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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.08.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050826026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905082602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905082602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-08
- Tag1905-08-26
- Monat1905-08
- Jahr1905
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Bezug--Preis K» der HmyNrxpedM« »drr der« Aar-a-v- firllea »bgeholt: vierteljährlich L.—, bet zwetmaU«« tätzltcher ZvVellva, t»4 tza»S ».7L Durch die Boß bezog«, für Leuchh» land a. Oesterreich vierteljährlich ^l 4^0, für die übrige» Länder laut jiestunqäprriältst«. Diefr Nummer toftel 4« ML auf all« vahuhäfm au» III I bei de» Zeituagä-Verkällferv 4 V f * «ebakttou uu» Gr»e»M«m 1L8 Kerujprrcher lvL gohauut-gasi« st. H«u-r»SUt«ie Dress«: Marieastrab« 84 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 1718). Haupt-Mliat- verita. LarlDuucker, Herzal-BayrHofbuchLaudlG, Lützowstrabr lO Gerusprecha LuU VI Nr. 4MS) Abend-Ausgabe. riWgcr TlyMM Handelszeitung. Amtsvtatt des Höings. Laub- imS des Honigs. Amtsgerichtes Leipzig, bes Nates und des Nolizeiamtcs der Stadt Leip,ig. Nr. M. Sounabe«- 26. August i905. An zeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 glnanzielle Anzeigen, GelchLft-anzetgru anlrr Lext ober an be,anderer Stelle nach Taris. Die «gespalten» ReklamezeU» 75^. Unuahmejchlutz für «uzet»«». Adrab-Ausgav«. vormMaq« 10 llhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 llhr. Anzeige» sind stet« a» die Erpedttto» zu richten. Ertra-Vetlagrn mar mst d« Morgen- Lu-gabe- nach besonderer Lereiabaruag. Die vrpedtttou Ist wochentags anunterbrochea geäsjaet »« früh ü bi« abead« 7 UhL Druck and Vertag oon E. Pol» tu Leipzig (Inh. l)r. B, R äc W. Kliothordtl LerauSgeber: vr. Victor Mtukhardt. 88. Jahrgang. Var AiÄtigrte vom Lage. * Die Herbsttaaung des Vorstandes der Deutschen Kolonialgesellschaft findet am Mittwoch, 4. Oktober, in Berlin statt. * Damvfer „Eleonore Woermann" mit den Abgeord neten an Bord ist in Lome ein getroffen. Reichstags abgeordneter Oberförster FrieS ist unterwegs einem Ge hirnschlag erlegen. (S. Disch. Reich.) * Ein Weichensteller vom Bahnhof Spremberg und ein Streckenwärter von der Station Schleife wurden wegen Verdacht« der Mitschuld am Spremberger Eisen- babnungliick aus dem Dienst zurückgezogen. (S. Ver mischtes.) * Der ungarische Ministerpräsident Fejervary hat dem Kaiser die Einführung des allgemeinen Wahlrechts vor geschlagen, durch die bei den Neuwahlen die Koalition besiegt werden könnte. * Das „Petit Journal" meldet aus Toulon, eine ver trauliche Depesche befehle den Marinebehörden Vie Mobili sierung kolonialer Truppen, sowie mehrerer Kriegs schiffe. Die Maßregel ist die Folge des Beschlusses, der vom Ministcrrat gefaßt wurde. Nach dem „Eclair" soll der Punkt, gegen den vie Kuudgebung gerichtet ist, Latidia sein. * Nach einer römischen Depesche beabsichtigt der Papst eine Spesialmijsion zur Errichtung einer Nuntiatur rn Tokio an den Mikado zu entsenden. * Die norwegischen Delegierten für die Verhand lungen wegen der Auflösung der Union werden heute vor mittag gleichzeitig im norwegischen und schwedischen Staatsrat ernannt werden. * In den PoSnanSkischen Fabrikanstaltea in Lodz sind 4500 Arbeiter in den Streik getreten, weil ihre Forderungen auf Lohnerhöhung von ver Direktion abgelehot worden waren. * Das russische Finanzministerium gibt bekannt, daß der am 26. Januar 1908 bestätigte Zolltarif mit allen Nachträgen am 1. März 1906 in Kraft tritt. * An Bord der von dem Millionendefraudanten Galley gemieteten Jacht „Catalina" wurden im Hafen von Bahia von der Polizei 800 000 FrantS beschlagnahmt. (S. Vermischtes.) * Der Korrespondent des „Daily Telegraph" in Ports mouth behauptet, daß die Konferenz heute abgebrochen werde und der Krieg selnen Fortgang nehme. Millrlrlanärvereinjgung «na ?rivatangeriellte. Es wird uns geschrieben: Die „Deutsche Mittel st andsvereini- gun g", die einzige der vielen Mittelstandsgründungen aus den letzten Jahren, die es zu einiger Bedeutung ge bracht hat, sucht naturgemäß möglichst weite Hxeise unter ihr Bonner zu sammeln. Der Begriff „Mittel stand" ist unbestimmt, und ein politisches Witzwort sagt: Zum Mittelstand gehören alle diejenigen, deren Wahl stimmen man gewinnen möchte. Es ist daher begreiflich, daß die Mittelstandsvereinigung sich auch um den soge nannten „neuen Mittelstand" bemüht, und namentlich dessen nach Zahl und Bedeutung wichtigste Gruppe, die Privatangestellten, umwirbt. Nachdem sie im Frühjahr an die Vereinigungen von Privatange stellten dringende Aufforderungen zum Beitritt gerichtet bat, soll auf der zweiten Generalversammlung am 3. vis 5. September in Frankfurt a. M. ein Vortrag des Bureauvorstehers Müller aus Magdeburg über „Pri vatbeamtenfürsorge" locken. Den Ange- stellten kann es natürlich nur angenehm sein, wenn die Mittelstandsvereinigung, die sich namentlich aus Hand werkern und selbständ'gen Kleinkaufleuten zusammen setzt, ihr Bestreben nach staatlicher Pensionsversicherung und anderen Fortschritten der Sozialpolitik unterstützt. Nur muß man die Angestellten warnen, daß sie sich dadurch verleiten lassen, die gesamte Politik der Mittelstandsvereinigung zu unterstützen. Die Bestre bungen dieser Vereinigung sind im lebten Grunde dem neuen Mittelstände feindlich. Das allum fassende Schlagwort „Mittelstand" darf nickt über d'e tiesgehenden Unterschiede hinwegtäuscken, die zwischen der Mittelstandsvereinigung und den Vrivatanqestellten bestehen. Die zwei wichtigsten Gegensätze sind schon früher an anderer Stelle dargelegt. Der eine grundlegende Gegensatz ist ein sozialer: ^ie Angehörigen des neuen Mittelstandes sind unselbst. tändig, sind Arbeitnehmer, die des alten sind selbst- tändig, Arbeitgeber. Die Angestellten haben ein leb- laftes Interesse an einer fortschreitenden Sorialpolitik, und zwar nicht nur an einer Angestelltenpolitik, sondern auch an energischer Arbeiterpolitik, denn jede Verbesse rung in der Rechtslage der Arbeiter wirkt auch auf die Lage der Angestellten, dieser „höheren, geistigen Ar beiter", günstig ein. Die kleinen, selbständiaen Ge werbetreibenden und Kaufleute sind aber zum großen Teile die heftigsten Gegner einer Fortführung der Schutz- und Dersicherungsgesetzgebung, und es ist ia kein Zweifel, daß sie von den Lasten der Sozialpolitik schwerer getroffen werden als die Großbetriebe. Die Kleingewervlichen sind leider zum Teile auch „Scharf- macher", Gegner eines freiheitlichen Vereins- und Ver- sammlungsrechtes, der Koalitionsfreiheit, der Rechts, fähigkcit von Berufsvcreinen usw., alles Dinge, deren Durchsetzung von den Angestellten im eigensten Inter esse erstrebt werden muß Der zweite Hauptgegensatz ist ein wirtschaft licher: Der alte Mittelstand vertritt den wirtschaft lichen und technischen Kleinbetrieb: der neue ist wesent lich ein Kind des modernen Großbetriebes. Manche Handwerker und Kaufleute sind ja leider dahin ge kommen, in jedem Großbetriebe etwas Unberechtigtes. Ungesundes, wohl gar Staatsfeindliches und Unsitt- liches zu sehen, gegen das mit allen Mitteln der Gesetz gebung eingeschritten werden soll. Die Angestellten haben als Konsumenten kein Interesse gegen den Groß- betrieb, soweit er Produktion und Umsatz der Erzeugnisse verbessert oder verbilligt. Als Produzenten haben sie ein Interesse am Großbetriebe, denn nirgends ist im all gemeinen ihre Lage schlechter als in den ganz kleinen Betrieben. Eine gewisse Ausdehnung des (gewerblichen oder kaufmännischen) Betriebes ist Vorbedingung für eine angemessene geregelte Arbeits- und Rubezeit, für gutes Gehalt, für die Möglichkeit der Beförderung, des Aufrückens in hochbezahlte, verantwortuugs- und er folgreiche Posten. vr. Velar vottdokk, Ick. ck. R. ver Humana in Ziiawertattika. General v. Lrotha. lieber die nächste militärische Zukunft des Oberkomman- dierenven in Süvwestafrika sind seit der Ernennung de« Gouverneurs von Lindequist zahlreiche Versionen verbreitet worden, von denen jedoch leine über den Wert einer — meist unwahrscheinlichen — Ausstreuung hinausreichk. Nach der „Neuen mil.-pol. Korrespondenz" dürfte feststehen, daß noch in diesen Tagen die, von Generalleutnant von Trotha persönlich geleitete, konvergierende Aktion gegen die Aufständischen im Süden beendet sein wird, und daß der Draht in aller nächster Zeit von einem größeren Gefecht berichtet. Die etwa notwendige Verfolgung de« — wie man annimmt — ge schlagenen Feindes sollte dann einzelnen Unterführern über lassen bleiben; der Oberkommandierende selbst wird nach Windhuk »urücklehren und die Heimreise nach Deutschland an treten. noch ehe der neuernannte Gouverneur in Swakopmunv eintriffl. Auch nach einem längeren Erholungsurlaub würde, wie behauptet worben ist, Generalleutnant von Trotha keines falls für den Posten eines kommandierenden Generals in Frage kommen, da er erst seit 1903 die Stellung eines Divisionskommandeurs inne hat und im Dienstalter noch weil in der Liste der Generalleutnants zurücksteht. Eine viel größere Wahrscheinlichkeit dürste eine Kombination haben, der zufolge General von Trotha späterhin an die Spitze einer zu schaffenden Kolonialarmee treten soll, obwohl ein solches Projekt noch nicht als spruchreif bezeichnet werden kann. V«r Rücktritt teutwein». Die „Hamb. Nachr." erhalten aus Berlin eine anscheinend inspirierte Mitteilung über den Rücktritt Leulweins. Dieser sei aus rein militärischen Gründen erfolgt. Generalmajor Leutwein, so heißt eS weiter, hielt weder die KriegSführung mit den erheblichen Trupvenmassen, die zugleich mit Generalleutnant von Trotha nach Deutsch - Südwest- afnka kamen, unter den dortigen Verhältnissen für zweckmäßig, noch glaubte er an die Opportunität des Systems der unnachsichtlichen Strenge. Er hat aus seiner Auffassung keinen Hehl gemacht und die Konsequenzen gezogen, als seine Stimme unbeachtet blieb. Für die Schwächen seiner Verwaltung konnte man ihn von Berlin aus naturgemäß ebenso wenig haftbar machen, wie etwa seine vorgesetzte Dienstbehörde, die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes; beide waren nur ausfübrende Organe. Aus die Gründe rein militärischer Natur ist es auch zurückzuführen, wenn Generalmajor Leutwein nach seiner Rückkehr, obgleich keine nennenswerte Be einträchtigung seiner Felddienstfähigkeit vorliegt, militärische Verwendung nicht mehr gefunden hat. Er hat aus feinem Wunsch, im Gebiet seines langjährigen Wirkens unter gün stigeren Verhältnissen neuerdings Verwendung zu finden, bei seinem Eintreffen in Berlin zu wenig Hehl gemacht und sich zu nachdrücklich „zur Verfügung" gestellt, was nach Lage der Verhältnisse und nach der ihm gewordenen Behandlung für unsolvatifch galt. Generalleutnant von Trotha seinerseits hat sich in Deutsch-Südwestafrika ganz genau an die Anordnungen und Instruktionen gehalten, die vor seiner Abreise getroffen oder ibm mitgegeben worden sind. AuS dem Nahmen dieser Instruktionen fällt lediglich die Nervosität heraus, die er allmählich der Zivilbevölkerung de« Schutz gebietes gegenüber an den Tag zu legen begann. Wenn der General eine gewisse Empfindlichkeit gegenüber gelegentlichen Eingriffen des Kanzlers an den Tag gelegt hat, so ist kies erklärlich, da er in der Annahme von Trier beschicken war, nur dem Kaiser und dem Ches des Generalstabes unterstellt zu sein. Soweit endlich in Berlin Opposition gegen ras „System Trotha" sich geltend gemacht hat, hatte diese keine Spitze gegen die Person des Generals. ver rusrizch-japanircke Weg. Vie Aenferenz. Der Präsident Roosevelt hat sich vorgestern einer ab seits vom Friedensgeschäft liegenden Tätigkeit hiugegeben; denn ein vom Freitag datiertes Telegramm aus Öysterbay meldet: „Der Präsident begab sich gestern nachmittag auf daS Unterseeboot „Plunger" und verblieb während mehrerer Tauchmanöver, von denen eins 50 Minuten dauert, au Bord." Nach seinem Besuche bei Roosevelt soll Kaneko er klärt haben, Japan könne keine weiteren Zugeständnisse machen. ES wünsche den Frieden, aber auch die Gerechtigkeit und die Forderung einer Entschävigung für die Kriegskosten, die insgesamt 900 Millionen Dollars betrügen, sei nur gerecht. Dem Korrespondenten der „Frkf. Ztg." wurde mit geteilt, Japan könne nicht unter die geforderte Entschädigung herabgehen, weil die KriegSkosten bedeutend höher seien, lieber den Titel lasse sich sprechen. Der „Sun" bestätigt, daß Witte ungehalten sei, weil er einen Plan für die KriedenSunter- handlungen entworfen hatte, der jedoch durch die Erklärungen des Grafen Lambsdorff beeinträchtigt worden sei. Er bat, nach einer ZeitungSvepesche aus Portsmouth, die Situation präzisiert: Als Komura in der letzten Sitzung den Vorschlag machte, die nördliche Hälfte von Sachalin für 50 Millionen Dollars zurückzukaufen, habe er, Witte, die absolute Ablehnung ausgesprochen. Darauf wurde von beiden Seilen vorgrschlagen, die Lage den heimischen Re gierungen zu unterbreiten. Die letzte, esdgiltige Antwort hat Witte noch nicht erhalten. Die Tür zum Frieden stehe deshalb aber noch offen, obwohl er die Aussicht auf Frieden für jchwächer als je halt«. Die Japaner erklären, daß sie von Hause mit Bitten bestürmt würden, keinesfalls nachzuaeben. Auch der Korrespondent des Daily Chronicle" in Newcastle halte eine lange Unterredung mit Witte, der gesagt haben soll, als er in die Unterhandlungen eingetreten sei, habe er die Vollmacht erhalten, die größten Konzessionen zur Er reichung des Friedens zu machen. Er habe den Japanern nichts verweigert, aber was die beiden letzten strittigen Hauptpunkte anlange, so habe er einen Kompromißvorschlag wegen seiner eigenen Verantwortlichkeit nicht zulassen können. Er wisse noch nicht, was sich in der Sonnabendsitzung er eignen werde, aber wenn die Verhandlungen nicht zu einem Resultat führten, so seien sie damit doch nicht umsonst gewesen, sondern hätten wenigstens den guten Willen gezeigt. Wie über London aus New Hork gemeldet wird, ersuchte die Redaktion de- „World" dre japanischen Bevollmächtigten um eine maßgebende Erklärung über die gegenwärtige Krisis. Gestern veröffentlichte das Blatt folgende, von Sato unterzeichnete Antwort: „Japan« Forderung einer Zahlung von 120 Millionen Pfund Sterling und der Abtretung der Hälfte von Feuilleton. Ein Teufel im Aonnenschleier. Erzählung von F. C. Philips Nachdruck verdat«. Erstes Kapitel. Ich bin siebenundzwanzig Jahre, und in einer Woche werde ich tot seinc Ehe ich aber sterbe, ist es mein Wunsch, alle Tatsachen, welche mich in diese Lage ge bracht haben, ausführlich und mit der größten Frei mütigkeit niederzufchreiben. Mit einer «solch' kurzen Spanne Zeit zu leben vor mir, kann ich keinen Grund haben, die Wahrheit zu verbergen — keine Veran lassung, nach Entschuldigungen für mich zu suchen. Nichts kann mein Schicksal jetzt ändern, und da ich keine Familie habe, kümmert es mich wenig, ob man mich verflucht oder nicht, wenn ich gegangen bin. Na, gut denn; ich schreibe als ein Menisch, der nichts zu ge winnen und nichts zu verlieren hat. Wohlverstanden. „Mein lieber Guthrie", sagte einer meiner Freunde vor einem Jahre, „warum heiratest du nicht? Du bist jüstg, du hast Talent, die Frauen haben dich gern, und du wirst nie einen Heller verdienen — warum heiratest du nicht?" Ich sah ihn erstaunt an. Heiraten war ein Gedanke, der mir nie gekommen war. Ich nahm zu Ausflüchten meine Zuflucht. „Was das anbelangt, daß ich nie einen Heller ver dienen werde", sagte ich, „so habe ich zwischen drei- und vierhundert Pfund auf der Bank. Außerdem habe ich auch einen Beruf — ich male." „Wie lange wirst du mit deinem Gelde reickien?" fragte er achselzuckend, „und waS bringt dir dein Beruf ein? Ich glaube, du erzähltest mir, dein Vater habe dir zwei- bis dreitausend Pfund hinterlassen. DaS war vor anderthalb Jahren. Zum Winter wirst du ohne Geld sein, und die einzigen Gegenständ, in deinem Atelier, die du imstande sein wirst, zu verkaufen, werden die Teppiche und daS Kabinett und all die Kleinigkeiten sein, die du gekauft hast." Er paffte verächtlich an seiner Zigarette. „8i j^unesso savait, si vieillossk» pouvLitl Tu wirst enden wie ich, mein Freund — ein armer, abgebrannter Stümper. Aber wenn ich an deiner Stelle wäre —" „Na", sagte ich, „wenn du an meiner Stelle wärst? Was dann?" „Dann würde ich mich nach einer reichen Frau um sehen, und mich nicht auf die Kunst verlassen, um meine Zukunft sichcrzustellen", fuhr er fort. „Bah! Ich ver schwende doch nur meine Zeit — es hat noch keinen ge geben, der aus der Erfahrung eines anderen Nutzen ge zogen hätte! Komm mit und bezahle ein Frühstück, und wir wollen von etwas anderem reden. Du kannst mich mit deiner „Niobe" anöden und deinen Aussichten und der neuen Richtung, und zum Dank für mein Frühstück werde ich sehr liebenswürdig sein und dir sagen, daß du noch mal ein großer Mann werden wirst. Laß uns gehen!" Hier haben Sie den Anfang des Projektes, das sich als so verhängnisvoll für mich erwies — die Anregung zu dem Schritte, der zu meinem Verderben führte. Klingt es lächerlich, daß ein Mann durch eine zufällige Unterhaltung dieser Art beeinflußt werden konnte? Es ist nichtsdestoweniger die Wahrheit, denn, obwohl es mir in jenem Augenblick nicht zum Bewußtsein kam, hatten sich Laroches Worte tief in meinen Sinn gegraben und kamen mir, zuerst spärlich, dann aber eindringlicher ins Gedächtnis zurück. Während der nächsten Monate arbeitete ich sehr fleißig. Es war allerdings nur zu wahr, daß ich bis jetzt mit meinem Pinsel nichts verdient hatte, und ich hoffte, durch einen ungewohnten Aufwand von Fleiß die verlorene Zeit wieder einzubringen. Wie schon aus den vorstehenden Bemerkungen meines Kollegen zu ent nehmen war, hatte ich mein Atelier mit einem Anflug von LuxuS auSgestattet. Meine Absichten waren die denkbar aufrichtigsten, aber ich hatte doch nicht der Ver suchung widerstehen können, die jeden jungen Künstler befällt, der die Mittel besitzt ihr nachzugeben; und ich will gern und offen oingestehen, daß die luxuriöse Aus stattung meiner Klause in einem schlechten Verhältnis zu den Werken stand, die daraus hervorgingen. Aber, wie ich schon sagte, jetzt arbeitete ich unermüd lich; ich sing an zu sparen. Es gab selbst Wochen, wo ich ebenso kärglich lebte, wie einige meiner Freunde im Quartier Latin, die sich nicht helfen konnten. Ich ver sagte mir die geringsten Bequemlichkeiten und bemühte mich so eifrig, twe nur möglich, ein Künstler im wahren Sinne des Wortes zu sein, um denen, welche mein Talent bestritten oder darüber lächelten, zu beweisen, daß sie im Unrecht wären. Es führte aber zu nichts. Meine „Niobe" war fertig und unverkauft. Ich begann ein neues Bild und mußte hören, als ich ein Urteil darüber erbat, daß die Kom position verkehrt sei. Diesmal war eS nicht Laroche, sondern ein anderer, ein Mann von bedeutendem Rufe, und wiewohl ich ihn haßte wegen seiner augenschein lichen Bemühungen, höflich zu sein, konnte ich mir selbst doch nicht verhehlen, daß sein Urteil großen Ein- druck auf mich machte. „Sagen Sie mir aufrichtig, mein lieber Freund", sagte ich, „glauben Sie, daß die Kunst eine Belohnung für mich io petto hat? Ich male nicht zu meinem Ver gnügen, wie Sie wissen, ich muß von meinem Pinsel leben. WaS prophezeien Sie mir?" Er fuhr sich mit seinen Fingern durch sein langes Haar und geriet in Unruhe. „Sie ist eine harte Herrin, die Kunst", murmelte er. „Wo sie sich dem einen hingibt, läßt sie tausend im Elend sterben. Auch diese haben sie geliebt, aber sie hat kein Lächeln für sie gehabt. Qh, sie ist hart, wie ein Diamant, unsere Herrin!" „Ja, ja", sagte ich, „aber glauben Sie, daß sie mir gnädig gesinnt sein wird?" „Wer weiß?" antwortete er. „Ich kann'- nicht sagen." Ich gab nicht nach. „Ich wünsche aber, daß Sie eS sagen; ich wünsche, daß Sie mir genau das sagen, was Sie denken." „Ich glaube, Sie haben das richtige Gefühl", ent gegnete er. „Damit ist alles gesagt." „Mehr nicht? Einfach nur das Gefühl?" „Das Gefühl, ja. Aber wenn Sie fleißig Studien machen, wenn Sie sich daranhalten, können Sie sich in den nächsten Jahren — möglicherweise — mehr von der Technik aneigneu." „Ich danke Ihnen", sagte ich. „Unglücklicherweise bin ich nicht in der Lage, jahrelang Studien zu macken und mittlerweile nichts zu verkaufen. Ich werde mich nach einem anderen Berufe umsehen, mein Freund; ich habe schon zu viele Jahre als Künstler vertändelt." Er machte, eine Geste, die nichts Tröstliches enthielt. Es lag Zustimmung darin, ja, sie schien direkt zu sagen, daß ich nur meinen eigenen Hochmut für den Irrtum zu tadeln habe. Nachdem er sich entfernt hatte, vergrub ich mein Gesicht in meine Hände und warf mich auf das Ruhebett — das Ruhebett mit dem Bärenfell, daS eine meiner Extravaganzen gewesen war — und weinte, daß mein Leben ein Ende habe. Niemand kann ver stehen, wie ich mich fühlte — bekümmert, gedemütigt, in tiefster Seele verwundet. Vierzehn Tage lang tat ich absolut gar nichts. Ich faßte keinen Pinsel an, ich suchte keine Gesellschaft, ich verbrachte meine Tage vollständig planlos. Am Ende der zweiten Woche begann daS zweite Stadium. — Ich stürzte mich rn einen Strudel von Zer streuungen. über die mich näher auszulassen unnötig ist. Im dritten und letzten Stadium fing ich an nachzudenken. Jetzt bemerkte ich auch, wie tief sich Laroches Worte in mich eingegraben hatten, als er mir riet, eine reiche Frau zu nehmen, aber ob ich den Versuch geniacht haben würde, wenn nicht ein eigenartiger Zufall eingetreten wäre, kann ich nicht sagen. Ich persönlich halte eS nicht für wahrscheinlich, denn ich kannte keine reichen Frauen. Meine weiblichen Bekanntschaften bestanden aus einigen halben Dutzend Modellen, einer oder zwei kleinen Schau- spielerinnen und ein paar Damen, die schriebsn oder
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