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Dresdner Nachrichten : 04.02.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187102045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18710204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18710204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1871
- Monat1871-02
- Tag1871-02-04
- Monat1871-02
- Jahr1871
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 04.02.1871
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Liizttch früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bis Abends 6, GomitaaS: biS Mittags 12 Uhr Marienstrahe 1»; t« Neustadt: vuchdruckerei v«n Joh. PLßler, gr. Klostergasse». Srrieigen in dies. Blatte ßoden eine erfolgreiche Verbreitung. Auslager »v,»«» Exemplare. Tageblatt für Unterhaltmig imd Geschäftsverkehr. Druck und Eigenthum der Herausgeber. Lltpslh St NeicharLt. — Verantwortlicher Nedacteur: Julius Netchardt FSonnement: vierteljährlich 20Ngr. bet unentgeldllcherLte- serung in'» Hau». Durch die KSnigl Post vierteljiihrl. 22»/,Ngr- Einzelne Nummer» 1 Ngr Inseratenpreise: Für den Raum «tu» gespaltenen Aetl«: 1 Ngr. Unter „Etnzrsaudt? die Zeile 3 Ngr. Nr. 35. Sech Zehnter Jahrgang. Mtredacteur: Theodor Drodisch. Sonnabend, 4. Februar 1871. Dresden. 4. Februar. — Die Generaldirection der königlichen Staatscisenbahncn macht bekannt, daß sie wegen weiterer Abgabe von Betriebs mitteln an die oecupirtcn französischen Babnen gcnötdlgt sei, einige Personenzüae cinzuzicben. - Gleich Velin Beginn dos Betriebs der französischen Babnen durch die deutsche Kriegfüv- rung gaben die sächsischen Babnen eine beträchtliche Anzabl von Beamten, Locomotivcn und Wage» aller Art dahln ab. Seit dem erfolgten immer ncucRcguisitioucn, denen stets mit Boran stelluna der Zwecke der Kricgfülirnng entsprochen ward. Der so geschwächte Personal- und Matcrialbcstanv ward sodann Mo nate lang von gesteigerten Forderungen des inneren Bcrkcbrs — Steinkohlen- und Brauiikolgeniwtl), Ertraziigc von Militair. Munition Verwundeten und Gefangenen, Sperrungen der Nachbarbahncn u. s. w. - aufs Aeuherste in "Anspruch genom men; doch immer gelang cd biS jetzt, eigentliche Bcrkeprsein- schränkungen zu vermeiden. Eiire neueste Reguisitio» von Loco Motiven nach Frankreich in Verbindung eincötlxülS mit den Folgen der Neberanstrengung des Personals durch den harten Winter und die Schnecvenvebungen der lebten Wochen, andcrn- thells mit dem Zustande vieler Betriebsmittel, deren Reparatur nun endlich nicht noch länger verschoben werden darf, dies Alles muhte zunächst dazu führen, den Fahrplan um einige Personen züge zu reduciren. Neue Wagen und Masctnnen, längst vor dem Kriege bestellt, wurden von den Fabriken zu den bestimmten Terminen nicht geliefert, da der Krieg ihnen die Arbeiter ent führt hat und manchen anderen Entschuldigungsgrund bietet. — Der Kgl. General - Direktion der Sächs. Staatsbabnen ist gestern Mittag von Rbeimö auö die traurige Nachricht zu gegangen, daß Herrn Vctrtcbs-Director Taubcrtb am Donners tag Abend in Rheims ein Schlagfluß befallen und seinem thä< Ilgen Wirkungskreis ein unerwartet schnelles Ziel gesetzt habe. Welch' schmerzliche Botschaft für die Angehörigen und zalg reichen Freunde dieses von Hoch und Niedrig geliebten und hochgeachteten Mannes! — Stach cmgestelltcn Recherchen bewegten sich vor Kurzem 1427 österreichische Eisenbahnwaggons mehr aus fremden Bahnen, als frMde Waggons aus den österreichischen. — Vor einigen Tagen wurde die Vorstadt Neudori durch Vas plötzliche Erscheinen einer Deputation des königl. Bezirks gerichts in gewisse Aufregung versetzt. Man brachte damit ein Gerücht In Verbindung, nach welchem in den natürlichen Tod von zwei daselbst in kurzer Aufeinanderfolge gestorbenen Kinder Zweifel gesetzt worden sein sollten. Jedenfalls war dieses Ge rücht auch der Behörde zur Kenntniß gelangt und dadurch ver anlaßt worden, daß eine gerichtliche Section stattfand, die, wie wir hören, jene vagen Zweifel im Publikum vollständig be seitigt hat, in dem durch dieselbe der natürliche Tod der Kinder in vollste Gewißheit gesetzt worden ist. — Das „L. Tgbl." schreibt: Ein Leipziger Student hat zu Weihnachten in Paris gepredigt! ES ist dies Hcrrmann Buhler, Sohn des Superintendenten Buhler zu Allstedt im Großherzogthun» Weimar, bis zum Ausbruche des Krieges Student der Theologie zu Leipzig, (sr trat als Einjährig Freiwilliger tu das sächsische ZnfaiitcricMtgimciitNr. Itt7 und wurde am 30. November bei dem gewaltigen Ausfälle der Pariser gegen die sächsische Stellung gefangen genommen. Die Gefangenen wurden in Paris imGcfänaniß laRoguctte unter- gebracht; dort findet regelmäßig Dienstags und Sonnabends Gottesdienst statt. Als am heiligen Abend der betreffende Geistliche an der Abhaltung desselben verhindert war, versah Buhler dessen Stelle und hielt die Wcihnachtsvrcdigt. —In der vorvergangcncn Nacht ist durch heftige Schneewehe» die schief. Bahn theilwene so unfabrbar gemacht worden, daß Der gestern früh V Uhr hier abgegangcnc Pcrsouenzug nur bis Radcberg gelangen ko zurückkehren mußte. — Gestern Vormittag wurde von einer über die Augustuö- brücke marschirenden Abthcilnng Militär ein Soldat von so heftigen Krämpfen befallen, daß er in Reih und Glied zusam menbrach und durch einige seiner Kameraden nach seinem in der Neustadt gelegenen Quartier getragen werden mußte. — Die Norddeutschen Quartett-Sänger, welche beute und nächsten Sonntag ln Braun'S Hotel austrctc». sind ganz vor züglich begabteVocal-Virtuosc», mit wohlklingenden, im Solo Vortrag wesentlich geschulten Stimmen. Dabei haben sic einen Komiker «Hanke), der in Feinheit des Witzes und natürlichem Vortrag überall Beifallssturm erregte. Es sind diese Sänger allerwärts bisher mit großem Enolg ausgetreten. — Vorgestern Ist ein Dieb mittelst Eintrückcns einer Fenster scheibe in eine Lokalität eines hiesigen Gasthauses cingestiegcu und hat der daselbst conditionircndcn Köchin eine größere An zahl Kleidungsstücke entwendet. — In der Januar-Versammlung der,.Flora" sprach Knnst- und Handelsgärtner E. F. Tube über Ernährung und Stoff »vcchsel bei den Pflaincn, Zum Keimen des Saamcnkorncü gehören Luft, Feuchtigkeit und Wärme, indem der Ambriv die dadurch erzeugten Gase amnimmt. Die Ernährung der Pflanzen erfolgt durch LLasser, Gase, Pflanzencrtractc, Salze, Erden und Dünger. DaS Wasser ist jeder Pflanze dom Anfang bis zum Ende unentbehrlich. Von de» Gasen ist cS besonders Saucrstoffgas, weniger Wasserstoffgas, welches von den Pflanzen hauptsächlich dcS Nachts cingesogcn und assimilirt wird. Der vegetabilische Ertract besteht aus unsichtbaren Pslanzenatomcn, welche die Pflanze mehr auf gedüngtem, als auf ungetüngtem Boden aufnimmt. Die Salze, wie salpctcrsanrcs, salzsäurcs und schwcfclsaures Kall, werden durch Wasser aufgelöst und durch die Wurzeln aufgenomm n. Der Dünger wird nur zer setzt, als Gas, der Pflanze zur! Nahrung geboten. Die Pflanzen nehmen Ihre Nahrung nur durch "Absorbtion, d. h. durch Eln- athmung, aus und sind zur Ernährung der Pflanze Licht und Wärme sehr uolhwcndia. Den Einfluß des Lichtes bemerkt man besonders bei den Mimosen und Pavilionacccn, den Ein fluß der Wärme bei der Blütbcn- und Fruchtcntwickclnng. An den Vortrag schloß sich eine Besprechung darüber, durch welche Organe die Pflanzen hauptsächlich sich ernähren, wo- - rüber die Ansichten auch der neueste» Pflaiizenphpsiologeii noch gctheilt sind. — Garteninspcctor G. Poscharökv wird als Biblio thekar der Gesellschaft gewählt, wodurch cs ermöglicht wird, die nicht unbedeutende Gcsellschastöbibliothck in der Mitte der Stadt auszustellen und zur Benutzung zugänglicher zu machen. Das Stiftungsfest wird den 22. Februar durch Doppelfcier «gcistigel und leibliche) im Hclbig schen Saale auf einfache Weise begangen. — Ein Eilzng mit 700 Eentnern Goulaichfieifch ging vor einigen Tagen zu unfern Truppen ab. Das Fletsch wird cigens zubereitet und in verschlossenen Blechbüchsen versendet. — Die alte Markgrascnstadt Meissen wunderte sich dieser Tage nicht wenig, alö sie plötzlich einen feindlichen NceognoS- cirungszug ihre» Mauern näher rücken sah. Schon von fern kcmizcichnctcn sich aus mit Schnee bedeckten Marken die bewim pelten Fahnenstangen der bekannten Ulancnlanzen, die in Fein desland so großen Rcspcct vor sich vertreibt und den Elan des llebcrmnthö durchbohrt. Meißen jedoch >oar kampfbereit, sein grauer Himmel sandte den Anrückcndcn, denen die Kälte schon genug in s Gesicht zündnadelte. den Mitrailleuscnsprndel der massenhaft herunterwlrbclnden Schneeflocken entgegen. Indes;, der Ulanenzug ging freudig darauf los: denn das Musikcorps des >«>«). Ersatzbataillons ließ seine begeisterten Weisen ertönen und so ging's frisch darauf und daran, nnbelästiat von Frank tireurs, Marodeurs und Schnecfeldhyäncn, nicht denkend an ein Konzcntrircn noch rückwärts. Dieser militärisch-romantische Rccognoscirungözug bestand nämlich auö einer langen Reibe Schlitten, an ocncn auf der bekannten Ulanenlanze die grün- weißen Wimpel lustig flatterten. Die Bcrggcscllschaft aus der Lößnitz hatte den Meißnern einen Besuch zugcdacht, der gast freundlich willkommen geheißen wurde. Das Ganze bot ,vm- bolisch ein rationell-kriegerisches Bild; denn auch den musika lischen Schlitten zierte» nicht bloö die vaterländischen Farben, sondern auch die Embleme des neu erstandenen deutschen Kaiserreichs. — Zn einer ziemlich unliebsamen Scene kam cs am ver gangenen Donnerstag früh auf der Marienstraßc, alö die gerade nicht sehr elegant gekleideten Knechte des CavillerS mit der Drahtschlinge ihren Umgang hielten. Bereits tanzten zwei Pinscher in kameradschaftlicher Gefangenschaft mit einem riesigen Neufundländer um den einen der Knechte herum, als ein ganz undccorirter schwarzer Spitz vom Dippoldiöwaldaer Platz daher kläffte, der das „Hat ihm schon" sofort ebensalls kennen lernte. Mit diesem Hunte jedoch war das „Mitgesanacn-Mckgehangen" nicht so leicht; denn der Kleine sträubte sich kolossal. Der SciMirichterknecht indes? schleifte das Thier am Stricke aus der Straße mit sich fort, so daß dasselbe dem Erwürgen nahe war. Das Publikum war empört und es schritt endlich ein Mitglied des Thicrschußvercins ein, so daß der Knecht den Hund tragen mußte. Diese Skandalscencn könnten sehr gut vermieden werden, wen», wie in anderen Stätten, die gefangenen Hunde in einen Käfig gesteckt und gefahren würden. Die Thicrguälerci hätte dann auch weniger Spielraum. Die obige Episode wird übrigens zur Anzeige gelangen. — Ein kräftiger Schuß knallte am Donnerstag Abend am Zwinger durch die Luit, als eben die Vorstellung iiii Hoftbcatcr zu Ente war. Mit diesem Knall wurde cs auch sofort ans dem Zwingcrtcich lebendig. Die weiße Eisfläche wimmelte zwar schon längst von schwarzen Gestalten, die schnell bin- und verflogen, beiderlei Geschlechts, aber mit dem Knall ertönte auch das Schmettern der Trompeten und Posaunen und nach dem Tact der Melodien bewegte sich ein Ehaos Jung und Alt auf schariem Eisen bunt durcheinander, nbcrfluthet von einem Meer von farbigen Ballons, in deren Schein sich das grelle Feuer der flackernden Kienkörbe mischte. — Die im Betrage von 30,000,000 Tblr. in Deutschland zur Zeichnung aingelcate ll. Emission Schatzanwcisinigcn dcö Norddeutschen Bundes ist mit 120,07.7,ooo Thalcrn und st i2,ooo Pfund Sterling überzeichnet worden, so daß die schon gestern erwähnte Reduction stattfkndcn muß. «L. Inserate.) — Es muß wirklich am Donnerstag "Abend einem Bewoh ner der Jobannis-Allee ei» Stein vom Herzen gefallen sein, alö er unbeschädigt ans einer Episode hcrvorging. Es wurde ihm nämlich zu genannter Zeit ein etwa ein Pinnd schwerer Stein dnrch'ö Fenster in die Stube geworfen, der aber glück licher Weise Niemanden traf. Das corpns clolioti hat uns der Erschrecker übersandt nnd zeugt dasselbe von der frechsten Bos heit, die gehörig auf die Finger geklopft werden sollte, — „Der braucht auch morgen früh nicht zu wissen, wie kalt cs ist" — sagte sich in einer der vergangenen Nächte ein Bummler auf der Lüttichauslraße/alö er an einem Parterre fcnslcr vornbcrging nnd einen dort angebrachten Thermometer erblickte. Er riß ihn ab und steckte Ihn ein. Dem Bcsißer aber war am andern Morgen vor Acrger weder kalt noch warm. — "Aus einer unserer Nachbarstädte wirk dem Vernehmen nach ein städtischer Kassenbeamtcr vermißt, der zuletzt am vcr gangenm Lonnkag in Dresden gesehen worden sein soll; seit dem fehlt jede Spur, die zu seiner Ermittelung führen könnte. — "Am 30. Januar wurde in dem Dorfe Pausitz bei Riesa der Diciistkiiccht Scheibe durch eine nmiallende Pappel er schlagen. — Sin demielbcn Tage ist in Singwiß bei Bautzen die Wirthschastögchilfln Emma Preislich in der von ihrem Bruder erpachteten Mühle vom Getriebe ersaßt und derart ccr malmt worden, daß bald darauf der Tod eintrat. — "Am 2. Februar ist in dem Hörnig'schcn Steinbruche » Zeichen bei Pirna der Steinbrecher Schöne auö Ncusiruppcn von einem ans der Höhe des Bruches hcrabstürzcndcn Steine gctödtct worden. «Dr. I.) — Eoöwig. Am 1. d. M. verließen uns unscrc Ulanen um in Dresden Quartier zu nehmen. Sie waren seit Septem der hier und in weiter abwärts gelegenen Ortschaften unter gebracht und nicht in der Lößnitz nnd Kötzschcnbroda, w>c cs kürzlich in diesem Blatic irrthnmlichcrwcisc hieß. Es waren scimmtlich recht nette Leute, mit denen man gern umging nnd die sich die Zuneigung "Aller rasch zu erlangen gewußt haben. Freilich konnte man dies! von einer solchen Truppe auch nicht anders erwarten, denn in dieser Beziehung stand der Rittmeister Herr Baron von Einsiedel als leuchtendes Beispiel oben an. Genannter Herr wird nicht allein von jedem seiner Unter gebenen geliebt und geachtet, er wurde auch von den hiesigen Einwohnern geschätzt, so daß man ihn und seine Leute nur ungern scheiden sah. Namentlich hat der Stammtisch der hie sigen Restauration durch ihn ein Glied verloren, was nur schwer zu ersetzen sein wird. — Manches feuchte Auge sah früh die Reiter scheide» und manches klopfende Herz schlug der ein- rückcnden Artillerie nachmittags froh entgegen. „Wies paßt." — In Vogclgcsang bei Pirna ist vorgestern Nachmittag ein. in einem dortigen Stcindruchc beschäftigter Arbeiter von einem Stück sich losgelöster Felswand getroffen und augenblick lich gctödtct worden. Dresden. 3. Februar. Trotz der Erlasse Gambetta's, welche einen Krieg aufs Aeußerste predigen, trotz der fortge setzten neuen Aushebungen und Rüstungen halten wir bis auf Weiteres an dem Glauben fest, daß aus dem Wirrwarr sich widersprechender Gefühle und Meldungen aus Frankreich sich eine Friedensbewegung allmählig, aber unwiderstehlich geltend machen werde. Die Zweitheikung des gegenwärtigen Gouverne ments hat so eigenthümliche Schwierigkeiten geschaffen, daß eS nur natürlich ist, wenn nicht sofort das rasende Kriegsgeschrei sich in sein Gcgentheit verwandeln kann. Beide NegierungS- abcheilungen beargwöhnen sich: die zu Paris mißtraut den Col lege» in Bordeaux, daß diese nicht so viel Einsicht haben wer den, sich in das Unvermeidliche zu schicken; letztere wieder zür nen ihren Pariser College», daß diese, ohne sie zu fragen, Ab machungen getroffen haben, welche nicht blos über das Geschick von Paris, sondern von ganz Frankreich entscheidend sind. AuS dieser gegenseitigen Lage hat sich eine gereizte Stimmung zwi schen Bordeaux und Paris gebildet, welche an sich recht sehr für den Frieden bedenklicher Natur wäre, wenn sie nicht in den allernächsten Tagen ihre Ausgleichung und Versöhnung in einem höheren Dritten: der Nationalversammlung und der neuen Regierung, finden würde. So sehr nämlich beide Regierungen von einander abweichende Wege verfolgen, in Paris die Favre'sche Friedens-, in Bordeaux die Gambetta'sche Kriegs partei überwiegt, — darin stimmen sie beide überein, daß nun mehr der Zeitpunct gekommen ist, wo die gesammte Regierung ihre, provisorische Gewalt in die Hände der gewählten National vertretung niederlegen müsse. Beide aber hoffen, in dieser Na tionalversammlung eine Stütze ihrer Kriegs- oder Friedenspoli tik zu finden und von dieser Landesvertretung nunmehr mit einem unzweifelhaften Mandat zur Weiterführung der Politik in dem Sinne der Mehrheit der Vertretung bekleidet zu wer den. Dieses Mandat würde von einem „Eonscilspräsidenten" ausgeübt werden. Als Candidaten zu diesem Eonseilspräsiden ten nennt man in erster Linie Jules Favre, Gambetta und Thiers. Unserer Ansicht nach kann es sich nur um die beiden ersten Namen handeln. Thiers würde eine Mittelpartei zwischen Beiden bilden, aber in so hochgehenden Zeiten wie den jetzigen werden dre Mitielpartcien von den beiden Extremen zermalmt,- sie vermögen sich auf keine geschloffene Masse zu stützen, welche klar weiß, was sic will und energisch das Gewollte durchführt. Es wird also zunächst aus die Mehrheit der Friedens- oder Kriegsdcputirten, die in die Versammlung gewählt werden, an- kommcn, ob Favre oder Gambetta das Ruder von Frankreichs Staatsschiff in die Hände bekommt, und sodann, wenn sich die Mehrheit des Landes und seiner Vertreter, wie wir fest hoffen, für Favre und den Frieden ausspricht, ob Gambetta dann so viel Patriotismus besitzt, sich dem Willen seines Vaterlandes zu fügen oder durch Heraufbcschwörung des Bürgerkrieges sein Elend zu vollenden. — Selbstverständlich arbeiten jetzt beide Parteien auf die Schaffung einer Majorität hin, die ihre Po litik in der Nationalversammlung vertritt. Hierbei ist es nicht gerade sehr günstig, daß nicht die Regierung in Paris, sondern die in Bordeaux die Wahlen ausschreibt und Alles, was mit den Wahlen zusammenhängt, in die Hand nimmt, während die Pariser Abtheilung jetzt noch zu sehr mit der Ausführung der Pariser Kapitulation und der Verproviantinmg der Hauptstadt beschäftigt ist. Von Bordeaux sind die Wahlen auf den 8. Fe bruar ausgeschrieben worden, und zwar, wie es scheint, für ganz Frankreich, also auch für Elsaß und die Theile Lothrin gens, die wir uns cinzuverleiben wünschen. Von Bordeaux aus schließt man von der Wählbarkeit zum Volksvertreter nicht nur die kaiserliche Familie, welche so viel Schande über Frankreich gebracht nnd die Fremden in Frankreich als Erbe zurückgelas- scn habe, sdndern auch alle Die aus, welche seit dem Staats streich vom 2. Dcccmber 185i1 bis zur Kapitulation von Sedan die Stellung eines Ministers, Senators, Staatsrathes oder Präfecten bekleidet halx-n oder in irgend einer Weise als kaiser liche ossicielle Candidaten zu den früheren gesetzgebenden Kör pern ausgestellt worden sind. Hiermit will Gambetta jeden Ver such der bonapartistischcn Clique, auch nur einen ihrer frühe ren Anhänger in die Volksvertretung zu bringen, von Grund aus vernichten, und dies wird ihm jedenfalls gelingen, wogegen auch Deutschland nichts cinzuivenden haben wird. Gambetta geht aber weiter, er spricht offen aus, daß er vor der Hand als KriegSministcr unverändert an seiner Politik des Krieges bis aufs Messer und des Widerstandes bis zur äußersten Er schöpfung fcsthalte und lim jeden Preis ein Parlament schaffen wolle, welches bereit sei, den Krieg fortzuführen. Zu diesem Ve^
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