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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 30.07.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19140730024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1914073002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1914073002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1914
- Monat1914-07
- Tag1914-07-30
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»«ch, «att »ich de» » und Unvdmq, «, LG« «Hbr«a--I>rgabr «r »G«» W dt» .» t« «dm 58. Jahrgang. AL LOS. Donnerstag, SO. Juli 1014. Vei«,<-«e»ÜH» «intkllihrl. sl>r Dr«»> d-n dlt IS^lch ,wei. Ina» »er Zuttagung <a» Sonn- und Monlagrn nur einmal) »,»0 M., durch »uawartlie »am. mi,,Ion»,» »>,»»» «r. «ei elnmallger Zu- Ilellung durch dl« vast »M.to»ne«el>ell,«ldj. «ualand: Oester- reich-Unaarn ».«» »r., Lchwel« »>kd Art»., I,allen 7,17 Lire. — -iachdnick nur mit Lautlicher OueNen- anaad« (.Drradner «achr.">MlIlL-Un. nerlangl« Manustrl»«» werd.nlchlaulb,wahrt. Telegramm-Adresse: Nachricht«» Dresden. 18SG Druck und Verlag von Liepsch Lc Reichardt tn Dresden. Hauptgeschäftsstelle: rNarienstraste S8M ALrv oiticye Lefsv am Mittwoch abend. In Oesterreich ist die Mobilisierung Ser Kriegs flotte ungeordnet worden: die Marincangchörigen wurden einberufen. Die österreichische Regierung veröffentlicht die ser bische Antwortnote mit Anmerkungen, in denen be wiesen wird, daß Serbien den Bedingungen nirgends entsprach. Kaiser Franz Joseph hat eine Proklamation an seine Völker erlassen. Im ungarischen Abgeordnetenhaus kam es zu einer be- geisterten Kundgebung stir den Krieg, an der auch die Opposition tcilnahm. Die Berliner Grobbanken und Bankiers be schlossen, während der Zeit der Krise regelmäßige Besprechun gen abzuhalten. Rußland hat bisher noch keine Neutralitätserklärung «klaffen. In Südungarn wurde ein umfangreiches serbisches Komplott entdeckt: zahlreiche Berhaftungen wurden vor- genommen. Der König trisst aus Sand in Tirol morgen (Donners tag), nachmittags 5 Uhr, in Dresden ei». Der Kronprinz ist heute vormittag in Potsdam ein- getroffen. Gegen Sie Wahl des freisinnigen Abgeordneten Wagner in Labiau ist Protest eingelegt worden. Ser iiftenelchisch. serbische Krieg. Am gestrigen Dienstag hat die österreichische Regierung an Serbien «ine formelle Kriegserklärung erlassen. Die Tatsache konnte nach den letzten Ereignissen nicht mehr über raschen, daß der österreichisch-serbische Konflikt nur noch durch die Waffen entschieden werden konnte, das stand seit Sonn abend abend fest. Durch den Erlaß der Kriegserklärung ist Oesterreich nur dem Herkommen treu geblieben, das in der neueren Zeit übrigens wiederholt nicht beachtet worden ist. Als die Balkanstaatcn sich auf ihren ^Krcuzzug" gegen den Halbmond begaben, wurde dies der hohen Pforte nicht noch durch ein besonderes Schriftstück zur Kenntnis gebracht, auch die Japaner hielten seinerzeit die Blockade von Port Arthur für «ine ausreichende Kriegserklärung. Die bedeutungsvollste Frage ist nun, nach der Eröff nung -er Feindseligkeiten, die -er Lokalisierung des Krieges. Die Vorschläge, die der englische Minister des Aeuberen hierzu machte, haben sich als ungeeignet erwiesen, die Mächte werden also vorläufig ihren Standpunkt nur auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verkehrs einander bekannt machen. Volle Klarheit bestand von Anfang an über die Haltung der Dreibundmächte, auch England hat sich zu dem Grundsatz der Neutralität bekannt, solange der Krieg lokali siert bleibt. Neutralitätserklärungen liegen außerdem vor von den Balkanstaaten, mit Ausnahme Montenegros, das offenbar entschlossen ist, mit seinen 40 000 Mann den ser bischen Brüdern zu Hilfe zu kommen. Was aber wird Ruß land tun? Das ist die bange Frage, die sich immer wieder aufdrängt. Wie wir einem Teil unserer Leser schon mit geteilt haben, sollen in Rußland 14 Armeekorps mobilisiert werden. Bon der Haltung Deutschlands soll es angeblich abhängen, ob das ganze Heer auf den Kriegsfuß gebracht wird. Etne Bestätigung dieser Nachricht ist bisher noch nicht «tngelaufen, wie «S überhaupt infolge der rigorosen Nach- richtenzensur schwer ist, über die Vorgänge in Rußland Auf schluß zu bekommen. Inzwischen wird die Mobilisierung in Oesterreich fort gesetzt. Ein Privattelcgramm aus München besagt: Mobilisierung der österreichischen Kriegsflotte. Oesterreich dehnte die Mobilisier««- auch ans die Kriegsflotte ans und berief heute Mittwoch) früh alle sich i« Anslande aufhaltente« Marine««gehörige» ei«. Sammelnummer für sämtliche Telephonanschlüsse: LS 241. Nachtanschlus,: 2«Oll. A«ret-e«-rarif. Annahme »an Tlnkün- »iaungen tl» nachm. » Uhr. Sonnt»»» nur rnartenstrahe »8 »an ,1 l>t, Uhr. Die etniualttae Zeit« <etma « Tilden) -Si P«.. die »wriipoUigr Zeile auf Leriseiie 70 Pf,, di« ,weilpalt. «ellamueile i.«> M. Familie» Nachrichten au» Dr»»< den di« «inlpa». Zeile LS PI. — In «um- mein nach Sonn- und Neierrogen erhihler Tarif. — «urwitrlige Tiuflrigt nur gegen Vorausbezahlung. — Jedes Beiegliiall I0Ps. Eine Proklamation Kaiser Kranz Josephs. Kaiser Franz Joseph hat ein Manifest erlassen, worin es heißt: «An meine Völker! Es war mein sehn lichster Wunsch, die Jahre, die mir durch Gottes Gnade noch beschicdcn sind, Werken des Friedens zu weihen und meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren. Im Rate der Vorsehung war es anders be schlossen. Die Umtriebe eines haßerfüllten Geg ners zwingen mich,zur Wahrung der Ehre der Monarchie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Macht stellung, zur Sicherung ihres Besitzstandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwerte zu greifen im Vertrauen auf meine Völker, die sich in allen Stürmen stets in Einig keit und Treue um meinen Thron geschart haben und für die Größe und Macht des Vaterlandes zu schweren Opfern immer bereit waren. Ich vertraue aus Oesterrelch-UngarnS tapfere, von hingebungsvoller Begeisterung erfüllte Wehr macht. Ich vertraue auf den Allmächtigen, daß er meinen Massen den Sieg verleihen wird." Der Anfrnf an die nngarische Ratio». Aus Budapest wird gemeldet: Die Regierung hat einen Ausruf an die Nation erlassen, in welchem in schwung vollen Worten jedermann aufgerufen wirb, seine Pflicht zu tun: «Wir stehen an der Schnelle kriegerischer Verwicklungen, wir werden zeigen, das, sich jene täuschen, die aus Ueberhebung glaubten, uns ungestraft beleidigen zu können, wir sind in die Magschalc der Geschichte gelegt worden, wir müssen beweisen, daß unsere Vaterlandsliebe und Tatkraft aus dieser Feuer probe siegreich hervorgehen wird." Die Aufnahme der Kriegserklärung in Wie«. Die „Wiener Zig." schreibt: In guter und gerech ter Sache greift Oesterreich-Ungarn zum Schwert. Die Verantwortung für die Folgen trifft allein das Haupt der Schuldigen. In bewundernngswerter Ein mütigkeit scharen sich die Völker der Monarchie um ihren heißgeliebten Herrscher und um da» ruhmvolle alte Panter. Doch auch von jenseits derNeichsgrenze treffen herzerfreuende Kundgebungen verständnisvoller Sympathie ein. Zahlreiche begeisterte Zustimmungen, welche dem ursprünglichen VolkSempftnben entstammen, kommen insbesondere aus dem verbündeten Deutschen Reiche, und sie bezeugen in Verbindung mit der wertvollen frier- lichen Zusage der italienischen Regierung, daß unsere Freunde und Verbündeten die lautere Gerechtigkeit unseres Kampfes vollauf würdigen. Das Blatt schließt: Das Ziel des uns aufgezwungenen Kampfes ist die dauernde und ge währleistete Erhaltung eines ehrenvollen Friedens. Begeistern»« i« »«-arische« Ab-eord«etenhaus. Der Ministerpräsident Graf Tisza unterbreitete dem ungarischen Abgeordnetenhaus einen Bericht über das I n - krafttretcn der Ausnahmegesetze und mies, mit Stolz erfüllt, hin auf die Begeisterung des Volkes ohne Unterschied der Nationalität. Sündhafter Leichtsinn habe beunruhigende Nachrichten über die Nationalitäten ver breitet. Die ganze Nation folge begeistert dem Rufe des Königs und werde den aufgezwungenen Kampf durch führen. bis die Ehre der Nation und der Friede für die Zu kunft gesichert seien. Im Namen der Opposition erklärte Graf Apponyt: Alle seien davon durchdrungen, daß der Kampf aufgezwungen worden sei. Die Nation sei vollständig einigimKampfe. Der Redner gab der Zuversicht Ausdruck, baß die Aktion von vollem Erfolge be gleitet sein möge. Es bestehe die Hoffnung, -atz der Kampf lokalisiert bleibe. Aber wenn auch diese Hoff nung täusche, ängstige sich Li« Nation nicht, die auf die eigene Kraft und die bewährte Bundestreue vertraue. — Sodann wurde ein Allerhöchstes Handschreiben verlesen, wodurch La» ungarische Parlament vertagt wird. Es herrschte eine unaussprechliche Begeisterung Der Präsident flehte Gottes Segen aus König und Vater land herab, woraus die Sitzung geschloffen wurde. Ein begeistertes Lob ans den Deutschen Kaiser. Das führende Blatt der ungarischen Opposition „Pest, Hirlap", das seinerzeit die d e u t s ch s e i n d l i ch e Agita tion cingclcitct hatte, schreibt folgendes: Tic Herzen der llngarn lodern mit demselben Feuer Kaiser Wilhelm entgegen, wie vor vierzehn Jahren, als er in der Bubapestcr Königsburg sein Glas auf die ritterliche Nation erhob. Die Gestalt des großen Kaisers wächst in das Gigantische. Er steht vor »ns als ein leuchtendes Beispiel der Bu »bestreue. Die Welt muß jetzt erkennen, daß, wer aus Deutschland baut, aus Felsen baut. Ter Artikel schließt mit den Worten: Ehre dem Dreibund und dem Manne, -er seine Seele bindet, dem prächtigen Kaiser der Deutschen! Rußland und der Konflikt. Dem „Lokalanzcigcr" zufolge herrscht in St. Peters burg eine überaus rege militärische Tätigkeit und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß alle Maß nahmen getroffen werden, die einer bevor st chcndcn Mobilisierung entsprechen. — Die «W. Allg. Ztg." schreibt anscheinend nach Informationen von besonderer Seite: Ucber die Haltung Rußlands ist zur Stunde nichts bekannt. Die Nachricht, daß die russische Negie rung irgend welche Mobilisierungsordre erteilt habe, hat bisher keine Bestätigung erfahren. Vor läufig bewegt sich der Verkehr zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland ans der gewohnten freundschaft lichen Basis. Der Eindruck der Kriegserklärung in Petersburg. Die Nachricht von der Kriegserklärung Oesterreich- Ungarns an Serbien hat in Petersburg wie ein Blitz eingeschlagen. Sic wurde erst in den späten Abendstunden bekannt. Bis dahin hatten selbst die amtlichen Kreise die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konfliktes nicht ausge.gebcn. Große patriotische Kundgebungen mit Fahnen finden in Petersburg statt. * Die diplomatischen Besprechungen. Der russische Botschafter in Wien Schede ko Patt« gestern iDienstag) Besprechungen mit den dortigen zu ständigen Stellen. Wie verlautet, hatte die Konferenz nur JnformationSzwecke. Bisher erfolgte weder eine Intervention noch ein bestimmter diplo matischer Schritt seitens Rußlands. Die Ge rüchte, daß Rußland eine Neutralitätserklärung im Kriege zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien abgeben würde, wenn Oesterreich-Ungarn sich verpflichte, keine Gebiets- crweiterung anzustrcbcn, entbehren, wie das „N. Wiener Tagbl." betont, der Aktualität, da Oesterreich-Ungarn wiederholt bestimmt erklärt habe, das; cs gar keine Ge bietserweiterung anstrcbe. Oesterreich und Greys Vorschlag. Auf Grund von Erkundigungen an informierter Stelle melden die Wiener Blätter, daß Graf Berchtold dem eng lischen Botschafter erklärt habe, daß die österreichisch-unga rische Regierung für den Vermittlungsvorschlag Greys sehr danlbar sei und die guten Absichten der englischen Negie rung vollauf zu schätzen wisse. Die friedliche Bei legung des Konfliktes mit Serbien sei jedoch nicht mehr möglich, da die Kriegserklärung an Serbien be reits unterzeichnet gewesen sei. Oesterreichs Forderungen. Zur serbischen Antwortnote schreibt das „N. Wiener Tagbl": Es zeigt sich, daß Serbien nur Ausflüchte suchen wollte. Angesichts dieser Tatsachen kann die österreichisch- ungarische Regierung unter keiner Bedingung mehr zurück treten. Es ist also auch nicht mehr möglich, daß die österreichisch-ungarische Negierung gegen Zahlung der Mobilisierungskosten und selbstverständlich gegen Kunst und Wissenschaft. s* Angeblich ei» Kammerspieltheater in DreSde». Das „B. T." das schon oft unhaltbare effektvolle Meldungen aus Dresden und Sachsen gebracht hat, läßt sich soeben wieder aus Dresden mttteilen, daß hier dte Gründung eine» KammersptelthcaterS, eventuell unter der Direktion von Herrn Maxime Rens, im Werke sei, und „man hofft", den neuen Musentempcl am 1. November d. I. eröffnen zu können. — Uns ist hiervon nichts bekannt, und es wäre auch merkwürdig, wenn sich ernsthafte Mensche» tn Dresden tn der jetzigen Zeit allgemeiner sorgen voller Aufregung mit der Gründung eines solchen Berliner Gewächses befaßten. Es ist uns auch nicht be kannt, ob Herr Maxime Reno solchen Plänen nahestcht: man hat vielmehr angenommen, daß Herr Rcnä, dessen Qualitäten als Schauspieler «nd Regisseur unbedingte An- erkennung gesunde» haben, sich einen Wirkungskreis außer halb Dresdens suchen werde. s* Alfred Kaiser hat sein neues Werk „Das Bil der Bcatrtce" vollendet und letzthin im Freundes kreise vorgespielt. Der Stoff behandelt eine tragische Episode aus dem Leben Guido RentS, während der er sich zur Meisterschaft in seiner Kunst emporringt. s* Eine Stiftung für bas Mülheimer Sais«r»Wilhelm- Jnstitut. Das junge, soeben erst crösfnete Katser-Wilhelm- Jnstitut für Kohlenforschung ist bereits mit einer ansehn lichen Stiftung bedacht worden. Da in Mülheim eine große wissenschaftliche Bibliothek fehlt, mußte für das Insti tut etne reichhaltige Bücherei beschafft werden. Der Vor- sitzende des Kuratoriums hat zu btesem Zweck von einem Spender, der ungenannt bletben will, 30000 Mark er halten. Römische Plauderei. Da habe ich etne merkwürdige Entdeckung gemacht', senken Sie sich: eS gibt keine Spatzen in Rom! Diese -affenjungen aller Städte von Peking bis nach Eherbourg und von Newyork bis nach Aokohama sucht man in der ewigen Stadt vergebens! Woher mag das wohl kommen? Zu heiß ist eS gewiß nicht für sie, denn ich müßte mich sehr irren, wenn ich sie nicht vor wenigen Monaten in Alexan drien und Kairo angetroffen hätte: und dort kalten sie sich ohne Zweifel daS ganze Jahr hindurch auf, sintemalen sie nicht zu den Zugvögeln gehören. Ihr Fehlen in der ewigen Stadt und vermutlich in an deren Städten muß also andere Gründe haben, und ich glaube nicht, die schreckliche Wahrheit zu verfehlen, wenn ich kurz und grob heraussage: die Italiener haben sie aus gefressen! Die netten kleinen Uccellini, die dutzendweise am Bratspieße schwitzen und von den Italienern mit un geheurem Behagen gegessen werben, zeigen uns Len Weg, den die armen Spatzen Italiens dereinst gegangen sind. Jetzt gibt es keine Standvögel mehr tn Italien, sie sind alle verzehrt, und die Uccellini am Spieße sind arme Teufel von Lerchen, Grasmücken. Distelfinken und anderen deut schen Waldsängern, die uns im Norden zur Frühlingszeit ihre Lieder vorgesungen haben. Die Italiener haben merkwürdig wenig Verständnis für die Natur, und vermutlich geht es allen Mittelmecr- bewohnern ebenso. Was man nicht essen kann, kümmert sie nicht, und sie esse» so ziemlich alles, was kreucht und fleucht, Spinnen, Eidechsen und Schlangen wohl ausgenommen. Schon in Frankreich fängt das an, und ich erinnere mich meines Abscheues, als ich vor einem Pariser Wtldbretladen etne ganze Kette armer kleiner Eichhörnchen aufgehängt und zum billigen Preise von 00 Centimes auSaeboten sah. Gerade kehrte ich aus deutschen Waldferien zurück, wo ich das Spiel der zierlichen Geschöpfs oft belauscht hatte und nun fand ich sie tn dieser traurigen Verfassung wieder! Die Pariser bekamen dadurch einen sozusagen kannibalischen Anstrich, und ein anderes Wort findet man kaum für die italienischen Uccellini-Berttlgcr, wenn man an den hei mischen Wald und an die gefiederten Gänger denkt, die dort im Frühling in allen Büschen und Hecken thr neues Lied üben. Von solchen Gefühlen sind dte Bewohner der Mittel meerländer gemeiniglich frei, und sie verstehen gar nicht, wie man sich für einen Vogel interessieren kann, der nicht gebraten ist. Bor vielen Jahren machte ich einen Ausflug in Spanien nach der sogenannten verzauberten Stadt bei Cuenca. Das sind seltsame Felsen, die in der Tat ver steinerten Häuserreihen ähneln: sic liegen mitten im Walde/ stundenweit vom nächsten Dorfe entfernt, und ohne Pferd und Fuhre kann man nicht gut hinkommcn. Zwischen diesen Felsen wuchsen in üppiger Menge Waldblumen ohne Zahl, die mir unbekannt waren, und deren Namen ich gern meinem Führer abgcschmcichelt hätte. Aber der Mann blieb unbeweglich wie die steinernen Häuserreihen. Er sagte immer unerschütterlich: „Es istAcrbal" Es ist Kraut! Und wenn ich in ihn drang, setzte er erstaunt hinzu, denn offen bar glaubte er an meine Absicht, dieses Kraut zu dem mit gebrachten Frühstück zu verzehren: „>lo vale nacia! Dlo se puecie comer!" So ist es überall am Mittclmecr: was man nicht essen kann, ist nichts wert. Ich muß mir einmal die italienischen Bilder auf diese Sache hin anschcn: von Dürer gibt eS eine Jungfrau mit dem Stieglitz, eine andere mit dem Affen, eine dritte mit der Heuschrecke, eine Heilige Familie mit den Kaninchen und hundert andere Blätter, die unseres großen Meisters Liebe zu den Tieren darin«. Gibt eS das auch bei den italienischen Künstlern? Ich muß einmal darauf achten! Einen haben ja allerdings die Italiener, dessen Liebe zu seinen demütigen Brüdern nicht nur am Mittclmecr, sondern allenthalben beispiellos ist, aber cs scheint nicht, daß der Heilige Franz von Assisi auf seine Landsleute vorbildlich etngcwirkt hat. Gerade in Assisi habe ich etwas sehr Komisches gesehen, das hierher gehört. Da die Italiener ihre Pferde, Mäuler und Esel ans eine Art behandeln, die dem Nordländer und besonders dem in diesem Punkte Be wunderung und Nachahmung verdienenden Engländer auf- unü mißfällt, haben allenthalben, wo sie einigermaßen zahl reich sind, die Leute aus dem Norden unter Führung der Engländer Tierschutzvcrcine gegründet, denen hie und da auch die Italiener beitrctcn, ans dem nämlichen Grunde, aus dem sie zum Flve O'clock-Tea kommen. Zumeist aber bleibt die Sache aus die Ausländer beschränkt, und in Assisi, wo der Weg vom Bahnhof lang, steil und heiß in die Stadl
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