres ausgeschlossen. Der Plan, die Delegationen für den September einzuberufen, ist auf gegeben. Die Delegationen werden vielmehr erst in den letzten Wochen dieses Jahres zusammentreten. — Weiter wird gemeldet: Llachdem schon der ftimmungslose Verlauf der Jubiläumsfeierlichkeit und der vorzeitige Abbruch des Pester Aufenthaltes des Monarchen die politische Situation als sehr bedenklich haben erscheinen lassen, verbreitete sich abends in ersten politischen Kreisen die Nachricht, daß eine Krisis bevorstehe. Gestern nachmittag wurden Graf Apponpi und Gras Andrassy vom Kaiser empfangen. Graf Andrassv soll für den Fall, daß die Verfassungsgarantien nicht bewilligt würden, seine Demission ongebatcn haben. Abends sand ein Ministerrat zur Beratung der Lage statt. Das Kabinett soll die Situation für sehr ernst halten, ohne jedoch die Hoffnung auf eine Hinausschiebung der Krise auf gegeben zu haben. — Die Sozialdemokraten sind gegen die ungarische Regierung aufs äußerste erbittert, nachdem Graf Andrassv die Gewerkschaft der Maurer Kind einen großen Bauernverein aufgelöst hat. Amerika und Japan. Die amerikanische Regierung beabsichtigt, mit größtem Nachdruck die neuen Verfügungen über dre Einwanderung anzuwenden und der japanischen Einwanderung auf dem Umwege über Kanada und Mexiko entschiedenen Widerstand entgegenzusetzen. — Nach einer Meldung des Washingtoner Korrespondenten der „Evening Post" soll sich der japanische Botschafter Vicomte Aoki damit einverstanden erklärt haben, daß die bei den Ausläufen in San Francisco verletzten Japaner die Stadt wegen Schadenersatzes gerichtlich be langen. Im Staatsdepartement und auf der japanischen Botschaft erklärt man, demselben Blatte zufolge, daß rwischen den Regierungen von Japan und den Vereinigten Staaten ein vollkommenes Einverständnis herrsche, das durch die Veröffentlichung von sensationellen und hetzenden Mit teilungen nur gestört werden könne. Ter Kriegszustand in Zentral-Amerika dauert noch fort. Der Präsident von Salvador hat dem Gesandten in Mexiko telegraphisch mitgcteilt, daß^Nicara- guaner mit Unterstützung von Revolutionären von Salvador mit einem Kanonenboot die Stadt Acajutla bombardiert und dann besetzt hätten. Tie Zukunst der „vereinigten Schauspielhäuser" in Leipzig. Der Direktor der »vereinigten Schauspielhäuser iu Leipzig", Herr Anton Hartmann, schreibt uns folgendes: Infolge falscher Gerüchte, die auch sogar schon Eingang in einige auswärtige Blatter gefunden haben, bitte ich Höst., von folgender Erklärung Notiz nehmen zu wollen: Es ist nicht wahr, daß ich die Direktion de« Schauspiel hauses oder die des Neuen Operetten - Theaters nieder lege. Ich habe in beiden Theatern noch Vertrag bis 19l2 und 1913. Wahr ist einzig und allein, daß mit Herrn Direktor Haller Verhandlungen stattfinden, welche bezwecken, Herrn Haller als artistischen Leiter und Oberregiffeur des Neuen Operetten - Theaters zu gewinnen, weil beide Theater streng getrennt geführt werden und meine persönliche Tätigkeit mich in erster Linie ans Schauspielhaus bindet. Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier schon mitgeteilt, daß während der Winterspielzeit in erster Linie Operetten gegeben werden. Falls obenerwähnte Verbaudluugeu zu einem befriedigenden Resultat führen sollten, werde ich mir erlauben, Ihnen eine diesbezügliche Nachricht zugehen zu lassen. politisches. Schlsfahrtsabgaben und Börsenresorm. Die Versammlung, welche der Liberale Verein zu Leipzig zu gestern abend nach den Zentraltheatersölen ein- berusen hatte, wäre angesichts des aktuellen Lortragsthemas sicher besser besucht gewesen, wenn sie einige Monate früher veranstaltef worden wäre. So kam es, daß eine verhältnis mäßig geringe Zahl von Zuhörern sich eingesunken hatte, um den sehr interessanten Ausführungen des Redners, Dr. B^eit scheid aus Berlin, zu folgen. Dieser sprach über „Schisfahrtsabgaben und Börstnrcsorm", zwei Fragen, deren Lösung er als die wichtigste Aufgabe liberaler Wirt schaftspolitik bezeichnete. Dem bedeutsamen politischen Um schwung seit dem Jahre 1879 seien, so meinte der Redner, der Bundesrat und auch der Reichstag nicht gefolgt, uud auch heute noch fehle dem letzteren eine Mehrheit für liberale wirtschaftspolitische Probleme. So zeigten die neuen Han- delsverträge, die Rcichsfinanzresorm und andere Maß nahmen der Regierung in ihrer Tendenz eine Rückschrittlich keit, wie sie nur inner dem Einfluß einer agrarisch-realtto- närcn Reichstogsinehrheit zustande kommen konnte. Die gegenwärtige blühende Konjunktur im Wirtschaftsleben habe sich keineswegs entwickelt infolge der Handelsverträge und des neuen Zolltarifs, sondern trotz ihres Inkrafttretens. Wenn jetzt ein Umschlag eintrele — und Anzeichen dafür seien bereits vorhanden — dann würden sich die Folgen jener agrarischen Zollpolitik bald nachteilig fühlbar machen. Nun sei ja zwar die nationalliberale Partei um eiuige Grade verjüngt in den neuen Reichstag eiugezoven, uud es frage sich nur, ob die „Revisionisten" in dieier Partei stark genug jein werden, um deren reaktionäre Glieder zu sich heruber- zuziehen zu einer liberalen politischen Betätigung. Auch der ReicWanzler habe bekanntlich nach dem günstigen Ausfall der Dahlen einen etwas liberaler gefärbten Weg in seiner Politik einacschlagen, der zu Hoffnungen für den entschiede- neu Liberalismus berechtige. So habe Fürst Bülow speziell in der Vorlage einer Novelle zum Äörsengesetz sÄörien- resorm) den Konservativen sich genähert und sie von der Notwendigkeit einer solchen Reform zu überzeugen versucht. Ob aber eme Börsenreform mit agrarischer Etikette den For- derungen einer liberalen Wirtschaftspolitik entsprechen werde, sei zum mindesten zweifelhaft. Eine wirklich liberale Wirtschaftspolitik müsse zunächst ausgehen von einer Re vision der den Konservativen bezüglich der Börsengesetz- nooelle gemachten Zugeständnisse und ferner zu einer durch- greifenden Revision der Reichsftnanzreform führen, die sich nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen nicht allenthalben bewährt habe und teilweise hinter den finanziellen Er wartungen erheblich zurückgeblieben sei. Die kommende Zeit werde es lehren, ob die liberalen Parteien stark genug jein werden, um ihren Wünschen Nachdruck zu verleihen. So dann ging der Redner auf das Projekt der Schiffahrts obgaben näher ein, das er als ein rückschrittliches bezeichnete. Man treibe jetzt preußischerseits mit diesem Projekt eine Art Wafferstratzenpolitik im Umhcrzieben; man suche auf diese Weise die Einzelstaaten für dasselbe zu gewinnen, in dem man ihnen allerhand Zugeständnisse auf anderen Wirt- schaftsgebieten in Aussicht stelle. Jedenfalls werde die Ein führung von Schifsahrtsabgaben eine Verteuerung vieler Jndustrieprodukte und damit eine neue Belastung der In dustrie im allgemeinen zur Folge haben' denn sie werde diese Abgaben im wesentlichen tragen müssen, während die Landwirtschaft wieder frei ausgehe So ser denn nach alle dem kein Anlaß zu optimistischen Betrachtungen für den ent- jchiodencn Liberalismus verbanden und auch die neueste kon servativ-liberale Paarung erscheine nicht anders als ein schöner Traum. * * Zur Kaiser begegn u ng. Die unter Berufung aus Nach- richten ausländischer Blätter verbreiteten Angaben über einc beabsichtigte deutsch-russische Kaiserbegegnunö sind, schreib» die „Neue Politische Korrespondenz", mit Vorsicht aufzu nehmen. In den beteiligten deutjch-rnssischen Kreisen ist von einer solchen Begegnung nichts bekannt. Die Preßmeldun gen darüber beruhen lediglich auf privater Kombination. rckc. Schifsahrtsabgaben. An der Heilbronner Konferenz für die Schiffahrtsabgaben nimmt nur je ein Vertreter von Preußen, Boyern, Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß- Lothringen teil. Für die Schinakrtsabgobcn am der Elbe ist bekanntlich ein Dnrchschnittssatz von 0,07 Psg. prc -------------- - SS—u > ' "1——s—SSi Feuilleton. 8888888888888888888888888888888888888 Die erste Bedingung, um in einer .Kunst etwas Gutes zu leisten, ist der Takt. Hier stehe ich nun schon da wie Faust. Denn um zu erklären und deutlich zu machen, was ich damit meine, müßte ich schriftlich viele, viele Seiten ausfüllen, wobei dann allerdings sich auch Herausstellen würde, daß eben dieser Takt die erste und auch die letzte Bedingung zu allem künstlerischen Treiben in sich schließt. Hans von Marses. s s s 8 s 'S s s s s s Z 2" 2 2 ! 2 2- 2 i 2 2 ! 2 . 2 j 2 . 2 > 2 2 2 2 2 2 2 2 — 2SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS Das Gaiety Girl. lVon unserem Londoner ^-Korrespondenten.) „Sie und der Richter." — „Ihr Bild." — „Das Resultat des Sie-Falles." — „Wird das Gaiety Girl gewinnen?" — „Man holt den Doktor." — „Tränen und Szenen im Ge richtshof." — „Wer ist Aycsha?" — „Zweitvuscnddreihundcrt Fragen im Kreuzverhör." — „Noch einc Lady." — „Ter Gentleman-Reiter im Zeugenstand." — „Aetzende Rede des Anwalts." — „Der Richter summiert die Beweisaufnahme." — ^Verdikt der Jury." Das ist eine kleine Auslese ans den Aufschriften der Reklameplakate, mit denen die führenden Londoner Blätter in den letzten drei Wochen die Aufmerk samkeit ihrer Leserschaft zu erregen suchten. Zu erregen ist eigentlich ein falscher Ausdruck. Die Blätter wurden den Zeitungsjungen geradezu aus den Händen gerissen. Ter Prozeß des Gaiety Girl Ivar das alles beherrschende Thema des letzten Monats. Sogar die Wetten für das Derby traten dahinter zurück, von der Politik gar nicht zu sprechen: selbst die Millionenpleiten an der Börse, der kracbartige Fall des leitenden Staatspapieres, die Selbst- morde der falliten Finanziers mußten vom Managing Editor, dem Redakteur, der für den Verkauf der Zeitung verantwortlich ist, in die „toten Spalten" des Blattes zu- ruckgesckoben werden. Die „Times" füllten täglich 3 bis 1 spalten ihres Riesenformats mit stenographischen Be richten über den Prozeß des Gaiety Girl. Daraus acht 'ckon hervor, daß es sich nicht um den gewöhnlichen West- endfkandal. nicht nur um die übliche Befriedigung des bür- Erliche« Lesehungers handelte, der sich am liebsten in langen Hoch-eitSbeschreibunoen und deren Korrelat. in saihioriablen Ehebruch-Prozessen sättigt. ES war nicht nur daS übliche bri- wche Knlturbild, sondern «Owor eine Neuauflage der Hogartb- <üen Sotirenftrie, di« unter dem viel zu bescheidenen Namen x-D» Mana« t lawoäv" «msterblnb geworden ist. Es war soweit dir vevagte. «»war der Prozeß des „verheirateten Flirts", soweit d i c Beklagte in Frage stand. Insofern war es ein typischer Prozeß, der einc große Knlturfrage der monevocl clm-.^ea vor Gericht ansrollte, nachdem Sutro in den „Mauern von Jericho" vor zwei Jahren denselben Prozeß auf einer minder ernsten Schaubühne unter sensationeller Erregung des ganzen eng lischen Publikums in abstracto geführt, und der berühmte Sittenprediger Pater Vaughan seitdem nicht müde geworden war, in den Modckirchen des Weftends dieses Problem unter dem Zulauf der gesellschaftlich anerkannten Halbwelt ab- znhandeln. Im Grunde ist der Fall des Gaiety Girl eines der land läufigen Kapitel, wie sic „Miß Grundy", die allegorische Vertreterin des sittenrichtendeu englischen Gesellschafts klatsches alle Tage abhandelt. Nur die Schamlosigkeit des Lovelace und das Dtilieu, das alle Elemente des sentimentalen Sensationsromans enthält, hoben den Prozeß nber das Nor malmaß der Korruption hinaus. Tic drei berühmtesten Krcuz- verhörcr des Landes waren in dem Prozeß beschäftigt, von denen einer ein gewesener, der andere ein künftiger Justiz minister, der dritte aus dem Tumptp-Prozcß durch seine Rücksichtslosigkeit gegen reiche Bonvivants bekannt ist. Der in Ekebruckssachen gefürchtetstc Richter des Landes präsi dierte. Die Kosten des Prozesses würden hinreicheu, um einem halben Dutzend bürgerlicher Familien ein Viertel jahrhundert des behaglichsten Kiwn i-otiro zu finanzieren. Kläger und Beklagter sind ehemalige Offiziere und nun mehrige Stock-Exchange-Männcr. Tie Beklagte ist die Doch- ter eines bankerotten DerbygewinncrS, die mit 16 Jahren als Tänzerin und Sängerin unter dem verheißungsvollen Namen Duncan auf Talys Tkeatrc und im Gaictv in dritt klassigen Rollen Entkleidungscrsolgc erzielte. Einc nzyste- riösc Miß A.... vielt eine Rolle, ein Ebaufseur ist der Haupibclastungszeuae, Privatdetektivs übernehmen die ko mischen, eine kupp erischc Freundin die mephistophelischen Partien: die Szene wechselt von dem luxuriösen Apartcment des Westcnds nach den großen Rennplätzen, nach dem Ball saal eines Landschlosses, nach dem „River", dem fashionablen und durch Sport und Liebesintrigen belebten Oberlauf der Themse; von den Mooren Schottlands nach Monte Carlo und Nizza, von dort nach der idyllischen Badebucht von Beinbridge auf der Jsle os Wight und schließt mit einem Selbstmordversuch der Heldin in dem Eitybnrean des betrogenen Gemahls. Die Verlesung kompromittierender Liebesbriefe in der Ap-Sprack»e — vor jedes Wort wird die Silbe Ap- gesetzt: zahlreich Träncnergüssc, 4 Obn- mochten und schließlich ein Anfall von Hcrzichwäche der schönen Sünderin beleben die Verhandlung im Gcrichtssaal. Irrsinnige Telegramme nnd Erprcssnngsvcrsuche des schul- digen Mannes, eine Flucht nach Spanien und Mexiko, end lich Erpressungsversllche des Ehebrechers und seines Vaters gegen den gehörnten Ehegatten liefern die düsteren Farben des Komplottes. Und was ist der Ausgang des skandalösen Ringens? Die Tränen und die OhnmachtSvnsällc der hübschen Schlange besiegen die Jury. Sie wird zwar in einem hysterischen Anfall auS dem GerichtSsaal getragen, aber er ist die Hysterie des Triumphes über die Frei sprechung. von der jedermann glaubt, nein weiß, daß sie zu Unrecht erfolgt ist. Und Mr«. Grundy nimmt obendrein S«g«n den Ehemann Partei, der dre schmutzig« Wäsch« seiner Frau in die Oesfentlichkett gezerrt hat, statt sich hübsch im stillen mit ihr auseinanderzusetzcn, statt ihr durch eine reichliche Dotation ein Leben in dem Stile zu ermöglichen, wie es Thackeray in „Vanity Fair" die wandernde Eourtijanc Becky Sharp, nach dem großen Ehebankerott, an allen Mode plätzen Europas führen lägt, bis sie sich durch gefetzte Bi- goteric wieder in den Hafen der guten englischen Gejellict-aft einschleicht. Nun aber die Geschichte! Mr. Brycc ist Offizier in einem vornehmen Regiment. Ein vergnügter Abend im Gaiety lehrt ihn 1898 die Liebenswürdigkeit von Miß Dun can schätzen. Er ist ein Ehrenmann. Er heiratet die Dame seines Herzens. Gegen den Willen seiner Eltern! Der zunge Ehemann muß den Dienst quittieren. Er taucht mutig in das harte Eityleben. Als ein tüchtiger Mensch zwingt er den Erfolg, der ihn mit feinen Eltern versöhnt und ihm gestattet, sich als Börsenmakler zu etablieren, den man bald als reichen und geschickten Geschäftsmann zu schätzen weih. Er ist ein liberaler Gatte, der seine Frau in einem Jahre mit Schmuck für 50 000 überhäuft, und ihr das flotte Leben einer Modedame ermöglicht. Sic ist der Liebreiz und die Liebenswürdigkeit selbst und bezwingt zum Herzen ihres Gatten noch das viel härtere Herz der Schwiegermama. Der Ehehimmcl lacht, von kleinen Gewitterwolken abgesehen, für sieben Jahre im lieblichsten Blau. Im Jahre 1895 macht das Ehepaar die Bekanntschaft eines reichen und jungen Flaneurs, Mr. Pape, der das Geld seines Vaters erst im O'fsizicrskasino, dann als Herrenreiter elegant verschleu dert und mit Stolz berichtet, daß er einmal sechs Monate „gearbeitet" hat. Er ist ein rol-er Patron, der einen Liebes brief durch Frcudenausbrückc über seine Bulldogge entstellt, als diese zwei Kücken abwürgt. Er ist ein frecher Trans- gänger, in allen Arten von Wcibcraffären verstrickt. Er degradiert die Frauen, mit denen er verkehrt, durch launen haften Jähzorn bis zur öffentlichen Brutalität, um in neurotisches Schluchzen auszubrechcn, wenn er sich auf Tage oder Stunden von ihnen trennen soll. Pape umgarnt zu nächst den ehrlichen Mr. Brycc, bis dieier ihn für seinen engsten Freund ansieht und ihm den höchsten Beweis des Cityvertrauens gibt, indem er ihn an der Börse einführt. Vor Gericht erklärt Pape, daß er niemals Mr. Bryces, son dern nur Mrs. Bryces Freund gewesen sei. Pape wird bald der erklärte Adjutant von Madame. Er fährt sic aus, begleitet sic zu den Rennen, kurz, erweist ihr alle die kleinen Dienste, sie ein junger Mann der cnglijchen GcsellJhcnt den Damen seines Gönners zu leisten hat. Der Herr Liock- broker ist ja den ganzen Tag in Throgmorton Street! Mr. Pape leistet Madame aber nicht nnr Geicllschast, wenn der inrior knmiliu- Les Abends zu Hause ist. sondern ist auch in dessen Abwesenheit und ohne dessen Wissen stundenlang der Gast des Boudoirs. Die Dienstboten machen bald einen Sport daraus, die verstellte Handschrift Papes auf den Briesen zu erraten, welche die Gnädige immer erst mit der dritten Post, wenn,,Väterchen" schon aus der Börse schwitzt, empfängt. Ter Briefwechsel ist geheim, aber natürlich ganz harmlos. Es ist immer nur von „Aneihg" die Rede dem Hund, mit dem Mr. Pape aus — die Sandak geht! Aneihg aber ist — Mrs. Bryce. Im Juni lernt Pape die Tarne kennen, im August beginnen die Ayeihabriese. Im Sep- tember geht man nach Schottland. Dort bemerkt d«r Chcmsseur, wie das Pärchen sich auf der Landsrraße kerzt und küßt. Indessen Chauffeure lügen zuweilen. Tort, in einer der schönen schottischen Nächte, gibt Pape unter den Llugen des Gatten feiner Angebeteten einen Bries mit einer leidenschaftlichen Erklärung, in der nichts mehr von platonischer Freundschaft, sondern von unplaionischer Liebe die Rede ist. Tic Tarne, die doch ihre Theater erfahrungen gemacht hat, lacyt darüber — aber sie behält den Briet und schickt den Frechdachs nicht fort. Im Gegen teil, man wird wesentlich intimer. Sie reift nach Oxford, übernachtet dort in einem Hotel — mit Begleiterin natür lich, aber auch Mr. Pape taucht sofort auf und wohnt Tür an Tür mit Madame. Es folgt die Riversaiion. Und nun macht Mr. Pape einen Hanptcoup, oder aus gut peut'ch, einen grenzenlos niedrigen Schurkenstreich Durch seine Schwester läßt er bej Mrs. Bryce Fräulein A..., die große Unbekannte des Prozesses, emsiihren. Tas lunge Mädchen stammt aus bester Familie, stekt in den „swosr sovsrttSon'^ und Mr. Bryce Hal sic schon gekannt, „als sie noch im Flügelkleide in die Mädchenschule ging". PZ. Brycc ist einer jener reizenden liberalen Onkel, wie man sie nur in englischen Gentrykrcisen findet. Er verhälichelt die Kleine, führt sie auf Bälle, schenkt ihr allerlei hülgche Kleinigkeiten, rudert sie auf dem Flusse spazieren, ranzt mit ihr, wenn sie aus fremden Gesellschaften keinen Partner findet. Mrs. Bryce wird efferjüchtig, aber schon ist sie w stark unter Papes Einfluß, daß sie trotzdem auf Papes Be seh! ihren Gotten veranlaßt, Fräulein A. zu einer Porue nach Monte Carlo und Nizza einzuladcn. Im Gerichts saal hat dieser jugeirdliche Vernihrcr dann zugegeben, daß er das unbescholtene junge Mädchen der schwülen sittlichen Atmosphäre der Riviera nnr aus'etzte und sie dem ahnungs losen Onkel Bryce in die Arme zu treiben suchte, um Ma dame für sich zu Istiben und um im Honsliktssolle behaupten zu können, der in die kleine A. verliebte Stockbroker habe den. Freund und die Gattin die Freuden des Ehebruchs ge nießen lassen, ja sie dazu veranlaßt, um sein eigenes Techtel mechtel ungestört fortietzen zu können. Diese Behauptung stellte der Lüstling im Prozeß durch seinen Anwalt tat- sächlich aus, für den ssall, daß die Jurp den Ehebruch be- jähe. Ter gute Onkel Brpce und die muntere Adoptivmchle gingen indessen völlig absolviert aus der Verhandlung her vor. Auf der Rückreise von Monte Carlo trifft Onkel Bryce seine Mutter und die würdige alte Dame, die noch invmcx ein wachsames Auge aus das frühere Gaietv Girl hat, sticht ihm zum erstenmal den Star. Mr. Bryce en gagiert Detektivs. Inzwischen ist es zum ersten LiebeSzwisl in der platoni schen Freundschaft gekommen. Und nun hegeht Lovelace den zweiten Schurkenstreich. Tas Ggjstv Girl Kat ihn mit einer anderen Dame im Verdacht. Ter Verdacht ist richtig Pape verspricht zu brectstn und gibt als Beweis pes Bruches Ine gänzlich eindeutigen Briefe jener Dame an Fran Bryce. um sie an den Verlobten des Mädchens zu senden Der Verlobte ist natürlich auch ein „Freund" PapeS, nnb in den Briefen findet sich der Passus: „Natürlich werd« ich daS Spiel weiterspielen, wenn ich verheiratet bm." Per- heiratet ist sl« trerKch bis Henle nicht. Heber die wetteren Heldentaren d»eseS WtterS'cheriihket unterdessen der Detekkiv. Madame Vrvce seit
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