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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.11.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19271116016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19271116
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1927
- Monat1927-11
- Tag1927-11-16
- Monat1927-11
- Jahr1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 16.11.1927
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Eine Wiener Rede Stresemanns. Aerztliche Abhilfe gegen Nervosität. - Wenn man Nachdenken wollte, was in Locarno beabsichtigt war! Empsang in -er deutschen Gesandtschaft in Wien. Wien, 15. Nov. Zu Ehren des Reichskanzlers Dr. Marx und des Reichsminiirers Dr. S I r e i e m a » n fand heute nackniitlag in Sen Räumen der deutsche» Gesandtschaft et» Empsang der rcichsdeutschen Kolonie statt. Dabei ergriff Reichskanzler Dr. Marx das Wort zu einer längeren Rede, in der er aus den Zweck des Wiener BeincheS einging, der Empfindung des gesamten deutschen Volkes Ausdruck zu geben. „Wir woben durch die Tat und durch die Wiederholung unseres Besuches unsere sreundichastlichcn Beziehungen betonen. Wir lieben das österreichische Volk, und der Empsaug. den wir hier ge sunde» habe», zeigt «nS. dass die österreichische Regierung und das österreichische Volk Wert darauf legen, diese srcund- lchastiichcn Beziehungen ebenio zu pflegen, wie wir. Dr. Marx gab daraus seiner besonderen Freude Uber die Bildung einer Arbeitsgcmeinschast der rcichsdeutschen Vereine in Wien Ausdruck und betonte tn diesem Zusammen hang die ausserordentliche Bedeutung der Einigkeit sür das deulichc Volk, das einig sein müsse, um sich durchsetzen zu könne». Der Reichskanzler schloss: ..Wir gehen einer neuen Zeit entgegen. Fch habe das EmpZi'dcn, dass wir an der Schwelle einer wichtigen K u I t u r c » t w i ck > n » g sieben, einer Zeit. I» der die Völker uciteiier» werden, nicht die WcE'-n zu schmieden, wohl aber idrr ku!ti">'"e Entwi^luna möglichst zu cntsaltcu. Fn diesem Wettkamps wird das deutsche Volk eine ganz bedeutende Rolle zu spielen haben, da iowohl tu Wien als auch im Reiche uralte Kultur vorbanden ist. die wir der. Welt und den a-tn-ren Bö kern zu geben haben. Bereits anerkennt die Welt wieder, welche wertvolle Kultnrentwicklung vom deut schen Bolk ausgeht." S!re emann an die Weltpresse. Anschliessend an den Empfang der reichödcutschen Kolonie sand ein Empfang der Rcrtreter der in- und ausländischen Presse »all, bei welchem Rcichaaussenministcr Dr. Ltrcsemann n. a. ausfnhrte: Das. was politisch über die Empfindungen, von denen wir bci diesem Besuche ausgegange» sind, darzulegen ist, ist gestern in den zwischen dem Bundeskanzler und dem dcnl- schcn Reichskanzler gewechselten Ansprachen zum Ausdruck gekommen. Es ist schliesslich ganz selbstverständlich, dass, wie !>ic Staatsmänner z. V. in Genf, jede Gelegenheit benützten, um ihre Ansichten über jene Fragen, die sic speziell angchen, luiszniauschen. das natlirgcmäss auch zwischen »ns geschehe» ist. Wir sind Nachbarländer, mir sind Länder derselben knl- turgcmcinschast. Niemals bat das Feuer der deutschen Kultur- gemein scha ft alle, die deutschen BiutcS sind, so stark erwärm«, wie in der Zeit, seitdem der grosse Krieg neue Grenzen geschaffen und die alte Stellung, die wir in der Welt hatten, hcrabgcmindcrt hat. Man hat entdeckt, dass wir schrittweise den Weg dcS An'ch'iiss s geben und allerhand vorhättcu. z. N. daS Pichvilu», zwischen Oesterreich und Denischtand abaescknskt haben Zch persönlich stehe an? dem Standpunkt, dass das Passvisum zwischen sämtlichen Ländern der Erde sc früher desto besser abgcschasft werden sollte. Wenn man in der Zeit der WeltwirtschaftSkonserenz, in einer Zelt, wo man von den Bereinigten Staaten von Europa spricht, schon darüber nervös wird, dass daS Pah visnm zwischen zwei Staaten adgcschasst wird, so mnss die Nervosität schon einen sehr star ken Grad angenommen haben, und verlangt drin gend nach politisch-ärztlicher Abhilfe. Denn weiterhin davon gesprochen wird, dass wir an der N e ch I s a n g l e i ch u n g zwischen Deutschland und Oester- reich arbeiten, so hoffe ich. dass das nicht das einzige Gebiet bleibt, aus dem man sich Nber die Grenzen hinaus für gemein same Verständigung die Hand reicht. Wer überhaupt tn der internationale« Politik für Bcrständtanng elntritt. darf sie nicht da angrelsen, wo sie sich aus der Theorie in die Praxis nmzusessen be ginnt, wenn er es ehrlich mit sclner Theorie meint. Die von Baldwin und Briand in zwei bedeutsamen Neben in der letzte» Zeit gemachten Ausführungen haben mich mit Genugtuung erfüllt. Brtand hat davon gesprochen, dass eine Politik des Frieden» die Politik der Sicherheiten nick» ausicbliesse Die beste Sicherheit für die Erhaltung de» Frieden- ist die Bekämoknng de» Misstrauen» zwischen den Nationen Für un» in Deutschland ist der Gedanke, dass nnr eine friedliche Entwicklung überhaupt die Möglichkeit einer Wicdrkansrschtnng Europa» aib«. eine Selbstverständlichkeit. Hinter dicier Po'stik sied« eine so grosse Mehrheit de» brut schen Volke», dass dlcsenigcn extremen Splitter von link» nnd recht», die sich ihr nicht anichliessen. keine Bedeutung de- nninmche» könne«. Dt« ältesten Zusammenhänge t« der Weltwirtschaft sind heute zerrissen und bis heule noch nicht ans den »ormalcn Stand gebracht. Der einzige feste Boden, ans dem die Wirtschaft gedeihen kann, ist vernichtet. Es wäre ein Verbrechen, wenn irgend ieinand auch nur den Finger dazu böte, eine Wiederholung dieser Kata strophe hcrbeizusühren. Obwohl hinter uns, die wir wohl alle aus diesem Boden stehen — und schliesslich ist das ja der Sinn der Verträge von Locarno — das Weltgcwisicn steht, bedars cS trossdcm noch gewisser N»strc»au»oen, um die jenigen zurückzuwciscu. die dieses Borwärts- sch reiten stören wollet». Wenn ich davon spreche, dass hinter dieser Politik in Deutschland die ganze grosse Mehrheit aller Parteien steht, und wenn man in diesem Zusammenhang aus die Extreme hinwcist, so sind diese ja erst durch den Krieg geschaffen wor den. Wir hätten das Extrem der äusseren Linken nicht ohne die Verwirrung >r Kriegs- und Nachkriegszeit, und wir hätten das Extrem der Lnssersten Rechten nicht, wenn nicht bei nnS dnrch den Krieg und durch die Nachkriegszeit die gute Mittellago des StaatSschisfes,' sein Bürgertum und sein Bauerntum, da» am besten die ruhige Fahrt dcS Staats- ichissrs gewährleistet, so proletarisicrt wäre, wenn nicht daS, waö die Menschen als sittliche Grundlage des Volkes arischen, so ans de» Kops gestellt worden wäre, dass der Mann, der die meisten Opfer sür den Staat gebracht hat, zum Bettler geworden wäre. DaS dars aber nicht hindern, dass diejenigen, die sich mit der grössten Energie und Tatkraft an de» Wiederaufbau Deutsch lands gemacht und erkannt haben, dass dieser Wiederaufbau n»d der Wiederaufbau der Welt nur aus friedlichem Wege geschehen kann, sich gegen alle wenden, die diese Ent wicklung irgendwie gefährden. Gegenüber den kürzlich über eine Differenz bezüglich der DawcS-Vereinbarnngcn ge hegten Vermutungen weise ich daraus hi», dass bisher die feste Ordnung des Ncparationsplancs eingehakten wurde, und dass die Absicht der Rcichsregierung und ihr fester Wille ist, an dieser Grundlage sestzuhalten. Wenn einst eine Neuordnung der grossen internationalen Finanzverpslichtungen eine Neuordnung auf der jetzigen Vasis ans Grund wirt- schastlicher Erkenntnis bedingt, wird die Zeit gekommen sein, durch die Finanzsachverständigen der Welt zn prüfen, welche neue Form sür die Lösung dieser Frage zu sordern sei. Wenn man Nachdenken wollte, waS mit der Etappe von Locarno beabsichtigt war. könnte man auch zn dem Ergebnis kommen, dass beispielsweise i»it einem ewige» Frieden am Rhein, mit der gegenseitigen Zu sicherung, dass nie wieder der Kampf die Menschen an diesem Strom trennen würde, und damit, dass eine der grösste» Machte der Welt diese Verpflichtung übernommen hat, über diesen Friede» zn mache». eine weitere Belegung dcutschcn Bodens weder logisch noch moralisch vereinbar ist. Wir haben mit einer ganzen Reihe von Staaten LchiedsgertchtSvcrträgc abgeschlossen und sind dann eine» Schritt weitergcgangcn. Wir habe» aus der Tagung des Völkerbünde» in Gens de» Beitritt Deutschlands zur Faknltativklausel des Haager Schiedsgericht» erklärt. Aber wir sind bisher die einzige grössere Macht, die das ohne Reserve getan hat, und ich möchte auch hier der Hoffnung Slnö- di nck geben, dass dieser erste Schritt die Schritte anderer nach sich zieht. Wir hören in der heutigen Zeit davon sprechen, dass man den Frieden organisieren müsse. Unzweifelhaft! Aber zur Organisierung des Friedens gehört anch unzweifelhaft die Bekämpfung der Organisierung des Krieges! Dass auf dem Gebiete der Abrüstung diese Organisierung de» Friedens bisher wenig Fortschritte gemacht hat, das ist das einzige, was den Pessimisten recht gibt, die sich gegen die Entwicklung der europäischen Politik wenden. Ich gebe scdoch die Hoffnung nicht aus, dass die Beratungen und Be- sprechungcn tn Genf, bci denen nebeneinander einmal das Problem der Sicherheit und zweiten» das Problem der Abrüstung zur Sprache kommt, von dem Gedanken der gegenseitigen Verständigung, von dem Gedanke» de» Fric- dcnö elngegebcn sein mögen, die die einzige Gewähr eines Resultates in sich tragen. Wir wollen unserseits setzt anch ans wirtschaftlichem Gebiete die NachkriegSwirknngcn zn de» festigen suchen und die gleichfalls notwendige wirtschaftliche Annäherung pflegen. Wir stehen mit versch'cdencn Nachbar völkern im Osten vor solchen Problemen, «nd ich bin auch hier überzeugt, dass e» von dem guten Willen abbängia sein wird, ob ein Resultat erzielt wird, da» Ich meinerseits herzlich er» Hofs«. Der Mitarbeit der deutschen Negierung bei der Lösung all dieser Fragen können die anderen Völker versichert sein Wenn Locarno ein Symbol sür Ausschluss de» Kriege» nnd der Gewalt, «nd daher Snmbol für einen Wettstreit aus dem Gebiete der Kultnr nnd der Emporentwicklnng der Mensch beit ist, dann möchte ich wünschen, dass der gemeinsam be treten« We« ,» eine« Loearn, aller Völker führen möge. Der Wiener Besuch. Die aufrichtige Freude, mit der Wien nnd ganz Oester, reich die deutschen Staatsmänner bcgrüsst hat. der Ton warmer Herzlichkeit, der in allen offiziellen Veranstaltungen dieser Tage zu spüren war, haben nur non neuem bestätigt, ivas wir alle wussten. Aus jeder Rede klang es heraus, und unausgesprochen lag cs in jeder Geste: Unzertrennlich gehören unsere Völker zusammen, und in unserem Sinnen und Trachten ist der Anschluss eine längst vollzogene Tatsache, wenn auch die staatsrechtliche Sanktion noch fehlt. Wenn dieses Ergebnis der Wiener Tage anch nichts Neues ist, wenn auch umwälzende Massnahmen politischer Art nicht vor bereitet werden konnten, so war es doch gut und notwendig, dass die stillschweigende Entwicklung dieses unabänderlichen deutsch-österreichischen SchickjalsgangeS wieder einmal vor »Der Welt cmfgezeigt wurde. „Nie davon reden, immer daran denken!", war seit 1871 die Parole der Franzoscii tn Ihrer auf die Rückeroberung der verlorenen Provinzen gerichteten Politik. Heimlich, im Halbdunkel der kabincttsdiplvmatie, wurden jahrzehntelang die Fäden gesponnen, die zur Revanche führten. Das kann aber nicht unsere Methode sein, um das schreiendste Unrecht der Friedcnsdiktate von Versailles und St. Germain wiedergntzumachen und die Anwendung des Selbstbcsliinmungsrechts auf alle Völker zu erzwingen. Still schweigen hat nur zur Folge, dass jede Anschlnssbestrebung wie ein verbrecherischer Anschlag aus die Sicherheit Europas ansgelcgt wird. Laut und öffentlich muss deshalb unser An spruch immer wieder verkündet werden, allen Neidern und Gegnern zum Trotz. Wir haben nichts zu verbergen in unseren Wünschen: alle Welt kennt sie. und nur armselige Missgunst kann ihre Erfüllung noch verhindern. Darum ist es nur natürlich, dass die Wiener Reise de? Reichskanzlers »nd des AusscnministerS in der deutschen und der österreichischen Ocssentlichkcit Veranlassung gegeben hat. die einigende Schicksalsfrage in ihren neueren Wandlungen zu erörtern. Um so mehr muss es befremden, dass das Aus land, soweit cs den beiden Ländern ungünstig gesinnt ist. hinter den Wiener Ereignissen und Gesprächen den Keim neuer Gefahren für den Frieden Europas vermutet. Es ist doch sonderbar! Wenn der französische Staatspräsident und sein Ausseiliniilister mit grossem Pomp nach London reisen und dort in feierlichen Erklürunaen die Lntonts oorckials erneuern, so soll das die natürlichste Sache der Welt und insbesondere für die Opfer der alte» Entente belanglos sein. Jeder Zweifel daran wird mit Entrüstung zurück gewiesen. Wenn aber nach langer Zeit deutsche Staatsmänner einen treuem Zusammengehörigkeitsgefühl entspringenden Höflichkeitsbesuch bci dem Brudervolk in Oesterreich wieder holen, so werden in dieser „stetig wachsenden Zusammen arbeit" Gefahren für zukünftige Konflikte besorgt. Uevcrall, in Paris, in Prag, in Rom, horcht man ans »nd glossiert die kanzlerrrise in düsteren Betrachtungen mit der warnen den Pointe: „Achtung, es wird wieder über den Anschluss verhandelt!" Aber womit soll ein Verbot der zwanglosen Debatte über den Anschluss begründet wer den? Man verweist immer wieder aus die Friedciisverträgc, die jeder Zusainmenschlnssbcwcgnng cntgegenstehen. Aber doch niit einer sehr wichtigen Einschränkung! Denn nach Artikel 88 des Vertrages von St. Germain gilt „die Un abhängigkeit Oesterreichs" als „unabänderlich", wenn nicht „der Rat des Völkerbundes einer Abänderung zu- sllrnmt". Oesterreich hat durch die Unterzeichnung dcS Ver trages nur die Verpflichtung übernommen, keine Hand lung zu unternehmen, die seine staatsrechtliche Stellung ändern könnte, ohne Zustimmung des Rates. Anderseits wurde im Rahmen der politischen Bestimmungen des Ver sailler Vertrages über Europa festgelcgt, dass Deutschland die Unabhängigkeit Oesterreichs In den fcstaelegtc» Grenzen anerkennt »nd sich verpflichtet, diese unbedingt zu achten, anher wenn der Rat des Völkerbundes einer Abänderung zuslimme. Mit diesen Bestimmungen ist eine Verhinderung der vorbereitende» Anschlnssarbeit nicht ausgesprochen: es ist nur gesagt, dass der Weg der Verwirklichung des Anschlüsse» über den Völkerbund geht. WaS soll illegal, was sriedensgefährdend daran sei. wenn Deutschland und Oesterreich gemeinsam diesen in den Verträgen oorgezcichiictcn Weg gehen? Die politischen Schwierigkeiten, die von dem A^eopag in Gens dem setzt wieder zum Ausdruck gekommenen glühen, den Wunsche der Oesterrcichcr nach der Heimkehr ins Reich entgegengesetzt werden, gründen sich ja nur auf eine tn Paris auSgedachtc Verlogenheit. Die angelsächsischen Völker haben tm Grunde nicht» mehr gegen den Anschluss. Immer
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