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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.05.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050506018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905050601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905050601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-05
- Tag1905-05-06
- Monat1905-05
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Bezrrg--Preis M y« Hmlptrxpedttto» oder dir« Insgab»- M« «bgeyolt: viertrljührltch 8.—, bet poeimaltga täglich« Znstelknn- tnStzau» 8.7L. Durch di« Post bezogen für Deutsch. land «. Oesterreich vierteljährlich SckXs, für di» übrige« Länder laut AeitungbpreiSliste. Dirs« N»»»er lsftet ML ans «llr» BahnhSfe» und III bet de» ZeituogS-BerkLuserR ^1* «estetttt«, «»» Er»edttt»«r 1Ü3 Fernsprecher ÄS Aohauut-gafl« 8. vnupk-iftltalr Dre»tzenr Martenstrab« 84 Gernsprecher Aart I Skr. 17UY. Haupt-Aiit«!« vertta: r«rlD«»cker, Herzal-BayrHofbllchdandlg, Lützowstraßr 10 tFernsprecher Nm» VI Nr. 4608! Nr. 228. Morgen-Ausgabe. 'chMcrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt Ses Liinigl. Land- und des Äönigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates «nü des Nokizeiamtes der Ltadt Leipjig. Sonnabend den 6. Mai 1905. An My en-Preis die 6gespaltene Petitzeile 88 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Ktinmziell« Anzeigen, VeschästSanzeigev unter Text oder au besonderer Stelle nach Tarif. Die 4 gespalten« ReNamrzrtle 7S Anntzhmeschlnß fitr Auzetgenr Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AnSgaLe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen find stet» an dir Expedition zu richte». Extra»veilagk« (,«r mst der Morgen- Ausgabe) nach besouderer tzereiubarung. Die Expedition Ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Vertag von E. Polz in Leipzig (Inh. ttr. B„ R. »e W. »linkhardt! Herausgeber: vr. Victor Kllukhardt. SS. Jahrgang. Var Mchtigrie vom Lage. * Da» Kaiserpaar ist gestern nachmittag nach 4 Uhr von Italien in Karlsruhe eingetroffen. (S. Dtsch. Rch.) * In Lübeck beschlagnahmte die Polizei zwei zer legbare Torpedoboote, die al» Maschinenteile nach Helsingfor» gesandt werden sollten. (S. Dtsch. Rch.) * Graf vo n Tattenbach überbringt nach einer Londoner Meldung dem Sultan von Marokko den Stern de» Roten Adlerorden- mit Brillanten. (S. den Artikel.) * König Eduard VH. empfing gestern den Minister deS Auswärtigen LauSdowne. * In Stockholm sind gestern 2000 Arbeiter au»- gesperrt worden. (S. Ausland.) * Nach einer Depesche aus Petersburg tritt Kuropatkin gauz zürück und überläßt KaulbarS daS Kommando der ersten Armee. (S. russ.-jap. Krieg.) 6ercbäktrpolitilr. Von einem Leipziger 9-atiomalkibemllen in hervor ragender Parteistellun-g wird uns geschrieben: Tie rvationalliberale Partei ist drauf und dran, an ihre große Tradition wieder anzuknüpfen und ihre frühere Stellung wieder zu erobern. Will sie das, so muß sie ihre alte Fahne wieder hervarhoilen und offen entfalten. Sie kann nicht zehnmal fragen: Darf ich? Sie muß einmal sagen: Ich Willi Gerade den „Willen zur Tat" vermißte man viel zu lange. So ein Regen der früheren Tatkraft war bei den Verhandlungen des Landesaussckuisses in Chemnitz zu spüren. Die dort gefaßte wirtschaftspolitische Erklärung ist schon um deswillen zu begrüßen, weil sie einer bestimmten Meinung Ausdruck gibt. Was von Bedenken gegen die dort erhobenen Forderungen vorzubringen war, ist in der Derfammssung selbst in sachlichster Horm vorgebrvcht worden, und das bedeute samste darunter war, daß die Erklärung, indem sic für die Industrie ointritt, den Schein erzeugen könnte, als solle die nakonalliberale Partei von dem Stand- punkte gleichmäßiger Wahrnehmung aller berechtigten Erwerbsinteressen zu Gunsten des „In dustrialismus" abgedrängt werden. Diesem berech- tigten Bedenken begegnet aber die Erklärung durch ihren Inhalt selbst, indem sie ja nicht eine Bevorzugung oder Begünstigung der Industrie vor anderen Er- werbSständen verlangt, sondern lediglich einen Aus gleich. Dieser Ausgleich wird verlangt im Hinblick auf die Nachteile, die namentlich der deutschen Ausfuhr auS den bis setzt abgeschlossenen Handelsverträgen er- wachsen werden — in welchen: Maße, wind sich ia zeigen. Nicht protestiert wird gegen diese Handelsver träge, die, wie es in der offiziellen Begründung der Regierung selbst heißt, in erster Linie der Landwirt schaft einen erhöhten Schutz bringen sollten und tat sächlich bringen — was könnte auch das Protestieren helfen? —, nein, es wisid nur venlangt, daß nun auch bei den weiteren Verträgen, namentlich bei den Verhandlungen mit Amerika, die Interessen der deut schen Industrie mit gleicher Tatkraft gewahrt werden möchten. Hier liegt kenn Gegensatz zur Land wirtschaft vor, sondern eher eine Interessengemein, schäft, denn die Landwirtschaft wünscht nicht minder wie die Industrie sine Aenderung des bisherigen Han- delsverhältnisses zu den Bereinigten Staaten. Wenn die Erklärung 'dann weiter das Verlangen nach einer großzügigen, auf weite Kiele berechneten natio nalen Wirtschaftspolitik verlangt, so ist das eine Forderung, die erst reckt auf allgemeines Verständnis stoßen sollte, denn es ist -och wohl der allgemein« Ein- druck, daß wir seit Bismarcks Keilen in der Zusammen- fassung und Geltendmachung der nationalen Kräfte nicht gerade Fortschritte machten. Die Politik der ge legentlichen, oder auch ungeleaentlichon plötzlichen Dor- flöße soll eben, da» «st der leitende Gedanke, durch eine Politik der großen Richtlinien ersetzt werden. So sollte man denn denken, schon wegen dieser Her- Vorkehrung -es großen nationalen Gesichtspunkte» muffe die Erklärung deS Beifalls auch der konser vativen Presse, soiveit sie nicht gerade auf die Politik deS Herrn Oertel eingeschwonen ist. sicher sein. Aber weit gefehltl Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" setzen eine Ebre darein, den Beschluß der sächsischen Nativ null iberalen lächerlich zu machen, und um zu zeigen, wie unbedeutend die ganze Sacke ist, verbrauchen sie dazu einen, wenigsten» der Länge nach, rc-cht bedeutenden Leitartikel. Da» ist dann freilich ein seltsamer Widerspruch, ad« offenbar wollten s» sich da» Verdienst,'der übrigen konservativ aararischen Dresse da» rechte Stichwort zu liefern, nicht entgehen -lassen. Mögen sie selbst noch so ost an derselb« Stell« «ne nationale Wirtschaft»- Politik verlangt, selbst die ÄandelsvertvagSpolitik deS Grafen Bülow kritisch durchgehcchelt haben: was tut's?! Für das Blatt lxmdelt es sich darum, auf alle Fälle zu verhüten, daß die Leser irgend einen günstigen Begriff von dem, was die nationalMerale Partei mit ihrer Kundgebung will, erhalten. DaS könnte ja der nationalliberalen Partei nützen, könnte ihr Ansehen beben, könnte ihrem ehr lichen Bemühen gerecht werden. Nein! Ter National- liberal,ismus muß systematisch ausgetricben werden. Um das kleinste konservative Parteilichtlein wird die schützende Hand gehalten. Jede Regung auf national liberaler Seite aber ist von Uebei. Lcraserft Deshalb wird den Lesern die Erklärung beileibe nicht im Wort laut vorgesetzt — das würde ja bas Vergnügen einer höhnischen Glossierung unmöglich machen — nein, unter einer ironischen Ueberschrift werden Inhalt und Begründung durch ein giftiges Ragout aus dem eigenen, schaumtreilbenden Herdkcssel ersetzt. Kwar ist der Zweck der Erklärung in ihr selbst klar ausge sprochen: Negierung und Reichstag auf bestimmte wirtschaftspolitische Wünsche aufmerksam zu machen: das hindert aber die „Leipz. N. Nachr." nicht an der Verdrehung, ihr Zweck sei nur der, „einen Gegensatz zu den Konservativen festzustellen, zu vertiefen und agitatorisch zu verwerten". Und wenn ld«m wirklich so wäre? Wo steht 'denn geschrieben, daß die nationalliberale Partei einen Gegensatz zu den Konservativen nicht feststellen und nicht agita torisch verwerten darf?! Das Geschäftsinteresse eines Leipziger Blattes ist -doch nicht das Interesse der nationallibereilen Partei! Welch eine naive Auffassung, die den Konservativen, den Alttrsemäten, 'den Agrariern und allen blutsbefreundeten Gruppen, sofern sie nur zahlende Abonnenten stellen, das Recht auf eigene Politik sinräumt, der nationaltiberalen Partei aber nicht! Sie hat in den Augen des Blattes kenn Recht, etwas zu wollen und zu wünschen, es sei denn, sich als braves Kartellkindchen in den Todcsschlaf wiegen zu lassen. Wie begierig dieses Blatt sede Gelegenheit auf- greift, die nattonalliberale Partei herabzusetzen, zeigt es zum Ueberfluß auch -damit, daß es die falsche Be hauptung wiederholt, über ein eigentliches Pro gramm für die Landtagswahlen habe man sich nicht einigen können, man habe sich mit jener „wirtschaft- licken Erklärung" begnügt. Die Wahrheit ist, daß von vornherein der Wahlaufruf und ^ner von Leipzig aus- gehende Antrag getrennte Dinge waren und getrennt verhandelt wurden. Der Entwurf zu dem Programm oder Wahlaufruf ist angenommen und lediglich verschiedener mehr formeller Wünsche halber einem kleinen Ausschuß zur redaktionellen Feststellung über wiesen worden. Genug an dieser Charakterisierung einer üblen Pretzpolitik, die 'die Kenner der Verhältnisse schon lange genug als Geichäftstatttk durchschaut haben. Dieses Urteil wird dadurch wahrhaftig nicht geändert, sondern nur als richtig bestätigt, daß das Blatt von Zeit zu Zeit, wenn es ohne Schaden geschehen kann, einige.vorsichtige, freundliche und ermunternde Worte in einen Leitartikel für die nationallcberale Partei oinfließen läßt. Man kann sich darauf verlassen, daß sic dann auf omer 'der nächsten Seiten oder in der nächsten Nummer desto hämischer behandelt wird — zum Gaudium derselben Sozialdemokratie, gegen die dasselbe Matt Tag für Tag 'die Ordnungsparteien zum einmütigen Zusammen schluß aufruft! Wenn die Parteileitung es bisher ver schmähte. auf diese systematische Treiberei irgendwie zu reagieren, so unterläßt sie -as vielleicht deshalb, weil sie sich sagt, daß ihre eigenen Anhänger wohl längst Ursache und Zweck dieses Betragens selbst erkannt haben wenden, oder aber, weil sie dem Blatte wie jedem anderen gegnerischen Blatt das imbeschränkte Recht auf tvitische Voveinaenommcnl>eit einräumt. Wie dem auch sei: es kann nicht schaden, wenn in einem so bezeichnen den Falle wie dem vorliegenden -as gsschäftspolitische Treiben des Blattes einmal ausgodeckt wird. Wir haben dem noch etwas anzufügen. In dem kritisierten A: titel der „Leipziger Neuesten Nachrichten" ist die Rede von gestnnungStüchtigen Zeitungen m. b. A. (mit beschränkter Auflage), eine versteckte Protzerei, wie sie bei Parvenü« häufig ist. Indessen übersteht man schlechte Manieren und Bildungslücken gern mit lächelnder Miene hei Männern, denen tüchtige», fachliche« Könne» vorwärts geholfen. Ander« ist e» bei den „8. N. N.". Diese» Blatt verdankt seine hohe Auflage der systematische» Geschäft-Übung, der großen in differenten Masse nach dem Munde zu reden. Nach dem Resul- tat sorgfältigen Beobachten» jeweiliger kritikloser Stimmungen wird die Politik znrrchtgemacht — die» ist der einzige ein heitlich« Zug, der durch alle Teile de» Blatte» geht. Diese G«schilft»gebahrnng bringt e» mit sich, daß dem Blatte alle Nar«, politischen Verhältnisse, alle festen Parteigruppierungea verhaßt sind, denn da» sind Hemmnisse für seine Verbreitung. Ihm Hegt daran, di« verwässern»» zu fördern und jede ausgesprochene politische Stellungnahme zu verhindern. Zwar treibt dies Organ reaktionäre Politik auf allen Gebieten, zwar sündigt eS täglich an den eigensten LebenSintereflen seiner Leser, aber e» hütet sich, Farbe zu bekennen. Es haßt jegliche Klarheit. Bei keiner Frage wird es sagen: Ja, ja oder nein, nein. Dafür wird es drum herum reden und in den Brei ein paar Spitzen verstecken gegen die Leute, die ihre Haut zu Markte tragen. Bei der Protzerei eines solchen Emporkömmlings vergeht denn auch dem Wohlmeinenden das Lächeln. Der Erfolge seiner Ge schmeidigkeit sich zu brüsten, ist widerwärtig. In dem Artikel der „L. N. N." über den Chemnitzer Vertretertag ist das Blatt seinen einträglichen Geschäfts tradition seit langer Zeit zum ersten Male wieder untreu geworden. Hier hat eS nicht nur seine Abneigung gegen reines Wasser, sondern auch seinen Haß gegen die National liberalen in plumpster Weise dokumentiert. Wir sind über zeugt, dieser Selbstverrat ist den Machern des Blattes heute schon höchst peinlich. Um so verdienstlicher dünkt uns die klare Erkenntnis der Sachlage in dem vorstehenden Artikel. Daß diese Erkenntnis in immer weitere Kreise dringt, haben die Liberalen mit all der Schärfe zu betreiben, zu der der Kamps um die eigene Existenz von selber zwingt. veuttcblana, knglanü unci fcanlitricb. Drohungen -e» Admiral» Fitzgerald. In den letzten Tagen sind hier von den a n t i d eu t s ch e n oder Deutschland theoretisch geneigten Artikeln der englischen Presse die Bettachtung der „Army and Navy Gazette" er wähnt worden, von der die deutsche Flotte als „Spielzeug Kaiser Wilhelms II." verhöhnt wird, und der ruhige, ver söhnliche Aussatz der „Empire Review". Fortzufahren ist mit einem Artikel des Publizisten Sydney Whitman, der die deutschen Verhältnisse kennt. Er m end et sich in einer Zuschrift an die „Daily Niall" gegen eme von diesem Blatt veröffent lichte Aufzählung deutscher Ausfälle gegen Eng land. Em im vorigen Monat in der deutschleindlichen, mit den „Times" verbündeten „National Review" erschienener Aussatz war von einem „Mitglied des deutschen Generalstabes" unterzeichnet. Herr Whitman weiß Mitzuteilen, daß kein solches den Aussatz geschrieben hat. Wenn der Schreiber des Artikels aber die Ueberlegenheit der deutschen über die eng lischen Truppen hervorhebe, so tue er nur, was jeder Eng- länder jahraus jahrein gegenüber allen Widersachern zur Be- hauptung der eigenen Ueberlegenheit zu tun pflege. Wenn dann etwa noch ein deutscher Offizier einen Roman schreibe, worin er den siegreichen Einzug deS Kaiser« in London schil dere, so gebe eS dagegen zahlreiche Beschreibungen erdichteter Feldzüge, in denen englische Schriftsteller die siegreichen Lan dungen rhrer Truppen auf dem Festlonde beschrieben. Auch jetzt werde die Frage einer solchen Landung im Zusammen hang mit den Fragen der A rm e« reform fortlaufend erörtert. Wenn man, wie es in der „Daily Mail" geschehen ist, eine Ansicht des Professors Schäffle, Großbritanien setze Himmel und Erde gegen den jungen deutschen Seehandel in Be wegung, als einen Beweis für Deutschlands englandfeindliche Stimmung anführe, soleugnemandieoffenkundig« Wahrheit, denn dieses Bestreben erkenne man aus den englischen Blattern und Zeitschriften klar und deutlich. In einer anderen Nummer der „Daily Mail" schließt sich der anglikanische Bischof T. E. W i l k in s on an. Er findet es kleinlich und unkritisch, immer Vergeltung üben zu wollen, weil „einige törichte Deutsche", die keine Verantwortung zu tragen hätten, sich in englandfeindlichen Ausfällen ergingen. Der Bischof befand sich m Deutschland, als aus Eng land eineungerufeneund unglückliche Rede auf stieg, die mit einem Male die Gegensätze wieder wachrief. In Deutschland aber gebe es in allen Berufen verständige Leute genug, die ein gutes Verhältnis zu England wünschten und es schätzten und achteten. Jetzt liegt eine neu« Provokation vor. In der „Deutschen Revue" verteidigt, gegenüber einem Artikel des deutschen Admirals Thomsen, der britische Admiral Fitzgerald jene „ungerusene und unglückliche Rede", war- unter nämlich die Rede des Zivillords Lee gemeint ist. Er gibt zu, daß di« neue Verteilung der britischen Gefchwader auf Grund des Anwachsens der deutschen Flotte in der Nordsee ersolgt sei. Das sei eine VorsichtS - maßregel „einer Nation, die für ihr Dasein auf die Frei heit der Meere angewiesen ist und daher das plötzliche Ent stehen einer mächtigen Flotte dicht vor ihrer LandeSgrenze nur mit dem Gefühl der natürlichen Befürchtung bezüglich des Zweckes ansehen kann, zu dem diese Flotte gegebencnsalls von einer ehrgeizigen, energischen und nach Ausdehnung strebenden Nation verwendet werden kann, die „Kolonien und Handels verkehr" in jedem Teile der Erde sucht und kein Hehl aus der Tatsache macht, daß sie sich selbst ein „Plätzchen an der Sonne" zu verschaffen wünsche". Fitzgerald beruft sich auf Eobden, der einst gesagt habe, er wolle lieber 100 Millionen Pfund Sterling jährlich für die britische Flotte bewilligen, als zu geben, daß eine andere Macht versuche, eine der englischen ebenbürtige Flotte zu bauen. Im nächsten Seekriege werde England um seine Existenz kämpfen und siegen oder untergehen. Seine Feinde würden nur um Ehre, Ruhm und Landerwerb kämpfen. Er sei nicht der Meinung, daß Deutsch, land seit 34 Jahren genugsam seine Friedensliebe bewiesen habe: von kleinen Zwllchensällen abgesehen, habe die deutsche halbtnspirierte Preise oft Kriegslust verraten; auch habe Deutschland keineswegs anderen Mächten gegenüber unbillige oder ungerechte Forderungen unterlassen. So sei die Besitz- nähme von Kiau tschau ein „Akt deS Länderraubes an einer befreundeten Macht" gewesen. Admiral Fitzgerald ist stolz darauf, daß er hervorragende Offiziere der deutschen Flotte zu seinen Freunden zähle, daß er die Gastfreundschaft des erlauchten deutschenKaiser »genossen und huldreiche Beweise seiner Freundschaft empfangen hab«, daß er vom Prin- zen Heinrich mit dem herzlichsten Wohlwollen au-gezeich. net wurde. Dennoch wäre die Freundschaft zwischen de, Ossi- zieren beid« Flotten nur ein schwache« Band des Frieden», wenn die Lebensinteressen der beiden Nationen derart in scharfen Gegensatz zu einander gerieten, „daß dadurch bei leder Nation die ueberzeuguna hervorgerufen wurde, daß selbst ein Krieg mit allen seinen Schrecken dem Zustande vorzuziehen sei, «orm man ruhig, aber stetig durch ein langsame» Ver fahr« an» seiner Existenz herausgedryckt wird". Den Schluß Line zweit« Abfertigung be« Herrn Aichet. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Da der Verfasser deS im „GauloiS" abgedrnckten und bereits als apo kryph bezeichneten Inter vies den Schein zu bewahren sucht, als habe er Äußerungen deS Reichskanzlers wicder- gMkben, sehen wir uns zu der Feststellung genötigt, daß der „Gaulois" einer groben Mystifikation zum Opfergefallen ist; die von ihm gebrachte Unterredung 'st em .freie- P Han tasiege'biIde. Herr Richet hat den Reichskanzler nichtgesvrochen, und e» ist ihm auf seine Bemühungen um eine Unterredung nichts weiter mitgeteilt worden, al» daß der Reichskanzler nicht in der L a g e s e i, ihn zu einem politischen Gespräche zu empfangen. Graf Latteubach überbringt dem Sultan, wie über London au» Tanger ge meldet wird, an Stelle der üblichen Geschenke, die zu be sorgen keine Zeit war, den Stern de» Roten Adler orden» m,t Brillanten. — Nach einer Pariser De pesche de» „L-Ä." besitzt Taillandier am Großwesrr Mohamed «I Mofdalah eine aewisse Stütze, aber Ben»liman. der Minister de» Aenßeru, unk die übrigen Mitz- des Aufsatzes bringt die „Voss. Ztg." im Text, der gekürzt lautet: „Die Völker haben ein längeres Gedächtnis als di« Ein zelpersönlichkeiten: nicht ist es vergessen, daß während des südafrikanischen Krieges, als England mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hatte, die volkstüm liche (?> deutsche Presse weit mehr als das ganze übrige uns feindliche Europa sich in den heftigsten Anklagen, rn dm giftigsten Schmähungen und Verleum dungen gegen uns erging. Wir habm in England ein Sprichwort, das sagt: „ä. Irisnck in nssck is a krienck in- äsocl", „Ein Freund in der Not ist ein wirklicher Freund", und wir würdigen und schätzen durchaus die Freundschaft derjenigen, die uns in unserem Unglück beistehen; aber wir blicken mit Mißtrauen und einer gewissen Scheu auf die jenigen, die sich nur in Freundschaft zu uns bekennm, so- lange es uns selbst gut geht, die sich aber gegm uns wenden und auf uns schimpfen und uns schmähen, wenn sie uns in Not finden. Das aber ist das, was Deutschland England gegenüber getan hat. Dazu ist es «ine in England sehr weit verbreitete Ueberzeugung, daß Deutschland seit Jahren schon keine Gelegenheit hat vorübergehen lassen, -wischen England und allen seinen Nachbarn mit Einschluß sogar der Vereinigten Staaten von Amerika, Zwie tracht, Verdacht und Mißtrauen zu erregen: namentlich zwischen England und Rußland und England und Frankreich. Die Engländer sehen es wirklich und sind gesonnen, Vorkehrungen dagegen zu treffen, selbst auf die Gefahr hin, daß diese Vorkehrungen als Drohungen angesehen werden. Die allgemeine Ansicht geht nicht dahin, daß Deutschland geradeletzt einen Streit mit England vom Zaune zu brechen wünsch«. Es ist noch nicht gerüstet und würde sehr wenig Aussicht auf Erfolg haben: aber wenn in einigen Jahren Deutschland, das sich dann i m Besitze von 88 erstklassigen Schlachtschiffen befinden würde, England in Schwierigkeiten mit einem seiner Nachbarn oder in einer ähnlichen Loae wie im Jahre 1899 ck>er m Streitigkeiten an seiner indischen Grenze ver wickelt sehen sollte, dann würde es nach einer Anschauung, sie bei uns von vielen geteilt wird, kein Bedenken tragen, ein Glück wieder einmal in dem edlen Kriegsspiel zu ver- uchen, um einige der einstweilen bereits besetzten Plätz chen ander Sonne sür sich zu gewinnen und daneben ich dm groben Anteil an dem Welthandels» ver- chaffm, der letzt in den Händen Englands ist, der ihm aber ehr wohl unter der Voraussetzung zusallen könnte, daß es ihm gelänge, seinen Rivalen auszustechen. Ich würde eenen Krieg Mischen England und Deutschland als ein schweres Unglück petrachten. Aber ich würde einen derartigen Krieg lieber morgen auSbrechen als ihn (wenn er doch kommen muß) auf eine Reihe von Jahren verscho ben sehen, wenn Deutschland zur See stärker sem - wird und es ihm möglicherweise gelingen kann, einen Vor teil über unS davonzutragen. Es sind seit einigen Jahren unverkennbare Anzeichen dafür hervoraetreten, daß Deutsch land eifersüchtig und neidisch auf unfern, Handel und unsre Weltmachtsiellung ist, und es bat sich keine son derliche Mühe gegeben, aus seinen Gefühlen em Hehl zu machen. Wir können uns nicht veranlaßt sehen, irgend etwas von unserem Handel oder von unserer Weltmacht stellung aufzuaebm, und es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn Deutschland fortfahren sollte, seine Kriegsflotte in dem gegenwärtigen Verhältnisse zu vermehren, das heißt so, daß sie mehr ober minder aus den Fuß der Ebenbürtigkeit mit der Englands kommt, dieses Vorgehen als eine B e - drohungoer Oberherrlichkeit zur See anzu sehen ist, ine wir mit Recht oder Unrecht beanspruchen und die wir aufrechtzuerhalten suchen werden, da sie unseres Dafürhaltens notwendig zu unserer unabhängigen Existenz als Nation ist, abgesehen von aller Gefühlsregung und der Tatsache, daß wir sie ein Jahrhundert lang gewahrt haben. Wenn ich jetzt mit ungewöhnlichem Freimut oder gar mit ungewöhnlichem Unbedacht gesprochen habe, habe ich damit das berühmte Beispiel jenes großen Staats mannes befolgt, der das heutige Deutsche Reich ge schaffen hat." Es liegt in der Sache selbst, daß eine deutsche Polemik gegen den Admiral Fitzgerald sich erübrigt. Die brutale Offenheit, womtt er den Antagonismus zwischen Deutschland und England darstellt, ist eher sympathisch und liefert treff liche Beweise zum Thema der deutschen FlottenpoIi- t i k. Abzuwehren sind die insolente Aussage des Engländers über das deutsche Vorgehen in Kiautschau und seine Berufung auf den Fürsten Bismarck. Im übrigen wiederholen sich jenseits des Kanals die Erscheinungen, die nach der Rede Lees zu beobachten waren. Auch die „Daily Mail" wird vorsichtiger und schreibt, Fitzgerald sei nicht mehr aktiv, so daß er nicht bestraft werden könne wegen seines Artikels, der die beklagenswerteste Wirkung haben müsse, weil er den von der deutschen offiziösen Presse im vorigen Winter ausgestreuten Gerüchten, daß England einen plötzlichen Angriff auf Deutschland im Schilde führe, Färbung verleihe. Daß England an einen Krieg nicht denke, ließe sich folgerichtig beweisen durch die Tatsache daß es in diesem Jahre den Kiel nur zu einem Schlachtlchifse lege gegen zwei deutscherseits, obwohl, sobald das kleine bri tische Schisssprogramm erschienen sei, die deutsche Ad miralität die Absicht ankündigte, im Herbst em Nach tragsprogramm einzubringen, das für 6 weitere ge panzerte Kreuzer Fürsorge trefft. Keine Macht könne ja diktieren, wie viel Schiffe ein anderer Staat bauen solle, ober wenn eine Macht ihre Existenz durch ein fremdländisches Programm bedroht fühle, so ftl es ihre Pflicht, zwei Schiffe zu bauen gegen das eine des Rivalen. Fitzgeralds Drohungen würden von allen vernünftigen Engländern scharf ««mißbilligt werden. '
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