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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981119014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898111901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898111901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-19
- Monat1898-11
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Da die Stadtoerordneten- Versammlung so gut wie ausschließlich aus Fortschrittlern und Socialdemotraten besteht und 'die Letzteren gegen den Vertrag gestimmt haben, so ist der Abschluß des Vertrages als ein Wert der fortschrittlichen Majorität anzusehen. Sachlich genommen ist der Vertrag ein wenig günstiger Beweis für die Fähigkeit «des Fortschrittes zur Regierung eines großen Grmeindewesens. Denn durch den Abschluß des Ver trages entgeht der Stadt Berlin rin sicherer finanzieller Vortheil, der es ermöglicht hätte, den Druck der direkten Steuer zu ver mindern. Da außerdem die private Gesellschaft durch möglichst geringe Löhne einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen sucht, während die Stadtvenvaltung angemessene Löhne hätte zahlen können und müssen, ist die Handlungsweise der in Berlin regierenden Fortschrittspartei auch vom socialpolitischen Stand punkte aus nicht zu billigen. Immerhin muß anerkannt werden, daß die Fortschrittler, indem sie den Vertrag mit der Privatgesellschaft annahmen, ihrer Theorie der Begünstigung des Privatcapitals treu blieben. Sind sie doch auch mit der größten Entschiedenheit gegen die Verstaatlichung der Eisenbahn ein getreten und halten sie doch selbst heute noch vielfach die Ver staatlichung für einen Fehler, obgleich sich ihr Vortheil klar genug herausgestellt hat. Haben sich die Fortschrittler nun auch in der Sache selbst an ihr Princip gehalten, so haben sie doch in einer charakteristischen Weise ihr Princip verleugnet gegenüber der persönlichen und sachlichen Kritik, die an dem Vertrage von dessen Gegnern geübt worden ist. Es hat sich wieder einmal gezeigt, daß die Fort schrittler das Recht der freien Meinungsäußerung nur dann mit Leidenschaft vertreten, wenn sie in der Minderheit sind. In persönlicher Hinsicht war angedeutet worden, daß so mancher Stadtoertreter wohl sein persönliches Interesse an dem Prosperiren des privatkapitalistischen Unternehmens für seine Billigung des Vertrages maßgebend sein lass«. Diese Be hauptung, deren Nichtigkeit oder Unrichtigkeit hier nicht unter sucht werden kann und soll, wurde von dem Berliner Communal- fortschritt mit Schärfe zurückgewiesrn. Man hat in fortschritt lichen Kreisen, als Fürst Bismarck die Schutzzollpolitik inaugurirte, keinen Anstand genommen, diesen Mann, der in gefährlicher Zeit nicht gezögert hatte, Leben und Vermögen aufs Spiel zu setzen, zu verdächtigen, daß er als Großgrundbesitzer mit den Zöllen in seine eigenen Taschen hineinwirthschaften wolle; aber natürlich, was man 'dem Fürsten Bismarck an dm Kopf werfen darf, 'das darf man noch lang« nicht einem Berliner Stadtoertreter zutrauen. Immerhin mag die Entrüstung über persönliche Angriffe noch hingehen, obgleich die Fortschrittspartei ihrerseits in sollen An griffen eine besondere Stärke entwickelt. Aber das sollte man doch meinen, daß das Recht der sachlichen Meinungs äußerung gerade in Fortschrittskreisen als Palladium angesehen wüöoe. Aber siehe da: dir „Freisinnige Zeitung", das Central organ der Fortschrittspartei, schrieb: „Dir Frage des Zustande kommens des Vertrages ist inzwischen auch zum Gegenstand von Verhandlungen in Volksversammlungen gemacht worden. Die ganze Frag« aber ist eine so complicirte und in ihrer Entscheidung derart von ziffermäßigrn Berechnungen be dingt, daß auf Grund eines mündlichen Vortrages eine mit Vieser Frage vorher nicht befaßt gewesene Versammlung gar nicht in der Lage ist, sich ein unbefangenes Urtheil zu bilden." — Die Frage der Verstaatlichung der Eisenbahnen, dir Fragen der . Zollpolitik, das Tabaksmonopol, die Branntweinsteuer und di« sogenannte Liebesgabe, all diese Fragen und Dutzende von anderen Gesetzentwürfen der letzten Jahrzehnte waren doch wohl auch, um mit der „Freis. Ztg." zu reden, „compticirt und in ihrer Entscheidung derart von ziffermäßigrn Berechnungen be dingt", daß in einer Volksversammlung nicht so ohne Weiteres ein unbefangenes Urtheil über die Frage sich bilden konnte. Trotzdem nahm die Fortschrittspartei nie Anstand, über solche Fragen Versammlungen einzuberufen und Resolutionen fassen zu lassen, di« der Regierung darthun sollten, daß si« sich tm Widerspruche mit dem erleuchteten Voltswillen befinde. Und wenn in diesem Winter eine neue Heeresvorlage eingebracht wird, so kann man sich darauf verlassen, daß die Fortschrittler wiederum Hunderte von Volksversammlungen für befähigt halten werden, über die Fruge der Vermehrung der Wehrkraft «in sachverständiges Urtheil crbzugeben. Und doch ist es nicht so ganz leicht, sich darüber klar zu werden, ob die allgemeine Finanzlage des Reiches und der nationale Wohl stand die Vermehrung der Ausgaben gestatten, und es ist für einen Uneingeweihten noch weniger leicht, sich über die technisch« und Vie allgemein politische Seite der Frage ein richtiges Urtheil zu bilden, lieber die Maßnahmen einer Regierung, die für das Wohl von 65 Millionen Menschen verantwortlich ist, kann man sich also eine „Kritik aus dem Handgelenk" gestatten. Und wenn die Regierung dieser Kritik nicht Beachtung schenkt, so wird ihr Verhöhnung des Volkswillens vorgeworfen; an den Maßnahmen einer fortschrittlichen städtischen Verwaltung aber Kritik zu üben, ist das deutsche Bürgerthum nicht einsichtig genug. Das Wort eines tlerikrltn Politikers: „Wir verlangen die Freiheit, wo wir in der Minderheit sind; aber wir verweigern sie, wo wir in der Mehrheit sind", gilt, wie man sieht, keineswegs nur für die Klerikalen als Richtschnur. Die Tyrannei einer herrschsüchtigen Majorität ist vielmehr ein allgemeines Cha rakteristikum des Radikalismus, einerlei, ob es sich um klerikalen oder reaktionären oder fortschrittlichen oder socialen Radikalis mus handelt. Deutsches Reich. -g- Leipzig, 18. November. Wie wir bereits in einer kurzen Notiz der Abendnummer meldeten, tritt Herr Reichs- aerichtSrath Daubenspeck mit dem 1. Januar nächsten JahreS in den Ruhestand. Damit scheidet ein Jurist all dem praktischen Dienst, der eine überaus rege Thätig- keit wie allgemein civilrechtlich, so insbesondere auf bergrechtlichem Gebiete entfaltet hat. ReicbSgerichtS- rath Daubenspeck wurde am 24. Juni 1831 inNeu-Ruppin ge boren, wo, wie später in Perleberg, sein Vater als Rechts anwalt thätig war. Die wissenschaftliche Ausbildung empfing der Sohn auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt und später, in den Jahren 1850—53, auf den Universitäten Halle und Berlin. Nach absolvirtem Studium wurde er Auscultator in Sangerhausen und Perleberg, später Referendar im Kammergerichtsbezirk und 1859 Assessor. Als Kreisrichter wirkte er von 1863 an zuerst in Kyritz, dann in Branden burg a. H.; 1874 wurde er KreisgerichtSratb, 1877 Appella tionsgerichtsrath in Hamm, am 1. October 1879 Ober landesgerichtsrath ebendaselbst und am 1. Januar 1887 ReichSgerichtSrath. — Neben der Erledigung seiner amtlichen Pflichten hat ReichSgerichtSrath Daubenspeck eine hervor ragende literarische Thätigkeit entfalte». So schrieb er: „Haftpflicht de- BergwerkSbefitzerS", 1882; „Schiedsgerichte für Regulirung der Bergschäden", 1883; „Beiträge zur Lehre von den Bergschäden", 1885; „Leitfaden für die Revision der Geschäfte bei den Amts- und Landgerichten", 1884; „Die Sprache in den gerichtlichen Entscheidungen", 1893; „Bergrechtliche Entscheidungen des Reichsgerichts" 1. Band 1893, 2. Band 1898; „Referat, Votum und Urtheil". Das zuletzt genannte Werk ist in ganz Deutschland verbreitet, es erschien bereits in 6 Auflagen und in nächster Zeit macht sich eine siebente Auflage nothig. — Die Genehmigung des PeosionirungSgesucheS des ReichSgerichtsratheS Daubenspeck durch den Kaiser ist in Beirut erfolgt. * Leipzig, 18. November. Wir werden um Abdruck der folgenden „Berichtigung" ersucht: Wir armenischen Studenten Protestlern gegen das oberflächliche und ungerechte Urtheil, daS Herr Pfarrer Naumann, der Re- dacteur der „Hilfe", auf Grund der bloßen Aussagen eines Töpfer meisters iu Konstantinopel, über die armenische Nation gefällt hat, dem Sie in Nr. 670 des „Leipziger Tageblattes" Aufnahme ge- währt haben. Wenn wir selbst auch einmal annehmen würden, der betreffende deutsche Töpfermeister behielte Recht mit seiner Annahme von Fällen, deren besonder- die armenische Nation selbst in ihrem gegen seitigen Verkehr fähig wäre, so würde die- nicht- anderes sein, al» was in jeder anderen Nation ebensogut Vorkommen kann und auch vorkommt. Giebt da- Jemandem aber ein Recht, daraus eine Meinung über das ganze armenische Volk abzuleiten und diese Meinung al- einen Charakterzug der armenischen Nation zu proclamircu? Der Armenier verkauft nicht seine Frau oder seine unreifen Töchter, auch bereichert er sich nicht auf Kosten seines Bruders. Wenn man den armenischen Mann und die armenische Frau kennen lernen will, so nehme man sich die Mühe, in der armenisch«» Geschichte besonder- die letzten blutigen Seiten durchzuleseu und mau wird es bestätigt finden, in wie hohem Grade der armenische Mana durch selbstlose Aufopferung feine Frau, seine Töchter und seinen Bruder unterstützt hat; daß die armenische Frau ihre Ehre selbst durch Asche und Blut noch zu retten gesucht hat. Und diese Ehre der armenischen Frau soll heute durch da- frivole, ja grausame Urtheil eines oberflächlichen ausländischen Beobachters verletzt werden?! Leipzig, 17. November 1898. Armenische Studentenschaft in Leipzig. Wir können nicht umhin, zu dieser seltsamen „Berich tigung" zu bemerken, daß Herr Pfarrer Naumann ein Urtheil über die armenische Nation gar nicht gefällt hat; wir wenigstens haben ein solches weder gesehen, noch zum Abdruck gebracht. Er hat lediglich mitgetheilt, was er im Casino der deutschen Handwerker in Konstantinopel über die Armenier gehört hat. Und daS hat er nicht nur von einem Töpfer meister, sondern auch von Anderen, ja von allen Anwesenden gehört. Von dem „frivolen Urtheil eines oberflächlichen aus ländischen Beobachters" kann also ebensowenig die Rede sein, wie von einem „oberflächlichen und ungerechten Urtbeil deS Herrn Pfarrers Naumann". Wir wollen hoffen, daß die thatsäcklichen Behauptungen der Herren Verfasser richtiger seien, als die Adresse, an die sie ihre „Berichtigung" richten. /S Berlin, 18. November. (Der Adel in der preu ßischen Verwaltung und ein neuer Assessoren paragraph.) Ais der Assessorenparagraph dem preußischen Abgeordnetenhaus« vorlag, und dann wieder ein Jahr später, als die VereinSnovelle eingebracht war, sprach die „Post" — wohl um die Nationalliberalen zu gewinnen — die Mahnung aus, daß die höheren Verwaltungsämter nicht überwiegend mit Adligen besetzt werden sollten. Wie angebracht dies« Mahnung war und wie wenig sie beachtet wird, zeigt sich daraus, daß bei den RegierungSreferendaren der Procentsatz der Adligen steigt. Es sind in diesem Jahre 39 Proc. der Regierungsreferendare adlig gegenüber 35Proc. im vergangenen Jahre, während vor 15 Jahren nur 31 Proc. adlig waren. Da das Referendariat die Vorstufe zu den höheren Aemtern bildet, so ist also zu erwarten, daß iu Zukunft die höheren Verwaltungsämter noch stärker als bisher mit Adligen besetzt sein werden. Aber auch bei der Ernennung von Landräthen ist in den letzten Jahren der Adel besonders berücksichtigt worden. Denn während in den letzten fünf Jahren unter der Gesammtzahl der Landräthe 52 bis 55 Procent adlig waren, sind unter den neu ernannten Landräthen ungefähr 65 Procent adlig. Wird in diesem Ver hältnisse bei den Neuernennungen sortgefahren, so muß naturgemäß auch in Bezug auf die Gesammtzahl der Lanv- räthe der Procentsatz der Adligen steigen. Diese Zustände weisen deutlich darauf hin, wohin es auch in der Justiz gekommen wäre, wenn der Assessorenparagraph zum Gesetz geworden wäre, und sie enthalten die dringende Mahnung, einen etwaigen neuen Versuch, den Assessorenparagraphen durchzubringen, ebenso zurückzuweisen, wie vor zwei Jahren. * Berlin, 18. November. Unter der Ueberschrift „Gedanken und Erinnerungen des Fürsten Bis marck in französischer Beleuchtung" wird in einem Theile der deutschen Presse ein Artikel verbreitet, welchen die „Münch. Allg. Ztg." wie folgt charakterisirt: „Die „Revue des Revues" publicirte kürzlich einen Bericht über daS Bismarck'jche Werk, in welchem dieses schon vor dem Erscheinen als „werthloS", als eine Mystifikation erklärt wird, wogegen für das Busch'sche Machwerk, das gewisse Kreise au- geschäftlichem und politischem Interesse in Frankreich als di» „Wahren Memoiren" deS Fürsten Bismarck hinstellen möchten, geziemend Reclame gemacht wird. Der Verfasser des Artikels will die „Gedanken und Erinnerungen" „ganz durchgrlesen haben", bringt aber keinerlei Be- weis dafür herbei, weiß auch nichts au- denselben mitzutheilcn als rin paar magere Behauptungen, von denen die eine aus dem Jnhaltsverzeichniß geschöpft, die anderen — unrichtig find. Dazu fügt er dann noch die staunenswerthe Entdeckung, daß daS Bestreben, die Größe des Kaisers Wilhelm I. zu verkleinern, im ganzen Werke Bismarck's zu Tage trete, im Werk« des MannrS, der als Inschrift für seinen Grabstein die Worte bestimmte: Ein treuer Diener Kaiser Wilhelm's I. Der Franzose, der all das schrieb, hat sich'- wirklich leicht ge« macht, und weil man dem Schmühartikel seinen Zweck anmerkte, ist sein Eindruck iu Frankreich ein sehr geringer. „Hier wird der Artikel gar nicht beachtet, die hiesigen Journale erwähnten nichts davon; eS wundert mich nur, wie die deutschen Journale einen so miserablen Klatsch der Erwähnung Werth halten", schreibt ein Pariser College dem deutschen Verleger. In der That, eS ist zu verwundern, daß auch bei dieser Gelegenheit sich wieder eine allerdings kleine Zahl deutscher Zeitungen gefunden hat, die über da- Werk schon vor dem Erscheinen in ihren Spalten aburtheilt, die hämischen Aus führungen des (unter einem deutschen Pseudonym) schreibenden Franzosen nicht nur mit Vergnügen wiedergiebt, sondern geschäftig erweitert und trotz der heuchlerischen Betonung deS Chauvinismus deS Verfassers sich doch dessen Ansicht aueignrt, daß „das Werk Enttäuschungen Hervorrufen werde, die man in Deutschland noch stärker als im Auslände empfinden wird". Dem französischen Pamphletisten war dieses ja wohl zu ver zeihen, bei den Deutschen, die sich zu dem Zweck mit ihm verbinden, wäre eS — erstaunlich, wenn man in dieser Hinsicht nicht schon so manche- erlebt hätte! Dieser Artikel, welcher de: „Germania" und anderen Zeitungen „auS Leipziger Buchhändlerkreisen" zugegangen sein soll, kann Loch wohl nicht den Zweck gehabt haben, zugleich eine Reclame für rin andere- Werk zu mache», das nicht vom Fürsten Bismarck, sondern über ihn geschrieben ist? So entstand er vielleicht lediglich auS dem leidenschaftlichen Bedürsuiß gewisser Leute, den Einiger Deutsch, lands wie bei Lebzeiten so auch nach seinem Tode herunterzuziehen. Sich zu diesem Zweck eines Eidrshelfers ans dem Kreise der franzö sischen Revanchepolitiker zu bedienen, scheint der deutsche Artikel schreiber nicht für beschämend zu halten!" L. Berlin, 18. November. (Privattelegramm.) Die „Bert. Börsen-Ztg." schreibt: „Ter Besuch des Grotzherzogs von Boden beim Prinz-Regenten von Bayern wird am 3. December stattfinden. Den äußeren Anlaß bietet die Ver leihung eines bayerischen Regiments an den Großherzog» Niemand bezweifelt eS aber, daß ReichSaogelegenheiten den Gegenstand der Unterhaltung der beiden Fürsten bilden werden. Wie unS gemeldet wird, ist überdies noch die Mög lichkeit vorhanden, daß der Kaiser der Zusammenkunft durch sein gleichzeitiges Erscheinen auch nach außen bin daS Ge präge ihrer Bedeutung verleihen wird. Da der Reichstag nun doch am 29. November eröffnet wird, gewinnt letztere Meldung an Wahrscheinlichkeit." L. Berlin, 18. November. (Privattelegramm.) Zu den heute im Reichspostamt beginnenden Paftconferenzen theilt die halbamtliche „Dtsch. Verkehrs-Ztg." mit, baß sich die Berathungen des heutigen Tage- auf Gegenstände des technischen Poft- und TelegraphendieusteS, insbesondere auf Vereinfachungen desselben erstrecken sollen. Am 19. und 21. November solle» mit den Ober-Postdirectoren Fragen des Verwaltungsdienstes erörtert werden. Nament lich wird eS sich darum handeln, inwieweit es thunUch ist, die Zuständigkeit der Postämter zu erweitern, um den Dienst von Schwerfälligkeiten und entbehrlichem Schreib werk zu entlasten und die Ober - Postdirectionen, was sehr erwünscht ist, zu erleichtern. Daß bei den Conserrnzen, wie eine durch die Tageszeitungen gelaufene Notiz vnttheilte, auch Fragen behandelt werden, welche die geplante Personalresorm betreffen, kann bei der Wichtigkeit deS Feuilleton. Die Entstehung -er Hanse. Nachdruck »erdoten. Der gewaltige Aufschwung, den Deutschlands Industrie und Schifffahrt in den letzten Jahrzehnten genommen haben, hat nur wenige Beispiele in der Geschichte. In der deutschen Ge schichte finden wir nur wenig« Epochen, die mit ihm zu vergleichen wären, und dann sind sie ihm auch an Größe verhältnißmäßig immer noch nachstehend. Vergleichbar in gewissem Sinne ist nur das Aufblühen der Hanse, wenn auch hier der Vergleich, wie gewöhnlich immer, hinkt. Ader gerade in unserer Zeit, wo man einen großen Erfolg deutscher Thatkrast, deS deutschen Handels sieht, die Resultate einer gewaltigen Industrie greift, wo man sich aber auch gern in die Geschichte versenkt und von und auS der Geschichte lernt, -bringt man der Forschung über die Hanse große» Jnirrrffe entgegen. Erst in diesem Jahrhundert hat sich durch die Eröffnung neuer Geschichtsquellen ein zusammen hängendes verständliches Bild de- großen deutschen StädtebundeS de» MittelaltrrS geben lassen, und erst in unserer Zeit hat man den Triebfedern und den Zuständen, di« di« Blüthe der Hanse herbeiführten, volle« Verständniß entgegen bringen können. Heute, in der Kraft deS Reiches, bei festgefügter staatlicher Or ganisation, ist ein Bund wie die Hanse nicht mehr möglich, aber auch nicht nöthig, zu jener Zeit aber, wo da- deutsch« Kaiserthum seine ganz« Macht nur auf Vie Erwerbung Imd Besttzhaltung Italien» richtete, war sie eine Nothwendigkeit, die dem Norden Deutschland» Da» gab, wa» der SiZden ihm zu entziehen schien, geordmte Zustände. Mehr noch al» tn der ersten Hälfte unsere» Jahrhundert» trennte sich Süden und Norden Deutschland». Der Süden war auf den Handel mit Italien und dem Morgen lande angewiesen, di« groß« Blüthe mancher süddeutscher Städte lag an der Huld, deren sie von den Kaisern thetlhastig wurden, vielleicht auch in der besseren staatlichen Organisation ihrer Länder. Im Norden dagegen war der einzige Fürst, der sich Achtung zu verschaffen wußte und dessen Hand mächtig genug war, um eine gewisse Ordnung zu schaffen, Heinrich der Löwe, der aber schließlich wegen seiner Widersetzlichkeit gegen den Kaiser von Friedrich I. unterdrückt wurde. In diesem Wirrsal des deutschen Reiches entstand der Städte bund der Hanse, «in Bund, der ursprünglich nur Handels zwecken diente, der aber, da die Handelsschiffe zugleich Kriegs schiffe waren, zu einer politischen Macht sich auswuchs. Ein Gründungsjahr der Hanse ist nicht bekannt, man will den Ver trag, den Hamburg und Lübeck im Jahre 1241 zu Trutz und Schutz schloffen, als di« Gründung ansehen; Professor Lindner *) ist jedoch der Meinung, daß dies nicht angängig ist, sondern daß sich das Bedürfniß der Verbindung nach und nach eingestellt hat und daß sich der Bund in seinen Anfängen ohne schriftliche Vereinbarungen gebildet hat. In seinem Buche schildert er in warmer Sprache die Geschichte der Hanse, so daß das Buch «in wirtliches Geschichtsbuch für das Volk und die Jugend genannt werden muß, ohne daß man deshalb bei dem Verfasser irgendwie einer Oberflächlichkeit begegnet. Sein« Meinung über die Ent stehung der Hanse führt er in folgender Weise aus. Nicht eine einmalige Handlung, sondern die Herstellung dauernder Verhältnisse wird alt der Ausgang der Hanse zu fassen sein. DaS ist vor Allem die Verschmelzung deS Nordsee- und *) Die deutsche Hanse, ihre Geschichte und Bedeutung. Für da» deutsch« Volk dargestellt von Theod. Lindner, Professor der Geschichte an der Universität in Halle. Mit zahlreichen Abbildungen. Leipzig, Ferd. Hirt L Sohn. Ostseehandels, dann, wie ich denke, die schließliche Verlegung der Leitung des überseeischen Verkehrs auf deutschen Boden und seine Regelung durch in der Hcimath getroffen« Vereinbarungen. Dadurch erst gelangte der norddeutsche Kaufmann zur vollen Einigung und wurde zum hansischen. Nordsee und Ostsee waren durch di« deutschen Colonie- gründungen zu einem einheitlichen HändelSgrbiet geworden. Da der Atlantische Ocean nur an den Küsten befahren wurde, bildeten die beiden Meere ein abgeschlossenes Ganze, daS den gesammten Norden enthielt. Die dortigen Völler, früher so gewaltig, ver mochten die Schifffahrt nicht mehr in größerem Maße zu be treten, wohl weil ihnen die Mittel fehlten, den gesteigerten An forderungen an den Schiffsbau nachzukommen. Merkwürdig genug, wie sich das Blatt wandte, wie die Nordleute ihr Blut zu ändern schienen. Kamen früher dänische Kaufleute sogar den Rhein hinauf, fällt jetzt den Deutschen der Verkehr fast allein zu. Den Anfang hatten die westlichen Städte gemacht. Aber jetzt lag Lübeck ziemlich gleich weit von London und Gotland, wie ein vermittelndes Gelenk der beiden nach Westen und Osten ge streckten Arme. Da geschah nun, daß di« Ostseestädte, Lübeck voran, Gleichberechtigung mit ihren älteren Schwestern jenseits der Elbe forderten und durchsetzten. Mancher Kaufmann aus dem Westen, der nach Neudeutsch land übersiedelte, mochte früher selbst nach London oder Now gorod gefahren sein und brachte die Kenntniß dieser Handels verbindungen mit. Man gab das Anrecht nicht auf, sah viel mehr Gleichstellung mit den ehemaligen Genossen als selbstver ständlich an, auch auf dem wichtigen englischen Markt. Den bisherigen glücklichen Besitzern der Londoner Gildhalle kamen die Mitbewerber sehr ungelegen; die Kölner, Tieler und Genossen beschwerten die Neuling« durch besondere Forderungen. Die Lübecker klagten darüber bei Kaiser Friedrich II., der ihnen I da» gleich« Recht zusprach; wirksamer mochte sein, daß auch der englische König Heinrich III. 1238 den Lübeckern wie Sen Kauf leuten der anderen deutschen Städtr Vie dem deutschen Kaufmann gewcchrten Freiheiten zusicherte. Denn England sah um seines Nutzens willen alle fremden Händler gleich gern und wünscht« deren Vermehrung. Auch die Gotländer hatten 1237 Zollfrecheit erhalten. Es ist nicht ganz klar, wie sich zunächst die Dinge ge stalteten. Schon 1251 erscheint ei» Aldermann der Deutschen, der mit Kölnern und Bremern Zeuge war, als das Stadtregiment von London «inen Streit zwischen dortigen und Lübecker Bürgern schlichtet«; später ist von einem „Rechte der Deutschen" in England die Rede. Gleichwohl ist zweifekhafi, ob nicht, als König Heinrich 1260 „den Kaufleuten des Reiches Mlemannia, d. h. denen, welche ein Haus haben in unserer Stadt, das gemein hin die Gildhalle der Deutschen genarmt wird", Schutz ihrer Rechte durch das ganze Reich verhieß, die Kölner allein gemeint sind. Jedenfalls war 1282 der Streit ausgeglichen. Da kommt zum «rsten Male die Bezeichnung: „Kaufleute von der Hans« der Deutschen". Das in England übliche Wort für Gilde wurde somit auf den Verband der deutschen Kaufleute in England über tragen. Auch an anderen Hafenstädten de» Königreichs verkehrten deutsche Kaufkute und hatten ihre Häuser, wie in Lynn am Washbusen, wo die Lübecker eines besaßen; «in dortiger Alder mann nennt sich geradezu „Aldermann de» römischen Reiches". Wir eS scheint, haben in England die befreundeten Städte Lübeck und Hamburg vereint die Sache des „gemeinen deutschen Kaufmanns", wie man die gescunmte Kaufmannschaft bezeichnete, geführt, denn wir treffen sie auch an anderer hochwichtiger Stelle gemeinsam thätig. Machte» st« den westen Weg nach Loudon, so lag der Wunsch nahe, sich auch die übrigen westlichen Länder zu eröffnen und überall Köln» Vorrang zn brechen. Fuhren di« Lübecker und dir Hamburger doch mit eigenen Schiffe« den Rhein hinauf. Dir Grafschaft Flandern, die südlich bi» Bapccum« reichte,
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