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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.05.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050510022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
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Abend-Ausgabe. Jahrgang Nr. 236 Mittwoch den 10. Mai 1905. Amra-mcschlutz für Karel,en: Ab end-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: aachmittag» 4 Uhr. BezirgS-PreiS i» der Havptexprdttto« oder der«, Ao«gab»> stelle« abgrholt: vierteljährliches.—, bei zweimaliger tüglicher Zustellung in« Hau« e 8.7k. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich e 4.K0, sür dir übrigen Länder laut ZeitungSprriSIiste. Redaktion und Ervedttton: 153 Fernsprecher 222 Johannt«gassr 8. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 84 (Fernsprecher Amt I Sir. 1718). Haupt-Filiale Verltn: LarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg, Lützowstraße 10 (Ferulvrecker Amt VI Nr. 4603). riMer Tageblatt Handelszeitnng. Ämtsktatt des Äönigl. Land- und des Äönigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizeiamles der Ltadt Leipjig. An zeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2Ü Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen. Beschäft«anzetgen unter Dezt oder an besonderer Stelle nach Tarif. Di« «gespaltene Rrklamezeil« 7L 4. Anzeigen sind stet« an die lirpeditton zu richten. Ertra-Veilasen («ar mit der Morgen- Ausgabe) nach brjouderer Bereinbaruug. Die Erpedttton ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abrndS 7 Uhr. Druck and Verlag von 8. Potz in Leipzig (Inh. l)r. R. L W. SltnkhardN Herau-gebcr r vr. Victor Nliukhardt. Diese Nummer toftel aus allen Bahnhvsen und III I bet den ZrUungS-Berkäufern s Var Wichtigste vom Lag«. * Der außerordentliche VerbandStag deutscher Hochschulen hat heute in Weimar begonnen. (S. Disch. R.) * Die französischen Behörden haben das Geschwader des Admirals Nebogatav, das etwa 20 Meilen von der Küste entfernt beim Gap St. JaqueS gesichtet wurde, und sich anschickte, den Fluß bis Saigon hinaufzufahren, abgewiesen. (S. russ.-jap. Krieg. * Das Unterhaus bat mit 315 gegen 252 Stimmen den Antrag Campbell-BannermanS gegen die Regierung ab gelehnt. (S. Ausl.) Der Reichstag UNS Sie Militärpenrionsgesetrirkorm. Tie „Natlib. Corresp." schreibt: „Der Reichstag nimmt heute, seine Bollsilzungen wieder auf. Wir sprechen unsererseits erneut die Hoffnung aus. die natio- nalliberale Partei im Reichstage möge während der nächsten Wochen nichts unversucht lassen, um in verschie denen Richtungen Klarheit zu schaffen. In erster Linie in der, in der die Novellen zum Militärpensionsgesetz sich bewegen. Wenn im Zusammenhang mit dem vom Reichstage verabschiedeten neuen Ouinquennat — wir meinen, niit der für fünf Jahre weiterhin sestgelcgten Friedcnspräseuz — die Notwendigkeit erfüllt werden muß, wie vielfach behauptet »vird, die Verjüngung der Armee so durchznsilhren, als es die das entscheidende Wort führenden Sachverständigen für unerläßlich halten, so ist auch dafür zu sorgen, daß die Ungerech- tigkeitcn möglichst bald beseitigt werden, die darin liegen, wie ein zur Einreichung der Pensionierung in verhältnismäßig jungem Dienstalter gezwungener Offi zier im Pensionsstandc abgefunden wird. Selbst wenn er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, als daß er mit seiner physischen Kraft nicht den nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit erheblich gesteigerten An forderungen an die Leistungsfähigkeit des Frontoffi ziers zu entsprechen vermochte. Wir haben im Laufe der Zeit wiederholt die Gründe dargclegt, aus welchen wir eine Aufbesserung dec Lage der bereits in jungen Semestern zum Eintritt in den Pensionsstand ge- nötigten Offiziere, vornehmlich auch aus sozial politischen Gründen, fiir dringend notwendig kalten. Darin, daß das Zentrum den Anspruch erhebt, die Verabschiedung der Militärpensionsgesetznovellen erst dann für angängig erklären zu können, nach dem die Frage der Finanzreform respektive der Deckung des Finanzbedürfnisses zur Entscheidung ge bracht worden ist, können wir einen Grund, die Er ledigung der Militärpensionsgesetzrcformfrage bis zur befriedigenden Lösung der Finanzfrage zu verschieben, in keiner Weise erkennen. Wir wissen sehr genau, wie außerordentlich groß die Geneigtheit an den maßgeben den Stellen ist, den Forderungen des Zentrums gegen- über jederzeit mit dem Hut in der Gand Reverenz zu machen. Wir protestieren aber im vorliegenden Falle erneut und unter Verweisung auf das, was wir seit Jahr und Tag gesagt und konscguent festgehalten haben, dagegen, wie sich das Zentrum jetzt als Herrin der finanzpolitischen Situation aufspiclt. Wir tun dies mit vollstem Bewußtsein, umjo mehr, als dieselbe Partei, die sich jetzt zu genieren scheint, sich für die Zukunft festzulcgen, eS fertig gebracht hat, darauf zu bestehen, einen erheblichen Bruchteil der aus der Ver abschiedung der neuen Handelsverträge zu erwartenden Mehreinnahmen festgclegt zu wissen für sozialpolitische Zwecke. — noch ehe feststand, ja, noch ehe überhaupt ab- zusehcn war, wie die neuen Handelsverträge, ja, oü sie überhaupt abzuschließen sein würden." Es folgt nun folgendes Satzungetüm: „Wenn es dem Zentrum damals erlaubt, möglich und erwünscht erschien, für Zwecke der Versicherung den handarbeitenden Klassen zugehöriger Reichsbürger sich zu engagieren, ohne den geringsten Anhalt dafür zu be sitzen, daß sich, uni die Sprache Friedrichs des Großen zu wählen, seine Erpertanzen erfüllen würden, so er scheint es nicht unbillig, vielmehr durchaus gerecht fertigt, wenn jetzt die, welche nicht meinen, die Sozial- reform habe sich nur auf die handarbeitenden Klassen zu erstrecken, sich zu dem Standpunkt bekennen, daß durch eine möglichst baldige Herbeiführung der Entschei dung in der Frage der Militärpensionsgesetzreform die- jenigen Kreise unserer nationalen Gemeinschaft, die durch sie berührt werden, sollen sagen können: was für die vom Zentrum in besonderen Schutz schon seit Jahr und Tag genommenen handarbeitenden Klassen als recht erkannt wird, darf auch als billig erscheinen für die Angehörigen des Offizier-, Unteroffizier- und Sol- datcnstandcs, denen die Erhebung eines Pensions anspruchs gesetzlich zustehtI" So sehr wir auch der Tendenz des vorstehenden Artikels zustimmen, so richtig wir insbesondere die Ausdehnung der sozialpolitischen Fürsorge über die handarbeitenden Klassen hinaus finden, — das unge zogene Beispiel von der Unlogik des Zentrums scheint uns unglücklich. Die vom Zentrum geforderten fünfzig Millionen für Arbeiterwitwen und -Waisen sollten doch auch abhängig sein von dem Zustandekommen der Verträge. Es war also eine Eventualforderung, die gerade von der Bereitschaft der Mittel abhängig gemacht war. Aber wie gesagt, hindert uns diese andere Auffassung keineswegs, für die schleunige Erledigung der Miliiärpensionsgesetze einzutreten. Vie Maroklroflage. Line falsche Diversion. Aus Berlin wird der „Südd. Reichskorresp." ge schrieben: „In der englischen Presse, die sich für die marokkanische Frage zum großen Teil, wenn auch bis jetzt mit sichtlichem Mißerfolg, die Rolle eines aueut provoeataur des französischen Chauvinismus ausge sucht hat, werden neuerdings krampfhafte Versuche ge- macht, diese Frage mit dereuropäischenOrient- politik in Zusammenhänge zu bringen, durch deren Andeutung russisches Ivie türkisches Miß trauen gegen uns hcrausgefordert werden soll. Man habe, so wird behauptet, dem französischen Botschafter in Berlin zu versieben gegeben. Deutschland würde es als Ersatz für die Aufgabe Westafrikas ansehen, wenn es im Orient Entschädigungen erhielte. Dazu läßt sich nur sagen: erfunden, und zwar recht ungeschickt erfunden. Denn die notwendige Voraussetzung dieser schönen Kompensationsgeschichte, die Unterstellung deutscher Territorialansprüche in Kleinasien oder in einem anderen Teil des Osmanischen Reiches ist eitel Flunkerei. Unsere wirklichen Interessen im euro päischen Orient aber befinden sich den Umständen nach gut. Es liegt dort fiir uns schlechterdings kein Not stand vor, der uns die Einwilligung Frankreichs in Ab sichten, die wir gar nicht haben, noch dazu um den Preis der Verstimmung unserer Freunde in St. Petersburg und Konstantinopel, als ein deS Verzichtes auf vertragsmäßige Rechte in l Marokko wertes Zugeständnis erscheinen lassen könnte." ver Humana in Süamrtattiira. Die militärisch« tage. Tie am Montag eingelaufene Meldung über den Zug des Oberleutnants Gräff gegen die rm Kaoko-Veld im nordöstlichen Teil des Schutzgebietes befindlichen Herero läßt, nach der „Nordd. Allg. Ztg ", wieder die gewaltigen Schwierigkeiten erkennen, welche unseren Truppen durch die Natur des Landes bereitet werden. Es sind viele Wochen vergangen, ehe Nachrichten über das kleine Expeditionskorps, das östlich von Grootfon- tein, hart an der Ostgrenze unseres Schutzgebietes ope riert, zu uns gelangen konnten. Bereits am 4. De zember vorigen Jahres meldete General von Trotha, daß Hauptmann von Oertzen, der an Stelle des er krankten Oberleutnants Volkmann das Kommando in Grootkontein übernehmen sollte, den Befehl habe von dort aus in das Sandfeld im Osten des Omuramba-u- Omatako aufzuklären, und am 7. März berichtete der General, es seien der Abteilung Oertzen sechs Reit- kameele von Outjo ans überwiesen und ihr erneut auf gegeben worden, vermittels dieser in das Kaoko-Veld bis nach Tobe s.Kalkfontein) und Neinei vorzugchen. Ersichtlich war man auch im Schutzgebiet der Ansicht, der in deutschen Blättern namentlich S., Passarge wiederholt Ausdruck gab, daß in dem wie eine Insel in dem zur Trockenzeit wasserlosen Sandfeld liegenden Kaoko-Veld größere Banden von flüchtigen Herero sich aufhaltcn. In das Kaoko-Veld dürfte auch die Herero- bande gezogen sein, die Oberleutnant Graf v. Schweinitz auf einem Aufklärungsritt im Sandfelde 40 Kilometer östlich von Otjituo (der vielgenannten, am Omuramba- u-Omatako, östlich von Grootfontein gelegenen Siede- lung) feststellte, die aber, wohl von Buschmännern vor einer später anrückcnden Abteilung unserer Truppen gewarnt, die Flucht ergriff, so daß man nur verlassene Werften fand. Das genaue Datum dieses Zuges wurde damals nicht gemeldet: die Nachricht davon traf hier Ende März ein. Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß es eben Oberleutnant Gräsf war, der den Auftrag hatte, mit 30 Mann der 10. Kompagnie des 1. Regiments und 6 Kameelen die Herero im Sandfelde aufzusuchen, denn die vorgestrige Meldung besagt, daß er am 15. März Otjituo in der Richtung nach Neinei verlassen hat. Er versuchte zunächst, entlang eines unterhalb von Otjituo mit dem Omuramba-u-Omatako sich vereinigenden Rinnsals, des Apato (Okoluombe), ostwärts in daS Sandseld einzudringen: dichter Busch und Wasser mangel zwangen ihn aber, diesen Plan aufzugeben und auf einem großen Umwege den Zugang ins Kaoko-Veld zu ermöglichen. Er zog zunächst, wohl auf dem auf der Karte im Bette des Omuramba-u-Omatako verzeich- netcn Wege, nach dem nordwärts gelegenen Karakuwisa (Karkubera), von wo sich südostwärts ein Weg in das Kaoko-Veld wendet. Dieser Weg überschreitet bei Ukei- dis den nordostwärts ziehenden Nomabfluß und wendet sich dann nach Kaurama, wo Oberleutnant Gräff am 13. Avril eine Hererowerft nach heftigem Widerstand erstürmte. An dem von Kaurama und von dem östlich davon gelegenen Tobe südwärts führenden Wege liegt Gontscha (Büffelpfanne), wo die große Hererowerft fest- gestellt wurde, die anzugreifenOberleutnantGräff wegen der geringenStärke seiner Patrouille Bedenken trug. In dem wohl durch günstige Was'erverhältnisse dazu ge- eigneten Ukeidis wartete er die Verstärkung von vierzig Mann und zwei Maschinengewehren ab. die ihm znge- schickt wurde, um die Herero auch aus diesem Schlupf winkel zu vertreiben. Vie Wrir in stusslancl. jpetersbnrger Maifeier. Nach einem Telegramm aus Petersburg war für gestern nachmittag im PetrowSki-Park eine Arbeiter versammlung angekündigt, die jedoch nicht stattfand. Nach der „Nowosti" soll die Versammlung an einem anderen Orte abgehalten worden sei». Es sollen einige tausend Personen teilgenommen haben, die beschlossen, die Mai feier durchaus friedlich zu begehen, damit der Polizei keine Gelegenheit gegeben werde, einzuschreiten. Maifeier in Reval. Aus Reval wird gemeldet: In einer von 1000 Fabrik arbeitern besuchten Versammlung außerhalb der Stadt, woran Delegierte aus Petersburg und maskierte Personen teilnahmen, wurde beschlossen, anläßlich der Maifeier einen dreitägigenAusstanb zu veranstalten und an die Fabrikanten abermals Forderungen zu stellen, deren Nichterfüllung innerhalb 12 Slunden Brandstiftungen in den Fabriken nach sich ziehen würde. Die Versammlung sang nach der Melodie: „Ein feste Burg ist unser Gott" das Lied: „Nicht vom Kaiser, nur aus eignen Kräften kommt uns Hilfe." Um die Versammlungsstätte waren Radfahrer ausgestellt, um die Ankunst der Polizei zu signalisieren; diese war jedoch durch falsche Mitteilungen irregesührt und suchte die Versammlung in einer ganz anderen Gegend Zu -en Iu-enkrawallen in Schitomir liegt noch die folgende Meldung vor: In der Hauptstadt Wolhyniens, Schitomir, fanden schwere antisemitische Unruhen statt. Eine verhetzte Menge plünderte die Magazine und Läden jüdischer Kaufleute. Da die Juden be waffneten Widerstand leisteten, fand eine regelrechte Schlacht statt. Soweit bis jetzt feststebt, wurden 15 Per sonen getötet und über 50 verwundet. Viele Moskauer Juden erhielten Telegramme aus Schitomis mit der Bitte, bei den dortigen Behörden um ausreichenden Schutz nach zusuchen, da noch größere Unruhen bevorzustehen scheinen. In Bessarabien und im Gouvernement Tambow werden gleichfalls Unruhen befürchtet. Nach dem Kreise Kisch en e w ist Militär abgegangen. ver rursirch-japanirche Krieg. Nachwirkungen. Wie aus Paris depeschiert wird, hatte gestern der japanisckze Gesandte Motono eine Unterredung niit Detcass 6. Herr Motono hosft, daß Frankreichs neue, strenge Instruktionen in Tokio beruhigende Wirkung auSüben werden, rechnet aber auf alle Fälle auf Englands dauernde Unter stützung, damit Roschdjestwenskys Starrsinn trotz alledem nicht Recht behalte. In einer Meldung wird versichert, daß Motono und der gerade in Paris weilende Baron S n y e m a t s u die Situation weit ruhiger auf. fassen, als man nach den Aeußernngen der japani schen und der englischen Presse meinen sollte. — Der „Temps" schreibt: „Mit einem Gemisch von Ueberraschung und Unbehagen sieht die öffentliche Meinung Frankreickzs seit gestern in englisckien Blättern einen Ausbruch von gereizten Ratschlägen, die weder ihrer Form, noch ihrem Inhalte nach dem entsprechen, was wir von ihnen hätten er warten dürfe n." Der „Temps" nennt es sonder bar, daß ernste Blätter unbewiesene Behauptungen übernehmen und sie durch ihre Kommentare verschärfen. Japan sei gegenwärtig von e x a l t i e r t e m Natio nal st o l z und aus dem Anlaß des Erscheinens der russischen Flotte von lebhafter Unruhe erfüllt. „Wir gehören", sagt der „Temps", „nicht zu den jenigen, die ohne weiteres die Theorie der „gelben Ge- fahr" akzeptieren. Aber es bedürfte nicht vieler Mani festationen dieser Art, um das französische Publikum von der Richtigkeit dieser Theorie zu überzeugen." — Aus London wird gemeldet: Tie französische Meldung über die endgültige Abfahrt der russischen Flotte aus den französischen Gewässern bat in allen politischen Kreisen große Befriedigung hervorgcrufcn. Man betrachtet nunmehr den französisch-javanischen Zwischenfall als bcigelegt. Sogar in Regierungs kreisen wird erklärt, die Lage sei so kritisch ge wesen, daß unvorhergesehene Ereignisse nicht aus geschlossen seien. Abweisung Nebogatewr. Eine Depesche aus Saigon meldet: Das Ge schwader Nebogatows erschien 20 Meilen östlich vom Kap St. Iacgues und schickte sich an, die Fluß mündung hinaufzufahren, in der Hoffnung. Meldungen über das Geschwader Roschdjestwenskys vor- Izu finden und sich mit frischen Lebensmitteln ver- Feuilleton. 37, Möblierte Zimmer. Roman von Rudolf Htrscbbera-Ivra. Nachdruck verdat««, xvm. Seit sechs Wochen schon war Ewald wieder in Leipzig bei seiner regelmäßigen Arbeit. Heute hatte er sein Tagewerk zeitig beendet und kam sinnend die Berliner Straße herab. In seiner Erinnerung bedachte er, was sich seit dem vorjährigen Sommer alles Trübes und Heiteres ereignet, und wie sich gerade in der allerletzten Zeit fast alles zum Besten gekehrt hatte. Mit einer einzigen Ausnahme alles! Dor fünfviertel Jahren hatte seine Familie am Rande der bittersten Not gestanden, und ihm war die Aufgabe envachsen, sie vor dem Aeußersten zu schützen. Jetzt war die Gefahr beseitigt. Freilich nicht durch sein Verdienst und seine Kraft. Die Schwestern waren beide versorgt und bei Gerda war auch Mama gut aufgehoben. Das Glück, das er selbst mit seiner guten Anstellung gefunden hatte, war zu spät gekommen, um den Seinen noch nütz lich zu werden. Das andere Glück aber, das ihm ein paar Mal zum Greifen nahe gewesen war, jetzt war es doch ausgeblieben. Nicht an groben äußeren Hindernissen war seine Ver bindung mit Klara gescheitert. Er war jetzt reich genug, um eine Familie zu ernähren, und Klara war ihm wohl auch früher von Herzen gut gewesen. Auch bei seiner Familie hätte er keinen unüberwintstichen Widerstand ge funden. Henny war die einzige, die sich von den kon ventionellen Begriffen der Salon-Ebenbürtigkeit viel- leicht nie ganz frei machen konnte, und Henny lebte künftig in Petersburg. Höchstens hatten sich im Verkehr zwischen Mama und Klaras Eltern möglicher Weise ge wisse Schwierigkeiten ergeben. Aber Mama sollte ja diese Eltern nicht heiraten, und Leute, die kein unge zwungenes Behagen aneinander und miteinander finden können, brauchen ja keinen vertraulichen Verkehr zu Pflegen. Niemand hätte Klara und ihm das Glück verboten, das ihnen wie eine reife Frucht lockend am Baume winkte. Warum pflückten sie nicht und genossen sie nicht, was ihnen erlaubt und ersehnt war? Schien es nicht, als hätten sie in der rechten Stunde den Hunger über gangen, und als hatte ihre frohe Eßlust Kraft und Mut darüber verloren? Er spürte es deutlich, es war keine Mauer, die ihn von Klara trennte. Nur ein dünner Schleier hing zwischen ihnen, der eben so fest, wie durchsichtig war, und er sah keine Hoffnung ihn zu zerreißen. Da war seine Hoffnung selbst zur Zeit ihrer grollenden Entfrem- düng noch stärker gewesen. Jetzt wußte er, daß sie Wied« gute Freunde waren. Aber noch genauer glaubte er zu wissen, daß sie nie etwas anderes sein würden. Am meisten hatte ihn jener schöne mit dem Boots- Unfall endende Nachmittag in Connewitz und auf der Pleiße in dieser Gewißheit bestärkt. Weder die holde Einsamkeit im Boote und im Walde, noch die gemein same Gefahr und die gemeinsamen Beschwerden der Heimkehr hatten ihren stolzen Sinn ganz zu schmelzen vermocht. Er hatte es wohl gefühlt, sie war nahe daran gewesen, ihm in weicher Hingebung endlich wieder ihre ganze Seele zu überlassen. Aber selbst da hatte ein Letztes sie noch zurückgehalten. Freilich war er glücklich gewesen an jenem Abend. Denn so laut und so nahe hatte ihm ihr Herz noch nie wieder entgegen geschlagen. Aber eben, daß sie in dieser Wärme des Gefühls und dieser Nähe der Empfindung nicht auch das letzte Hemnrende noch bei- feite geworfen hatte, bestätigte ihm nachträglich um so bitterer seine Hoffnungslosigkeit. Nun hatte er sich allmählich darein gefunden. Sie gingen oft zusammen aus, besuchten zuweilen, wie das auch heute Abend geplant war, gemeinsam das Theater, kurz, er lebte in einem Zustande der Freundschaft mit ihr, den jeder Unbeteiligte als unnatürlich und unhaltbar empfinden mußte, nur Ewald selbst nicht. Allerdings war es keine Zufriedenheit, sondern nur Ergebung in sein Schicksal, die ihn jetzt beherrschte. Da er keine Verbesserung mehr zu hoffen wagte, so dachte er über haupt nicht mehr an die Zukunft, und wie er jetzt zweck los durch die Straßen schlenderte, blieben seine Augen in träumerischer Neugier an vielen nichtigen Dingen der Außenwelt haften, die er sonst seiner Aufmerksamkeit überhaupt nicht gewürdigt hätte. Auf dem Markt blieb er an den: Gitter des Sieges- LenkmalS stehen, betrachtete sich aber nicht das Denkmal sondern das feine, zartgrüne Moos, das wie ein eng maschiges Netz die schmalen Fugen der kleinen Piaster steine erfüllte. Auf der Grimmaischen Straße vermehrte er die Schar der Schaulustigen, die ein Paar Sekunden vor dem Hawskyschen Laden stehen blieben, um sich die komischen automatischen Cpielfigurcn zu betrachten, und schon ein paarmal war es ihm aufgefallen, daß sich Kinder in sonderbarem, moSkeradenhaftem Aufputz auf der Straße bewegten. Nur wenige trugen ein wirkliches -Harlekin- oder Bajazzo-Kostüm, die meisten hatten sich mit bunten Papierbüscheln und hölzernen Waffen einen Jndianeranzug zurecht gemacht, einige hatten auch Larven vor dem Gesicht, und manche trugen bunte Papierlatcrnen an Stäben und sehnten ungeduldig die Dunkelheit des Abends herbei, um endlich ihr Licht leuchten zu lassen. Auf dem Johanmsplatz batte sich eine ganze Gruppe festlich erregter Wnder versammelt, und erst jetzt fiel ihm ein, daß heute „Tauchaer Markt" war. Der „Taucksche" war früher auch für Leipzig von großer Be deutung gewesen, die er längst verloren hatte. Nur bei den Kindern batte sich durch Tradition eine Srinne-
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