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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.06.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050629023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905062902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-06
- Tag1905-06-29
- Monat1905-06
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lkg). wir bet «Itwi» Riea« i»o erle. EM > v«ll- ad« ». »b. von i»ar »aare« u» ve- . sowie Estelle. >wftu«. «dog«, . 1071 mbach. heb»«, must. Bezugs »Preis t» d« Hauptexpedttto» oder deren Arr-gaS*- stell« abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Znstellnng t»S Hau« 8.7b. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich «HO, für die übrig« Länder laut Zeitung-Preislist«. Diese N»««er toftet ans allen Bahnhäfen and I Iff I bei d« Zeitungr-Verkänfern stirvaktton und Expebttton. 1K8 Fernsprecher L2L Johanni-gasie 8. Haupt-Filiale Dresden: M arten slrah« 84 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupl-Ftltars Berlin r TarlDuncker, tzerzgl.Bayr.tzofbnchbandlg, Lützowstraße 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 4603). Abend-Ans^abe. MWger.TagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Hönigl. Land- und des Königs. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzria«. Geschäft«anzeig« unter text oder an besonderer Stelle »ach Tarif. Di« -gespaltene Rrklamrzet!« 7b Nnnatzmeschlutz für «zeigen: Abeud-Ausgab« vormittag« 10 Uhr. Morgeu»Ausgab«: nachmittag« 4 Uhr. Anzeig« find stet« an di«Lxp«ditftm zu richt«. Gttra-vrUage» (nur mtt der Morg«. Au-gab«) »ach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geässuet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag vou G. Pol» in Leipzig (Iah. l)r. B„ R. L W. Dlinkhardt). Herausgeber: vr. Victor Mtukhardt. Nr. 32«. Donnerstag 29. Juni 1905. SS. Jahrgang. Var Wcbtigrte vom Lage. * Nach einem Privattelegramm aus Münster bat der Gerichtsherr die gegen den Freispruch des DivFionspfarrerS Bachstein eingelegte Revision gestern zurückgezogen. * Der gestrige Ministerrat in Pest beschäftigte sich mit den Handelsverträgen und stimmte dem von Baron v. Gautzsch zu unterbreitenden Ermächtigungsgesetz zu, wonach die Verlängerung der Handelsverträge mit der Schweiz und Bulgarien, falls es sich um leine sachliche Aenderung bandelt, bi« zum l. März 1906 erfolgen könne. (Bgl. den Leitartikel.) * In Lodz wurde der Kosakengeneral Marmusow durch Arbeiter vom Wagen gezerrt und ermordet. Die Mörder entkamen. (S. den Artikel.) * In Odessa herrscht, iur Zusammenhang mit der kenteret auf dem Panzerschiff „Hurst Potemkin", offene Rcvolutton; der General- auSstand dauert fort. (S. den Artikel.) * AuS 109 Kreisen Rußlands sind die Reservisten einberufen worden. (S. Ausland.) Saultch una fejervarv. Aus Wien wird uns vom 28. d. von unserm IV- Korrespondenten geschrieben: Es herrscht vollständige Unklarheit über die weitere Entwicklung der ungarischen Krise. Es ist keine Ucbertreibung: Niemand, weder in den sogenannten eingcwcihten Kreisen, noch bei denen, die da immer meinen, die Wohlunterrichtetsten zu sein, niemand, wie gesagt, weiß, was da werden mag. Ist es wahr, daß die Krone einen sogenannten geheimen Plan habe? Daß dieser Plan darin bestehe, die unga rischen Aspirationen bis zu jenem Maße sich entwickeln zu lassen, wo eine Rückkehr der ExaltadoS der ungarischen Unabhängigkeit sich von selbst ergeben müsse? Vielleicht ist das Warten nicht das schlechteste Mittel, vielleicht aber haben jene Recht, welche an ein historisches Analogon er innern, an die unerquicklichen folgen des Ausspruches Schmerlings: Wir können warten. Jedermann aber wird der Krone Recht geben«, whnn sie den etwas allzu hitzigen Wünschen der ungarischert Koalition — im Inter esse der Monarchie und nicht im letzten Betrachte auch im Interesse Ungarns selbst — und den etwas ungeschickten politischen Aktionen, Intriguen und Machinationen jen seits der Leitha Widerstand leistet. Es ist ein mißlich Geschäft, das Baron Fe;ervary übernommen hat: er muß mit der Opposition im Parlamente und — was noch be deutsamer ist — mit der offenen oder heimlichen Gegner schaft der Obcrgespäne. der Munizipicn, der Kasinos, der Vereine rechnen. Eine unangenehme Komplikation ersteht aus der uu- garischen Krise nun für die diesseitige Reichshälfte. Das österreichische Abgeordnetenhaus muß sich mit der Quotenfrage beschäftigen. Es ist nötig, zur rich tigen Beurteilung dieser Sachlage einige trockene Taten anzuführen. Das österreichische wie das ungarische Par lament wählen alljährlich eine Deputation, die djc Höhe der Beitragsleistung zu.den gemeinsamen Angelegen heiten festsctzt. Ta jede der beiden Reichshälften immer weniger zahlen will und speziell auf österreichischer Seite — man kann sagen, seit dem Jahre 1867 — nicht mit Unrecht betont wird, daß Cisleithanien zu viel zahle, wurde in den letzten Jahren fast immer die Ent schließung des Kaisers angerufen. Diesmal geht das nicht. Die vorzeitige Vertagung des ungarischen Par- laments hinderte die Wahl einer Ouotendeputation, und so liegt kein Substrat für eine kaiserliche Entschließung vor. Baron Fefervary erklärte nun, den inneren ex lex- Zustand auch auf die gemeinsamen Angelegenheiten auszudchncn und den auf Ungarn entfallenden Teil der Beitragsleistung zu den gemeinsamen Angelegenheiten vorschußweise zur Verfügung zu stellen. Den gleichen Weg will nun in Cisleithanien der österreichische Ministerpräsident Baron Gautsch eiuschlagen. Tie öster reichischen Parteien opponieren aber gegen diesen Modus und heute abend wird ein diesbezüglicher Entschluß im Derschatta-Ausschuß gefaßt werden. Gleichviel aber, wie dieser Beschluß aussallcn wird, ist cs »ötig, aufmerksam zu machen, wie gewichtig diese Art der Behandlung der Ouotenfrage in staatsrechtlicher Beziehung ist. Nie mand hat bisher daran gedacht, daß eine eventuelle Re vision des östcrreichisch-ungarischen Ausgleiches gerade in der Quote den Ausgangspunkt suchen und finden werde. Nun beginnt der Stein ins Rollen zu kommen, und der Vorschlag, der vor einiger Zeit aukaetaucht ist, es möge aus dem österreichischen Reichsrat und aus dem ungarischen Reichstag eine Kommission gewählt werden, die die Neuordnung der politischen, wirtschaftlichen und staatsrechtlichen Beziehungen der beiden Neichshälften vorberaten solle, gewinnt dadurch an Aktualität. Unter- dessen aber leiden die wirtschaftlichen Verhältnisse in beiden Reichen. Die ungarischen Werte strömen nach Oesterreich zurück und die ungarischen Geldinstitute müssen die größte Kraftanstrcngung aufbieten, die rück- strömenden Papiere aufzunehmen, damit der Kurs nicht allzu rasch herabgleitet. Vielleicht ist diese Besorgnis der ausländischen Gläubiger Ungarns eine zu weit gehende. Ungarn wird seinen speziellen Verpflichtungen nicht nur Nachkommen wollen, sondern auch nachkommen können: die heurige Ernte in Ungarn verspricht glän zend zu werden. Ein altes Sprllchwort sagt: Hat der Bauer Geld, hat es die ganze Welt. Man kann dieses Sprichwort variieren. Hat der ungarische Bauer Geld, dann darf der ungarische Staat Kredit beanspruchen. Aber erfreulich ist die Situation in keinem Falle. Und man braucht kein schwarzgelber Hurra-Patriot zu sein, um zu wünschen, daß denn doch in absehbarer Zeit die bessere Einsicht siege und die Interessen der Bürger und der Monarchie in gleicher Weise gewahrt werden. Denn das ist eine Frage, die auch die Bündnisfähigkeit der Monarchie berührt, eine Angelegenheit der inter nationalen Politik. Vie msrolrlranircbe frage. Vom Mittwoch ist die folgende offiziöse Auslassung der „Kölnischen Zeitung" datiert: „Wer nach den Aus lassungen. mit denen der überwiegende Teil der franzö sischen Presse und insbesondere die „Agence Savas" die Ueberreichung der deutschen Note und die Besprechungen des Fürsten Radolin und des Herrn Rouvier begleitete, angenommen hatte, daß die Schwierigkeiten in aller kürzester Zeit beseitigt sein würden, hatwicder ein mal eine Enttäuschung erfahren. Inzwischen Feuilleton. 8s Die beiden Hallermunds. Don A. Dom. »aSdrucl Verbote». Grinsend und mit einem gewissen Behagen, trotz mili- tärischer Subordination, kam sein Bursche und legte die von ihm draußen natürlich bereits gelesene Zeitung auf den Tisch. Er wartete eine Weile, machte sich mit dem Kaffeegeschirr zu tun, zupfte an der Tischdecke und rückte an den Stühlen, bis endlich Bülow, ungeduldig werdend, ihn ärgerlich aus dem Zimmer schickte. Ahnungslos entkalkte er die Zeitung. Als er aber seine eigene, auksallend dick gedruckte, großartig eine halbe Seite bedeckende Verlobungsanzeige vor Augen hatte, knüllte er wütend das Papier zusammen. „Zum Teufel!" knirschte er, — „hatte denn da- so viel Eile! Das ist ja die reine Treibjagd und bringt mich meinen Vorgesetzten gegenüber in große Verlegenheit!" Darauf stierte er minutenlang in eine Ecke, und langsam be- gannen ihm beauemcrc Gedanken aufzusteigen. Nun, so philosophierte er sich vor, war cS zum Rückschritt überall zu spät, die Druckerschwärze hatte es der Welt in aufdringlicher Größe mitgeteilt. Daß dieselbe An zeige womöglich heute abend schon in der ..Kreuzzeitung" zu lesen war, davon war er überzeugt: darum durfte er keine Zeit mehr verlieren, er mutzte seiner Mutter und dem Onkel, Exzellenz, sofort seine Verlobung tele graphieren, — die Million konnte man brieflich er wähnen. Er hatte auch schleunigst seinem Obersten Bericht zu erstatten und ihm begreiflich zu machen, daß diese Anzeige ohne sein Wissen so schnell in die Oeffent- lichkeit gedrungen war. Er wollte auch sofort um Urlaub bitten, er mußte nach Berlin, — ja gewiß, hundert Dinge gab es jetzt für ihn zu erledigen, und um zwölf Uhr erwartete man ihn in „Mllhlengrund"! „Zu spät zum Rückschritt!" — Ter Gedanke hatte offen- bar etwas Beruhigendes für ihn, er redete sich ein, daß er ja wirklich die Absicht gehabt, zurückzutreten, einzu- gestehen, daß er leichtsinnig in eine Verlobung hineinge taumelt, die er nicht beabsichtigt. Hätte er denn überhaupt noch gekonnt, ohne KarlaS Namen dem Spott preiszugeben? Nein, er hätte das gar nicht gekonnt, eingefangen saß er fest im Garn, sein Zappeln half ihm nichts, absolut nichts. Also vorwärts denn, harmlos und unverfroren erscheinen, blasierte Miene, Achselzucken, Lächeln — und — wenig sagen — keine Fragen tun, keine unnütze Ant worten geben. Und fort, fort aus dieser Garnison, aus den Kreisen, wo er — jawohl, nur erst fort sein. — Loni erschien am nächsten Tage im Familienkreis, äußerlich ruhig und fähig, ihren häuslichen Pflichten nachzukommen. Wie aus Verabredung tat man den Ereignissen des vorigen Tages keinerlei Erwähnung. Ter Major heuchelte niehr Ruhe, als er empfand, denn in Wahrheit tobte sein erregter Zorn im Innern, und seine verängstigte Gattin tat alles, ihn zur Vorsicht zu mahnen. Bei Gerdas Rückkehr hatten die Schwestern sich aus gesprochen, Loni hatte die Verlobung Karla MerkerS in allen Details erfahren, und obgleich ihr tief verletzter Stolz, ihr ganzes weibliches Fühlen und Sein in allen Fugen erschüttert war, gelang es ihr doch, der unwider ruflichen Tatsache kälter gegenüber zu treten, als sie gehofft. Etwas Häßliches, Entstellendes hatte sich auf das reine Empfinden ihrer Liebe gelegt, und das ließ sich nimmermehr entfernen! Loni fühlte keinen Haß, wohl aber namenlose Verachtung in ihrem Herzen auf steigen, und gerade daS half ihr am besten und schnellsten über die herbe, bittere Enttäuschung hinweg. vm. Im Lause deS TageS — di^ Töchter saßen mit der Mutter fleißig bei der Arbeit — trat der Major mit einem Briefe zu ihnen ins Zimmer. Er war vom Grafen Hohenbuchen-DonnerSberg aus Schlesien, und der Major laS ihnen den Brief vor: Sehr höflich zu GerüaS Verlobung gratulierend, fügte der Graf in bestimmter Kürze hinzu, daß durch den Rücktritt der jungen Dame die Familie in augenblick licher, großer Verlegenheit sich befände, indem man bereits Rcisepläne ganz bestimmt gemacht habe und nur auf die neue Erzieherin warte, um sie in ihre Pflichten einzuführen. ES sei also unbedingt nötig, womöglich recht bald eine Stellvertreterin zu verschaffen, mit gleich ist hier die Antwort bekannt geworden, die Herr Rouvier erteilt hat und nach dem, was man von unterrichteter Seite darüber hört, ist durch sic noch kein Ab schluß erreicht, da Herr Rouvier die Konferenz noch nicht angenommen hat. Wir hoffen nicht fehl zu gehen in der Annahme, daß es sich dabei nur um eine Verlängerung der Aussprache handelt, t un nichts berechtigt dazu, in die guten Absichten des Herrn Rouvier Zweifel zu setzen, und die öffentliche Meinung in Frankreich hat sich neuerdings mit dem Gedanken an die Lösung durch eine Konferenz vertraut gemacht und versöhnt." Nach einer Pariser Depesche des „B. T." teilt der „Temps" noch einiges aus der d e u t s ch e n Note mit. Die Note weise auf die in Marokko bestehende Anarchie hin und betone die Not wendigkeit von Reformen. Sie sage im Gegensatz zu dem französischen Reformprogramm, daß jede der euro päischen Mächte ihre eigenen Untertanen schützen und dort für Sicherheit sorgen solle, wo ihre Interessen in Frage kämen. Deutschland könne eincnvor- herigen Akkord mit Frankreich nicht schließen, da das eine Antastung der Integrität des Sultans und der Rechte der anderen Mächte bedeuten würde. Der „Temps" bemerkt dazu: „Die französischeund deutsche Note haben nur einen akademischen Wert. Die französische Regierung verlangt keinen direkten Akkord, sie fordert nur eine vorherige Verstän digung. was nicht dasselbe ist, da ein Akkord durch schriftliche Dokumente erfolgen muß, eine Verständigung dagegen sich mündlich vollziehen kann. Es ist auch mög lich, daß man zu einer anderen Lösung greift, daß der Sultan von Marokko, der zur Konferenz eingcladcn hat, die Aktionsdomäne der Diplomatie festsetzte. Die fran- zösische Negierung hat seit langem an diese Eventualität gedacht. Wir wissen, daß die deutsche Regierung sie gleichfalls erwogen hat." Das Abend- blatt „La Presse" ist sehr unzufrieden, es nennt die Note eine trockene Ablehnung der französischen Wünsche und greift sehr heftig Rouvier an. Die „Agence Fournier" will wissen, Rouvier werde Freitag dem Ministerrat eine neue Note vorlegen, worin er im Prinzip die Konferenz annehmen werde. Das zwischen Deutschland und Frankreich zu kombinierende Reform programm würde, wie von anderer Seite hervorgehoben wird, nur aus Kapitelüberschriften bestehen: den Inhalt hätte die Konferenz in freier Beratung und Entschließung zu liefern. Auf Haberts und Gallis Einfluß ist eine gewisse Verschärfung im Tone der natio nalistischen Presse zurückzufllhren. Galli mahnt in einem Interview zur äußersten Wachsamkeit. Die eigent lichen Schwierigkeiten würden erst im Konferenz saale beginnen, wo die deutsche und die englische Partei (England als Führer der Dertragsmächte von 1904) einander ins Weiße der Augen sehen würden. England habe den Befehl, der Vereinigung seiner wich tigsten außereuropäischen Geschwader in den heimischen Gewässerm keineswegs rückgängig ge macht. Ueberhaupt spreche nichts dafür, daß England mit der neuen Lage innerlich zufrieden sei. llevalttaten in llurttana. Die Meuterei in Odessa. In Odessa hat mit der Heimkehr des Panzerschiffes „Fürst Potemkin", an dessen Bord Anarchie und Verbrechen vorgekommen waren, eine Revolution begonnen, die selbst unter den furchtbarsten Katastrophen während des Krieges ohne Beispiel dasteht. Die Meuterei im Marinedepot von Sewastopol war schnell unterdrückt worden: diesmal ist die ganze Stadt an der Matrosenmeuterei beteiligt. Schon am Dienstag hatte, nach einer Versammlung der Arbeiter in Tereshp, einem Vorort Odessas, der allgemeine Aus stand begonnen. In Teresvp wurde das hcranrückende Mili- tär von der Menge mit Steinen beworfen. Die Truppen gaben sofort Feuer; zwei Personen wurden getötet. Die Arbeiter zogen in großen Haufen durch die Straßen. An vielen Stellen spannten sie die Pferde der Tvamwaywagcn aus. Alle Läden waren geschlossen. Di« Tragödie auf dem „Knjäs Potemkin" hat diese Erregung hervorbrechen lassen; sie zeigt, in welch erschreckender Weise die Disziplin unter den russischen Truppen zerstört ist. Voraufgeaangen waren die Meuterei der Offiziere in Lodz, ein Protest der Offiziere von Krasnoje-Selo gegen den .Henkersdienst" und ein Aufruf des „Bundes der bekannten Offiziere"; wie weit die Zerrüttung reicht, ist nicht abzujehcn. Die Telegramme melden: * Odessa, 28. Juni. Gestern wurden den ganzen Tag über an vielen Punkten der Stadt Schüsse gehört. Die Zahl der Verwundeten ist noch nicht ermittelt worben. Aus dem Kathedral-Platz fand abends eine Bomben explosion statt, durch die ein Schutzmann und ein Bombenwerser gelötet wurden. Heute sind einzelne Läden geöffnet' Patrouillen halten die Ordnung aufrecht. Die Lokalbahnzüge verkehren in Begleitung von Patrouillen. Der Ausstand in den Fabriken dauert fort.. Es geht das Ge rücht, das Packhaus der russischen Schiffahrtsgesellschaft sei geplündert worden. * Odessa, 28. Juni. Ueber die Meuterei auf dem Panzerschiff „Fürst Potemkin" wird gemeldet: Gestern abend ist der Panzer hier einaetroffen. Alsbald ver breitete sich das Gerücht, daß die Besatzung die Vorgesetzten niedcrgemetzelt hätte, um einen Matrosen zu rächen, der getötet wurde, weil er Klage über die schlechte Nahrung im Namen der ganzen Besatzung geführt hatte. Ferner wurde gesagt, der Leichnam sei aus der neuen Mole ausgestellt. Die Matrosen ließen die Behörden aber nicht herankommen und drohten, ihnen Widerstand zu leisten. Tausende von Menschen strömten alsdann nach dem Teil d«S Hasen«, wo der Leichnam des Matrosen Omeltschuk von dem genannten Panzer, der aus Sewastopol mit »Wei Torpedobooten an gekommen war, lag. Auf der Brust deS Verstorbenen war ein Zettel angebracht mit einer von der ganzen Besatzung ab gegebenen Erklärung, daß Omeltschuk furvie Wahrheit gestorben sei, indem er einem Offizier gesagt habe, daß man den Leuten schlechte Nahrung gebe. Das Publikum warf fortwährend Geldspenden in eine am Kopfende des Toten aus gestellte Büchse,' um das nötige Geld für sein« Beerdigung zu sammeln. — Unter den vielen Lesarten über daS Vorgefallene herrscht die vor, daß der Offizier, dem Omeltschuk meldete, daß die Mannschaft schlechte Suppe erhalten habe, ihn durch einen Revolverschub getötet habe. Die gesamte Mannschaft habe dann erst den Offizier überfallen und dann den Kapitän, und ihn mit seinen Offizieren, mit Ausnahme von 8, die mit den Matrosen verbündtt waren, ertränkt. In Odessa angekommen, haben die Mattosen die Leiche Omelt- schukS an Land gebracht und den Behörden mitaeteilt, daß, falls man sie zu verhaften versuch«, sie auf di« Urheber eines solchen Versuches schießen wurden. Die rote Flagge wurde wiederholt an Bord des Panzerschiffe- gehißt, dessen Besatzung sich nach und nach auf alle Boote und Dampfer be gab und die Arbeiter zwang, di« Arbeit «inzu- ft«lIen. Kohlenzieher lieferten der Mannschaft deS Panzer schiffes, die Omeltschuk ein feierliches Begräbnis bereiten will, Nahrungsmittel. Man erwartet heute abend daS Schwarze Meer-Geschwader. Die Erregung der Menge ist u n - geheuer. Ein verkleideter GrenMächter wurde an der Leiche Omeltfchuks getötet. Der Bürgermeister der Stadt ist nach Moskau abaereist. Er hat an die Bürger Odessas ein Telegramm gerichtet, in dem er bat, sich zu be ruhigen und die Ruhestörungen «inzustellen. Der Generalstreik in Russisch-Polen. Das folgende Telegramm liegt vor: * Lodz, 22. Juni. Der Kosakengeneral Marmusow wurde gestern auf der Straße von Arbeitern angehalten, vom Wagen gezerrt und durch Dolchstiche ermordet. Die Mörder ent- kamen. Die Ermordung ist auf Beschluß der polnischen revolutionären Partei geschehen. Der Kommandant von Lodz, SchuttlewortS, und der Polizeimeister Chrzanowsky haben Briefe erhalten des Inhalts, daß die Partei gegen sie daS Todesurteil in dieser Woche vollstrecken werde. Nach Depeschen des „L.-A." richtete Generalleutnant Obolenschew an Zeitungsredakteure die Bitte, durch Artikel zur Beruhigung der Bevölkerung beizutraaen. Eine Abordnung der Lodzer Bürgerschaft begibt sich nach Petersburg, um zu petitionieren, der Kriegszustand möge aufgehoben werden. Obolenschew erklärte, daß darüber doch noch drei Wochen vergehen würden. Ein Aufrührer jüdischen Glaubens ist bereits dem Kriegsgericht über geben worden. Aus Petersburg trafen di« Spezialdele- s guten Zeugnissen und Empfehlungen und so weiter und so weiter. „Na, das kann ja unter Umständen recht nett werden!" brummte der Majax. „So waS fehlt mir gerade noch. Jetzt werde ich mich schleunigst zu dem Schuldirektor be geben müssen. Der Herr muß mir ohne weiteres das beste Exemplar weiblicher Erziehungskunst ausliefern l" „Ja, das wäre daS Beste", sagte die Majorin ganz ruhig, ohne sich im Drehen der Maschine stören zu lassen. „Ich sollte meinen, daß es auch nicht schwer ist, eine Stellvertreterin zu finden. Lausend Mark, und ein solches Haus!" „Ich will tun, was ich kann, die Schwierigkeit lieg: in der Plötzlichkeit", scherzte der Major. «Finde ich niemand, muß Gerda antreten, Braut oder nicht Braut. Kontraktbruch strafbar! Paragraph so und so." „Na, die gräfliche Familie würde mich bald an die Luft setzen!" lachte Gerda. „Nein, lieber will ich recht liebenswürdig schreiben, und mich sozusagen los betteln." Loni, welche mit flinken Händen Stoffstreifen für die „Maschine" hernchtete, ließ die Arbeit sinken. „Papa!" — sagte sic, — „so laß doch mich anstatt Gerda die Stelle annehmen, ich bitte dich, erlaube es mir!" „Tu? Loni, du?" — Ter Major legte eine Unzahl Fragezeichen in seinen Ton, die Majorin hörte auf zu drehen, sah ihre Tochter mit großen Augen an und sagte gedehnt: „Du bist wohl nicht recht aescheidtkl"
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