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Dresdner Journal : 07.08.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190508077
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19050807
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19050807
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1905
- Monat1905-08
- Tag1905-08-07
- Monat1905-08
- Jahr1905
- Titel
- Dresdner Journal : 07.08.1905
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ve-»«»»ret«: Beim Bezüge durch di« Geschäft»«,»« i«««rß«t» Nr«»d«n» 2,50 M (einschl. Zuiragvna), durch die tm Deutjcdcn Reiche 3 M. (au»jchli«ßlich Bestellgeld) vierteljLhrlich. Einzelne Nummern 10 Ps. Wird Zurücksenduna der für dieSchristleitung bestimmten, aber von dieser nicht ein- gesorderten Beiträge bean sprucht, so ist das Postgeld beizusügen- Herausgegeben von der König!. Expedition deS Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheinen: Werktags nachm 5 Uhr. — vriginalberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe uachgedrucht werden. rlnkündtsungSgebühre«: Die Zeile kleiner Schrist der 7 mal gespaltenen Ankündi gungs-Seite oder deren Raum 20 Pf. Bei Tabellen- und Zifferusap 5 Pf. Aufschlag für die Zeile. Unterm Re daktionsstrich (Eingesandt) die Texlzeile mittler Schnst oder deren Raum dl) Pf. Gebühren - Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi- mittags 12 Uhr für die nach mittags erscheinende Nummer. HS 181 Montag, Den 7. August nachmittags. 1905. Amtlicher Teil. Dresden, 7 August. Se. Majestät der König sind gestern früh 6 Uhr 50 Min. von SeiS in Tirol bez. Reichenhall nach Dresden zurückgekehrt und haben das Königl. Schloß Moritzburg bezogen. Dresden, 7. August. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrat Geh. Rat vr. Fischer den ihm von Sr. Majestät dem Kaiser und König von Preußen verliehenen Roten Adlerorden 2. Klasse mit dem Stern annehme und trage. Mit Rücksicht auf die bisher verschiedenartig an gewendete Schreibweise des Ortsnamens der Ge meinde Brabschütz (Prabschütz) im Bezirke der Amts hauptmannschaft Dresden-Altstadt wird hiermit be stimmt, daß künftig ausschließlich „Brabschütz" zu schreiben ist. Dresden, den 2. August 1905. s»35 Ministerium des Innern. (Behördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Dresden, 7. August. Der morgige Tag, sonst ein Tag hochgemuter Freude, ist diesmal ein Tag stillen Gedächtnisses für uns Sachsen. In tiefer Wehmut gedenken wir an ihm des hochseligen Königs Georg, dessen Ge burtstag der 8. August war. Die Erinnerung an den edlen Fürsten, an sein gerechtes und gütiges Wesen, an seinen milden und weisen Sinn, an seine unermüdliche Pflichttreue, an sein rast loses Wirken für das Wohl des SachsenlandeS kann nie und nimmer erlöschen in unseren Herzen, sie wird festgehalten werden von Geschlecht zu Ge schlecht; wir werden diesen Sachsenkönig bis in die fernste Zukunft verehren als einen der Besten und Edelsten des Sachsenvolkes Wie könnten wir weihe voller den Tag begehen, als indem wir geloben, dem Nachfolger des hochselig Verklärten, Sr. Majestät dem Könige Friedrich August, dieselbe Liebe und Anhänglichkeit, dieselbe Treue und Hingebung an Ihn zu bewahren, mit denen wir uns zu Seinem in Gott ruhenden Herrn Vater bekannten, mit derselben Wandellosigkeit der Gesinnung, demselben patriotischen Pflichtbewußtsein zu Ihm zu stehen, mit der König Georg zu seinem Volke stand und mit der, ganz im Geiste und Sinne des Verklärten, König Friedrich August zu uns steht. Indem wir dies tun, indem wir uns täglich erneuen in unserer Liebe und Treue zum König, in unserer Hingabe für das Wohl des Staates, bereiten wir dem edlen König Georg die Geburtstagsfeier in dem Sinne wie dieser hochherzige Monarch sie verdient! Kunst und UMnschaft. Wissenschaft. * Im Anschluß an die Jahresversammlung der Schweizerischen geologischen Gesellschaft, die am 12. September d. I. m Luzern tagen wird, sind geologische Ausflüge in die Klippenregion am Vierwaldstätter See unter der Führung von vr A. Buxtorf-Basel und vr. A. Tobler-Bascl in Aussicht genommen worden. Die Exkursionen sollen vom 12. bis 17. September dauern. Anmeldungen zur Teilnahme sind bis zum 5. September an vr. A. Tobler in Basel, Geologisches Institut der Universität, zu richten. Die Bergbahnen der Umgebung von Luzern gewähren den Exkursionsteilnehmern Fahrvergünstigung. * Zum Wechsel in der Oberleitung der Berliner Königl. Bibliothek, die, wie mitgeteilt wurde, zunächst auftragsweise Adolf Harnack übernommen hat, ent nehmen wir der „Voss. Ztg." noch folgende Angaben: Bis 1886 wurde die Stelle de« Oberbibliothekar« immer einem hervorragenden Beamten im Nebenamts verliehen. An der Spitze der Bibliothek stand der Historiker Friedrich Wilken, dann Georg Heinrich Pertz, später Lepsius. Alle drei hatten ordentliche Professuren an der Universität inne und betrieben weit auSschaucnde, wissenschaftliche Forschungen. Im Vergleiche zu ihrer Tätigkeit in der Wissenschaft und im akademischen Unter richt trat ihre bibliothekarische Arbeit ganz in den Hinter grund. 1886 wurde mit diesem System gebrochen. August WilmannS, der damals zum Generaldirektor der Königl. Bibliothek berufen wurde, verzichtete auf die Ausübung der Lehrtätigkeit, der er noch in Göttingen abgelegen hatte, und widmete seine ganze Kraft seinem Amte an der Bibliothek. August Wilmann«, der jetzt in den Ruhestand Vie Deutschen im Zustande und die Äusländer im Deutschen tteich. In dem eben erschienenen Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reiches, Ergänzungsheft 19051, veröffentlicht das Kaiser!. Statistische Amt eine Arbeit, welche die Zahl der Deutschen im Auslande sowie die der Ausländer im Deutschen Reich zur Darstellung bringt. Zugrunde gelegt sind der Arbeit die Angaben über Staatsangehörigkeit und Geburtsort, die bei der letzten Volkszählung des Reiches und der einzelnen Staaten des Auslands ermittelt wurden; außerdem fanden noch bei einigen ausländischen Staaten, die über derartige Nachweise nicht ver fügen, Sondererhebungen statt. Auf diese Weise ist zwar nicht das gesamte Deutschtum im Auslande und ebensowenig das gesamte Fremdentum im Jn- lande erfaßt worden, immerhin aber dürften die vorliegenden Nachweise wertvolle Anhaltspunkte zur Beurteilung der einschlägigen Verhältnisse bieten. Die Arbeit besteht im einzelnen aus einer text lichen Darstellung (von 50 Seiten) und einem aus führlichen Tabellenwerk. Sie zeigt sowohl für die Deutschen im Ausland wie für die Ausländer im Inland deren nähere Verbreitung nach dem der zeitigen Stand und im Vergleich zu früher, ferner ihre speziellen Herkunftsgebiete, sodann die Alters-, Familienstands-, Religions- und beruflichen Verhält nisse. Was die Deutschen im Auslande anlangt, so wurden im Auslande 3029514 Reichsgebür tige festgestellt und außerdem 450392 Personen, die zwar nicht im Deutschen Reiche geboren worden sind, aber die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Ohne Rücksicht auf ihre Gebürtigkeit ist für 700710 Personen im Auslande die deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen. Am meisten Deutsche sind der absoluten Zahl nach in: den Bereinigten Staaten von Amerika (Reichs- gebürtige) 2 669 164 der Schweiz (ReichSgebürtige) 134 599 - - (Reich-angehörige) 168 23» Rußland ohne Finnland (ReichSangehörigr) . 151 102 Österreich (Reichsangehörige) 106 364 Frankreich (Reich-angehörige) 90746 Großbritannien (Reichsgebürtige) 53 402 Australien (Reichsgebürtige) 42 671 Belgien (Reich-gebürtige) 40 936 - (Reich-angehörige) 53 408 Dänemark (Reich-gebürtige) 35 061 Niederlande (Reich-angehörige) 31 654 Kanada (Reich-gebürtige) 27 302 - (Reich-angehörige) 6 486 Argentinien (Reich-angehörige) 17 143 Luxemburg (Reich-gebürtige) 14 637 - (Reichsangehörige) 14 931 Italien (Reichsangehörige) 10 745 Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung der einzelnen Länder finden sich Deutsche am zahlreichsten einer seits in den Hauptbestimmungsländern unserer über seeischen Auswanderung (den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Chile, Argentinien), ander seits in den an Deutschland angrenzenden Ländern sowie in den fremden Großstädten. Gegenüber den Ergebnissen früherer Zählungen ist die Zahl der Deutschen, d. h. Reichsgebürtigen bez. Reichsangehörigen, in fast allen europäischen Staaten gestiegen, ebenso in einer Reihe außer europäischer Länder, während sie namentlich in Groß britannien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada und Australien sich verringert hat. Den drei Millionen Deutschen im Auslande stehen 823597 Fremdgebürtige gegenüber, die im Deutschen Reiche am 1. Dezember 1900 sich auf ¬ hielten. An fremden Staatsangehörigen wurden — also ohne Rücksicht auf ihre Gebürtigkeit — 778 737 in Deutschland gezählt. Die in Deutschland ermittelten Fremden stammen zu 95,8 Proz. aus europäischen Staaten, nicht euro päische Gebietsangehörigkeit haben nnr 4,2 Proz, nämlich 34 702 Fremde, darunter befinden sich 24 842 aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Am meisten kommen aus: Österreich (Geborene) 338 777 - (Staatsangehörige) . . . 371 005 den Niederlanden (Geborene) ... 94 172 - - (Staatsangehörige) 88 085 Italien (Geborene) 62 001 - (Staatsangehörige)... 69 738 der Schweiz (Geborene) 57 635 - - (Staatsangehörige) . . 55 494 Rußland (Geborene) 89 213 - (Staatsangehörige) . . . 46 967 Wie die in Deutschland befindlichen Ausländer vornehmlich von den Grenzstaaten herrühren, so ist ihre Verbreitung innerhalb Deutschlands besonders groß in den Gebietsteilen, die an das Ausland an grenzen, außerdem in den Großstädten. Bemerkenswert ist die große Zunahme, welche die Zahl der Ausländer seit den früheren Zählungen er fahren hat, und zwar sind es fast sämtliche aus ländische Staaten, die heute mehr Fremde als früher nach Deutschland schicken. Trotzdem ist die Auswanderung von Deutschen nach dem Ausland größer als die Zuwanderung von Fremden nach dem Inland. Deutschland gibt mit anderen Worten von seiner Bevölkerung mehr Elemente an das Ausland ab, als es vom Auslande empfängt. Wesentlich ist dies durch die Auswanderung nach Übersee hervorgerufen, der eine entsprechende Einwanderung aus diesen Ländern nicht gegenübersteht. Im Verkehr mit den euro päischen, insbesondere den benachbarten Ländern hat Deutschland dagegen beim Bevölkerungsaustausch einen Mehrzuzug, also einen Gewinn an Bevöl kerungselementen aufzuweisen. Der deutsche Uichter im Spiegel der Kritik. In den „Grenzbotkn" ergreift ein Richter des höchsten sächsischen Gerichtshofs das Wort, um den deutschen Richterstand gegen die maßlosen und jeder Besonnenheit ent behrenden Angriffe zu verteidigen, die in der letzten Zeit gegen ihn erhoben worden sind. Während sich bisher die Angriffe im ganzen darauf beschränkten, den Richtern das Verständnis für den Verkehr, für die sozialen Ver hältnisse und das praktische Leben abzusprechen, ist e« in letzter Zeit in einer gewissen Presse üblich geworden, ihnen auch ohne weiteres Rechtsbeugung und Pflichtvergessenheit vorzuwerfen. Solche Vorwürfe bedürfen um so dringender einer ernsten Zurückweisung, als eine schwere Erschütte rung des allgemeinen Rechtsbewußtseins zu befürchten ist, wenn sich in weiteren Kreisen der Glaube an ihre Berechtigung festsetzen sollte. Zwei solcher Angriffe, so hebt der Verfasser hervor, sind in der letzten Zeit erfolgt. Der eine war durch die vielbesprochene Verurteilung des Fürsten Kotschubey zu 1000 M. Geldstrafe wegen einer das Leben gefährdenden Körperverletzung eines deutschen Portiers veranlaßt. Rechtfertigt der Sachverhalt die schweren und beleidigenden Vorwürfe, die wegen dieser Verurteilung gegen das Dresdner Schöffengericht erhoben sind? Der Verfasser des Artikels führt aus: Der Tatbestand ist folgender. Der in einem Dresdner Hotel wohnende russische Fürst erhält von dem Portier eine Nummer des „Simplicissimus" aus sein Zimmer geschickt, die in Wort und Bild die gröblichsten Verhöhnungen der Russen enthält. Ja der Erregung hierüber und in der irrig« n Meinung, die Nummer sei ihm vom Portier mit Kenntnis ihres Inhalts unterbreitet worden, läßt er ihn rufen, macht ihm Borwürfe und versetzt ihm hierbei mit dem Fuß, der übrigens nur mit einem leichten Lederhausschuh bekleidet war, einen heftigen Tritt hinten an das Gesäß (nicht von vorn an den Unterleib, wie russenseindliche Blätter nach der Stutt garter Verhandlung wieder und wieder falsch berichtet haben). Dieser Tritt hatte die unglückliche Folge, daß der Portier an Darmstörungen und inneren Blutungen auf mehrere Wochen erkrankte Nach dem ärztlichen Gutachten sind solche Erschütterungen deS Beckens jedeSmal lebensgesährlich. Niemand wird die Tat deS Russen beschönigen wollen, nie mand dem mißhandelten Portier seine Teilnahme versagen. Bei Ausmessung der Strafe Hal der Richter aber vor allem die Schwere der subjektiven Verschuldung zu ermessen und die Umstände zu prüfen, aus denen heraus die Tat geboren wurde. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter ein Ausländer, der Verletzte ein Deutscher ist. Nationale Rücksicht bei der Findung des Rechtes ist ost von deutschen Zeitungen den ausländischen Gerichten zum Vorwurs gemacht worden. Der deutsche Richter steht aus einer höheren Warte: er beurteilt den Menschen und seine Tat, berücksichtigt dabei seine Umwelt, aber nationale Sympathien und Antipathien spielen nicht mit Ist es nun bei Prüfung der subjektiven Verschuldung des Täters so ungeheuerlich, daß die Schöffenrichter ihn mit einer Gesängnisstrase verschonten, muß dies notwendig auf russischer Liebedienerei beruhen unter schmählicher Mißachtung der Rechte des verletzten Deutschen, oder gar daraus, daß es sich um einen Fürsten handelte und nicht um einen Arbeiter? Ter Täter war bisher noch unbestrast. Er ist von Natur ein sehr nervöser Mann, der seines Leidens wegen in einer Dresdner ärztlichen Anstalt in Behandlung war Er war durch den Inhalt deS ihm überreichten Blattes schwer gereizt worden Das Schöffengericht selbst nennt die Artikel und Bilder scham los. Ter „Simplizissimus" entrüstet sich sehr darüber und spricht den Richtern das Recht ab, ihn so zu beurteilen Gott sei Dank, daß wir noch Richter haben, die sich nicht scheuen, das Kind mit dem rechten Namen zu nennen, ohne Furcht vor Preßangriffen. Hielt das Schöffengericht die Artikel für schamlos, so war es in diesem Falle auch geboten, es offen auszusprechen. Und es hat damit wahrlich nur die Meinung eines großen Teiles der verständigen Deutschen ausgedrückt, denen die planmäßige geistlose und plumpe Verhöhnung der Russen und anderer Nationen durch einige deutsche Witzblätter für die Dauer längst widerwärtig geworden ist, und welche die Gefahr nicht verkennen, die solche Verhetzung zweier Völker schließlich auch für die Politik haben muß Das dem rus sischen Fürsten überreichte Blatt zeigte auf der ersten Seite einen russischen Priester mit der Schnapsnase, der zu einem russischen sterbenden Soldaten sagt: »Den Trost nimm in das Jenseits mit, Bruder! Dein Heldentod ist photographiert worden und wird unserem erhabenen Herrscher im Kinemalo- graphen vorgesührt." Ein anderes Bild ze!-t einen russischen Großfürsten beim Diner mit einer Dame der Halbwelt, darunter die Worte: „Dreißigtausrnd Tote? Kellner, noch 'n Schnaps!" Muß einem Angehörigen des russischen Volkes, einem russischen Fürsten, bei solchen Artikeln nicht die Zornader anschwellen? Ist cs verwunderlich, wenn dieser dadurch auss tiesste in seinem Nationalgefühl verletzt und erregt wird? Welchen 'Deutschen würden ähnliche Beschimpfungen seines Volkstums kalt lassen? Glaubte nun vollends der russische Fürst, diese Bilder und Artikel seien ihm absichtlich vorgelegt worden, um ihn zu ver höhnen, so muß bei billigdenkender Beurteilung seine Tat allerdings in milderem Licht erscheinen, und wir verstehen offen gestanden nicht, wie demgegenüber auch rin Stuttgarter Staats anwalt an sehr ungeeigneter Stelle die Dresdner Schöffcn- richter ebenfalls deshalb tadeln konnte, daß sie nicht eine Ge fängniSstrase über den Täter verhängt haben. Der Fürst hat übrigen- sofort, als er erfuhr, der Portier habe ihm daS Blatt ohne böse Absicht geschickt, diesen um Verzeihung ge beten. Und auS welchen Gründen Hai nun der „ Simplicissimus" gegen die Dresdner Richter wegen ihres Urteils die schwere Anklage erhoben? Wollte er zur Rettung des Vaterlands auf die pflichtvergessenen und parteiischen Richler aufmerksam machen, wollte er den Finger legen an die Wunde deutscher Rechts pflege? Zur Wahrung der Rechte des verletzten Portiers war es offenbar nicht nölig. Dieser Halle sich der vom Staats anwalt gegen den russischen Fürsten erhobenen öffentlichen Anklage als Nebenkläger angeschlossen; er hatte gegen das Urteil des Schöffengerichts zunächst auch Berufung eingelegt, dann aber das Rechtsmittel vor der Entscheidung wieder zurückgenommcn Ihn kann es also augenscheinlich nicht in seinem Rechtsgefühl so sehr gekränkt haben, daß der Täter keine Gefängnisstrafe erhielt. Und er war doch der Verletzte! Es ist eben allein die persönliche Kränkung des „Simpli zissimus" gewesen, die diesen zu seinem Vorgcheu bestimmte, der Umstand, daß die Schöffenrichter seine Artikel als schamlos bezeichnet haben! Aber ist nicht in der Tat eine Geldstrafe von 1000 M. bei einem Manne, der, wie der Fürst, jährlich 200 000 M Einkommen Hal, keine zureichende Sühne? Wer wollte das leugnen, nur darf die niedrige Summe nicht den Richtern zur Last gelegt werden. Und das ist es eben, was allen denen vorgehalten werden muß, die sich über die niedrige Strase entrüsten: keiner erwähnt, daß das Gericht mit 1000 M die höchste Geldstrafe ausaeworfen bal. die das Gesetz tritt, wurde 1833 zu Vegesack geboren. Er besuchte die Schule in seiner Vaterstadt, in Bremen und Verden. Seine Uni versitätsstudien, die der klassischen Philologie galten, machte er in Tübingen und Bonn. Er gehörte in Bonn zu dem engeren Kreise der Philologen, die sich um Otto Jahn, Ritschel und Welcker scharten Nach dem Abgänge von der Universität war WilmannS vier Jahre lang Hauslehrer in Gräfenbach. 1863 promovierte er in Bonn mit der Schrift „Vs >1. I'ersutü Varronis 1idri8 zum Doktor. In der Folge wandte er sich zuerst dem Bibliotheksdienste und bald darauf auch der akademischen Laufbahn zu. Er wurde Anfang 1870 Bibliothekar an der Universitätsbibliothek in Freiburg i. Br. Im Sommer 1870 wurde er als Privatdozent an der Freiburger Hochschule zugelaffen. 1871 wurde er dort zum außerordentlichen Professor befördert Noch im selben Jahre folgte er einem Rufe nach Innsbruck, wo er eine ordentliche Professur übernahm 1873 siedelte er nach Kiel über. 1874 wurde er Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek in Königsberg, 1875 ging er in gleicher Eigenschaft nach Göttingen. 1886 trat er al« Generaldirektor an die Spitze der Berliner Königl. Bibliothek. 1895 wurde Wilmann« zum geh. Ober- regierungSrat und 1903 zum Wirk! geh. Oberregierungs rat ernannt * Aus Genf wird berichtet: Hier ist gestern der internationale Kongreß für Anatomie eröffnet worden An dem Kongreß nehmen 260 Personen teil, darunter Vertreter der großen Gesellschaften für Anatomie von Deutschland, Frankreich, England, Amerika und Italien 4 Wie wir in der Sonnabendnummer unter den Drahtnachrichten bereit» mitgeteilt haben, ist der ordent liche Professor der Anatomie und ehemalige Leiter der anatomischen Anstalt der Kieler Universität geh. Medizinalrat vr. weck. Walther Flemming gestorben. Flemmings Bedeutung liegt m seinen wertvollen Unter suchungen über den Bau der Zelle, insbesondere des Zellenkerns Seit 1878 war er ordentlicher Professor in Kiel. Er ward in Schwerin am 21. April 1843 geboren. Literatur. * Sächsische Volkswörter. (36.) Die Sprache des Sachsen steht zu den Tieren in einem besonderen Verhältnis. Natürlich erfreuen sich die Haustiere seiner Zuneigung von Jugend auf, und manche der ihnen ge widmeten Ausdrücke überträgt er auf seinesgleichen, sei cS liebkosend oder scheltend. So wird die Bezeichnung der Hühnchen (um SchweinSburg Hinkel) al« Schibbchen oder Schiebchen (um Zwenkau) in etwas spöttischem Tone auf unerfahrene Menschenkinder angewandt, besonder« in der Anrede des halb wohlwollenden „du Schibbchen!" Dagegen wird nur liebkosend das Puttchen oder Buttl, auch Putthinel gebraucht, daS dem Lockrufe put, put ent stammt. Dieser den Naturlaut nachahmende Lockruf ist so verbreitet, daß man die Putte nicht aus dem wendi schen put» --- Henne abzuleitcn braucht, zumal die gemein deutsche Pute die Truthenne bezeichnet. Der Puter führt in Sachsen in Anlehnung an den von ihm hervorgebrachten Natur laut auch den Namen Gauderhahn, wie sich der Gackhcnne im Erzgebirge der gackete H» bcigesellt. Auch ein anderer den jungen Hühnern geltender Lockruf „Zip, zip (Zibele)!" dient in der Verkleinerungsform Zipl in Sachsen al« Hauptwort, um Zwenkau sowie in der Gegend von Waldenburg bi« Wolkcnburg heißen die Küchelchen Zirbeln Auch die Lockrufe für Gänse und Enten diele, kiele! husche, husche! hat man au« dem Wendischen abzuleiten gesucht, wo pilo das Gänschen, Kuse» die Gans bezeichnet. Aber während sich sonst die Einwirkung des Slawischen auf engere Gebiete beschränkt, sind diese Rufe sowohl wie die davon gebildeten Haupt wörter Biele, Bielchen und Husche (Hüse) für junge Gänse und Enten (auch Huschegans, Bletente und Husche bielchen) im Niederlande wie im Gebirge allgemein ver breitet. Als Husche (l) bezeichnet man auch ein kleines, dürftiges Mädchen. Die Gänsezucht hat in Sachsen auch noch andere Lockrufe entwickelt: Liwl, lib, lib! wile, wile! wüle, wüle! hüle, hüle! Heise, Heise! Um Wurzen jagt man die Gänse fort mit dem Rufe: Hutsch'. In Lberbobritzfch ist Bäue Rufname für die Enten, die in Schweinsburg gelockt werden mit dem Rufe: Alle Hepp, Hepp oder alle riep, riep! Die noch mit gelbem Flaum bedeckten Gänschen ruft man als Wiwele an und nennt sie Grusle, die jungen Gänse aber Heise oder Heuseln (Frohburg, Langenchursdorf). AIS jung« Gänseriche werden unter dem Namen Gakriche auch junge Burschen bezeichnet. Der alte Gänserich oder Gänschert muß sich dagegen im Niederlande die Ab kürzung Gänsch gefallen lassen (in Gölzern sagt man beim Skat: Die Vorhand ist so viel wert, wie em neu- melkner Gänsch), während der Enterich (um Leipzig und Oschatz) Wantrich oder Wenterich (in der Oberlausitz auch Bartschdch) heißt: unter Endlich versteht man (um Königstein) den Enderling, der auch in der Oberlausitz Enderlein, Andergl und ähnlich genannt wird (Zu schriften werden erbeten an den Ausschuß für sächsische Volkswörter Dresden-Altstadt, Breitestraße 7, 1) * „Narrenfang" ist der Titel eine« Lustspiel», da« Ernst v. Wolzogen in Gemeinschaft mit Paul Stark verfaßt hat Die Novität erlebt am 11. d M am Fürstl. Theater in Putbu« ihre Uraufführung. * Das Leipziger Stadtheater hat für die kom mende Spielzeit unter anderen folgende Werke zur Ur aufführung angenommen: „Der Froschkönia", Komödie in drei Akten von Dietrich Eckart; „Ich lasse dich nicht", drei Phasen eine« Jungqeseüen- dramaS von Heinz Tovote; „Störtebecker", Trauer spiel in fünf Akten von Rolf Wolfgang Marten«.
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