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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.07.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050727027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905072702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-07
- Tag1905-07-27
- Monat1905-07
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> VeMSS-VretS M ^GVM RNDAEÜ^ »»««»GeHsltr ViertrljichrUch L,—. bei tä,ltch»S««,Ni»H «X Ha— S.7K. D«rch di« Bost-«zog« fttr Deutsch- tuud ». Oesterreich vierteljährlich ^ä 4^0; für die üdrige» Läuder laut Zeitmr-äprrläliftr. Diese Nuunuer tuftrt auf-Leu «ahuhofru u»d III I tt deu Leituugä-verräufm» i* Ledattia» »ch ErpeSttto«. 1« Fer»fp«cha LW JohauuiSgafs« 8. chtM-t^Uiuse Dreä de« : Marieustrsdr 84 G«riifpr«htt Amt I Ar. 1713). chauPt-tzitiatv LarlDuu cks^^er^^rqr^ostmchbaadlA, (Fernsprecher Amt VI Nr. 46031 Abend-Ausgabe. MpMer TagMM Handelszeitung. Ämtsvlalt des Hiinigl. Land- und -es LSnigk. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Arrzetgen-Prel- die 6gespaltene Petitzeile 2ü Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen. GeschäftSanzeigeu »uter Text oder au besonderer Stelle nach Darts. Di« -gespalten« ReNamrzetl» 75 Anuabmefchtntz für Aazetge«: Abend-Ansgab«. vormittag« 10 Uhr. Morgeu-Au«gab« nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« au die Expedition zu richten. Extra-Vetlageu mar mV der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Beretubarrurg. Die Erpedtttau ist Wochentag« nnnuterbrochea geöffnet vou früh 6 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Berlag von G. «ah tu Leipzig <Juh. vr. B„ R. St W. Kltulhardtt. HerauSgeberr vr. Victor Sliukhardt. Nr. 378. Donnerstag 27. Juli l905. SS. Jahrgang. Var Wckligrtr vom läge. * Die »Hohrawlleru" mit dem Kaiser an Bord ist heute früh 7 Uhr m Prllau eiugetroffen. Der Kaiser reiste um 8 Uhr 20 Miu. mittels SonderzugeS nach Cadinen. Die »Hohruzollera" ging um S»/« Uhr nach Danzig weiter. * Prinz Ernst vou Sachsen-Weimar verunglückte bei Pforzheim mit seinem Automobil und wurde er« stlich verletzt. (S. Vermischtes.) * Au» Christiania wird uns durch ein Privat- telegramm gemeldet, die norwegische Staatsregierung habe abgelehnt, die Vorschläge des schwedischen Reichs- tag» auzunehmeo. Die eiugezogenen Reserven werden weiter z u r ü ck b e h a l t en. Nack einer Stockholmer Depesche ist eine Entschließung de» schwedischen Königs über dre KabiuettSbildung noch nicht erfolgt. Als StaatS- miuister werden noch Graf Wachtmeister und Gutsbesitzer Lund «berg genannt. * Trotz der energischen Schritte des deutschen Konsulats ist der in Konstantinopel verhaftete deutsche Lehrer noch nicht in Freiheit gesetzt worden. S. Ausland.) * Der Generalgouverneur Trepow bat die Abhaltung aller Kongreffe verboten. (S. Ausland.) * Nach einer Meldung der „Kattowitzer Zeitung" aus Warschau soll der Generalgouverneur Maximowitsch au« Warschau geflüchtet sein, da er mit dem Tode be droht worden ist. * Der »Daily Telegraph" meldet, die japanische Armee habe mit mehreren tausend Mann die russischen Streitkräfte am Tumenfluß mit großer Heftigkeit an gegriffen. Var gerettete Kabinett. -f London, den 26. Juli. Seit dem Montag ist die Krist» vorüber. Der Verlaus der Sitzung war dem Programm der unionistischen Preffe gemäß. Eine ungeheure Menge hatte das Hofgitter des West- minster-PalasteS umlagertund ließ die Wagen der Abgeordneten Revue passieren; einige Berühmtheiten kamen unvermerkt, durch Seiteneingäoge. Im Haus herrschte ein babylonisches StimmenchaoS; man diskutierte so lebhaft wie an der Pariser Börse. Als Vie Galerien geöffnet worden waren, stürmte da« Publikum herein; die ersten diplomatischen Besucher waren Mr. Whitelaw Reid, der neue Botschafter der Union, derdänische Geschäftsträger und der russische Gesandte. Auf der Peers galerie saßen viele ehemalige Minister, Lord Spencer mit seinem angegrauten, roten Bart, der frühere Sprecher Gully, der jetzt Viscount Selby heißt, und andere. DaS Haus war überfüllt, im ministeriellen und im cmtiministeriellen Lager. Die Iren betätigten gleich bei den Konzessionen und Verträgen ihre Bravomanieren; sie riefen ihr »Object, 'ject, 'ject" bei. ganz unschuldigen Geschäften. Sie begrüßten den Sir Henry Campbell-Bannerman, der mit zitternder Hand die Umschläge der auf seinem Platze aufgehäuften Telegramme zerriß. Am härtesten wurde der irische Minister Loug von den Nationalisten ge plagt, die ihm zuschrieen, er solle sei» Amt seinem Nachfolger übergeben. Joseph Chamberlain war in hellgrauem Anzug mit weißer Weste erschienen, die Orchidee iu seinem Knopfloch war scharlachrot. Er lächelte kalt. Unter Ovationen der Regierungspartei teilte Balfour die Gründe für da« Verbleiben deS Ministeriums mit und setzte auseinander, daß dieses trotz der Ueber- rumplung vom 20. Juli noch das Vertrauen der Mehr heit besitze. Nie sei eine derartige Abstimmung als Zwang zur Abdankung oder zur Auflösung betrachtet worden. So habe das Kabinett deS Lords Melbourne von 1839 viele Niederlagen bis zu seiner Verdrängung im Jahre 1841 erlitten, und selbst dann sei eS nicht nach dem mißlichen Budgetvotum, sonvern erst nach dem Tadelsantrag deSSir Robert Peel gegangen. Ost sei Lord Russell geschlagen worden, oft Lord Palmerston während seiner letzten Administration von 1859, obwohl diese Administration ein Kompromiß zwischen den Tories und den Radikalen gewesen seien, die sich zur Herr schaft zu schwach fühlten. Mit feiner Ironie bezog sich Balfour auch auf Gladstones „große Administration" 1868 bis 1874. Der große alte Mann kam, wie Salisburys Neffe er klärte, neunmal in die Minderheit. Im Jahre 1872 passierte dies sogar, nach dem Tagebuch des Nir. Bruce, das in Morleys Gladstone-Biographie abgedruckt sei, dreimal in einer Woche. Bei der »Ballot Bill" forderte der liberale Previer das Haus auf, seinen Beschluß zurückzunehmen; er tat das nicht, aber Gladstone blieb. 1893 wurde er wieder im Oberhaus geschlagen, 1894 Lord Rosebery bei der Avreßdebatte. Nachdem dieser vom Cordite- Votum betroffen worden war, habe Gladstone ausdrücklich als die Pflicht der liberalen Regierung bezeichnet, Weiler zu kämpfen. DaS gegenwärtige Kabinett sei nicht erschüttert, keine Unstimmigkeiten seien in.ihm vorhanden. Balfour wies die Theorie der Gegner zurück, daß Verluste bei Nachwahlen daS Schicksal der Regierung beein flussen sollten. Lord Russell diente als Zeuge, nament lich aber nutzte der Redner einen Brief Gladstones an Lord Granville aus, worin es wörtlich heißt: „Keine Zahl von Nachwahlen, mag man sie für sich nehmen oder was chr vereinte« Gewicht auch sei, kann ein verfassungs mäßiger, eigentlicher Grund zur Abdankung sein". Eine Ver letzung dieser negativen Regel hat Gladstone ein „ncm und Singulars ds,ä princlpis", eizze »neue und außerordentlich schlechte Maxime" genannt. Balfour hatte den Mut, trotz dem zu sagen, daß er nicht Sklave der Präzedenzfälle sei; mit um so deutlicherer Verachtung strafte er das DienstagS- votum und die Nationalisten ab. Die Schwäche der Oppo sition wurde noch in derselben Sitzung bloßgelegt, als der VertagungSantrag des Sir Acland Hood einstimmig angenom men ward. Die Unfähigkeit zur Aktion ersetzten Campbell- Bannerman und Redmond durch sittliche Töne oder durch pamphletistische Wut. Redmond sagte zwar, die Nationalisten würben kein Quartier geben und mit dieser »Regierung der Fetzen und Flicken" kurzen Prozeß machen; höhnisch wurde Long gesragt, wie lange er noch kleben wolle. Indessen die AuslösungSfrage war Tabu. Am Dienstag hatte das Niveau im Hause der Gemeinen sich abermals gesenkt, und in den Nachtstunden hatte die Regierung zwei positive Erfolge, die den Wert haben, die Abstimmung vom 20. Juli faktisch zu beseitigen. DaS HauS verwarf mit 60 Stimmen Mehrheit den Antrag Devlin, von den 32 416 Pfund Sterling für irische Kriminaljustiz 1000 Pfund zu streichen, und nahm eine Resolution für die Mehrausgaben der Flotte mit 51 Stimmen au. Ein skandalöses Intermezzo entstand bei der Rede des liberalen Dauphins und ehemaligen Kriegsberichterstatters in Südafrika Winston Churchill, der stotterte. Irgend ein paar flegelhafte Abgeordnete ahmten sein Stottern nach. Die Iren stellten sich, als wüßten sie, daß eS Ministerielle gewesen seien, und brüllten: „Mms bim, get bim out, lack bim out"; der Appell an die Beine des »Rausschmeißers" dauerte Minuten lang. Vor einem Votum über den irischen Unterricht flohen die Iren, deren Häupt ling Dillon eS gefiel, dem Minister Long nachzudonnern, als er auf fünf Minuten den Saal verließ. Bis in den Morgen währte die Sitzung. Es ist sicher, daß auch vielen Liberalen die Bundesgenossenschast mit den pöbelhaften Herren von der „grünen Insel" mißfällt, und daß die Tyrannis recht gebrechlich ist. Im Oberhaus hatte der Marquis of LanSdowne, der Staatssekretär des Auswärtigen, die Verteidigung zu führen, die im Unterhaus der Premierminister geführt hatte. Der Lord Spencer erklärte, die Niederlage der Regierung sei „s. vor^ sorious matter", und suchte einer Wiederaufnahme des Tadelsantrags Grey vorzu beugen; eine Auflösung müsse sofort stattfinden. Lord Rosebery warb mit einer spöttischen Rede um den persönlichen Triumph, den er immer gesucht hat. Nach ihm sind »Seiner Majestät gegenwärtige Berater" die unfähigsten von allen. Möglich sei es, daß sie sich für eine Versammlung von Sa^omonS hielten, von „im eigenen Lande verkannten Salomons", aber es komme nicht darauf an, wofür sie selbst sich hielten. Darauf komme es an, was andere Regierungen von ihnen dächten, wenn sie im Namen eines Landes unterhandelten, das sie bei jeder Gelegenheit verschmähe. Das Kabinett besitze kein Monopol, die wahren Gefühle und den wahren Sinn Großbritanniens zu verkörpern. Lord Rosebery gestand, er selbst habe als Premierminister gefühlt, wie die Röntgenstrahlen der Diplomatie ihn durchleuchteten. Das Parlament müsse erneuert werden; frisches Blut sei ihm zuzuleiten, denn, indes ein Verschwinden der Regierung keinen Verlust bedeute, sei das Parlament allein die Stütze starker Verwaltung. Roseberys Rede hat ein Echo im „Daily Chronicle". Es wendet sich gegen Lansdowne, der erst die internationale Marolkokonferenz abgelehnt und Deutschland vaS „unerwünschte" Begehren kategorisch auSgeschlagen, jetzt aber, nach dem Reuter telegramm aus Fez, durch Lowther zur selben Konferenz sich angemeldet habe. Das „Daily Chronicle" legt den Balfour- Lansdowne das Motto unter: „Ihr müßt uns im Amte belassen, damit wir unsere eigenen Fehler gut machen können". Der imrirck-Iapanircde Krieg. Vorn Ariegrschauplatz. Der „Daily Telegraph" meldet aus Tokio vom 26. Juli: Nach einem Telegramm aus Osaka verlautet dort, daß ein nach vielen Tausenden zählendes japanisches Heer die russischen Stellungen am Tu men an greife. — Nach einer zweiten Depesche legen die japanischen Truppen an der Front große Zuversicht an den Tag. Eine Gefahr bildet nur für die japanische Linke das Kavalleriekorps Misch- tscheukos, welches sortwahrend Angriffe unternimmt. Am 21. d. M. fand ein ernstes Gefecht bei Takumen, 36 icm nördlich davon, statt, über dessen AuSgang noch nichts bekannt ist. Alle japanischen Zivilisten, mit Ausnahme derjenigen, welche in den Kantonuemenls beschäftigt sind, müssen sich von der Front entfernen. Heute begeht man den Jahrestag der Verwaltungsübernahme von N,utschwang. Kolitircke Lagerrcda«. Leipzig, 27. Juli. Vertretung der Angestellten in ArbettSkammern. Die Frage der Errichtung von ArbeitSkammern wird den Reichstag in seiner nächsten Tagung wiederum beschäftigen. Ob das Gesetz bereits vor der Tür steht, mag dahingestellt bleiben. Nach einer kleinen Broschüre, die iu den Schriften der Gesellschaft für Soziale Reform erschien (Verlag von Gustav Fischer, Jena), bezweifelt daS Mitglied des Reichs tags Dr. Heins Potthof, die Sache sei schon so weit gediehen, trotz der Erklärung des preußischen Handelsministers vom 21. Januar 1905 im Reichstage. Er sagt: „In den maßgebenden Behörden ist über die Grund sätze der Kammern noch kein Beschluß gefaßt. Daher scheint es mir wünschenswert, mit allem Nachdruck auf die Berücksichtigung der Angestellten hinzuweisen, denn ich bin überzeugt, daß deren Einbeziehung nicht nur den Arbeits kammern, sonvern unserer ganzen Entwickelung zum Segen gereichen wird .... Bei der Schaffung pari tätischer Arbeitskammern dürfen die Angestellten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Parität wird am besten gewahrt, wenn die Kammern auS drei gleich starken und gleichberechtigten Abteilungen be stehen: 1) Unternehmer, 2) Angestellte, 3) Arbeiter. Eine gute Vertretung der Angestellten ist zu erreichen: n. beim Anschlüsse der ArbeitSkammern an die Gewerbegerichte nur, wenn gleichzeitig diese völlig umgebaut, am besten mit den Kaufmannsgerichten verschmolzen und zu Amtsgerichten er weitert werden; d. bei Errichtung völlig selbständiger Kam mern ohne weiteres; c. am besten bei einer Erweiterung der Handelskammern zu paritätischen Arbeilslammern. In ähn licher Weise wäre auch in Landwirtschafts-, Handwerks- und Nechtsanwaltskammern für eine Vertretung der Angestellten und Arbeiter zu sorgen. I» den paritätischen Arbeits kammern haben die Angestellten wichtige Aufgaben; nament lich können sie wesentlich zur Förderung des sozialen Friedens wirken. Deswegen ist auch im allgemeinen Inter esse die Einbeziehung der Angestellten in dre Kammern zu wünschen. Im Interesse der sozialen Entwickelung liegt auch die Stärkung des Privatbeamtenstandes, die durch die Tätigkeit in den Kammern hervorgerusen wird. Voraus setzung für eine gedeihliche Wirksamkeit der Angestellten vertreter ist eine starke, zielbewußte Organisation des Standes oder seiner Gruppen. Ohne Viesen Rückhalt würde den Beisitzern die nötige Festigkeit nach oben und nach unten fehlen." Die Arbeit stellt sich als dankenswerter Beitrag zu der Materialiensammlung dar, die die Gesellschaft für Soziale Reform als Grundlage für ein gesetzgeberisches Vorgehen zur Errichtung von Arbeitskammern erachtet, ohne datz sie sich mit den einzelnen Vorschlägen identifiziert. Wenn auch von verschiedenen Seiten früher schon die Forderung nach einer Berücksichtigung der Angestellten ausgesprochen ist, so gibt sich die vorliegende Arbeit doch als eriten Versuch, die Wege auszuzeigen, auf denen eine solche Forderung verwirklicht werden kann. Sie läßt zum mindesten erkennen, daß die Aufgabe schwieriger ist, als mancher gedacht hat. Die Frage der Arbeitskammer» wird durch die Einbeziehung der An gestellten zweifellos verwickelter. Tie „Neutralität" der „neutralen" Gewerkschaften. Der Dresdner Vertrauensmann des Verbandes der Fabrikarbeiter teilt der »Sächs. Arbeiterztg." folgendes mit: „Aus Grund einer aufgenommenen Statistik vom Früh jahr l904, an der sich 287 Kollegen beteiligten, stellten wir fest, daß 184 Mitglieder, das sind 70»/« Prozent, Abon nenten der „Sächs. Arbeiterztg." waren." — DaS ge nannte Blatt hofft, baß diese Mitteilung die Anregung zu weiteren derartigen „Untersuchungen" gibt. „Untersuchung" ist in der Tat der treffende Ausdruck für ein Verfahren, welches die Kontrolle über die politische Gesinnung der organisierten Arbeiter zum Zweck hat. Selbstverständlich ist eine solche Kontrolle mit dem angeblich »neutralen" Charakter der Gewerkschaften völlig unvereinbar. Aber die neutralen Gewerkschaften pfeifen schon lange darauf, auch Feuilleton. Vie beiden Hallermuuds. oervole». „Wann wird wohl die Frau Gräfin zurückkommen?" fragte Loni vorsichtig. Ein langer, forschender Zug auS den Hellen Augen traf Loni. Dann legte die Fürstin eine Handarbeit, an der sie gearbeitet, langsam, bedächtig nieder, faltete die Hände darüber und sagte: „Sie. waren ja ziemlich gewaltsam hinelngezogen in diese unliebsame Geschichte, Fräulein von Hallermund." Lvni sah ihr srei und offen in die kalt blickenden Augen. „Üeiderl" antwortete sie kurz. Die Fürstin richtete sich unwillkürlich höher auf. „Sagen Sie einmal, warum gaben Sie den gefundenen Brief nicht an meine Schwägerin zurück?" „Warum? wäre es richtiger gewesen, Durchlaucht?" „Hm! Nein und Ja! Jedenfalls war sie die Nächste dazu, ich meine, eS war immerhin ihr Eigentum!" - „Wenn ich daS Rechte nicht getan, Durchlaucht, so sann mich nur meine Unkenntnis entschuldigen,. mit der ich der schweren Verantwortung gegenüber stand!" „Mein Kind, Sie haben unter den obwaltenden Verhältnissen sogar ganz erstaunenswert energisch und na j» sagen wir recht gehandelt! Ich gestehe, daß es mir darum zu tun war. Sie einmal kennen zu lernen!" antwortete die Fürstin. „Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre ja dieser Brief die wichtigste Urkunde in den Händen des Grafen gewesen, man konnte aber nicht verlangen, daß Sie an alles gleichzeitig denken konnten, außerdem hm verzichtete ja mein Bruder damals auf Scheidung, jetzt allerdings liegt es anders!" — »Jetzt? Ich verstehe nicht, Durchlaucht!" Loni riß die großen Augen erschreckt auf. Die Fürstin stützte den Kopf in die Hand und antwortete nicht gleich. „Wollen Sie mir nicht einmal ganz offen Ihre Meinung sagen, ich nun ja, ich möchte wissen, welchen Eindruck Baron Unyadchyn auf Sie gemacht! Sie sahen ihn ja einigemal, nicht wahr, auch gesprochen ?" „Nur damals auf seiner Jacht sprach ich mit ihm Durchlaucht, sonst sah ich ihn nur zweimal vordem,— -.einmal in Hohenbüchen, und dann — — nun damals im Park!" Nun — also?" „Der Baron hat etwas sehr Bestechendes m seiner Persönlichkeit!" antwortete Loni, sich zu einer objektiven Gleichgültigkeit zwingend, die ihr unter den kalten Blicken der Fürstin nicht leicht wurde. „Außerdem be sitzt er eine sehr fesselnde Liebenswürdigkeit und jeden falls hat sr^nir und den Kindern unter den obwalten den Verhältnissen doch ganz brav geholfen!" Die Fürstin lächelte etwas spöttisch. „Er nützte sich dadurch ani allermeisten. Außerdem erhielt er ja den kompromittierenden Brief zurück, also umsonst tat ers nicht. Das war eigentlich von Ihnen so eine Art Meisterstück, Fräulein von Hallermund. Höchst schneidig, auf dem Theater hätte das wundervoll wirken müssen. Nein, o nein, das soll nicht etwa ein Vorwurf sein, im Gegenteil, Sie haben in Ihrer halb romantischen Auf- fassung alles sehr gut gemacht. Und Sie haben auch ganz recht! jawohl, unser schöner, ungarischer Vetter ist ein liebenswürdiger Sünder, man konnte ihn, wenigstens früher, gar nie so recht gram sein ob seines Leichtsinns. Bis nun ja der letzte Eklat traf uns alle eben zu persönlich, da gibts kein Verzeihen mehr. Da Sie nun einmal tatsächlich mitten hmeinge- zogen wurden, in dieses Familiendralna, will ich Ihnen auch Mitteilen, daß die Scheidung vollzogen ist. Die leichtsinnige Frau hat alle Brücken hinter sich abge brochen, ein Beilegen der Tatsachen gab es da nicht. Uebrigens ist alles ziemlich geräuschlos verklungen, die Gräfin hat ohne jeglichen Protest sich als den schuldigen Teil verurteilen lassen. In einigen Wochen wird der Graf eine Zusammenkunft mit den beiden Schuldigen, respektive gerichtlichen Vertretern dieser beiden in Paris haben. Daß Unyadckwn kein Feigling ist, dürfen wir annehmen, verbergen tut er sich nicht!" Loni schauderte. „Wie furchtbar!" murmelte sie. „Nehmen Sie sichs nicht so zu Herzen, mein Kind, Schuld erfordert Sühne, das ist der Fluch der bösen Tat > Das Elend dabei ist, daß es Unschuldige oft zu hart mittreffeu muß. Gott mag uns allesamt beschützen, wir stehen in seiner Hand. Gehen Sie jetzt zur Ruhe, mein Kind, Sie sind ganz blaß geworden. Ziehen Sie die Bettdecke über den Kopf und denken Sie an nichts mehr, oder wenigstens an freundlichere Sachen!" Loni schluchzte auf „Ja, mein Gott, Kind, geht es Ihnen so nahe?" „O, es ist entsetzlich! Und Ditti, — er und sein Vater soll er ihn auch verlieren?" Das aristokratische Gesicht der Fürstin veräirderte sich bis zur Härte. „Wir dürfen nicht an daS Schlimmste denken! und tvenn! Der Graf ist im Recht, die Sünde fordert Strafe, seine tiefverletzte Ehre die Rache. Dittis Erbe darf nur makellos vom Vater auf ihn übergehen." Sie reichte Loni die Hand. „Und nun, gute Nacht mein Kind, gehen Sie schlafen. Es ist jammerschade, daß Sie da so mit hineintapsen mußten. Aber lassen Sie nur. verderben Sie sich Ihre jungen, hübschen Augen nicht mit Tränen, und halten Sie sich nicht wach mit quälenden Gedanken! — — Gute Nacht und auf Wiedersehen!" — Loni warf sich noch lange schlaflos auf ihrem Lager umher. Gedanken und Nerven waren ihr durch daS Gespräch mit der Fürstin in nicht geringen Aufruhr ge setzt und wenn sie sich auch immer wisder von neuem
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