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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.05.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050522027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905052202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905052202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-05
- Tag1905-05-22
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Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: aachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stets an di« Expedition zu richt«. Extra-Beilage« (nar mit der Morgen« Ausgabe) nach besonder« Vereinbarung. Li, Expedition kst Wochentag» anuuterbroch« geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck ond Verlag von 8. Val» in Leipzig «Inh. l)r. v, R. L W. »li»khardtd Herausgeber, vr. Victor Kltnkhardt. Nr. 258. Montag den 22. Mai 1905. SS. Jahrgang. Var Wschtigrte vom läge. * Nach einem nnS aus Berlin zugehenden Tele gramm ist Unterstaatssekrrtär Freiherr v. Secken dorfs annmehr formell znm Präsidenten des Reichsgerichts ernannt worden. * Der französische Botschafter Bibourd hat gestern in Ludwigslust der Braut des deutschen Kronprinzen ein Geschenk des Präsidenten Loubet überreicht. (S. Dtsch. Reich.) * In Schwaigern in Württemberg sind 30 G e- bäude niederqebrannt: ein Feuerwehrmann ist um gekommen. (S. Neuigkeiten.) * Der Streik in Chicago endete mit fast be dingungsloser Kapitulation der Kutscher. Er hat 45 Tage gewährt. (S. Ausland.) * Die Ausreise des vierten Baltischen Ge ¬ schwaders ist bis zum 4. September verschoben worden. * Nach der offiziösen „Agence Savas hat der Admiral Jonguiöres seinen Auftrag, die ganze Küste von Annam zu besuchen und festzustellen, ob seit dem 14. Mai irgend ein Schiff der kriegführenden Mächte zurückgekehrt ist, ausgeführt und die Nachricht gegeben, daß sich nichts Derartiges mehr zugetragen habe. (S. Russ.-jap. Krieg.) Pim X. balllllill-tll «lls »rillt -Mich»«».") Ein gesckiätzter politischer Mitarbeiter schreibt uns: Tempora mutantur! Noch vor zwei Jahren wäre eine Schrift mit dem reformerischen Inhalt und der fast mehr als rücksichtslosen Form der vorliegenden des strengsten kirchlichen Verdiktes und maßloser Preß angriffe sicher gewesen — heute wünscht die „kompetente kirchliche Behörde" (vergl. „Köln. Volksztg.") deren Ver. breitung, und der Verlag des „Bayrischen Kurier", des grimmen Reformentöters, geniert sich nicht, aus einer reformerischen Schrift Kapital in des Wortes eigent lichster Bedeutung zu schlagen. Dem Verfasser der Bro schüre — offenbar der spanische, in Rom residierende Kardinal Vives y Tuto — nachzuspüren, ist infolge der Empfehlung der kompetenten kirchlichen Behörde über flüssig: diese sagt genug. Der Verfasser befaßt sich zunächst mit italienischen und römischen Verhältnissen, manche seiner Ausfüh rungen geben aber auch dem deutschen Klerus zu denken — und wir fürchten, sie werden manchem im Magen liegen. Die Kost ist noch zu ungewohnt. Schmeichelhaft ist das Bild gerade nicht, daS der Verfasser vom hohen und niederen Klerus Italiens ent wirft. Verfolgen wir die Hauptausführungen, welche die Notwendigket einer Reform darlegen sollen. Die Kluft zwischen Volk und Kirche erweitert sich immer mehr. Die Schuld wird aber nicht in erster Linie der Wühlarbeit der Sekten, der Presse und der Freimaurerei zugeschobcn, man sucht die primäre Ur sache — und das ist ein großer Fortschritt — im eigenen Haus. Tiefe Feinde wären weniger zu fürchten, wenn Deutsche Uebersetzung bei Man-, Regensburg. ein „wissenschaftlich gebildeter, sittenreiner, seelen eifriger Klerus" da wäre, welcher vor allem durch sein Beispiel auf das Volk wirken könnte. Leider tuen nur wenige das Gute in reiner Absicht. „Wer ein gutes Werk fördert, sür eine katholische Zeitung einen Artikel schreibt, ein Buch veröffentlicht, einen Pilgerzug ver anstaltet oder sich an einem Kongresse beteiligt, will zu nächst für sich Reklame machen, um dann eine Stellung, eine Auszeichnung oder einen Orden zu er- Haschen." (p. 9) Derartiges kommt natürlich nur in Italien vorl? Besonders beherzigenswert für weite Kreise des deutschen Klerus ist die Bemerkung, daß sich nicht selten Geistliche nut der einen oder anderen Partei verbinden: durch die zu tätige Anteilnahme an gewissen Parteikämpfen „wird dann Haß und Groll in die Kirche getragen und großer Schaden verursacht", (p. 9.) Mögen auch unsere Zentrumsaqitatoren in priester lichem Gewände diese Worte über die Verhetzung desDolkes recht tief beherzigen. Hinsichtlich der italienischen Seminarien ist der Verfasser der Ansicht, daß sie nicht genügen, einen den Anforderungen unserer Zeit völlig gewachsenen Klerus zu erziehen. Gäbe es doch an den 300 Seminarien kaum 40 bis 50 Professoren, die diesen Ehrentitel wirklich ver- dienen. Die Zahl der Seminarien müsse verringert werden. Unter der Zahl der zu betreibenden Fächer wird erfreulicherweise auch die Kirchengeschichte genannt, die bisher in Rom aus leicht begreiflichen Gründen als minus erat« galt. Vernichtend ist das Urteil über das Erziehungssystem in den Seminarien. Bei nur zu häufiger Unterdrückung und schablonenmäßiger Aus bildung der Geistesanlagen werden die besten Charak tere verdorben und Heuchler und Frömmler herange zogen. Man sollte freie und offene Charaktere nicht unterdrücken oder gar verachten — und nicht durch rein mechanische Disziplin Sklaoennaturen heranziehcn. Auch solle man den Alumnen verbieten, Artikel in poli tischen Zeitungen zu schreiben, denn das Seminar sei eine Pflanzschule für gute Priester, nicht eine politische Arena. Die Kongregationen und kirchlichen Behörden erscheinen nicht im rosigsten Lichte: die Unordnungen werden baldigst abgestellt werden. Was über die Studienkongregation gesagt wird, klingt für diese nicht gerade schmeiä lhaft. Das Sekretariat der selben „müßte" aus angesehenen Männern bestehen, die geeignet „wären", die Fortschritte auf wissenschaftlichem Gebiete zu verfolgen. Dieser Ausdrucksweise zufolge scheint dies bis jetzt nicht der Fall gewesen zu sein. Der Verfasser verrät uns auch, daß in der Ritankongregation neben den ominösen Sporteln, Geschenke und Trinkgelder ihr Unwesen trieben, .daß einzelne Kongregationen Entscheidungen treffen, die ihnen gar nicht zukommen (vielleicht der Sporteln halber?)! Solche sollen vom Amt suspendiert werden. Auch die Aemter bei den Kongregationen müßten auf geradem Wege zu erreichen sein. „Jetzt geschieht alles auf Schleich wegen und durch Protektionen" (p. 27): ohne Protektion kommt man zu nichts. Dann wäre auch der Papst den „häufigen Pressungen" nicht mehr ausgesetzt. Was über die Kardinäle gesagt wird, ist für einen Teil derselben so beleidigend, daß es fast unerhört klingt. Die sogenannten Kardinalsposten, also Posten, die an sich nach einiger Zeit zum Kardinalat führen, müssen aufhören. „Die Unsitte, dem Posten den Purpur zu verleihen, hat eine gefährliche Richtung geschaffen, die alle in sich hineinzieht, die keine Mühe sparen, um hinaufzukommen. Einige wiirden, um ihr Ziel zu er reichen, ohne viel Skrupel dem Teufel auf die Schultern steigen" (p. 34). Was werden jene Kardinäle dazu sagen, welche jener „unwürdige Wettbewerb" zu ihrem Amte geführt hat? Nachdem die römischen Prälaten gleichfalls in einer wenig schmeichelhaften Weise behandelt worden sind, kommt der Verfasser auf die italienischen Bischöfe zu sprechen. Die Pfarrvisitation von Seiten der Bischöfe sei manchmal eine Vergnügungsfahrt und Landpartie, Diözesan, und Provinzialsynoden, die ja auch in Deutsch land verlangt werden, sollen wieder eingeführt werden. Vor allem soll die übergroße Zahl der Diözesen ver- mindert werden, denn „bei der gegenwärtigen Dekadenz des Klerus ist cs nicht nur schwierig, sondern unmöglich, 280 Geistliche zu finden, die würdig das schwere bischöf- liche Joch auf sich nehmen könnten" (p. 40). Die Ver minderung der Diözesen würde freilich, und darüber schweigt sich die Broschüre aus, ein Einvernehmen mit der italienischen Negierung voraussetzen. Nach einer Abkanzelung der päpstlichen Diplomatie wird dann u. a. noch ausgeführt, daß es nicht jedermann erlaubt sein sollte, alle möglichen Andachten und Andächteleien einzuführen, daß die Prediger nicht gar nicht existierende Sachen behaupten und nicht die Meinung für Dogma ausgeben sollten: auch nütze das Eifern mit zornigen, bitteren Worten nichts, sondern reize nur. Endlich macht der Verfasser den wichtigen und begrüßenswerten Vorschlag, daß Stolgebühren und Taxen ganz Wegfällen und die Pfarrer ihr Amt unentgeltlich ausüben sollen. Das die wichtigsten Punkte der Schrift. Man er- sieht schon aus dielen Proben, daß die Sprache eine kräftige, fast derbe und rücksichtslose ist. Die deut schen Reformer, soweit es Persönlichkeiten von Einfluß waren, haben sich nie einer solchen Form bedient, und doch wurde ihnen ihre Offenheit übel angerechnet. Doch das ist natürlich was anderes! Ob es übrigens diplo matisch und klug war, die römische und italienische Geist- lichkeit in dieser Weise zu reizen, ist doch etwas zweifel- haft. Man hat die Karten aufgedeckt, und nun werden alle Mittel versucht werden, derartige Reformpläne zu hintertreiben. Man bat ja die Macht, zu handeln. Warum erst reden und dann erst handeln?? Und wo bleibt die Reform des Index und des Syl- labus? Das letztere vor allem sollte man tun und das übrige nicht lassen! Vie Marskßottage. Amtliche Kahlen über den Verkehr Deutsch land» m t Marekk». 8. AuS der Hafenstadt M a z a g a n hat der deutsche Konsul dem Reichsamt des Innern eine Aufstellung über den Schiffsverkehr im Jahre 1904 übermittelt, die den Beweis erbringt, welches große Interesse Deutschland an guten Handelsbeziehungen mit Marokko hat. Es liefen 1904 insgesamt 278 Dampfer ein, dieselben hatten ein Deplazement von insgesamt 213 437 Tonnen (Negistertonnnen). Unter diesen Schiffen befanden sich 157 mit Ladung von insgesamt 139 755 Registertonnen. Von den ankommenden Dampfern waren 47 deutsche im Verkehr mit deutschen Häfen, dieselben hatten 40 936 Register tonnen Inhalt. Von den 47 Dampfern waren 23 mit Ladung (19 358). Im Verkehr mit nicht deutschen Häfen kamen noch 10 Seuische Dampfer mit 2602 Re gistertonnen an, darunter 2 von 524 Registertonnen mit Ladung. Es kamen also insgesamt in Mazagan 57 deutsche Dampfer mit 43 538 Registertonnen an, darunter 25 mit 19 882 Registertonnen mit Ladung. Sehen wir uns nun diese Zahlen etwas genauer an, so stehen den 57 ankommenden deutschen Dampfern 221 fremde (im Verkehr mit nicht deutschen Häfen) mit ins gesamt 169 899 Registertonnen gegenüber, von diesen waren 73 englische mit 71 290 Registertonnen, 55 fran- zösische mit 45 573 Registertonnen und 62 spanische mit 34 306 Registertonnen. Den 25 deutschen Dampfern mit Ladung mit 19882 Register- tonnen stehen 131 fremde mit Ladung von 118 343 Re gistertonnen gegenüber: hierunter 59 englische mit 66 699 Registertonnen, 27 französische mit 22 784 Registertonnen und 31 spanische mit 19 922 Register tonnen. Von den ausgehenden Dampfern waren 199 mit 151 846 Registertonnen mit Ladung, darunter insgesamt 28 deutsche mit 21 738 Register tonnen. die 29 auslaufenden französischen Dampfer mit Ladung hatten 22 325 Registertonnen. Es i st also der französische Handelsverkehr durch die Dampfer kaum größer als der deutsche. Ueber den Verkehr durch Segel schiffe hat unser Konsul genaue Angaben nicht machen können: derselbe fällt aber kaum ins Gewicht: es liefen 42 Segelschiffe mit insgesamt 4591 Register tonnen ein: hiervon waren 15 mit 1335 Registertonnen spanische. Ueber die Nationalität der anderen liegen genaue Ermittelungen nicht vor. Die Verteidigung von Tripoli». Die italienische und französische Presse haben in der ver gangenen Woche die tripolitanilch« Frage wiederum ange- schnttten, und im Zusammenhang da nut sind auch wider sprechende Nachrichten über militärische Maßnahmen ver breitet worden, die von der Pforte sür die Provinz Tripolis angeondnet worden sein sollen. Zutreffend an all den Ge rüchten ist aber nur, daß der mit dem Range eines Paschas in türkischen Diensten stehende deutsche Major von Rüdgisch den ihm vom Sultan erteilten Auftrag, die zur Division von Tripolis gehörenden beiden Lmien- Kavallerieregirnenter und 4 Miliz-Kavallerieregimenter, die gleich der kurdischen Reiterei den Namen „Hanndis" tragen, nach dem Muster der Kurden-Kavallerie zu reoraani- ieren und zu instruieren, glänzend gelöst hat. Veron- assuug zu den Gerüchten mag auch der Umstund gegeben -aven, daß sich das türkische Kriegsmtnisterium chon wiederholt mit Vorschlägen des Militärkommandanten von Tripolis über die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit dieser Provinz beschäftigt hat. und daß ernst« Abrichten -ur Einführung der allgeminen Dienstpflicht, wie auch zur Ver stärkung der dortigen Truppen, wenigstens auf dem Papier, Vorgelegen haben. Es ist jedoch unrichtig, die jüngste Re- krutenfendung von 2800 Mann aus dem fünften Armeekorps Damaskus, aus welchem sich die Division von Tripolis ergänzt, bereits als eine Truppenverstävkung zu bezeichnen. Diese Mannschaften sind nichts, als der normale und organi- sationsmäßige Ersatz, an dessen prompter Jnstradierung die türkische Militärverwaltung mit vollem Recht und allem Ernst festbält, während sie an die Entsendung wirklicher Truppen verstärkungen so lange nicht wird denken können, als der Zu stand des türkischen Schiffsmaterials für Truppentransporte dies nicht zuläßt und die Vorbe. reitungen, hierin etwas zu ändern, bisher nicht über das einleitende Stadium hinausgekommen sind. Der Sultan hat unter dem Vorsitz des Generalgouverneurs von Tripolis «ine Kommission eingesetzt, die die Durchführung der allge meinen Wehrpflicht ernsthaft betreiben soll. Sie soll zwei Jähre betragen, und nach ihrer Einführung sollen weder die Linien-, noch Reserve- und Redistruppen außerhalb Tripolis Verwendung finden. Gegenwärtig beträgt die Dienstpflicht in der aktiven türkischen Armee drei Jahre — in Wirklichkeit aber vier bis fünf Jahre — die Reserve pflicht drei Jahre, für Redifs acht Jahre, für Mustosiz oder Feuilleton. 10) Und es erhob sich ein Sturm. Erzählung von ElisabethMöhring. -ta-Ldruci »erboten. „Mutter", rief sie leise, „kommt da nicht Jes?" Aber die Mutter war ja in der anderen Stube und hörte nichts, und Marret faßte sich und ging zu ihres Mannes Bett, um es zuzudecken. Da sah sie die tiefen Spuren seines schweren Körpers und ihre Hände scheuten, als ob sie warmes Leben ersticken wollten. „Und sie muß einen Mann heiraten, der sachte mit ihr ist", sprach sie auS Tante Gines Brief nach und sah nach den Gelenken ihrer Hand, ob da nicht Spuren wären von den Fingern ihres Mannes. „Einen Lehrer oder einen Pastor", fuhr sie fort und dachte an ihren kleinen Bruder, und mußte doch nach den tiefen Stellen im Bett sehen: an Gesine Dynsen dachte sie dann und lauschte nach der Diele hin, obwohl da kein Grabstein wandern konnte. ES war so still, daß St. Johanns Diertelstundenschlag sie hart anfuhr, obwohl er sonst wie ein Duckmäuser an den Ohren der Menschen vorbeischlich. Es ist alle» nur so, weil eS Nacht ist. Ich will Mutter bitten, in dem Bett da zu schlafen — und sie ging wieder zu der Alten. „Mutter!" Das sollte wie damals klingen, als das Wort Bahn kür sie machen sollte. Aber die Alte sagte: „Ich hab' nur einen Sohn und sonst hat niemand nich „Mutter" zur alten Jessen zu sagen. Zweimal habe ich gedacht, eine Tochter zu haben, die mir die Angst ab- nehme, wegen der ich keine Luft kriegen kann. Aber das war nichts. Die eine wollte nicht bleiben und die andere auch nicht. Die zog sich das schönste Kleid an, als ihres Mannes Schiff unter Segel gehen wollte, und schlenderte umher. Die hat auch meinen Jes nur um die neuen Kleider und um das gute Leben genommen, weil ein Pastor nicht kam!" „Aber, Mutter, red' doch nicht so etwas! Wir wollen doch zusammen auf Jes warten und eS ihm warm machen, wenn er aus 'ner schveren Böe kommt und der schweren Arbeit." Warum sagte sie das? Als ihre Hände sich scheuten, daS Bett zuzudecken, war doch noch einmal Gesine DynsenS Wunsch gekommen — nur nicht so laut und wild, und sie hatte ihn auch wieder zurückgerufen auf der Hälfte seines Weges zu Gott. „In zehn bis zwölf Togen, meinst du?" „Ja, Mutter, Je» sagte so und da ist doch Platz in unserer Schlafkammer jetzt für dich — und tvenn du in dem Bett von Jes schlafen willst?" Ja, daS wollte die Alte so gern, nur sagen mochte sie eS nicht. Sie hatte sich immer in daS Bett von JeS gelegt, wenn er auf der See war. Sie hatte sich daraus einen festen Aberglauben gemacht, einen ganz ver worrenen Gedankengang, dem Marret nicht folgen konnte. Marret lag mit spürenden Sinnen die ganze Nacht und sprach ein um das andere Mal all das in ihre Seele hinein, was sie zu ihrem Bruder gesagt hatte über ihr Leben bei Tante Gine und in seinem Hause, und daß es keine Vorbereitung für eine Ehe mit einem Manne wie Jes Jessen war. Manchmal, wenn die Nacht einen Laut zu denen stieß, die wach lagen und sich ängstigten, fuhr die Frau hoch und lauschte nach einem gräßlichen Wunder auf der Diele, aber wenn der Ton sich irgendwo in einem höhnischen Echo verlor, fing sie von neuem an zu eifern und ihre Sünde auf Hannes Rickmers schmale Schultern zu schieben. Im Halbschlaf sah sie sich, wre sie eine Last auf ihren Bruder wälzte, aber plötzlich rollte die zurück auf ihre Hände, daß sie mit einem Schmerz hochfuhr. Es faßte sie aber nur Mutter Jessen bei der Hand und sagte: „In zehn Tagen, Marret?" „Segellogger hängen doch vom Wind ab, Mutter. Und du solltest daS besser wissen al» ich. Hast du dich denn immer so gehabt?" „Nie sonst! Nie sonst! Er ging sonst mit so frohem Gesicht. Aber er meinte doch in zehn Tagen, war?" „Ist denn JeS Herr über den Wind, Mutter?" Da stieß die Alte Marret» Hände von sich und fragte nicht mehr. Tag» darauf kam ein Brief an Marret von JeS, der ihn aufgegeben haben mußte, bevor er an Bord ging. Den zeigte sie nicht der Mutter. Den versteckte sie an ihrem Leibe vor den mißtrauischen Augen der Alten, die den Brief nicht loSlassen wollten. „Darf man da» nicht wissen, wa» so'n junger Ehe mann schreibt?" „Ach, Mutter, da ist nichts drin." „Vier Seiten sind das doch, Marret." „Viele Grüße für dich, Mutter." „Tas kommt man doch auf die letzte Reihe oder hinterher an den Rand. Das ist so Mütter kommen man bloß noch achterdrein." In dieser Nacht wachte Marret wieder auf und sah, daß die Alte wie ein Dieb in der Kammer umherschlich. Da dachite sie daran, den Brief zu zerreißen und die Fetzen zu verbrennen. Als sie ihn ober am Morgen ins Feuer warf, hörte sie die Alte hinter sich lachen. „War daS 'n richtiger Liebesbrief mit Sehnsucht und so etwas, wie man sie schreibt, wenn man erst »in paar Tage Mann und Frau ist, Marret?" „Ja -och, Mutter." „Tas ist nu noch schlimmer, daß du ihn verbrennst. Nun brennt er dich auch. — Kannst ihn mir mal her- sagen, Marret." „Aber Mutter!" „Ach ja, daS ist wohl schenierlich für 'ne junge Frau, waS?" „Ja doch, Mutter." Nun kamen seltsame Tage und unheimliche Nächte über Marret im Hause von Taucher Swenson. Am Tage war die Alte höhnisch und hart zu ihr, und zu dem alten Manne sagt^sie wohl jeden Tag, daß es einer so jungen Schifferfrair not täte, zu wissen, WaS ein Taucher zu scheu bekommt, und für Schifferfrauen sollte man besondere Trauterte haben und nicht mit einem schönen Allerweltsschnack über solch eine Heirat hingehen.
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