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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.06.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050624021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905062402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905062402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-06
- Tag1905-06-24
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Abend-Ausgabe 99. Jahrgang. Nr. 317 Sonnabend 24. Juni 1905. Lunahmeschlud für «ureigen. Nbend-Ail-gab«: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-LuSgob«: nachmittag- - Uhr. Bezugs-Preis tu har tzauPterprditiou od« der» Aa-gava» strllea abgrholt: vierteljährlich ^il 3.—, bei »rvrimaliger täglicher Z«stall»ng in-tzaus 3.7Ü. Durch die Bost bezogen für Deutsch land n. Oesterreich vierteljährlich ^l -.SO, für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. «n zeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 28 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Kinanzielle Anzeigen, Geschäft-anzeigen unter Text ober an besoadrrer Stelle nach Darts. Die -gespalten» ReNamezril« 7Ü^> riMM TagMalt Handelszeitung. Ämlsbiatt des Äiinigl. Land- «nd -es Königs. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates «nd des Nolizeiamtes -er Stadt Leidig. Anzeigen sind stets an di» Expedition zu richten. Ortra-Vetlageu war mst der Morges- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Er-esttt-u ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Volz in Leipzig (Inh. vr. «„ R. L W. »ltnkhardti. Herausgebrrr vr. Victor Kliukhardt. Viesakttou und Expedttto« ISS Fernsprecher 2L2 JohanniSgaffr S. Haupt-Atltal, Dresden: Marieusrrasje 34 Gernsprecher Amt l Nr. 1718). Haupt-Filtal: Vertin: LarlDuncker, Herzal-BayrHofbuchbandlg. Lützowslratze 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. -MU Diese Nummer tostet auf allen Bahnhöfen und III bei den ZritungS-vertäufern Var Alchtigrte vom Lage. * Pastor Ebeling wnrve in dem heute beendeten Prozeh wegen Beleidigung zu 1200 X Geldstrafe verurteilt. Er hat sofort Revision gegen da» Urteil eingelegt. (L. Leitartikel und Prozeßbericht.) * 8luS Lemberg wird gemeldet, eine Eskadron des 67. russischen Ulanen-Regiments sei mit ihren Offizieren in voller Ausrüstung nach Oesterreich desertiert, um nicht nach der Mantschurei ausrücken zu müssen. (S. Ausland.) * In Czenstochau feuerte in der Nacht Militär in eine mehrtausendköpfige Menge hinein. Zwei Per sonen blieben tot. In Lodz dauern die blutigen Straßenkämpfe fort. (S. Ausland.) tzuoä tabula äoeet. Der Prozeß Ebeling hat mit der Verurteilung des Angeklagten zu 1200 Geldstrafe geendet. Der Schutz des 8 193, in dem die „berechtigten Interessen" gewahrt werden, wurde ihm versagt. Gegen ein Strafkammer urteil gibt es keine Berufung, nur eine Revision wegen prozessualer Verstöße. Ohne Revision wäre das Urteil also als endgültig zu betrachten, und gegen den Ange klagten könnte das Disziplinarverfahren vor sich gehen, das dem beamteten Diener der Kirche erst die eigent liche Entscheidung bringt. Wie uns jedoch gemeldet wird, ist die Einlegung der Revision bereits beschlossene Sache. Eine Frage hat wohl allen Wohlmeinenden während dieser ganzen unerquicklichen Verhandlung auf dem Herzen gelegen: Mußte eS so weit kommen? Zwar ist im Prozeß bestritten worden, daß eS sich um Ouisquilien handele, Mannesehre sei keine Quisquilie. Aber der Einwurf trifft nicht das Richtige. Warum mußten die vielleicht aus Stimmungen und Antipa thien geborenen Nichtigkeiten den Boden abgeben für die Ehrverletzungen? War es nicht möglich, den Boden frühzeitig genug zu sanieren? In diesen Tagen hat man eins gerade von guten evangelischen Christen hören können: In der katholischen Kirche wäre so etwas nicht möglich. Die hätte zu geeigneter Zeit eingegriffen und schon nicht geduldet, daß zwei Verkünder des Wortes Gottes jahrelang in demselben Hause wohnten, an der selben Kirche amtierten, zugleich das heilige Abendmahl reichten und in dieser Zeit aus persönlicher Feindschaft kein Wort miteinander sprachen. Gewiß kann die evan- gelische Kirche stolz sein auf ihr gemeindliches Leben und ihre gemeindliche Selbständigkeit, und nichts liegt auch uns ferner, als die katholische Kirchendisziplin mit ihren notwendigen Folgeerscheinungen zu glorifizieren. Aber ob hier nicht schon lange Gründe über Gründe zum energischen, vorbeugenden Eingreifen vorgelegen haben, ist doch eine Frage, die alle Aufsichtsinstanzen sehr ernst lich beschäftigen sollte. Das umso mehr, als über die verheerenden Folgen des Prozesses Zweifel gar nicht be- stehen können, — wohlbegründet ist das vergnügte Händereiben der Sozialdemokraten, denen die Religion nie Privatsache gewesen ist. Schwerer als das Urteil selbst wirkt noch dessen Be gründung. Dem Anträge auf eine Freiheitsstrafe ist nicht entsprochen, sondern auf eine, nach deutschen Ge- richtssitten freilich hohe, Geldstrafe erkannt worden. Aber die Gründe treffen den Verurteilten schwer. Ein Falscheid soll nicht vorliegen, Ebeling soll nicht in Not- wehr gehandelt haben, und zu Gunsten des Angeklagten wird nur gesagt, er sei in seine Ideen verrannt gewesen und sehr rechthaberisch — waS mehr belastend als ent schuldigend wirkt. Nichts von seiner Unbescholtenheit und nichts von seinem guten Glauben. Das muß tiefer drücken als die zwölfhundert Mark. Aber auch weit über den Kreis der beteiligten Per sonen hinaus erstrecken sich die Wirkungen und müssen sich demgemäß die Betrachtungen erstrecken. In seiner Schrift über den Gesellschaftsvertrag will Rousseau an die Stelle der Offenbarungsreligion die Vernunftsreligion setzen. Wer deren Lehrsätze nicht an erkennt, soll deS Landes verwiesen werden. Wer die Tognien zwar öffentlich anerkennt, ihnen aber nicht in Wahrheit nachlebt, soll mit dem Tode bestraft werden. Diese Härte ist übertrieben. Sie hat aber etwas Berechtigtes. Wer eine Religion öffentlich bekennt und lehrt, soll sich auch in seinem Wandel als ihr treuer Anhänger bewähren: er soll durch sein ganzes Leben und jede einzelne Handlung die Aufrichtigkeit seiner Be- kennerschaft und die Treue seiner religiösen Gesinnung -artun. Das meinte Rousseau vor mehr denn hundert Jahren. Heute steht das Dogma höher als die Be währung der Sittenlehre im Wandel. Wir hören von den Konsistorien und Oberkirchenräten häufig genug, wenn sie als Ketzergerichte fungieren, wenn sie einem Geistlich n den Brotkorb höher hängen, weil in ihm der Glaube an die Verbalinspiration der Schrift oder die Gottmenschlichkeit des Heilands erschüttert ist. Hier reagiert man scharf und nachhaltig. Die Orthodoxen, die Schwarzen sind rasch zur Hand. Wer aber in seinem Wandel die Gebote der Religion außer acht läßt, hat die kirchliche capitis ckoruinutio kaum zu fürchten, wenn er nur für die Dogmen eifert. In dieser Beziehung sollte der eben verhandelte Prozeß wie ein Mahnruf wirken. Die starre Dogmen gläubigkeit frommt zu nichts. Der Masse des sich christlich nennenden Volkes sind die Lehrsätze unbekannt und unwichtig. In seiner Sittlichkeit liegt das Schwer gewicht des Christentums auch heute noch. Darum sollen die Diener der Kirche und die Führer der Gemeinde dem Laienvolke ein echtes Christentum Vorleben und in ihrem Wandel eine wahrhaft christliche Gesinnung betätigen. Lassen sie cs hieran fehlen, so mögen die Kirchenbe- hörden einschreiten, um dem Aergernisse beizeiten vor zubeugen. Ketzergerichte sind unzeitgemäß, non sunt oostri sneeuli. Die Verfolgung der Beleidigungen war von der Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse über nommen worden. Der regelmäßige Gang ist sonst der, daß der Beleidigte den Verletzer seiner Ehre vor den Friedensrichter fordert und nach erfolglosem Sühne I versuche mit der Privatklage beim Schöffengericht be- I langt. Für das Einschreiten im öffentlichen Interesse muß die Staatsanwaltschaft Gründe gehabt haben. Rücksichten auf die Kirche sind sicherlich nicht ausschlag gebend gewesen. Denn dieser konnte kein schlechterer Dienst erwiesen werden als die öffentliche Erörterung der Vorkommnisse. Hätte man auf die Kirche Rücksicht nehmen wollen, so konnte man die Verantwortung für die grelle Beleuchtung der innerkirchlichen Vorgänge geruhig dem überlassen, der zuerst mit der Privatklage vorgehen würde. Die Geheimratsbeleidigung als solche ist nicht von Amtswegen zu verfolgen. Die Geschäfts ordnung für die Königlich sächsischen Justizbehörden ist der Meinung, daß die Verfolgung der durch die Presse begangenen Beleidigungen häufig im öffentlichen Interesse liege. Mit maßgebend mag auch gewesen sein die amtliche Stellung der Beleidigten. Die Beleidigung war zwar nicht begangen gegen Beamte und ReligionS- diener, während sie in der Ausübung ihres Berufes be griffen waren, auch nicht in Beziehung auf ihren Beruf Immerhin stehen die Beleidigten in hervor ragender öffentlicher Stellung. Man darf aber zweifeln, ob bei der Uebernahme der Verfolgung die dafür und dawider sprechenden Gründe richtig abgewogen worden sind. Mit Recht hat ein Nebenkläger den Prozeß als ein seanäulum bezeichnet. ES gilt, die Lehren auS dem Geschehenen zu ziehen. Den einen oder anderen mag der Fall Ebeling zu Studien über die Psychologie des Nechtsgefühls anregen. Lehr reicher ist in dieser Beziehung der Fall deS Michael Kohlhaas. In manchem mag er den Wunsch nach einem Gtrafverbot fiir Querulieren wecken, wie es daS alte preußische Recht kennt. Viele wird er zu Betrachtungen über daS Wesen deS Eide» anregen. Da» Aussagen unter Eid wird bi» zur Beendigung der Vernehmung al» negotium donae Zicket angesehen; ist da» Geschäft aber beendet, so gilt's plötzlich als negotium strlclt iuris. Der Aussagende soll sich von vornherein nicht an daS Beweisthsma klammern; er soll Worte und Silben nicht pressen, allen Mißverständnissen Vorbeugen. Hinterdrein gilt daS Wort, wie e» gesagt war, oder richtiger, wie eS niedergeschrieben ist. Wer oft Eides leistungen und eidliche Vernehmungen angehört hat, weiß, wie peinlich alle Beteiligten darüber Wachen, daß sich der Schwörende in keiner Hinsicht in einer ihm nach teiligen Weise festlege oder MißdeutigeS beeide; er weiß, wie Richter und Anwälte bestrebt sind, erst alle Aufklärung zu schaffen und Widersprüche zu klären, ehe zur Vereidigung geschritten wird. Da fragt man sich denn, warum veranlaßte niemand den Zeugen Rietschel in jenem Disziplinarverfahren, sich in Bezug auf die Erklärung, um die der Hauptstreit sich dreht, zu saldieren. Warum wurde die vielberufcne Erklärung, die ja schriftlich abgeseht war, nicht zur Stelle geschafft und ihre Bewandtnis aufgehellt, ehe der Eid abge nommen wurde? Irgendwer kannte sie doch von den Beteiligten. Geschehene Dinge sind nicht zu. ändern. Aber künftig kann man's anders machen. Interessant war die Ausnutzung der Rolle deS Neben klägers durch den Geheimen Rat Wach. Er war der Nebenkläger als ackvoaatus, als Beistand. Und man konnte staunend sehen, was imponierendes Auftreten, Gesetzcskunde und ein großer Name auS einer solchen Nebenrolle zu machen imstande sind. An sachlichen Gesichtspunkten traten wenige hervor. Das persönliche Moment überwog. Nur bei der Erörtc- rung der sozialen Resolution konnte ein gewisses sach liches Interesse rege werden, als der Führer der kirchlich sozialen Bewegung, der Pastor Liebster, als Zeuge vor den Schranken des Gerichts erschien. Ta fjiblte man für einen Augenblick fachliche Gegensätze. Das war aber nur eine Oase in der Wüste der Animositäten, die gepredigt wurde. Nicht ohne Bangen fragt man sich: Was nun? Wird die Revision erfolgreich sein, wird sich der blutige Kampf erneuern? Wird wenigstens draußen die trous?» Oer gehalten werden? Hoffentlich sind die Beteiligten von dem Eindrücke und dem Ergebnisse der Verhand lungen betroffen genug, um sich nunmehr selbst ein frei- williges Schweigegebot aufzuerlegen. Am Ende dieser Schlußbetrachtung können wir einen Wunsch nicht unterdrücken: Hoffentlich lernen die übrigen Akten der Kircheninspektion nicht ebenso reden, wie die über die Nikolaigemeinde. Die Veröffentlichung eines Pastorenspiegels möge uns erspart bleiben. Nach siovvierr Note. * Part», vom »4. Juni. Im Konferenzsaale de« Senat» war heute auf der Baissesritr der Kurstafel der Randverrnrrk zu lesen: „Schlechte Gtimmunß wegen der marokkanüchru Frage". Diese unge wohnte Eintragung hat bei den Senatoren eine gewisse Er regung verursacht; aber die Ruhigen machten geltend, die Nachrichten seien weder schlechter.»och besser al» den Tag »uvor. Auch in den Couloir» der Kammer waren böse Gerüchte verbreitet, die erst Herr Rouvier, der in großer Nervosität persönlich erschien, abfertiate. Die Truppenbe wegungen, die eine üble Börsenspekulation zum Vorwand nahm, waren ganz regulär; die Entsendung der L. Infanterie division und gewisser Truppen de» Pariser Militärgouverne ment« in« Lager von ChLlonS hatte man schon vor drei Monaten beschlossen, wegen besonderer Manöver mit dem 7. Armeekorps, das in diesem Jahre an den großen Manöver» nicht beteiligt ist. Selbst auf den Straßen grassierte die Erregung; daS harmlose DLfils der Truppen, die vom Leichen begängnis des KontreadmiralS Marquer in die Kasernen zurückkehrten, wurde als Kriegssymptom verstanden, unv die Boulevardblätter logen von GestellungSordreS, die die wehr pflichtigen Deutschen in Paris erhalten hätten, und von eiliger Abladung aller Geldmassen in den Provinzfilialen der Bank von Frankreich nach der Zentrale. Im „Journal" bringt der sonst sehr vernünftige Exminister Waldeck-Rousseau-, Pierre Baud in, eine durch eine Karte illustrierte Uebersicht über die Verteilung der deutschen Armee und schreibt: „Wir haben uns ab sichtlich jeden Vergleichs enthalten. In derStunde, da zweiVölker sich bedrohen, darf man nicht über ihre materielle Kraft Vergleiche anstellen. Andere Elemente bestimmen das blutige Kriegsspiel." Herr Clemenceau „ns cksrags plus;" er ist ganz unsinnig geworden und fragt den deutschen Kaiser, ob er denn glaube, daß „Drohungen, deren Brutalität denselben Leuten Entschuldigungen abpreßt, die sie in seinem Namen vorbringen, eine Feuilleton. 4, Die beiden Hallermunds. Von A. Dom. Nachdruck verdaten. Gerda einen Stuhl hinschiebend, setzte er sich ihr Licht gegenüber. „Ich habe in voriger Woche einen gar nicht so übelen Glückszufall gehabt, Gerda", begann er — „und das ging so zu: Vor Jahren legte mein verstorbener Vater sein ganzes Vermögen in Kupferbergwerken an. Gleich darauf wurde Kupfer spottbillig, die Gruben „ersoffen", wie so der technische Ausdruck ist, und mein Vater hatte das Nachsehen. Jetzt nun ist Kupfer enorm im Werte gestiegen, unternehmende Männer haben sich an das Äuspumpen der Gruben gemacht, die Werke sind dem Betrieb wieder offen, und — meine Schwester und ich haben unsere Aktien gleich auf den Markt gebracht, ver kauft, und — ich besitze jetzt, außer meinem Gehalt, eine jährliche Zinseneinnahme von sechstausend Mark. Da mein Gehalt als jüngster RegierungSrat siebentausend Mark beträgt und ich doch alle Aussicht habe, diesen meinen Gehalt mit -en Jahren zu verdoppeln, so hab« ich mir gedacht, meine liebe, kleine Gerda sollte doch die tausend Mark in Oberschlesien liegen lassen und dafür meine Einnahmen und mich da-u nehmen! Mein süßes Kleinchen, — wollen Sie sich des alten Jung gesellen erbarmen, wollen Sie meine Frau werden? Gerda? — liebe, einzige Gerda, können Sie sich dazu entschließen, mich lieb zu haben?" Sie saß stumm, mit starren Augen da, die HänSe bewegungslos im Schoß gefaltet. Er nahm ihre Hände. „So sprechen Sie doch, Kleinchen!" bat er sanft. „Was soll ich denn sagen?" fragte sie, ganz hilflos, verwirrt. „Zuerst, Gerda, ob Sie mich lieb haben?" Sie nickte. „Ich habe Sie doch immer gern gehabt!" sagte sie. „Ja, aber gern haben und sich lieben von Herzen, da» ist zweierlei, Gerda, und ein Mann verlangt von seiner Frau viel mehr als nur «gern haben"!" Sie seufzte. „Ich muß ja nach Oberschlesien in acht Tagen!" „Warum nicht gleich noch dem Nordpol? Uebrigen», wir können ja die Hochzeitsreise nach dem Riesengebirg« machen, wenn du -ich denn 'mal so auf Schlesien ver bissen hast, Kind!" Ganz verstohlen und versteckt wollten bereit» die Grübchen erscheinen, aber sie nahm sich doch noch zu sammen und senkte die Blicke in den Schoß. „Gerda, können Sie einen aber quälen! So sagen Sie Loch nein oder ja! Da» heißt, fort lasse ich Sie Loch nicht noch Ihrem albernen Oberschlesien. Sagen Sie'S nur grade heraus, ich bin Ihnen zu alt? — Und La» hätten Sie mir denn auch schon früher sagen können, denn daß ich Sie lieb habe, schon die vielen Jahre lang, das wissen Sie ja ganz gut!" Nun mußte sie aber doch lachen, und jetzt sah sie ihn auch an. „Herr RegierungSrat, Sie sind mir gar nicht zu alt, und ich habe Sie ja auch so gern, so lieb mein ich, aber ich weiß Loch nicht " „WaS besser ist, Lehrerin oder Hausfrau, Gerda?" „Nein, ich weiß nicht, ob ich — auch für Sie passe, ich bin doch gar nicht hübsch, nicht wie Loni oder " „Für mich sind Sie die Allerschönste! Kleinchen, willst du mich?" — „Ja!" — sagte sie und schaute ihn offen und frei aus den wundervollen, dunklen Augen an. Er sprang beinahe jauchzend auf und zog sie an sich und küßte ihr die Augen und dann die Lippen. Sie konnte sich nicht wehren, sie mußte es dulden, und als sie wieder festen Boden unter den Füßen fühlte und Atem schöpfen konnte, flüsterte sie verschämt und ängst- lich: „Wenn das nun jemand gesehen hat!" „Das kann meinetwegen die ganze Welt sehen", rief der RegierungSrat übermütig. „Gerda, du bist jetzt meine Braut, du gehörst jetzt mir!" „Seine Braut!" Wie schön das klang, und wie glück- lich der Mann auSsah. Und wie war e» doch so wunder- bar, daß sie, die kleine Gerda, ihn so beglücken konnte! Und an zu Hau» dachte sie, an die Eltern, die sorgende Mutter, nun hatte sie doch auch einmal «ine Herzen»- sreude. Franz Liebig war ihnen allen ja längst ein lieb« Freund, und mm — — — —z rührender Dankbarkeit, in unbegrenztem, seligem Vertrauen blickte sie zu ihm auf! Er wußte, daß er sein Glück sich gesichert, nach menschlichem „Können und Gewähren". Bülow war, da Hallermunds sehr früh schon -en Ballsaal verlassen hatten, nicht mehr mit Loni zusammen gekommen. Ten Galopp nach Tische, diesen feurigen, aufregendsten der Tänze, tanzte er mit Karla Merker, und noch ein paar andere Tänze hinterher. Die üppige Gestalt des Mädchens schmiegte sich fest in seine halten- den Arme, sein heißer, stürmischer Atem belehrte sie wohl über seinen Zustand, indessen, auch Karla hatte im Uebermut und SinneSlust mehr Champagner getrunken als klug war, und von beider Augen und Lippen taumelten die entfesselten Geister besinnungsloser Gier. Bülow wußte längst nicht mehr ganz genau, welchen Ueberfluß von süßem Unsinn er Karla zugeflüstert, und al» man sich endlich trennte, hatte er daS dumpfe Gefühl, al» sei er seiner Freiheit beraubt, als könne er sich von einer selbstumgelegten Fessel nun nicht mehr befreien. Wie er in' seine Wohnung und mit Hülfe seines Burschen in sein Bett gekommen, davon hatte er am anderen Morgen beim Erwachen eine sehr unklare Er innerung, und einen sehr fühlbaren, bohrenden Schmerz im Kopfe, versucht« er mit verschiedenen Gläsern Selter- wasser, die er durstig verschlang, zu mildern. Trägen, stumpfen Blicke» schaute er auf Briefe und Zeitungen, die ihm der Bursche mit dem Kaffee gebracht. Sech», sieben Rechnungen! Er öffnete die Couverts gar nicht; diese Formen kannte er nur zu gut. Und da, ein Brief seiner Mutter. Mit einem Schmerzens-
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