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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.11.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051129014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905112901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905112901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-11
- Tag1905-11-29
- Monat1905-11
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Anzeigenannahme: Augustu»platz 8, Eck« Johanni-gass«. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Filial-Expedition: Berlin, Lützowstr. 10. « - Dresden, Marienstr. 34. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B, R. L W. iklinkhardt). Herausgeber: vr. Viktor Kltnkhardt. Ztr. 607 Mittwoch 29. November 190Ü, 99. Jahrgang. Var MGNgrte vom rage. * Der Reichstag hielt gestern nach der feierlichen Eröffnung im Schloß seine erste Sitzung ab. (S. Bericht.) * Der bisherige Kolonialdirektor Dr. Ttuebel ist rum Gesandten für Norwegen ernannt worden. Als Ge schäftsträger bis zu seinem Eintreffen bleibt Freiherr vou Weither« im Amt. * Za Vertretern Deutschland» auf der Marokko- Konferenz sind Fürst Radolia und Graf Tatteabach bestimmt. — * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung* veröffentlicht Auszüge aus den Gesetzentwürfen über die Aenderung de» Brausteuergesetzes, die Aenverung des Tabak steuergesetzes, die Zigarettensteuer und die Aenderung des Reich-stempelgesetzeS, sowie über die Erbschafts steuer. (S. 3. Seite deS Hauptblattes.) * Der Dampfer „HanS Wörmann* ist in Swakopmund eiugetroffen. * Die Genickstarre in Oberschlesieu greift weiter um sich. AuS Breslau und Schweidnitz werden Todes fälle gemeldet. (S. Neu.) * In ganz Nordwestdeutschlaad richtete der Sturm der letzte» Tage großen Schade» an und forderte Menschenleben. (S. Neuigk.) * Der auch in Leipzig bekannte frübereDresdener Hof opernsänger Emil Greder hat ia NewAork, wo er an der Metropolitan-Oper engagiert ist, einen Selbstmord- versuch verübt. Er liegt schwerkrank im Flower-Hospital darnieder. Sschrirche patlamentttelstm. II. (AuS unserem Dresdner Bureau.) Nicht minder dringend als ein zeitgemäßer Ersaß der Ersten Kammer unseres Landtags ist eine Reform der Zweiten Kammer. Das Wahlgesetz von 1896, auf Grund dessen heute die Abgeordneten zur Zweiten Kam mer gewählt werden, ist seiner Zeit, wie der national liberale Abgeordnete Schulze-Dresden am Montag sehr zutreffend hervorhob, von der Regierung recht eilig hergestellt worden, und es ist daher init allerlei Fehlern und Mängeln behaftet, die keineswegs nur Schönheits fehler sind, und die sogar der Minister von Metzsch in derselben Sitzung der Zweiten Kammer als „notorisch vorhanden" bezeichnete. Es kann demgemäß nicht Wunder nehmen, daß das Verlangen nach einer Abände rung des Wahlrechts immer lebhafter hervorgetreten ist und auch diesmal in zwei Interpellationen, die von den Nationalliberalen und den Freisinnigen eingebracht waren, Ausdruck gefunden hat. Beide Interpellationen knüpften daran an, daß die Regierung selbst das Wahl recht als verbesserungsbedürftig bezeichnet hatte, und beide fragten, ob die Regierung noch diesem Land tage einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des Wahl rechts vorzulegen bereit sei. Das Leitmotiv für die am Montag unter starkem Andrang stattfindende parlamentarische Behandlung der Wahlrechtsreform war damit gegeben. Es hieß: „es kann ja nicht immer so bleiben". In erbaulich kurzen, aber gerade darum wirkungsvollen Reden wurden die beiden Interpellationen von den Abgeordneten Schieck (natl.) und Bär (freis.) begründet und der Ansicht Ausdruck gegeben, daß die Regierung selbst in ihrer Denkschrift vom 31. Dezember 1903 die Notwendigkeit einer Abänderung der bestehenden Zustände anerkannt habe. Die freisinnige Interpellation ging insofern noch weiter, als sie ausdrücklich auf das allgemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht als die Grundlage für die Neuordnung hinwies. Auf die Antwort der Regierung durfte man von vornherein sehr gespannt sein. In der erwähnten Denk- schrift heißt es wörtlich: „da die dritte Abtei- lung über 80 Prozent aller Urwähler umfaßt, so ergibt sich ohne weiteres, daß unter dem bestehenden System das Wahlrecht für weitere Kreise nahezu illusorisch ist." Das ist ein Urteil, wie es ver nichtender wohl kaum je über ein Gesetz gefällt worden ist. Dabei ist es, das wolle man nicht vergessen, die Regierung selbst, die so ihr eigenes Machwerk verurteilt! Man durfte also mit Fug und Recht erwarten, daß die Regierung nunmehr im Landtage erklären würde, sie arbeite an einem neuen Entwurf, der dann und dann dem Landtage zugehen werde. Aber nichts dergleichen geschah! Was Herr v. Metsch am Montag auf die Inter pellationen erwiderte, laßt sich kurz in die Worte zu sammenfassen: Die Regierung ist mit ihrem Latein zu Ende, die Vorschläge, die sie seiner Zeit dem Land tage gemacht hat, haben dessen Billigung nicht gefunden, und das aus dem Landtage vorgeschlagene Pluralwahl- system findet wieder die Billigung der Regierung nicht. Daher ist die Regierung nicht in der Lage, der Kammer irgend welche positiven Vorschläge zu machen. Aus die sem Verhalten der Regierung Vorwürfe zu machen, wäre dann ungerechtfertigt, wenn die Regierung selbst die Konsequenz ihre« Verhaltens gezogen und offen erklärt hätte: Der verantwortliche Ressortminister hat infolge- dessen dem Könige sein Portefeuille zur Verfügung ge stellt. Da» letztere ist nicht geschehen, und daS ist da» Befremdliche an der Sache. Wir meinen, e» hätte entschieden mehr im Interesse de» Herrn v.Metzsch gelegen »LZ, hß» h«, »ügtsxung förderlicher gewesen, offen zu dokumen- tieren: wir fühlen uns der Lage nicht gewachsen! statt einstweilen nach dem alten Stil fort- zuwursteln, und zu warten, bis die Lösung auf dem Prä sentierteller gebracht wird! Herr v. Metzsch sagte, die Negierung sei nicht in der Lage, der Kammer eine auf dem Pluralwahlsystem auf gebaute Wahlrechtsvorlage zu unterbreiten, da die an gestellten statistischen Erhebungen kein Resultat ergeben hätten, das zu einer solchen Vorlage ermuntere. Im Laufe der Debatte wurde aber mehr als einmal darauf hingewiesen, daß die Schlüsse aus der Regie- rungsstatastik nicht ganz einwandfrei seien, und der Wunsch nach Bekanntgabe des Zahlenmaterials, der von nationalliberaler Seite geäußert wurde, ist deshalb durchaus berechtigt. Soweit das Material der Regie rung nur als vertraulich zur Verfügung gestellt ist, kann es selbstverständlich nur unter Zustimmung der amtlichen preußischen Stellen, von denen es stammt, veröffentlicht werden. Ohne dieses Material ist aber eine Nachprüfung der Regierungsangaben, die im höchsten Grade wünschenswert ist, einfach unmöglich! Nur dann, wenn man nachprüfen kann, sind doch weitere positive Vorschläge möglich, und nach diesen schreit doch die Regierung wie der Hirsch nach dem frischen Wasser! Wenn Herr v. Metzsch weiter zu allgemeiner Ueber- raschung erklärte, der Negierung sei die Anregung nicht unsympathisch, die zu schaffenden Arbeitskam mern als Wahlkörper zum Landtage aufzustellen und so eine direkte Vertretung der arbeitenden Klassen im Parlament zu schaffen, so ist dieser Vorschlag aus zwei Gründen von vornherein nicht diskutabel: erstens sind die Arbeitskammern noch gar nicht vorhanden, und zweitens würde sich nur die vom Abg. Zimmermann ganz richtig angezogene Konsequenz ergeben, daß den Arbeitskammern die Gewerbe-, Handels- usw. Kammern folgten, daß man also zu einem richtigen Kurien wahlsystem gelangte, was erst recht nicht wünschens wert ist. Zudem erinnert Abg. Schulze mit Recht daran, daß man in der Gesetzgebungsdeputation sich gegen die Gründung von Arbeitskammern ausgesprochen habe und d->ß daher un-ler V msiärü en -ein Avira« a.,ch in der Kammer keine Mehrheit finden würde. Die ganze Debatte in der Montag-Sitzung hat also nur nach zwei Richtungen hin Klarheit gebracht: einmal dahin, daß die Unzufriedenheit mit dem geltenden Wahlgesetz noch weiter verbreitet ist, als man schon an genommen hatte, und zweitens dahin, daß dieStaats- regierung auf jede Initiative verzich tet. Die Regierung will, wie Minister v. Metzsch in einem, nebenbei bemerkt unnötig scharfen, Schlußworte ausführte, erst handeln, wenn sie einer genügenden Mehrheit für ihre Reform in der Kammer sicher ist. Welcher Art dann ihre Reform sein wird, hat sie leider nicht gesagt, auch nicht, weshalb sie nicht gewillt ist, in der Frage der Wahlrechtsreform, der weitaus wich tigsten, die augenblicklich unser politisches Leben bewegt, an die Wähler zu appellieren, wie ihr der Abg. Dr. Vogel nahe legte. Alles in allem: ein Mangel an Initiative auf Seiten der Regierung, der doch im höchsten Grade bedauer lich ist. Um so freudiger kann es daher begrüßt werden, daß der nationalliberale Abg. Schicck neue Anträge auf Grund des von der Regierung vorzulegendcn statistischen Materials in Aussicht stellte. So wird wenigstens die konservative Hoffnung auf Versumpfung der Wahl rechtsreform zu Schanden werden! Das sächsische Volk aber wird immer mehr erkennen, daß es zu keinem ge rechten Wahlrecht gelangen kann, so lange in der Zwei ten Kammer eine konservative Mehrheit herrscht und in der Negierung keine Initiative vorhanden ist, um von dieser Regierung selbst erkannte Schäden auch zu heilen. Der cleuttcke ZtZMetag. sAuS unserem Berliner Bureau.) Es gebricht an Klarheit in der Reichspolltik- Wenigstens vermag der unbeeinflußt« Verstand aus den Taten und Worten der verantwortlichen Personen sich keinen Begriff von der Tiefe der wirtschaftspolitischen Erkenntnis und von den größeren Zielen der Reichspolitik zu machen. Was vor allem auffällt und Bedenken erregen mutz, ist die schon ständig gewordene und von den Trägern der Politik wohl raum mehr empfundene Substituierung des Selbstzweckes für den höheren nationalen Zweck. Wir bauen doch keme Flotte, um mit ihr spazieren fahren -u können, und wir stecken nicht unser scho- nes Geld m Kolonien, um zu zeigen, daß wir es dazu haben. Sondern wir wissen unser Menschenmaterial nichOu lasten und zu ernähren, wenn wir nach der bequemen Weise der Väter weiter wirtschaften. Um durch Auswanderung anderen Völkern frisches Blut auf unsere Kosten zufließen zu lasten, dazu sind uns die Kinder unsere» Volkes glücklicherweise zu schade geworden. Also suchen wir sie im Lande zu ernähren durch Vergrößerung unsere» Absätze», durch fortschreitende Industrialisierung Und den dann noch verbleibenden Uebexschuß möchten wir noch eigenen SiedelungSgebieten lenken, um unS ihre» Fleiße» auch :n Zukunst zu freuen. ES ist kein Geheimnis, daß diese naturnotwendiae Industriali sierung mit ihren sehr bedenklichen Begleiterscheinungen vo- Mischer und ethischer Natur vielen ernsthaften und guten Deutschen unbehaglich ist. Da» ist verständlich, denn je kompli zierter die BetriebSsorm, um so weiter vorläufig noch die Entfernung vom Rousseauschen Lebensideal. Aber schließlich können wir nicht alle al» Gutsbesitzer leben. Und wichtig und tröstend ist doch auch, daß wir un» immer noch in der Sturm- und Dranaperiode der industriellen Entwicklung be finden, Die ausgleichende und sanierende Wirkung der Sozialpolitik hat kaum erst eingesetzt, und manche» Wertvolle ist von ihr noch zu erwarten. Aber ob gern oder nicht — e» heißt, sich mit dieser Tendenz abzusinden. Dann aber ist e» auch notwendig, zur Erreichung de» Ziele» die Wege zu ebnen und nicht durch Maßnahmen der inneren Politik zu nicht« zu machen, wa» durch nationale Arbeit und den Schutz des Reiches erreicht ist. ES soll hier nicht nachträglich noch der Streit um die «gtzm» tu der kritische« Periode selbst empfohlen mit der veutscbes Keich. Leipzig, 29. November. * Die Eröffnung de» Reichstage». Gestern mittag 12 Uhr wurde im Weißen Saale de» königlichen Schlosses der Reichstag durch den Kaiser eröffnet. Zur Seite de» Throne» nahmen die Generale und Admirale Aus stellung, gegenüber die Schloßqarde-Kompagnie mit Fahnen. In der großen Loge nahmen die Kaiserin, die anwesenden Prinzessinnen, Diplomaten und die Damen der Diplomatie Platz. Abgeordnete aller Parteien, außer Motivierung: bester ungünstige Vertrage als gar keine. Aber daß die Verträge ungünstig sind und uns m Sachsen be sonders hart treffen, daß hier die Jndustrieaegenden deS Reiches schwere Opfer bringen müssen, um den Ackerbau ren tabler zu machen, das wenigstens wollen und können wir nicht verdunkeln lasten. Wie es Handel und Industrie durch halten werden, wissen wir noch gar nicht. Schwer genug wird es sicher vielen werden, auch nur die Existenz zu rettm. Aber wenn man sich auch heute schon auf kaum vermeidliche Krisen, auf den Untergang schwächerer Elemente einrichtet, so muß doch gefordert werden, daß die Hilfsaktion für die Landwirtschaft nun auch nach der einen Richtung hin abge schlossen ist, daß ihr nicht auch noch über das bereits Gewahrte hinaus Vorteile auf Kosten der übrigen Bevölkerungskreise zugewandt werden. Was sie aus eigner Kraft aus den letzt vorliegenden überaus günstigen Bedingungen herauswrrt- schasten kann, das sei ihr, diesem wichtigen Teil unserer Volksarbeit, Wohl gegönnt Aber es muß Verwahrung da gegen eingelegt werden, daß zu Gunsten dieses Teils, der eine Ausdehnung und Intensivierung nur bis zu emer ge wissen Grenze zuläßt, unsere eigentliche Zukunft, die auf der Industrie ruht, schwer bedroht wird. Zu solchem Protest ist aller Grund vorhanden. Diese Bedrohung ist bereits soweit gediehen, daß die Vertreter der nichtlandwirtschanlichen Be völkerung sich zusammengetan haben, um zu protestieren, daß die größeren deutschen Städte fast einhellig dem deutschen Städtetag beigetreten sind, um die Ernährungskalauntat zu besprechen und gegen die Fleischverteuerung Front zu machen. Diese Einmütigkeit, an der auch Herr Wadehn aus Weißen fels nichts ändern kann, ist außerordentlich bedeutungsvoll wegen des nie und nirgends anzuzweifelnden vaterländischen Sinnes unserer kommunalen Regiment? und wegen der ver schiedenen politischen Plattformen, auf denen sonst diese Be auftragten stehen. Gewiß ist die große Mehrzahl der Stadt vertretungen liberal, aber nur wenige darf man den un entwegten Manchesterleuten .zuzählen. Die meisten huldigen einem durchaus nicht radikalen Liberalismus, dem man manchmal mehr Schneid wünschen möchte, und eme große Anzahl will sogar vom gemäßigten Liberalismus nichts wissen, sondern steht verschämt oder offen im Lager der Rech ten. Der Name Dresden allein genügt, um diese Situation deutlich zu machen, und gerade von Dresden freut es uns deshalb auch, daß es sich so mit in die erste Reihe der Kämpfenden gestellt hat. Um was es sich i-m einzelnen bei der Fleischnoffroge handelt, ist heute nicht mchr erörterungsLedürstig , Uns .interessiert hier auch nur die eine Seite der Angelgenheit, daß GewerHetatigkrst im Deutschen Reiche du'Sch. die enorm ^gestiegenen Flessckxpreise immer noch mchr in ihrem Kon kurrenzkämpfe gehindert wird, als es die Zollpolitik ohnehin schon tut. Bereits sehen sich die Kommunen zur Bewilligung von Teuerungszulagen genötigt. Die Industriearbeiter werden nicht Mrückstehen wollen- Die Unternehmer werden die doppelte Last der Exportetlchwerung und der Lohn erhöhung nicht auf sich nehmen wollen, weil sie darunter zu sammenzubrechen flürchten, also sind zum mindesten neue Lohnkämpfe, neue gewerblich« Störungen zu erwarten. Und hier sind wir an dem Punkts von dem diese Betrach tungen ausgingen: Wir vermissen di« Klarheit in der Reichs- Politik. Wozu olle die Anstrengungen, wozu die Marine, die Kolonien, die Konsulate, wenn durch innerpolitische Maßnahmen die Industrie, die man ausziehen will, erschlagen wird? Will man partout die Industrie nicht groß werden lassen hat man Gründe politische, nationale oder ethische oder sonst welche, was ja schließlich nicht einmal eine Schande wäre, do mag man danach handeln. Dann aber auch ade mit dem schönen Motto: Deutschland in der Welt voran. Dann können wir ja schließlich England den Gefallen tun und unsere Flotte abermals verauktionieren und unsere Kolonien gleich mit an den Meistbietenden loslchlagen. Dann laßt unsere jungen Leute wieder nach Amerika gehen und uns selbst zu Hause wieder hübsch bescheiden «inrichten. Die Nachbarn werden uns dann wohl in Ruhe lasten, nnd wenn es auch ein wenig eng und müssig bei uns werden dürft«, so wissen wir doch, woran wir sind, nähren keine törichten, überspannten Hoffnungen und verpulvern unser Geld nicht für Zwecklosigkeiten. Es ist wenigstens ein Pro- gramm, wenn auch nicht ein schönes. Wollen wir dies Elend aber nicht, haben wir Zutrauen zur Kraft der Nation, dann möge auch endlich die Klarheit einziehen in unsere Politik, dann mögen nicht immer Pferde vor und hinter den Wagen gespannt werden. Und nicht in der Fleischnot allein sieht der kritische Blick «ine solch« Bremsvorrichtung. Unser ganzes öffentliches Leben ist durchsetzt von diesem freiwillig-agrarischen, in- dustriefeindllchen Geiste. Weder hat der Techniker, der Kaufmann bei unS die Stellung in Staat und Gesellschaft die ihm nach seiner wirtschaftlichen Bedeutung zukommt, noch werden die Städte von Staatswegen so geschätzt, wie sie «s fordern müssen. Heute ist es im Deutschen Reiche so weit gekommen, daß durch Vermittelung deS preußischen Parla ments und deS sonstigen agrarischen Einflusses auf den Hof, die Minister, das Beamtentum die Politik in Ostelbien ge macht weichen. Herr v. Podbielski, der Minister für die preu ßische Landwirtschaft bestimmt, ob in Sachsen, in Bayern, in Erfaß-Lothringen der BüraerSmonn und der Arbeiter sich angemessen ernähren können ober nickt. DaS ist ein Zustand, der nicht haltbar ist, weil daS der föderative Gedanke. dieS gewichtige Kräutlein „Rühr' mich nicht an", auf die Dauer nicht verträgt. Für diese Politik gibt es keine Ent schädigung, auch nicht die der realen politischen und speziell preußisch-parlamentarischen Machtverteilung. Einem preu ßischen Ministerpräsidenten stehen gewaltige Machtmittel zu Gebote, wovon die Toten eines gewissen BiSmarck noch heute laut und vernehmlich reden. Aber schon ein militorilcheS Revirement, da» hundert Söhne von TorieS auS der Garde in die Linie brächte, würde Wunder wirken und wäre nebenbei eine sehr gesund« Maßregel. Hier handelt «S sich um zu ernste Dinge, als daß mehr oder weniger angenehme VerrchrSver- hältnist« den Ausschlag flehen durften. Jedenfalls aber hat eS da» deutsche BoÜ nötig, daß an seine Zukunft gedacht und ihm ein Weg gezeigt und geebnet wird. Möge der deutsche Städtelag dazu beitragen, schwankenden Gestalten Klarheit und Festigkeit ein-uflötzen. den Sozialdemokraten, fanden sich ein. Zur Linken des Thrones nahmen die Staatsminister, Staatssekretäre und Bundesratsbevollmächtigten Aufstellung, dem Throne zunächst der Reichskanzler und Graf Lerchenfeld. Unter dem großen Vortritt der Hofchargen erschien, während die Schloßgarde-Kompagnie präsentierte, der Kaiser in der Uniform des Gardekorps, gefolgt vom Kronprinzen nnd den Prinzen des königlichen Hauses, die rechts neben den Thron traten. Graf v. Ballestrem brachte ein Hoch auf den Kaiser aus. Oberstkämmerer Graf zu Solms trat neben den Kronprinzen, der am Throne stand. Der Reichskanzler überreichte dem Kaiser die, ihrem Inhalt nach schon in unserer gestrigen Abendnnmmer mitgcteilte, Thronrede, die der Kaiser, vor dem Throne stehend, das Haupt niit dem Helm bedeckt, mit lauter Stimme verlas, die Hauptstellen stark betonend. Bei der Erwäh nung des tapferen Verhaltens der Kolonialtruppen er tönte ein Bravo der Abgeordneten, ebenso am Schluß der Rede. Der Reichskanzler erklärte dann den Reichstag für eröffnet. Graf Lerchcnfeld brachte ein zweites Kaiser-Hoch aus und der Kaiser verließ den Saal. — Um 2 Uhr fand dann die erste Sitzung des Reichstages statt. Am Bundes- ratstisch bemerkte man den Staatssekretär Graf Posa- dowsky und Staatssekretär Freiherr v. Stengel. Das Haus war gut besetzt. Auf Grund der Geschäftsordnung eröffnete der Präsident der vorangegangenen Session, Graf v. Ballestrem, die Sitzung und berief zu proviso rischen Schriftführern die Abgeordneten Hermes, Him burg, Rimpau und Thünefeld. Unter großer Unruhe wurde das Verzeichnis der bereits eingegangcncn Vor lagen verlesen: darunter befanden sich die Flottenvorlage, der Neichshaushaltsctat für 1906 und die Steuervorlage. Der Namensaufruf ergab die Anwesenheit von 290 Mit gliedern ; das Haus ist also beschlußfähig. Schluß nach 3 Uhr. Die nächste Sitzung findet heute nachmittag 2 Uhr statt. Wahl des Präsidiums und der Schriftführer. * Handelsvertrag mit Dänemark. Bereits vor einiger Zeit hat der Handelsvertragsverein darauf auf merksam gemacht, daß ein neuer dänischer Tarif mit teil weise erhöhten Sätzen in Vorbereitung befindlich ist, der jedoch vorläufig ftreug geheim gehalten wird. Dieser Tarifentwurf scheint eigens zu Verhandlungszwecken aufgestellt zu sein. Wie aus Aeußerungen des dänischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten während der letzten Budgetverhandlungen im Reichstag hervor geht, arbeitet man augenblicklich an einem Handels vertrag mit Deutschland. Ebenso erklärte der dänische Landwirtschaftsminister, daß man an einem solchen Ver trag arbeite, um die Minimal- resp. Dertragssätze des neuen deutschen Zolltarife^ zu erhalten. * Die Ordnung des RcichShauShaltS. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung* veröffentlicht einen Gesetzentwurf über die Ordnung de» Reich-Haushalte» und die Tilgung der ReichSschulv. Der Gesetzentwurf umfaßt elf Paragraphen. 8 1 besagt: Die Vorschriften wegen Aenderung de» Brau- steuergesetzeö und de» Tabaksteuergesetzes, Besteuerung der Zigaretten, Aenderung de» ReichSstempelgesetzeS und Be steuerung der Erbschaften treten einheitlich zugleich mit diesem Gesetze in Kraft, 8 8 besagt, von den von Bayern, Württem berg und Baden anstelle der Brausteuer an die ReichSkafse zu zahlenden Ausgleichsbeträgen sind sür die Rechnungsjahre 1906 bis 1908 nur 40 Proz., lür die folgenden fünf Jahre je weitere 10 Pro», zu entrichten. Vou 19l4 ab bat die Zahlung der vollen AuSgleichSbrtrage zu erfolgen. Die Vor schriften sind auf die Reichslande entsprechend anzuwenden. K 9: Bis zum Ablauf de» Rechnungsjahres 1910 verbleibt den einzelnen Bundesstaaten mindestens der Betrag ihrer durchschnittlichen Einnahmen an Erbschaftssteuer in den Rechnungsjahren 1901 bi» 1905. Auf die Feststellung der Durchschnitt-einnahme bleiben die Roherträgniste der Be steuerung de» ErbeS der Abkömmlinge und Ehegatten und soweit in den einzelnen Staaten höhere al» die in den neuen Vorschriften wegen Besteuerung der Erbschaften vorgesehenen Steuersätze in Geltung gewesen sind, die auS dem Unterschiede der Steuersätze sich ergebenden Mehrbeträge außer Ansatz. Die näheren Bestimmungen hierüber trifft der Bundesrat. 8 10 trifft eine Bestimmung über die Verwendung von Mehr beträgen an Ueberweisungen oder Reichseinnahmen in den Rechnungsjahren 1905 und 1906. 8 H besagt: Da» Gesetz tritt mit dem 1. April 1906 in Kraft. * Neue Anschuldigungen Erzberger». Das „D. V." berichtet aus Jsny vom 26. November: „Vor zahl reicher Zuhörerschaft referierte der ReichstagSabgeord- nete Erzberger über feine Tätigkeit im Reichstag. Selbstverständlich kam er auf die Kolonialpolitik zu sprechen. Er teilte u. a. mit, daß bei Sendungen für unsere südwe st afrikanischen Truppen Unterschleife vorgekommcn seien, und zwar in der Art, daß ganze Kisten mit neuen Bekleidungsstücken von Swakopmund nach Argentinien gebracht und dort zu Schleuderpreisen verkauft wurden. Auf seine An zeige beim Oberkommando der Schutztruppe wurde mit geteilt, daß tatsächlich solche Unterschleife vorgekommen eien. Nachdem bereits brieflich Untersuchung der Affäre angeordnet worden loar, ist auf die Anzeige des betreffenden Abgeordneten per Telegramm beschleunigte Untersuchung besohlen worden. Er hielt an seinen Auf teilungen in Sachen der Kamcruneisenbahn vollkommen fest und nannte vorerst als diejenigen, welche die Rich tigkeit seiner Behauptungen in einigen Punkten be zeugen müßten, den Bruder der Kaiserin, Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, und den Reichstags abgeordneten Dürsten Hohenlohe-Oehringen." Die Ver antwortung für diese Mitteilungen muß natürlich dem Abg. Erzberger überlasten bleiben, dessen Konto aller dings in dieser Richtung schon mehr belastet ist, als ein gemeinhin gewissenhafter Politiker zu tragen bereit ist. * An» tze» Grvtztzeez««»» Sachs« wird un» geschrieben: Der demnächst wieder zusammentretende Landtag de» Grvß- hcrzogtm»» Sachsen-Weimar hat eine Reihe von Vorlagen zu erledigen, die teil» an« früheren Tagungen, ja soaar Session» stamme«, ab« auch ein» Reihe ne»« z« bearbeit«
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