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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.11.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051122017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905112201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905112201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-11
- Tag1905-11-22
- Monat1905-11
- Jahr1905
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S?ezufl»'VrtiL tu d«r HaaptexpedMoo oder bereu AuSgabo- stelle» abgeholt: vierteljährlich 8.40, bet täglich zweimaliger Zustellung io» Haut vierteljährlich 8.—» Durch »ulerr aus wärtigen Äusgabestrlleu «ad durch di« Post bezogen für Lrutfchlaad uad Oesterreich Mertel,Shrltch 4.50, lür di« üdngeu Länder laut Zettnug-pretsliste. Redaktion und Expedition» Johauatägail« lt, Lelephoo Nr. 1S4 »k. LSH «r. H7S verliurr Siedaktion»-vureaur Berlin LilV 7, Lowtheenstrn> SS. Del. t, Nr. Ü27Ü. vrr-dner Redaktton».vur«nn D«rd«a-tt,XSiwerttzftr.Sl^ Let.t,!ltr.4SSS, MpMerIUMM Handelszeitung. Amtsblatt des Königs. Laad- «nd -es Königs. Amtsgerichtes Leipzig» des Aales und -es Volizciamtcs -er Lta-t Leipzig. Anzeiqen-Vrn» di» «gelpaUene vetrtzeU« iS Pf. gamtltew» Wohnung«- und Stellen- Anzeigen SO Pf. Finanziell« Anzeigen, Gefchästsanzeigeuunter Text oder an uesoaderer Stelle nach Tarn Für da« Erscheinen an desttwmten Tagen n. Pläpea wird lein« Garantie übernommen. Suzeigen-Luuahme: Angustu-platz V, Eck« JohanutSgassr. Die Expedition ist wochentags ununter rochen geöffnet vou ncLH S di» abend« 7 Uhr. FMaUExpedttto»; Berlin, Lützowstr. 10 » » Dresden, Marieustr.34. Druck «nd Verlag von E. Polz tu Leipzig (Inh. Dr. «ll, «. L W. l»itulhardt>. Herausgeber: vr. Viktor tkltnkhardt. Nr. 595 Mittwoch 22. November 1902. 99. Jahrgang. vsr Aicbtlgrle vsm Lage. * Der Kaiser verließ gestern mittag da« Linienschiff .Kaiser Wilhelm II", aus dem er während seines Aufent halte« in Kiel aewobnt hat, und reiste mit Sonverzug nach Slatiou Wildpark ab. * Der Reichskanzler empfing den Vorstand deS Deutschen LanbwirtschaftSratS, der ihm für seine Haltung m Ker Fteifchnolsrage dankte. (2. Deutsche« Noch.) * ReichSgerichtSrat Spahn in Leipzig wurde zum Pra- stdenten de« Oberiandesgerichl« iu Kiel eroauut. (EL Deutsche- Reich.) * Wie verlautet, w>rd sich Priuz Heinrich heute mit dem Linienschiff „Brauwchwem" zu den Feierlichkeiten der Köatg--Etuholung nach Christiania begeben. * Da- »Verl. Tagebl." erfährt au- Petersburg, daß Witte den wichtigen Beschluß gefaßt hat, die Grenzen des jüdische« AnstedelungSrayonS auszuhebeu und den Juden freie- Wohnrecht in ganz Rußland mii Ausnahme der beiten Residenzen zu gewähren. Für daS Wohnen in den Residenzen wird eine bejvubere Erlaubnis erforderlich sein. vle «tuen sieicbrrleuern. IV. Neben der ReichSerbschaftssteucr und der Braustcuer saßt die Reichsfinanzreform an dritter Stelle eine Er weiterung der Tabaksteuer ins Auge. Im Ver gleich zu jenen liegen die Dinge hier insofern einfaclzcr, als es keiner Auseinandersetzung mit vorhandenen ein zelstaatlichen Steuern, sondern nur der weiteren Aus gestaltung einer bereits im ganzen Reicks und fürs Reich einheitlich bestehenden Steuer bedarf. Auf der andern Seite sind die Verhältnisse aber wieder fcliwieriger und verwickelter, insofern nämlich, als mit der Erhöhung der Anlandswucr eine wesentliche Umgestaltung des Ein- gangszolls auf Rohtabak wie Tabakfabrikate Hand in Hand gehen muß, denn die — auch bei der Brausteucr nlitiprechcnden — Beziehungen zwischen Jnlandsteuer und Zoll stehen hier in ungleich höherem Matze im Vor dergrund. Dazu kommt noch, daß die Wünsche der Tabakbauer, Händler und Fabrikanten sowie die wirt schaftlichen Interessen der verschiedenen Gegenden des Reichs zum Teil einander Widerstreiten, während in der Frage der Erbschaftssteuer und Brausteuer solche Gegen sätze in geringerem Grade und mcHr in Bezug auf die Einzelheiten der Bemessung und Durchführung als in Be.'ug auf die Kernfrage der Art und Höhe der Steuer selbst hervortreten dürften. Nach der amtlichen Statistik betrug im Jahre 1903 die Erzeugung im Zollgebiet 26 457 Tonnen Nohtabak in fabrikationsreifeni-Zuffand, die Einfuhr 04 481 Tonnen, zusammen 90 938 Tonnen, wovon 283 für die Ausfuhr obgehen, so daß ein Ver brauch von 90 655 Tonnen verbleibt. Erzielt wurden daraus 11,6 Millionen Mark Steuer auf die mländisckje Erzeugung und 58,3 Millionen Mark Eingangszoll, zu- sammen 69,9 Millionen Mark bezw. abzüglich 0,3 Mil lionen Steuer- und Zollrückvergütungen, 69,6 Millionen oder 1,17 .^! auf den Kopf der Bevölkerung. Schon diese Ziffern, 11,6 Millionen Mark Ertrag auf 26^4 Tausend Tonnen und 58,3 Millionen auf 64*4 Tausend Tonnen deuten darauf hin, daß die inländische Steuer erheblich niedriger als der Eingangszoll sein muß. Sie beträgt, wie immer vorausgeschickt sein mag, als Regel 45 für 100 Kilogramm, der Zoll hingegen 85 für 100 Kilogramm. Wie soeben verlautet, soll sie auf 80 und der Zoll auf 120 erhöht werden, bevor wir aber auf die Frage der Art und des Matzes ihrer Erhöhung eingehen, wollen wir sic selbst und ihre Geschichte im Zusammenhang mit der Gestaltung der Zollverhältnisse einer kurzen Betrachtung unterziehen. Tie gegenwärtige deutsche Tabaksteuer beruht auf dem Reimsgcsetz vom 16. Juli 1879, das von der alten, wenig ergiebigen „Flächensteuer" zur „Matenalsteuer" überging und zugleich eine wesentliche Erhöhung der Steuer- und Zollsätze brachte. Man hatte sich vorher damit begnügt, die Steuer nach der Flächenausdehnung des mit Tabak bebauten Bodens zu bemessen und diesem rohen Svsteme nur niedrige Sätze zugrunde gelegt, jetzt wurde hingegen die Steuerbcmessung nach der Gewichts menge des erzeugten Tabaks vorgesehen und die Flächen, steuer (mit 4,5 -1 für den Quadratmeter) nur als Neben form für dis kleinsten Tabakpflanzungen bcibehalten. Der Gewichtssatz für 100 Kilogramm wurde als lieber- gang für 1880 auf 20 .< für 1881 auf 30 von da ab auf die jetzige Höhe von 45 festgesetzt, daneben wurde als dritte Form noch eine Gewichtssteuerfiration zugclassen, die indessen nur ausnahmsweise zur Anwen dung gelangte, und eine Surrogatsteuer von 65 für 100 Kilogramm fabrikationsreifer Surrogate Ange führt. Ter Eingangszoll beträgt seit derselben Zeit, nach dem Zolltarifgesetz vom 15. Juli 1879, dessen Sätze auch in den neuen Zolltarif vom 25. Dezember 1902 unverändert übergcgangen und in den Handelsverträgen nirgends gebunden find, 85 für 100 Kilogramm Robtabak, unbearbeitete Blätter, Tabakrippen und Tabak stengel, auch Tabaklaugen usw., 180 für bearbeitete Blätter und Abfälle von solchen, für Kau- und Schnupf- tabak, Rauchtabak, Tabakmehl usw., 270 uL für Zigarren und Zigaretten. An 'Ausfuhrvergütung wird gewährt für Rohtabak je nach dem Zustande der Zirbereitung zwischen 33 und 47 auf 100 Kilogramm, für Tabak- fobrilate je nach Art und Material zwischen 32 und Sä für 100 Kilogramm. Die Steuer- und Zollern- nähme weist seit dieser Zeit eine erhebliche Steige rung auf. ocirugkn im Dur<i>ichnitt die radak- Neuer der Et, ga g»,all von, L.,i>ak »ntainmkn nach Ndjug oer tluisuhr- viigüluigcu »v« de« liovf der Ja Mill. Mt. M,ll. Ml. Mill Ml. Mk. I»7t—1875 1,7 13 1 14,5 0,35 >876—1880 L4 16,3 18.4 0,42 1881—1885 9,9 39,0 88,5 0,84 1886—1890 11,4 39,5 504 1,04 1891—1895 11,9 45 3 56.8 1 11 1896—1900 12.8 52 7 65,1 1.18 im Jahre 1903 11.6 583 69,6 1.17 Dagegen läßt sich nicht verkeimen, daß der Tabak bau, im Unterschied zur Einfuhr, stabil geblieben bezw. zurückgegangen ist. Tic Zahlen für die einzelnen Ivhre lönnen hier nicht Aufnahme finden, es genügt aber, darauf hinzuwcisen, daß seit Anfang der 80cr Jahre, wenn auch unter erheblichen Schwankungen, die Einfuhr vou rund 32 000 auf 61 000 Tonnen gestiegen, die Er zeugung im Zollgebiet hingegen von 36 000 auf 26 000 Tonnen gesunken ist. Noch größer sind die Unterschiede in Bezug auf die Zahl der Pflanzer und die bebauten Flächen zu Beginn und am Schluß dec letzten beiden Jahrzehnte. Es betrugen: Tie Zahl der Tabakpflanzer 1884 in «aus 187,5 1894 end abg 452F 1903 eiuntet 106.0 mit einer bepflanzten Gesamtfläche: von bis zu 1 Ar 97,8 755 36,2 über 1 bis 10 »Ar 31,1 26.9 22 4 über 10 Ar bis 1 Hektar 56,6 48.1 45,6 über 1 Hettar 1.S 1.7 1,6 Der Flacheninhalt der mit Tabak be pflanzten Grundstücke: überhaupt in tausend Hektar 81.1 17,6 16,5 auf 1 Pflanzer Ar 11,24 14,54 15.62 Der Ertrag an getrockneten Tabak blättern: vom Hektar Doppelzentner 22,4 21.8 20,0 überhaupt tausend Dopprlztr. 471,9 383 2 830,7 Zurückgegangen sind danach namentlich die kleinen Betriebe, aber auch die bebaute Gesamtfläche und der Ertrag, obwohl bei letzterem von Jahr zu Jahr große Schwankungen Vorkommen, z. B. stellen sich die Ziffern für die letzten 5 Jahre auf 300,7, 347,9, 400,1, 376,9 und 330,7 Lausend Tosrttclzentr-cr. Die Erkenntnis, daß die Steuergesetzgebung von 1879 und das mit ihr gesckiaffeue Verhältnis zwischen Zoll und Steuer den Tabakbau benachteilige und der Wunsch, in höherem Maße den Tabak verbrauch zu belassen, führten zu dem Gedanken der Einführung des Tabaknionopols, den die Negierung indessen wieder fallen ließ, dagegen wurden im Reichstage zweimal G e - setzentwürfe eingebracht, die auf eine gerechtere und zugleich ergiebigere Belastung des Tabakverbrauchs im Wege einer F a b r i k a t bcsteucrung abziclten. Der erste dieser beiden Entwürfe vom 21. November 1893 wollte die inländischen und ausländischen Fabrikate, an Stelle der Mnterialstcuer, durch eine Wcrtsteuer auf Grund der vom Fabrikanten auszustcllendcu Fak turen treffen (..Fakturensteuer") und zwar Zigarren und Zigaretten mit 33)4 Prozent, Kau- und Schnupf tabak mit 50 Prozent, Rauchtabak mit 66)4 Prozent. Die Jnlandsteuer von 45 für 100 Kilogramm sollte Wegfällen, der Zoll für ausländischen Rohtabak um den gleichen Betrag vermindert, der für Zigarren dagegen auf 400 für Zigaretten auf 500 für andern fabri zierten Tabak auf 250 für 100 Kilogramm erhöht und neben der Fakturenstcuer erhoben werden. Der — gleichfalls erfolglose — zweite Gesetzentwurf vom 26. Januar 1895 nahm nur 25 Prozent für Zigarrey und Zigaretten, 40 Prozent für Kau-, Rauch- und Schnupf- tabak und für die ausländischen Fabrikate nur eine Zoll- crhöbung auf 900 für Zigarren und Zigaretten, 450 für andere Fabrikate unter Freilassung von der Fakturensteuer in Aussicht. Qb sich der gegenwärtig in Vorbereitung befindliche Entwurf auf den Boden seiner Vorgänger stellen wird, bleibt abzuwartcn. Wie erwähnt, ist von einer Erhöhung der inländischen Gewichtssteuer und des EingangszollcS auf das Rohmaterial die Rede, außerdem spricht man von einer wesentlichen Erhöhung deS Zolles auf Ziga retten und einer Zigacettenpapicrstcmpelstcuer sowie von einer prozentualen Wertstcuer für sämtliche Nohtabake. (?) Das an sich Nichtigste wäre jcdcnfalls-diesen Stand- punkt vertritt namentlich auch Georg v. Mayr — eine nach größeren Wertgruppen abgestufte Fabrikat st euer, auch erscheint eine solche noch eher durchführbar als eine prozentuale Wcrtbcstcuerung des Rohmaterials, dessen Wcrtbestimmung weit größere Schwierigkeiten im Wege stehen als der Einteilung der fertigen Fabrikate in ein paar große Klassen. Eine solche Fabrikatsteucr würde volkswirtschaftlich gerecht fertigter und den: Tabakbauer wie dem Großhändler und Fabrikanten weniger lästig sein als eine hohe, nur unvollkommen erreichbare Wertsteuer auf das Material, während ihre Erhebung freilich wohl erheblich größere Kosten verursachen würde. Don großer Wichtigkeit ist dabei, zumal siir Sachsen mit seinen zahlreichen Stand orten der Tabakindustrie und Leipzig als einen der Hauptsitze des binncnländischen Rohtabak-Großhandels sowie der Zigarrcnfabrikation, welche Behandlung der Eingangszoll für Rohtabak erfährt und wie sich daS Ver hältnis zwischen Zoll und Steuer im einzelnen gestalten soll. Aber auch der Kleinhändler und der Konsument selbst werden der Veröffentlichung des Entwurfs mit Spannung entgegcnblicken, denn sie werden ihren Teil, und der Konsument sicher den Hauptteil, an der geplan- ten Mehrbelastung zu tragen haben: und um eine recht empfindliche Erhöhung, die sich im Preise oder in der Qualität der Ware bald fühlbar machen muß, wird cS sich bandeln, wenn die erlveiterte Tabakbefteuerung den von ihr nach Hörensagen erwarteten Mehrertraa von 10 Millionen, also einen solchen von rtwa 50 Prozent gegenüber der jetzigen Zoll- und Steuereinnahme von 70 Millionen Mark, einbvingen soll. Vie psstgelrttake. Die Erörterungen über Zweckmäßigkeit und Zulässigkeit der Prügelstrafe nehmen in letzler Zeit wisper einen ttmjang an und die Dringlichkeit der Befürwortung ixtt bereits einen Grad erreicht, daß auch die Gegner sich rühren muhen, um nicht falsch« Vorstellungen entstehen zu lassen. Es ist m der Lage der Verhältnisse begründet, daß die Gegner der Prügel strafe minder ost das Wort ergreifen, denn sie kämpfen nicht sür eine Erwerbung, sondern befinden sich in der Verteidigung eines erworbenen Gutes, der Prügellosigkeit. Und diese ist schon so aller Besitz, daß es manchem gar nicht mehr lohnend dünkt, darüber noch Worte zu verlieren. Aber die Stockschwärmer sind eifrig an der Aroeit, benutzen jeden einzelnen Fall eines Roheitsdeliktes, verweisen auf Dänemark und England, um Anhänger für ihre Methode zu werben. Tas Wort vom Humanitätsdusel der Gegner spielt in der Agitation eine be deutende Rolle, so daß es kaum einen Werbearukel geben dürfte, in dem diese Phrase nicht als „Argument" verwendet wird. Wenn hier heute aus das Thema wieder einmal einge- gangen wird, so geschieht es nebenher nur deshalb, weil neuer- ainqs sogar liberale Politiker sich als Freunde der Prügcl- strase bekannt haben, so erst kürzlich in der sonst gut liberalen „Braunschweigischen Landeszeitung", was von den typischen Vorkämpfern für die Wiedereinführung der Prügelei, der „Kreuzzeitung , „Deutschen Tageszeitung", den „Hamburger Nachrichten" und ähnlichen Organen sicher als „Beweis" an geführt wird, die Forderung der Prügelstrafe sei nicht spe zifisch reaktionär. Dagegen zu protestieren halten wir für Pflicht, und ebenso zu konstatieren, daß auch die Bekämpfung des Prügelns Pflicht des Liberalismus ist, und daß die liberale „Braun schweigische Londeszeitung" schwer verstoßen "hat gegen eine Grundsorderung des Liberalismus, der die Garantien sür das Subjekt zu schützen und zu mehren, aber nicht zu verringern bat. Bon vornherein möge unsere Stellung zu der Angelegen heit dahin präzisiert werden, daß im gleichen Maße wie sür den Delinguenten die Begleitumstände dieser Art des Straf vollzuges bedenklich und gefährlich scheinen, und daß selbst bei völliger Nichtbeachtung der als Humanitätsdusel verspotteten berechtigten Gefühle diese unvermeidlichen Folgen der Prügel strafe die ganze Institution beflecken und unmöglich machen müssen. Ein sehr gesunder Sinn, eine aus der Historie ge- wonnene Erkenntnis bäumt sich gegen das systematische obrig keitliche Prügeln auf. Die ganze Entwickelung der Menschheit aus der Dunkelheit zum Licht, aus der Knechtschaft in geisti gen und körperlichen Fesseln, aus Wahn und Aberglauben, Leibeigenickwst und Folter zur heutigen Achtung der Persön lichkeit ist eng veobunden mit der Anfibaunng Ker > 'n>eiligen Kinder ihrer Zeit äber das Prügeln. Und an ^er Ausdehnung oder Eindämmung der Herrschaft des Stockes findet der Historiker sicheren Anhalt sür die Schätzung des Kultur- Niveaus der Perioden. Wie im besonderen sich das Gebiet der Justiz nur sck>-wer von der Grausamkeit der Folter lxtt säubern lasten und die Prügel dann noch lange Zett liebevoll als teure Erbschaft einer keßeren Zeit zur Erziehung der Ver brecher benutzt wurden, das ist ja alles bekannt. Nicht so ver breitet dürste die Kenntnis aber sein, daß gegen die Ab schaffung der Folter die biederen Vorfahren der heutigen Leute mit den robusten Nerven dieselben Gründe und dieselben Redensarten vom Humanitätsdusel vorgebracht haben, die jetzt für die Wiodercinfiihrung des Prügelns Stimmung machen sollen. Wer sich dafür interessiert, braucht nur die leicht zu gängliche juristische Literatur jener Zeit nachzulesen, um in dem gewundenen Stil der damaligen Gelehrtensprache haar klein nachaowiescn zu finden, daß ohne Folter eine gründliche und ergiebige Voruntersuchung überhaupt nicht möglich jei, daß im Interesse des Ganzen Bedenken im Einzelnen zuruck- zustehen hätten. Daß unschuldig Gefolterte ihre geraden Glieder davon wiedervekommen bätten, steht freilich nicht da. Nun, es lxit sich herausqestellt, daß es auch ohne Folter geht, ia daß man sogar die Prügelstrafe entbehre« kann, ohne daß die Justizpflege darunter nachweisbar gelitten hätte. Aus der Erzielmng sind die Prügel immer mehr verbannt worden, und gegen die Prügelei im Heere führen wir einen erbitterten Kamps, um unser Volk zu einem Gemeinwesen stolzer und un geknickter Menschen heranwachsen zu lassen, die allein unsere Zukunft in dem schweren wirtschaftlichen Konkurrenzkämpfe verbürgen. Freilich sagen die Stocksreunde, das alles habe mit ihrem Vorschläge, die Roheitsverbrecher zu prügeln, nichts zu tun. Aber das ist grundfalsch. Ist erst einmal das Prinzip durchbrochen, so wird die Niickwärtsbewcgiung sich schwer auf holten lassen. Wo ist die Grenze? Wenn dn: Messerheld ge- prügelt wird, warum soll nicht auch der Einbrecher geprügelt werden? Warum nicht auch der Dieb, der Fälscher, der unge treue Kassierer? Es soll gar nicht bestritten werden, daß rn diesem oder jenem Falle irgend einem rohen Burschen eine Tracht Prügel nichts schaden könnte, und wenn er sie. auf frischer Tat erwischt, in recht fühlbarer Qualität bezieht, so wäre Mitleid nicht am Platze. Aber das ist durchaus nicht mit einer behördlichen Exekution zu vergleichen. Und wenn es nur wäre, um die unvermeidliche Verrohung unseres Be- omtenapparates durch die Prügelei zu vermeiden, um alle an der Exekution Beteiligten nicht zu Knechten und Bütteln wer den zu lassen, um ihnen die Achtung deS Volkes nicht zu ent ziehen, müßte schon deshalb mit allen Mitteln gegen diesen Rückfall in die Barbarei vergangener Tage protestiert wer den. Und wenn nun ein Unschuldiger geprügelt werden sollte? Wer möchte wohl unserem Deutschen Reiche die Stunde wün schen, in der dos geschähe! Schon mancher ist auf Indizien beweise hin verurteilt worden und hat später seine Unschuld Nachweisen können. Daß nnfir Strafvollzug an übergroßer Zweckmäßigkeit litte, wird selbst in Fachkreisen nicht bebaut», tet. Daß er ober in der Prügelstrafe ein gefährliches Geschenk erhielte, dos seine Oraane entwürdigte und den Verbrecher nicht vom Rückfall obhält, dafür bietet doch Rußland mit seiner Prügeltrodition ein klassisches Studiengebiet. Was soll mit dem Prügeln erreicht werden? Soll der Verbrecher gebessert werden? Das ist erwiesenermaßen nicht der Fall. Soll das Verbrechen gerächt werden? Wir meinen, dir Vergeltungstheorie hätte schon so wie io bald keine An hänger mehr. Uebrigens ist merkwürdig, daß gerade die aller christlichsten Organe auch immer die eifrigsten Prügelsreunde und. Aber obschrecken tun doch die Prügel? Möglich, daß sic daS tun, aber ganz gewiß nur diejenigen Elemente, die noch einen Rest Ehre im Leibe haben, und sicher nicht die verkam- menen Subjekte, für die gerade die Prügelstrafe wieder einge- führt wrden soll. Wir wollen einmal ein wenig, der guten Sache wegen, aus der Schule plaudern. Ein alter gewiegter Kriminalkommissar, ein Mann mit guter Bildung und klarem Blick, erzählte dem Schreiber diese- Artikels gclsgentlich aus «einem Bcamtenleben. daS sich zum größten Teck in einer großen Hafenstadt abgespielt hat: „Bei unS wurde damals geprügelt, aber fest. Von einem Nutzen der Prügel habe ich nicht» gemerkt. Und wenn gelegentlich einem unserer Stamm, aalte.dre Wahl gelaßen wurde, ob er Prügel haben oder form- lich angezcigt werden wolle, lo entschied er sich jedesmal wieder tür die Prügel." Man sollte meinen, das müßte auch dem enrovlerlesten Prügelsreunde zu denken geben. Wer die Kultur des deutschen Volkes nicht herunterdrücken, sondern emporheben will, der kann nicht wünschen, daß die Prügel je wieder im staatlichen Strafvollzüge eine Rolle spielen. Deutsches Keich. Leipzig, 22. November. * Reichskanzler und Fleischnot. Der Reichskanzler empfing am Montag den Vorstand des deutschen Land wjrtschaftsrates. Der Präsident Graf von Schwerin Löwitz überreichte eine Denkschrift über die Fleisckwer sorgung mit einer Ansprache, in welcher er dem Reichs kanzlcr für die Entschiedenheit dankte, mit der er der Agitation für die Abschwächung des veterinären Schutzes begegnet sei. Mit dem Schutze der Vichproduktion sei auch dem Interesse der städtisckwn Bevölkerung gedient, denn um die Gefahr einer wirklichen Fleischnot fern zuhalten, müssen die Produzenten davor geschützt wer- den, daß die vorübergehende Preissteigerung die Gefahr der Eirfichlcvpung von Seuchen hcrbeiführe. Der Reichs - kanzler erwiderte, er habe es stets als eine derwich- tigsten Aufgaben betrachtet, für daS Wohlergehen der Landwirtschaft und besonders der Viehzucht zu sor- gen. Die Erhaltung genügender inländischer Fleisch- Produktion sei ein vitales Reichsinteresse. Der Viehbe stand repräsentiere mit 8 Milliarden einen bedeutendn Bestandteil des Nationalvermögens und eungezählde kleinere Betriebe seien von der Viehzucht abhängig. Auch sei noch nicht genügend berücksichtigt, daß auch im AuS- lande ein stetiges Steigen der FleischprSse stattfinde, durch das die Möglichkeit der Deckung unseres Fleisch bedarfs durch eine vermehrte Einfuhr immer zweifelhaf ter wird. Er hoffe, die Denkschrift enthalte wertvolles Material und werde die Anregungen erwägen. — Ver gleicht man diesen Empfang beim Reichskanzler mit dem. der den Vertretern des Städtetagxs zu Test.wurde, so muß man auch den letzten Rest von Hoffnung, irgend etwas Durchgreifendes von Seiten des Reichskanzlers gegen dieFleischnot erwarten zu dürfen, schwinden lassen. Nm so kräftiger wird hoffentlich der Deutsche Städtctag zu reden wissen. * Afrikanische Verlustliste. Ein Telegramm anS Windbuk meldet: Nachträglich gemetvet am 24. Oktober im Gesicht bei Hart.beestmund gefallen: Unterosficier Erich Schulze, geboren am t l./IO. 80 zu Groß-Lessen, früber im Infamer»- Regiment Nr. 68, Brustschuß. Außerdem: Reiter Otto Förste, geboren am 6 /5. 83 zu Väthen, früher im Ulanen- Negiment Nr. 16, am 15. November in Wasserfall an Typhus gestorben. * Der Landtag von Sachsen-Weimar. Ein Privat telegramm meidet unS: Dem Anfang Dezember zusammen tretenden weimariscken Landtag werden laut soeben erfolgter amtlicher Bekanntgabe eine Reihe wichtiger Vorlagen zugeben, u. a. ein Siaatsvertrag mit dem Königreich Preußen nud ein ebensolcher zwischen den Staaten der heisisch-thürmgiscken Lotteriegemeinschatt über die künftige Regelung der Lotterie- Verhältnisse. Ferner werden 400 000 gefordert zur besseren Herstellung der StaatSckauffeen. * Sonsrrvative Bescheidenheit. Wir haben schon unseren Lesern Mitteilung gemacht von der ausführlich begründeten Verwahrung der fünf naiionalliberalen Abgeordneten Hart mann, Lanabammer, Merkel-Mylau, Rübtmann und Schulze gegen einen Ordnungsruf, der dem Abg. Langhammer in einer Sitzung der GeietzgebungSveputat on von dem Bor- sitzenden, dem Abg. Opitz, erteilt worden ist. Unbekannt war aber bisher, weshalb jener Ordnungsruf erteilt wurde. Man lese und staune. Der lonservative Abg. Dr. Kübl- morgen halte in der ersten Sitzung jener Depuiat on die „außerordentliche Bescheidenheit" — sich selbst zum 2. Vor- litzenden der Deputation vorzuschlagen! Darüber äußerlen sich mit vollem Recht die Abgeordneten Schulte und Langbammer in mißliebiger, wenn auch ziemlich unverblümter Weise. Und 10 Tage darnach erbielien deswegen die beiden nationailiberalen Abgeordneten den, wie sie klar und deutlich nachgewiesen Haden, formell unzuläisigen Ordnungsruf. Nach eigenem Bekenntnis hatte, wie die „Nene Bogtl. Ztt." mitteilt, wiederum der bescheidene Abg. Küblmorgen diese Maßregel veranlaß«, aber weder er noch der Herr Opitz haben bei Erteilung deS Oidnun^Srufes gewußt, ob Ker Abg. Langhammer oder der Abg. S.tmlzc jene Aeußerung getan hatte. Als sich dann der Abg. Lang- Hammer dazu bekannte — wurde wmigstenS der Ordnungs ruf gegen Schulze zurückgenommen. Der ganz« Borlall ist ein so scklagender Beweis für die von liberaler Seite schon >o oft kritisierte konservative Herrschsucht, g-paart mit verblüffender Ungeniertheit, daß eS schad« wäre» ihn nicht zu notieiei«. Eine weitere Kritik erübrigt sich ja. Aber be« Vieser Geleaenheit tei noch einer andeicn Form von konser vativer Bescheidenheit gedacht, die das „Vaterland", da« „Organ dr« lonsrrvattven LanvesvereinS unv sämtlicher konservativer Lokal-Vereine im Königreich Sach'en", besitzt. Als Erweis für die schweren, beleidigenden BZchulvigungen, die dicieS Blatt, wie wir vermerkten, gegen die Liberalen ichlenderte, »IS sei deren Wahlkampf mit „unverschämter Verunglimpfung der Konservativen unv unter tystematischer Verbreitung bewußter Unwahrbeilen" geiiihrt worven — al« Beweis die,sür fübrt daS Btait nur die natürlich parteiliche Behauptung eine« Gesinnungsgenossen in der Novembernummer veS „Mittelstandes" (!) an und ven von liberaler Seite er hobenen Vorwurf, daß die finanzielle Noilaie in Sachsen auf das Konto ver konservativen Partei zu setzen sei. DaS ist wirklich sehr bescheiden, wenn man das als Beweis vor- br'ngcn will, sür die Berechtigung, sich in Verbalinjurien schlimmster Art gegen eine andere Parte« zu ergehen. Aber es ist sür die Charalteristck konservativer Parteimoral, eie sich so gern mit dem Mantel de« Ehrytentum« jchmückt, ein dankenswerter Beitrag. * Gegen tze» Massenstreik bat sich am Sonntag in etner Massenversammlung der Hamburger Hafenarbeiter ter spoiul- veinokransche RechStagSabgeorvnete Krokme auSgesproche«. Er tpiach der Rosa Luxemburg jede Kompetenz illr die Ifiurteilunz deutscher Verhältnisse ad. Sie sei Ausländerin unv dctiachie alles nach ihre» heimatlichen revolutionäre« Anschauuugeu. Wa« habe «- für einen Wett, die MaA«
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