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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.07.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050704029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905070402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905070402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-07
- Tag1905-07-04
- Monat1905-07
- Jahr1905
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BezugS-Preiö 1» H« Hauptcrpedttstm od« d«« A«-ga-»> stell« abgehottr vierteljährlich 8.—, b«t »weimaliger tstgltch« stB H«M ^-8.75. Durch die Poft bezog« für Drutfch- land n. Oesterreich viertrljührltch ^l 4.50, für die übrig« Länder laut AeitunqSpreirliste. Diese Nu«»« tastet 4 41 MO ans all« Bahnhdf« und III I bei d« ZeitungS-BrrkLuser» I * Aedaktto» >mH Sr-edttia». 153 Fernsprecher 222 Johan ni-gass« L Haupt-Ailtalr Dresden: Marien strotze 84 (Fernsprecher Amt I Sk. 1718), daopt-FMak verN«: SarlDuncker, Herzal.Bayr^ofbnchbandla- Ätzowstratze 10 (Fernsprecher Amt VI Nr. 46031 Nr. 335. Abend-Ausgabe. MiWgcr TllgMM Handelszeitung. Amtsblatt des Hönigl. Land- und des H'önigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeianttes der Ltadt Leipzig. Dienstag 4. Juli 1905. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2ü Familien- nnd Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen. Erschüft-anzeigen unter Text oder an besonderer Stelle nach Taris. Die tgespailene Reklamezrilr 75/C- Annabmeschlutz für Nnzetseu: Adeud-AuSgab« vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- au dir Expedition z«richten. Extra-Beilagen («nr mtt der Morgen- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh v bi- abend- 7 Uhr. Druck and Verlag von G. Palz tu Leipzig (Inh. vr. «., R. L W. «linkhardtl Herau-gebcrr vr. Victor Kliukhardt. 89. Jahrgang. Var AiMgsle vom Tage. * Nach einer Berliner Meldung wird eine Anzahl von Reichstagsabgeordneten die Ferienruhe zu einem Aus flug nach Kamerun und Togo benutzen. * Der Zustand der erkrankten Mutter des Graf- Regenten von Lippe-Detmold, der Gräfin Karoline, soll hoffnungslos sein. (S. Dtsch. Reich.) * In Wilna in Rußland ist die Cholera aus gebrochen. , * In Warschau ist ein Polizei-Revieraufseher von jüdischen Arbeitern ermordet worden. (S. d. Art.) * Fünf Offiziere des „Potemkin" sind in Peters burg eingetroffen; in Cherson ist Oberst Davivow, Kom mandeur des DisziplinarbataillonS, von meuternden Soldaten ermordet worden. Der russische Kriegsminister Sacharow ist in den Reichs rat berufen und an seiner Stelle General Nediger zum Kriegsmlnister ernannt worven. * Der Admiral Nebogatow hat aus Petersburg die Mitteilung erhalten, daß der Zar seine Rückkehr in die Heimat vor Einstellung der Feindseligkeiten nicht wünsche. gewamsten in Furrlanü. Fürst G. Gagarin über die russische Flotte. Ein hochgestellter Russe, Fürst G. G ci g a c i n, dec in der durch die Unfähigkeit der Führer tür Rußland zur Katastrophe gewordenen Seeschlacht bei Tsuschiina einen Sohn verloren hat, übt in der in -^rlin ec scheinenden Zeitschrift „Der Deutsche" an den Zuständen auf der russischen Flotte, zumal auf der Flotte des Schwarzen Meeres, in scharfer Weife Kritik. Aus seinen Ausführungen, die cs einigermaßen begreiflich erscheinen lassen, wie diese Zustände unter der weißen Flagge mit dem blauen Andreaskreuz sich herausbilden konnten, teilen wir mit: „Es ist kein Wunder, daß zu solchen Führern (wie sie in der Schlacht bei Tsuschi m a sich gezeigt haben) die Mannschaften kein Vertrauen haben. In der ganzen Marine heißt es: unsere Brüder sind in Ostasien ersäuft worden. Unter den jüngeren Offizieren gibt es zwar manche Talente, aber auch sie gewöhnen sich an den Schlendrian, wenn sie erst ge merkt haben, daß Protektion mehr hilft wie Tüchtig, keit. Wer „den Papst zum Vetter hat", drückt sich frech von jedem Dienst. Am schlimmsten steht es in dieser Beziehung auf der Schwarz-Meer- Flotte. Man weiß, daß man in einem muiv eluusum sitzt und lediglich in dein höchst unwahrschein- lichen Fall, daß cs Krieg mit der Türkei gibt, in die Verlegenheit käme, Waffenruhm zu erwerben. Daher ist Sewastopol zu einem Capua geworden. Ein Unterleutnant auf einem Panzerschiff verläßt nachts die Wache, zieht sich aus und legt sich in seine Koje; als man ihn weckt, fängt er an zu schimpfen. Ein Leutnant, der ein Torpedoboot auf der Reede kom mandiert, fährt am Abend entgegen dem Befehl in den Hafen; draußen fei es zu kalt gewesen. Diese beiden Fälle sind als typisch von der Admiralität veröffentlicht worden, die Offiziere aber kamen mit Urlaubsentziehung und ähnlichen leichten Strafen davon. Natürlich machen es die Matrosen den Offizieren nach, obgleich ihnen barbarische Strafen drohen. Trunkenheit ist, auch im Dienst, das häufigste, geprügelt wird dafür allwöchentlich. In Kronstadt, inReval, in Libau, in Sewasto pol werden die Urlauber immer in Wagenladungen sinnlos Betrunkener von Patrouillen in den Hafen kneipen zufammengesucht. Unsere Flotte ist wie die der südamerikanischen Republiken, nie sehr zuverlässig gewesen, und in der Peter Pauls- Festung wurden eipinal zehn Seekadetten in einer Reihe wegen nihilistischer Umtriebe gehängt. Es scheint beinahe, als solle Buchwostow recht be- halten mit den Worten: „Wir waren nie Seeleute und werden es nie sein!" Und doch könnte auch dieses Iämmerlingswort seine Geltung verlieren, wenn nur mal jemand mit eisernem Besen die Flotte säuberte. Der Großfürst-Generaladmiral hatte als Lebemann zu wenig Interesse dafür. Aber es gibt genug andere tüchtige Leute, die man nur zu finden verstehen muß. So, wie es jetzt steht, i st die Flotte nur wert, ganz zu Grunde zu gehen. Dafür können wir uns auf unser Heer Verla'sen. Dieses wird von dem Gros der Bauernschaft ausgcfüllt, und die ist brav und treu, obwohl sie vom Kulak (dem Dorfwucherer) und dem Steuererheber oft bis aufs Hemd ausgezogen wird. Mit seinen Landlenten kann der Zar getrost ein neues Rußland erbaue n." Die Meuterei in M-essa. Das Schicksal des „Potemkin". Ans Odessa wird gemeldet, daß der Panzer „Pobjcdonoszew" abgerüstet und die Mann schaft pensioniert wurde; 40 Rädelsführer sind in Haft geblieben. Das Panzerschiff ist nach der neuesten Auf- klärung vor Odessa auf eine Sandbank ge raten und konnte sich deshalb dem „Potemkin" nicht anschließen. In Petersburg sind fünf Offi ziere des „Potemkin" heute eingetroffen und vom Marineminister Ave Ilan empfangen worden. Nack einer Depesche aus Odessa brachte die von Nikolajew cingetroffene Jacht „Eriklik" 17 Offiziere des „Pobjcdonoszew" mit sich, die, als sich die Mannschaft des „Pobjcdonoszew" mit der des „Knjäs Potemkin" vereinigte, nach Totinowka transportiert worden waren, von wo sie sich nach Nikolajew begeben hatten. Es geht das Gerücht, daß sich einer der in Dofinowka gelandeten Offiziere erschossen habe. Der Torpedobootszer störer „Stremiteln y" hielt auf hoher See in der Nähe von Odessa den englischen Dampfer „Granley" an und brachte ihn nach Odessa, man arg wöhnt. daß das Schiff an der Meuterei auf dem „Knjäs Potemkin" beteiligt sei. Man sagt, daß Mitglieder der revolutionären Partei, die sich auf dem Panzerschiff befanden, auf den „Granley" übergesetzt worden seien. Gemeldet wird ferner: * Odessa, 8. Juli. Heute ist in mehreren großen Fabriken die Arbeit wieder ausgenommen worden. In fast allen Stadtteilen ist der freie Verkehr wieder gestattet. Etwa 20 000 Arbeitslosen wird durch Auf- räumungsarbcitcn im Hafen Beschäftigung gegeben. Der Torpedobotszerstörcr „Smetliwiy" hat den Be- fehl erhalten, den „Potemkin" aufzusuchen und zum Sinken zu bringen. * Bukarest, 4. Juli. „Knjäs Potemkin" dampfte um 6 Uhr abends aus dem Hafen Küstendsche ab. Auf dem Panzer soll Verzweiflung herrschen. Die Meuterer erklärten, sie führten Krieg gegen Rußland. Den „Potemkin" kommandiert ein junger Kadett. Man glaubt, der „Potemkin" werde abermals nach Odessa fahren, um es zu bombardieren. Ueber den Aufenthalt des „Potemkin" vor Con sta n tz e hat der Hafenkapitän erzählt: „Ich wurde an Bord mit den üblichen Ehren empfangen: anstatt des Kommandanten empfing mich ein S e e k a d e t t, welcher mir erklärte, daß das Kriegsschiff das von Odessa ge flüchtete Schlachtschiff „Potemkin" sei. Ter Kadett schilderte den Ausbruch der Revolte in der bekannten Weise und sagte: „Die von Sewastopol eingetroffene „Escadre", weit davon entfernt, die Kaperung des „Potemkin" zu versuchen, begrüßte die Meu ternden mit den Rufen: „Es lebe das neue Kommando!" Die Darstellung des Negierungsbsten Der „Petersburger Rcgierungsbote" veröffentlicht eine amtliche Mitteilung, in der es heißt: Am 25. Juni hielten Abgeordnete verschiedener Fabriken eine Versammlung ab, uni den allgemeinen Aus- stand zu erklären. Tie Teilnehmer an dieser Ver sammlung wurden verhaftet. Bei einem der Ver hafteten wurde ein Brief vorgcfunden, aus dem hervor ging, daß die Absicht bestand, den örtlichen Polizei kommissar zu ermorden. An den folgenden Tagen wurden weitere Verhaftungen vorgenommen. — Am 26. Juni versammelten sich die Arbeiter in der Räbe einer Fabrik, um gegen die vorgenommenen Verhaf tungen zu protestieren. Als sie aufgefordert wurden, auscinanderzugehcn. warfen sie mit Steinen gegen die Polizei und schossenaufdieTruppen. Nachdem noch mehrmals die Aufforderung, auseinan derzugehen, wiederholt worden war, gaben 12 Kosaken eine Salve ab, wobei zwei Arbeiter getötet und einer verwundet wurde. — Die Fabriken wurden gezwungen, die Arbeit einzustellen. Es wurden Barrikaden errichtet und auf die Polizei geschossen. Fünf Polizei beamte wurden verwundet. Abends besetzten die revol tierenden Arbeiter eine Eisenbahnlinie in der Umgebung der Stadt, hielten den Zug an und zwangen die Reisenden, auszusteigen. Dann zertrümmerten sie die Wagen. In der Nacht wurde die Eisenbahnlinie vom Militär besetzt. — Gleichzeitig mit den Unruhen in der Stadt fanden solche auch unter der ländlichen Bevölkerung des Kreises Odessa statt, doch kam es hier nicht zu Gewalttaten. Die Unruhen arteten in offene Revolte aus, als das Panzerschiff „Knjäs Potemkin" auf der Reede von Odessa ein traf. Vom Schiffe aus wurde ein Boot mit derLeiche e i n e s M a t r o s e n an Land geschickt. Tausende von Arbeitern begaben sich' nach der Stelle, wo die Leiche niedergelegt worden war und wo von Agitatoren auf reizende Reden gehalten wurden. Nach den Aussagen eines Offiziers und Matrosen, die in der Nacht schwimmend ans Land gekommen waren, hatten sich auf dem „Knjäs Potemkin" folgende Ereignisse abge- spielt: Tas Panzerschiff war mit dem Torpedoboot 267 am 25. Juni von Sewastopol nach der Bucht von Tendrowo in See gegangen, um Schießübungen abzu halten. Am 27. weigerte sich die Mannschaft, das von Odessa geholte Fleisch zu essen, unter dem Vorgeben, daß cs verdorben sei. Auf Befehl des Kommandanten wurde die Mannschaft aufs Deck gerufen, und der erste Offizier forderte diejenigen Matrosen, die sich nicht weigerten, das Essen zu genießen, auf, hervorzutreten. Als die meisten Matrosen vortraten, begann der erste Offizier, die Namen der übrigen aufzuschreiben. Da bemächtigten l sich die nicht Vorgetretenen der an Deck aufgestellten j Gewehre' und luden sie. Ter der Wache erteilte Befehl, zu schießen, wurde von dieser nicht ausgeführt. Der erste Offizier entriß darauf einem Manne der Wache das Gewehr und schoß zwei- oder dreimal auf einen Matrosen, den er tödlich verwundete. Hierauf gaben die meuternden Matrosen Salven auf die Offiziere ab. Hierbei fiel der Komman dant des Schiffes. Mehrere Offiziere stürzten sich ins Meer, wurden aber im Wasser durch Flintenschüsse und durch Schüsse aus den 47 - Millimeter-Geschützen verwundet. An Bord des Schiffes wurde nun ein Komitee von 20 Matrosen gebildet, das den Befehl des Panzers übernahm und anordnete, nach Odessa in See zu gehen. Das Panzerschiff traf am 27. Juni in Odessa ein. Am 29. Juni traf das Hafen- schiff „W e ch a" auf der Reede von Odessa ein und warf auf das Signal des „Potemkin": Gehorchet! hinter dem „Potemkin" Anker. Der Kommandant der „Wecha", der von der Meuterei an Bord des „Potemkin" nichts wußte, begab sich an Bord des „Potemkin", um sich bei dessen Kommandanten zu melden. Er wurde entwaffnet und mit den übrigen Offizieren der „Wecha" an Land gesetzt. Der „Potemkin" bemächtigte sich zweier Boote mit Kohle, die Privatleuten gehörten, und nahm die Kohlen mit Hülfe von 300 Hafenarbeitern an Bord. Die Meuterei an Bord des „Potemkin" bot den revolutionären Führern eine gute Gelegenheit, auf die Massen zu wirken. Bei ihrem Besuche auf dem „Potemkin" versicherten sie den Meuterern, die G a r n i- son von Odessa habe die Waffen niederge- legt und die ganze Schwarze Meer-Flotte habe sich der Besatzung des „Votemkin" ange- schlossen. In der Gegend des Hafens konnten die Truppen gegen die Arbeiter, die sich an den Unruhen be- teiligten, nicht von der Waffe Gebrauch machen, weil die Möglichkeit bestand, daß vom „Potemkin" gefeuert wurde. Die Menge beging im Hafen grobe Aus schreitungen; sie raubte die Gebäude aus und warf die Waren ins Meer. Mit Einbruch der Nacht kam an verschiedenen Stellen Feuer aus. Eine Anzahl Gebäude und große Mengen von Waren verbrannten. Die Menge ließ die Feuerwehr nicht zu den Brand stätten. Viele Tumultuanten, die sich betrunken hatten, kamen in den Flammen um. Nach einer von den Truppen abgegebenen Salve wurde eine Bombe geworfen, wodurch ein Soldat getötet und sechs verwundet wurden. Die Zahl der getöteten und ver wundeten Tumultuanten ist noch nicht bekannt. Die Häuser der fremden Konsuln haben keinen Schaden erlitten. Am 29. Juni wurde die Stadt in den Belagerungszustand versetzt und mit einem Truppenkordon umgeben, worauf die Unruhen aufhörten. Aus Ar»nsta-t kommt wiederum die Nachricht, daß eine Meuterei in der ersten und der sechzehnten Flotten equipage ausgebrochen sei. Hingegen meldet die Petersburger Telegrapheu-Agentur: Die umlaufenden Ge rüchte über Unruhen an Bord deS Kreuzer- „Minin", die dazu geführt hätten, daß der Kreuzer 25 Meilen von Kronstadt weggeschleppt worden sei, sind gänzlich unbe gründet. Der „Minin* hat den Hafen von Kronstadt im Mai verlassen und befindet sich jetzt bei dem UebungS- gesckwader in Libau. Der Befehlshaber der Flotte und der Häsen des Baltischen Meeres Vizeadmiral Nikon off er klärt, daß er nichts über irgendwelche Unruhen an Bord des „Minin" gehört habe. Aufruhr und -uMtärische Verbrechen in Cherson. Ein Telegramm aus der Gouvernementshauptstadt, das an die Revolte von Kursk erinnert, meldet den folgenden Zwischenfall: * Cherson, 3. Juli. Auf dem hiesigen Exerzierplatz warfen sich heute während des Exerzierens eine Anzahl Soldaten des DisziplinarbataillonS mit de« Bajo netten auf den Kapitän Mirgorodsky; dieser wurde leicht verwundet. Der Kommandeur des Bataillons Oberst Danidow stürzte mit gezogenem Säbel zu Hilfe und er hielt fünf Bajonettstiche. Dennoch führte er mit Hurra das Bataillon in die Kaserne, schrieb dort an den Kaiser, sank aber bald tot nieder. Von den au dem Verbrechen beteiligten Mannschaften sind acht entflohen, jedoch bis auf einen wieder cingcfangen worden. Lin unterdrücktes Manifest de» Jaren. Der Petersburger Korrespondent der „Boss. Ztg." meldet: In dem heute früh fälligen „Regierungsboten" forderte ein Manifest des Zaren Semstwos und Städte Feuilleton. 12, Die beiden Hallermunds. Bon A. Dom. «a<vdrucl verboten. Auf Loni machte seine Erscheinung entschieden Ein- druck, es lag etwas Erquickendes für sie darin, sie konnte eine ganze Zeit ihre beobachtenden Augen nicht von ihm wenden. Ganz zufällig hatten seine unruhigen Blicke auch Lonis Lauscherplätzchen gestreift und er schrocken bog sie sich noch tiefer zurück, obgleich sie aus dem ganz gleichgültig gebliebenen Ausdruck des etwas gelang- weilten Gesichts erkennen mußte, daß er sie nicht bemerkt haben konnte. Aus ihrem Versteck sah ihn Loni dann wie absichtslos den Trepvensäulen zufchlendern, wo halb verborgen, bescheiden, die Frau im grauen Gewände stand, und bei des Herrn Näherkommen nach weiter in den Schatten der Treppen und Pfeiler trat. Dann sprachen die Beiden einen kurzen Augenblick zusammen und schon in der nächsten Minute befand sich der Herr bereits wieder mitten In der Gesellschaft. „Ich muß jetzt hinunter, Fräulein!" sagte Frau See- bach, „— und ich glaube auch, Sie haben genug davon. — Gelt? — Sind nun müde? Ihr Zimmer findest Sie ja! Also gut. Da schlafen Sie sich nur ruhig aus, werden nicht allzu früh verlangt werden, denn was nicht mit dem Extrazug in der Nacht fortfährt, geht gleich nach dem Frühstück morgen!" Loni reichte der Frau die Hand. „Ich danke Ihnen recht herzlich, Frmr Seebach, Sie haben sich meiner so gütig angenommen und mir den Einzug in das fremde Haus leicht gemacht." „Nun warum sollte ich auch nicht! Hab's gern getan! Und was ich noch sagen wollte — na ja also — alles Ge schäftliche, alles was Sie so wissen müssen, macht der Graf ab, — die Gräfin kümmert sich um nichts!" — Loni machte erstaunte Augen. „Auch nicht um die Erziehung Ihrer Tochter?" „Glaubs nicht! — Unser Comteßchen, ist ihre Stief- tochter, aber die Kleine hängt sehr an ihr, und Cointesse Ulla weiß auch nicht anders, als daß es ihre eigene Mama ist. Na, na, das werden Sie schon alles ausfinden und erkennen, für heute Abend zerbrechen Sie sich den Kopf nur nicht darüber, und wie gesagt, schlafen Sie recht lange, ich lasse Ihnen daS Frühstück aufs Zimmer brin gen, bis für Sie alle Anordnungen im Haushalt ge troffen sind." X Und in der Tat, als Loni am anderen Morgen er- wachte, wunderte sie sich selber über den tiefen, festen Schlaf, der sie alles hatte vergessen lassen, sogar das Träumen. Sie rieb sich die Augen, besann sich ein Weilchen und tvar plötzlich mit beiden Beinen aus dem Bett heraus. Die Wintersonne drang durch die gelben Leinen- roulcaux gedämpft in das freundliche Schlafzimmer und ein leises Prasseln und Knacken verbrennender Holz scheite, das sie vom Nebenzimmer vernahm, belehrte sie, daß man dort ein Feuer im Ofen angezündet hatte. Es war im sogenannten Schulzimmcr und als Loni, neugierig die Tür öffnend, erst vorsichtig durch einen Spalt hindurch beobachtete, fand sic bereits auf einer Ecke des Tisches das Frühstück ihrer harren. Sie zögerte nun auch nicht länger, zog sich fix und fertig an und zwar wählte-sie das neue, graue, sehr gut sitzende Kleid, welches ihre schlanke Figur sehr vorteilhaft her vorhob. Ihr reiches, schönes Haar ordnete sie sorg fältig und setzte sich dann mit dem gesnndesten Appetit zu ihrem Frühstück nieder und wartete auf den Augen blick, wo man sie rufen würde. Von dem Schlafzimmer der Kinder drang kein Laut zu ihr und als sie, müde des Wartens in das vordere Schlafzimmer trat, fand sie Fenster und Türen offen stehen, die Betten ausgelegt und niemand im Zimmer. Loni vergaß, daß sie bis spät in den Morgen hinein ge schlafen hatte und daß es nun bereits elf Uhr geworden war. — In der Stille und Einsamkeit, die sie umgab, be mächtigte sich ihrer doch schließlich eine nervöse Unge duld, die sich qualvoll steigerte als es zwölf Uhr schlug, und sie atmete ordentlich auf, als eines der Hausmädchen kam und die Botschaft brachte, daß der Herr Graf das Fräulein zu sprechen wünsche. Loni folgte dem Mädchen, das sie bi- in die erste Etage geleitete. Dann übernahm ein Diener die Füh. rung und meldete sie bei seinem Herrn an. Loni trat in ein großes hohes Gemach, dessen Eichen täfelung an den Wänden von mächtigen Bücherschränken unterbrochen wurde. Von den Bogenfenstern waren die dunklen, schweren Vorhänge weit zurückgezogen, so daß das Licht ungehindert in jede Ecke des großen Raumes dringen konnte. Ein geschäftlich aussehender Schreib tisch stand vor dem einen Fenster, bequeme Ledersessel umgaben einen runden Tisch in der Mitte, zwei schöne Büsten, eine vom alten Kaiser Wilhelm, die andere von Bismarck, standen auf schwarzen Marmorsäulen in der Nähe des Schreibtisches, über dem reichgeschnitzten Kamin hing eine köstliche, lebenswarme Landschaft, so wundervoll gemalt, daß man mitten darin zu stehen, das welke Laub rascheln zu hören glaubte, daS unter Eichen bäumen im Hellen Sonnenlicht goldig schimmerte. Ter Graf hatte sich bei Lonis Eintritt erhoben und kam ihr mit ausgestrcckter Han- freundlich entgegen. Au der anderen Hand hielt er feine kleine Tochter, die sich ettvas verlegen, halb und halb zu verbergen suchte. „Seien Sie willkommen, Fräulein von Haller mund!" sagte der Graf. — „Sie sind gestern Abend in ein recht unruhiges Haus gekommen, und ich war froh, von Frau Seebach zu hören, daß man alles für Ihre Ankunft vorbereitet hatte." „Ja gewiß, Herr Graf, und Frau Seebach hat sich meiner mit großer Freundlichkeit angenommen!" „Die gute Seele! Sie gilt viel bei uns, und Sie können in keine besseren Hände fallen. . . . So, und dies ist Ulla, Ihre Schülerin, Fräulein, die soeben ihrem Papa versprochen hat, sehr brav und fleißig zu sein." Loni reichte dem Mädchen die Hand. „Wollen wir
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