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Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188804283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880428
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880428
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsischer Landes-Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-04
- Tag1888-04-28
- Monat1888-04
- Jahr1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.04.1888
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Nr. 98. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de» folgenden Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische LaudeS-Auzeiger" mit täglich einem besonderen Unter« Haltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen nionatlich70Pfg., bei den Post-Anst. 75 Pf. (1888er Ztgs.-Preisliste Nr. 5035.) Sächsischer Mkizkr Sonnabend, 28. April 18M- »n,ei,enpnir»««.,sich». Sai,dt-.stn,eien»': kaum einer schmalen EorpuSzeile lii Pfg. Bevorzugte Stelle (lsvalt.Petitzeile) 30 Pf. LeiWiederholunggroberAnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von Auswärt» wolle man ZnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifügen ne 8 Silben CorpuSschrist bilden ca. 1 Jene.) Annoncenannahnie nur bi» Vonnittag. Illustr. Kalender des Sächsischen Sandboten. JllnstrirteSZahresbuchdesSandes-AuzeigerS. mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger^ Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Bnchdrnckerei, Clicinuitz. Theaterstrabe 5 (Fernsprechstelle Nr. 136). Telegr.-Adr.: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit tnqlich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Untcrhaltiingsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeit,«ng 5. Illnstrirtrs NnterhaltnngSblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Für die Monate Mai »nd Juni nehmen die Ausgabestelle» in Chemnitz und Umgegend zum Preise von 140 Pfg. (die Postanstalten zu 150 Pfg.) Abonnements-Bestellungen auf den Sächsischen Landes-Anzciger entgegen. Der Sächsische Landes - Anzeiger ist in der deutschen Post-Zcitungs- Prcislistc unter Nr. 5035 (in der österreichischen unter Nr. 2307) eingetragen. Im Monat Mai wird allen Abonnenten vollständig gratis als Extra beigabe geliefert: Eisenbahn-Fahrplanhcft für Sachsen (Sommer-Halbjahr 1888). Dieses Eiscnbahn-Fahrplanhcst ist in Umschlag geheftet und enthält in sauberem deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlichcr Strecke» des sächsische» Eisenbahn-Netzes nebst de» Anschlüssen sowie mit Angabe der Entfernungen und der Fahrpreise. Preis dieses Heftes für Nicht-Abonnenten 20 Pfg. Ferner erhält jeder ucnbeitretende Abonnent, welcher die Abonnements- Quittung (Post-Abonnenten wollen lO-Pfg.-Marke für Porto beifügen) direct an die Verlags-Expedition cinscndct, vollständig gratis geliefert: 1. Illttstrirtcr Kalender für 1»»», 84 Seiten 4" mit Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Bcrzeichnis): reich-illustrirtem umfangreichen humoristischenTheiln.fesselnde»Erzählungen. (Preisf.Nicht-Abonncnte»40Psg.) 2. Des Sächsischen Landes-Anzeigers Jllnstrirtes Jahresbnch für lilUlt; 64 Seiten gr. 8" mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis sür Nicht-Abonnenten 40 Pfg.) Abermaligen zahlreiche» Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Aerltigö-tz xpedition dcS Sächsischen LandeS-Anzeigerö. Nm Berwechslnngcn zu vermeiden, werden Post-Abonnenten ersncht» bei Bestellung frcundlichst genau zu verlangenr den in Chemnih erscheinenden „Sächsischen Landes Anzeiger" (Nr. 5035 der Post-Zeitungs-PreiSliste). Telegraphische Nachrichten. Vom 26. April. Wien. Die „Pvl. Corr" erfährt als authentisch, daß die Meldungen von beabsichtigten Truppeusendniigcn au die rumänische Grenze in Siebenbürgen nnd der Bukowina, angeblich wegen eines zu besorgenden Rückschlages der rumänischen Ba»er»bcwcg»»g auf die dortige bäuerliche Bevölkerung, der Begründung entbehren. Nom. Das energische Auftreten Crispis in de» letzten Kammer sitziliige», wo Crispi die Jnterpellat.o» Cavalloltis über die innere Politik rundweg und scharf zurückwies, macht in politischen Kreisen das größte Aufsehen. Cavallotti gab sofort seine Entlassung als Ab geordneter wegen angeblicher Verkümmerung der Rechte der Depn- tirten. Der Äbg. Bovio zog seinerseits seine Interpellation über die äußere Politik zurück. Fast die gelammte liberale Presse und viele hervorragende, Crispi bisher befreundete Deputirte nennen dessen Vorgehen unbegreiflich und erblicken in der Abweisung der Inter pellation einen gefährlichen Präzedenzfall. Man ersieht daraus, Crispi werde immer mehr »ach rechts gedrängt. Paris. Die „Repnbliqne Fcan^aise" - berichtet aus Brüssel: Der Herzog von Anmale sandte seinen Vertrauensmann Limbourg mit einem Brief nach London, »m seinen Ncsfcn den Grafen von Paris aufznfurdern, die Monarchisten znm vereinten Kampfe mit den parlamentarischen Republikanern gegen Bonlanger anszubieicn. Brüssel. An Steile des znrnckiretenden Grafen van der Giraten wurde Baron Greindl, bisher Gesandter in Lissabon, zum belgischen Gesandten am deutschen Kaiserhof ernannt. London. Die Presse betrachtet allgemein die Besprechung der Königin von England mit dem Fürsten Bismarck als ein befriedigen des Ercigniß, jedoch ohne politische Bedeutung. — Aus Capstadt wird gemeldet, daß der Matabclc-Stamm ein Bnndniß mit England abgeschlossen habe. Politische Rundschau. Chemnitz, den 27. April. Deutsches Reich. Ans Charlvltcnbnrg. Am Donnerstag fand die Berathnng der Aerzte um Uhr statt. An derselben nahmen Theil die Professoren Lehden, Krause, von Bergmann, die O1)r. Mackenzie, Hovcll, Wegncr. Das amtliche Bulletin lautet: „Se. Majestät der Kaiser hat in der letzten Nacht gut geschlafen, das Fieber ist sehr gering, das Allgemeinbefinden beginnt sich zu heben." Der Kaiser schlief fünf Stunden recht befriedigend; tritt keine aber malige Verschlimmerung ein, so wird er in etwa drei Tagen wieder dauernd außer Bett bleiben können. Sollte das befriedigende Be finden noch zwei Wochen ungestört anhaltm und dadurch eine ent sprechende Stärkung hervorgerufen werden, so wird, wie schon gestern in einem Telegramm gemeldet, ein anderer Aufenthalt (Potsdam oder Wiesbaden) gewählt werden. Die Athcmzüge betrogen 19 in der Minute, die Athmung ist also wieder ziemlich normal. Der eitrige Auswurf dauert »och fort, ist aber nicht mehr sehr reichlich. Aeußerlich erscheint das örtliche Leiden u. A. in einer Infiltration der die Canülcnöffnung umgebenden Partie. Die Stimmung des Kaisers, soweit dieselbe bei seiner großen Selbstbeherrschung freudigen, wie schmerzlichen Gefühlen gegenüber für seine Umgebung bemerkbar wird, ist in Folge der eingetrctcncn Besserung eine gehobene. Die auf Empfehlung des Professors Leyden cingeleitcte besondere Form der Ernährung bekommt dem Kaiser gut und trägt wesentlich zur Erhöhung der Körpcrkräfte bei. Die Nahrungsaufnahme erfolgt nach bestimmten physiologischen Grundsätzen, unter sorgfältiger Auswahl der Speisen und mit Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der Ver- dannngsorgane und des jeweiligen Kräfteverbrauches. Der Spcisen- zcttel wird für den Kaiser täglich neu entworfen und auch das Quantum der zu genießenden Speisen genau nach Grammen ange geben. Um dem hohen Kranken auch Abwechselung i» der Ernährung zu gewähren, ist ihm z. B. am Mittwoch Kalbskotelett vor ordnet worden, welches der Kaiser, natürlich in fein zerkleinerten Stücken, mit großem Behagen aß und wozu er echtes Bier trank. So berichtet wenigstens die „Nationalztg." Es scheintabcrrichtigzn sein, denn die „N. A. Z." schreibt Folgendes, was man wohl als eine Be stätigung anffassm kann: Sc Majestät fühlte sich am Donnerstag nach ciucr befriedigenden Nacht recht wohl. Der Appetit mehrt sich und die Aerz'c brauchen bei der Auswahl der Speise» nicht mehr eine so ängstliche Vorsicht anzuwcnden, wie früher, so daß auch Licb- lingsspeisen gewährt werden können. Das Fieber bewahrt den täglich mehr absteigende» Typus. Nicht weniger günstig äußert sich dft aus Hofkreiscn gut unterrichtete „Post": „Der Kaiser ist heiter, ja cs fehlt »ich! an Augenblicken, wo er sogar znm Scherzen aufgelegt ist. Ter Kaiser genoß am Mittwoch nicht nur die gewöhnlichen Speisen, sondern auch Cotcleitc und ein Glas Bier. Der lange Zeit fast ver schwundene Geschmack beginnt sich wieder einzustcllen. Man kann sagen, daß der Zustand vor der letzten Verschlimmerung nahezu wieder erreicht ist." Am Donnerstag stand der Kaiser gegen zehn Uhr auf und zeigte sich in bester Laune, er lag auch nicht mehr auf dem Sopha und »ahm in einem bequeme» Lehnsessel Platz. Bald nachher erschien die Königin von England und plauderte kurze Zeit mit dem Kaiser. Der Monarch »ahm dann die Vorträge dcs Kcicgsministcrs Bronsari von Schellcudorf, des Ministers von Putikamer, der Generale von Winierfeld und Albedhll entgegen und empfing die Besuche der nächsten Anverwandten. Mittags 1 Uhr war die engere kaiserliche Familie znm Frühstück vereint; zu demselben waren der Kronprinz nnd die Kronprinzessin, der Prinz Heinrich, der Erbprinz und die Erbpcinzessin von Meiningen, der Erogroßhcrzog von Hessen ans Berlin angekonnnen. Vis zu der am Abend erfolgten Abreise der Königin von England ruhte der Kaiser dann und trennte sich mit herzlichem Abschied von der hohen Frau, indem er seiner zuversicht lichen Hoffnung auf Wiedersehen Ansdruck gab. Die Begegnung ver ursachte wohl Aufregung nnd Ficbersteigerung, wird aber hoffentlich keine weiteren Folgen weiter haben. — Die „Voss. Ztg." schreibt über die ärztliche Berathnng vom Donnerstag noch: „Das Gcsammtcrgeb- niß läßt sich dahin znsammenfassen, daß der Bronchilisanfall, der de» Kaiser vor länger als zehn Tagen traf, überwunden ist und daß die Komplikationen dds eigentlichen Leidens, die letzter Zeit sich so hart fühlbar machten, entweder schon geschwunden oder stark im Rückgänge begriffen sind. Professor von Bergmann gestand, daß das Befinden Im unheimlichen Hause. Erzählung von Friedrich Berner. Fortsetzung. Nachdruck Verbote». 20. Kapitel. Die Feindinnen. Der Kranke wiederholte diese Worle wieder und wieder, wenigstens ihrem'Sinne nach, und wie Helene schmcrzcrfüllt an seiner Seite kniete und den zuweilen ganz unznsammenhäiigcnden Reden znhvrte, da fühlte sie sich durch irgend etwas bewogen, sich nmznblicken, nnd sie gewahrte, daß einer der schweren, faltenreichen Bettvorhänge sich bewegte und durch eine Hand langsam zur Seite geschoben wurde, als ob jemand sich bemühte, die Worle dcs kranken Mannes deut licher zu verstehen. Helene glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen; es fiel ihr nicht schwer, sich zu überreden, daß sie sich getäuscht habe, nm so weniger, als alle ihre Gedanken angstvoll dem Erscheinen der Aerzie entgcgenharrten. Paul phantasirte ununterbrochen weiter. „Du weißt, daß ich Dich liebe," sagte er zärtlich. „Janka, Geliebte, willst Du mein Weib sein? Laß die Welt reden, was kümmert das uns?" Helene neigte ihr Haupt tiefer, und Thränen bitteren Wch's flösse» über ihre Wangen. „Das Geld und die Kleinodien!" rief er dann Plötzlich. „Haha! Wie sie alle danach suche»! Wie sie schon seit Monaten, seit Jahre» danach suchen! Aber sic finden nichts, gar nichts! Denn ich habe den Schatz längst in Sicherheit gebracht! Komm her, ich will Dir sage», wo er versteckt ist." Er erhob seine Hand und winkte mit dem Finger; als Helene ihr thränennaffes Anilitz erhob, sah sie, daß seine Augen weit geöff net ins Leere starrten. „Komm her und höre mir zu!" fuhr er fort. „Laß die Narren suchen. Sic finden doch nichts. Nein. Nichts. Denn alles gehört wir. Sich! Du zählst die Reihe entlang . . . eins, acht, elf, sechs - . . nun drücke auf den Stein mit dem Schlüssel. Es ist eine Fe der dahinter. Siehst Du, er dreht sich. Die Thür ist offen . . . da liegen die Juwelen! Sie gehören alle Dir, Du Geliebte. . . alle Dir." Während er bald laut, bald leise weiter redete, bewegten die 8alten der Vorhänge sich von neuem, und diesmal erkannte Helene, daß weder ei» Luftzug »och ein gleiicndcr Lichtstahl sie täuschte. Sic stand ans, schritt leise um das Lager herum und schlug den Vorhang zurück, um aus dem zeltartigen Bettraume in das Gemach blicken zu können. Die Lampe auf dem ferner stehenden Tische verbreitete ein mattes Licht, ganz in der Nähe aber, unmittelbar vor ihr, stand Janka Pokorni. „Janka! D» hier? Was willst Du?" „Ich wollte Dich fragen, ob ich Dir irgendwie zur Hand gehen könnte." „Und dann schleichst Du herein wie ein Dieb »nd stehst hier lauschend und meldest Dich nicht? Was wolltest Du erhorchen? Vielleicht wie er in seinen Fiebcrphautcisieen erzählt, daß er Dich liebe?" Und auf Helcnens Zügen malte sich Entrüstung und Ver achtung. „Ich verstehe Dich nicht, Helene." „Du verstehst mich sehr wohl. Aber deswegen kamst Du nicht. Denn seine Liebcsworte waren Dir nichts Neues; er hat genug an Dich schon verschwendet, oder vielmehr weggeworfen!" „Aber Helene!" entgegnctc Janka, die sich inzwischen von ihrer anfängliche» Verlegenheit erholt hatte. „Aber Helene! Sieh, sieh! Die sauste Helene ist doch nicht cttva eifersüchtig?" „Eifersüchtig! Auf Dich?" entgcgncte Hclcnc mit tiefster Ver achtung. „Nein, aber er dauert mich seiner unbegreiflichen Blind heit wegen." „Vielleicht, weil er Deinen unvergleichlichen Reizen gegenüber so blind geblieben ist?" „O nein! Gegenüber dem Charakter der schönen Böhmi» . . ." „Ha! Du wagst es!" . . . rief Janka wnthblitzcndcn AngcS, und ihrer selbst nicht mächtig, erhob sie die Hand und schlug die Andere auf die Wange. „Gewiß!" fuhr Helene fort, ohne mit der Wimper zu zucken. „Blind gegenüber Deiner Lasterhaftigkeit, Deiner Falschheit I Ich aber habe alles durchschaut. Ich habe gesehen, wie'Du ihn zn dem Glauben verführtest, daß Du ihn liebst, während all' Dein Dichten und Trachten nur ans den Reichlhnm gerichtet gewesen ist, der ihm znfalle» sollte." „Du lügst!" kreischte Janka. „Ich rede die Wahrheit. Ich habe Dich nie belauscht, und dennoch habe ich genug wahrgcnommen, mn Dich vollständig kennen zn lernen. Geh', bcgicb Dich zurück zn Deinem Genosse», zn dem Menschen, der in verächtlicher Weise die Gastfreundschaft dieses Hauses des Kaisers ein verhältnißmäßig gutes und befriedigendes sei " Die Aerzte haben am Donnerstag dem Kaiser auch ein Verlassen des Zimmers in Aussicht stellen könne». Vorbedingung ist natürlich warme Witterung, — Königin Viktoria hat versprochen, bestimmt wieder nach Charlottcnbnrg resp. Berlin zu kommen, wen» der Kaiser so weit genesen sein werde, daß er sich frei bewegen könne. Hoffent lich wird ihm und uns das bescheert! — Königin Victoria von England besuchte am Donnerstag Vormittag das Mausoleum im Schloßgarten und legte am Sarge Kaiser Wilhelm? einen prachtvollen Kranz nieder. Nachmittags 3 Uhr fuhr die Königin mit der Kaiserin Victoria und den Prinzen und Prin zessinnen nach dem Charlottenburger Excrcicrplatz, wo das Regiment der Gardes du Corps und das 4. Garde-Regiment z. F. in Parade- Ausstellung harrten. Beide Regimenter dcfilirten vor dem Wagen der Königin und Kaiserin vorbei, Königin Victoria stattete ihren besonderen Dank für diese Aufmerksamkeit ab. Beide fürstliche Damen begaben sich dann nochmals nach Berlin, um der Kaiserin Augusta und den großherzoglich badischen Herrschaften einen letzten Besuch abzustattcii. Auf der ganzen Fahrt wurden den hohen Frauen zahl reiche Begrüßungen zu Theil. Nach der Rückkehr »ach Charlotten burg fand dort Familientafel statt und die Verabschiedung von dem kranken Kaiser. Von der Kaiserin Victoria und ihren Enkeln unk» Enkelinnen zum Charlottenburger Bahnhof begleitet, trat die Königin Victoria von dort ans, nach überaus herzlichem Abschiede und tief bewegt, ihre Reise nach London an. Die Königin hat sich über den Aufenthalt in Charlottcnbnrg und Berlin mit größter Befriedigung ausgesprochen. Wenn sic früher vielleicht mit etwas Unruhe diesen Tagen entgegcngcsehen, so scheidet sie jetzt mit der Empfindung herz lichen Dankes für den freundlichen Willkommen, den sie gefunden. Freitag früh 8 Uhr trifft die Königin mit ihrer Begleitung in Vlissingcn ein und fährt sofort von dort mit der englischen KönigS- Aacht „Victoria and Albert" nach Port Victoria. Abends 9 Uhr erfolgt dann die Ankunft im Windsor-Schlosse. — Bei dem Galadiner im Schlosse zu Charlottcnbnrg vom Mittwoch Abend ließ sich die Königin auch die deutschen Aerzte des Kaisers vorstellcn nnd unter hielt sich geraume Zeit mit denselben in fließendem Deutsch. — Bei der Galatafel im Charlottenburger Schlosse wurde die besonders huldvolle Art bemerkt, in welcher Königin Victoria mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck sich unterhielt. Man schließt daraus, daß die langdaucrndc Unterredung am gleichen Tage zu ungewöhnlich befriedigenden Ergebnissen geführt hat. — Kronprinz Wilhelm hatte am Donnerstag wieder den Militär- Uebuirgc» auf dem Tempclhofcr Felde beigcwohnt und kehrte an der Spitze der Gardefüsiliere nach der Stadt zurück. Tausende von Menschen harrte» a» allen Straßenübcrgängeu und empfingen den Kronprinzen mit donnerndem Hoch, der nach dem üblichen Parade marsch Unter den Linden znm Schlosse zurücksprengte. — Durch Kaiserliche Kabinetsordre ist der Premier-Leutnant Prinz Friedrich Leopold vv» Preußen, einziger Sohn dcs verstorbenen Generalfeldmarschalls Prinz Friedrich Karl, znm Rittmeister L I» 8nits des Regimentes dcr Gardes du Corps befördert worden. — Dcr „Reichs-Anz." pnblizirt die schon mitgetheilte Ernennung des Staatssekretärs Grafen Herbert Bismarck zum Staatsminister und Mitglied des preußischen Staatsministeriums. — Die „Lib. Corr." hatte mitgctheilt, die Kaiserin Victoria habe den preußischen Jnstizminister Dr. Friedberg schriftlich ersucht, „gegen die Blätter einzuschreiten, in denen die englische» Aerzte des Kaisers beleidigt würden." Diese Nachricht wird jetzt von der „Frks. Ztg." für unbegründet erklärt, und das Blatt schreibt: „Wenn wir auch annehmcn können, es sei der Kaiserin entgangen, daß dcr Jnstiz minister hier gar nicht einschreiten darf, da die Beleidigten Privat- persvne» sind, denen cs überlassen bleiben muß, ob sic Klage erheben wolle» oder nicht, so sind wir doch überzeugt, daß die Kaiserin die Grenzen kennt, die ihrem öffentlichen Wirken gezogen sind, und daß mißbraucht, zu Deinem Vertrauten, der mit Dir die Pläne schmiedet zur Entdeckung dessen, was ihr nie finden werdet . . . geh' hinaus, denn über diesen hier sollst Du keine Macht mehr gewinnen!" „Meinst Du?" hvhnlachte Janka. Helene anttvorlete nicht mehr, sondern eilte an das Bett zurück, woselbst Paul soeben versuchte, sich aufzurichtcn. Sein Antlitz war geröthct, und seine Blicke waiiderten ziellos umher. „Sie kommen!" rief er heiser. „Dort dnrch's Fcnster. Flieh', Janka, Geliebte! Ich schütze Dich! Flieh', er will Dich schießen!" Janka ergriff die ansgcstrcckte Hand des Kranken, aber ihr Ge sicht war wachsbleich geworden. Die peinliche Scene erreichte ein schnelles Ende durch die An kunft der beiden Aerzte. Janka's geübtes Ohr vernahm die Tritte derselbe» zuerst; vhne noch ein Wort zu sagen, ließ sie Paul's Hand fahren nnd schlüpfte so schnell und geräuschlos zur Thür hinaus, daß Helene ihre Abwesenheit erst bemerkte, als Vr. Matthesins mit seinem berühmten College» neben ihr stand. „Noch unverändert," sagte Ilr. Matthesins. Dann berührte er die junge Dame leicht an der Schulter. „Ich muß Sie jetzt bitten, das Zimmer zu verlassen, mein gnä diges Fräulein. Wollen Sie mir gestatten?" Dann legte er ohne Weiteres ihren Arm in den seinen nnd ge leitete sic zur Thür, ihren bittenden Blicken nicht die geringste Be achtung schenkend. Sie hörte die Thür hinter sich in's Schloß fallen nnd die Ringe des Vorhanges erklirre», und mit einem Schluchzen, welches ihren ganzen Körper erschütterte, sank sie ans dem Löwcnfcll in die Knicc und betete ans tiefster Seele für das Lebe» des Mannes, dcr i» seinen Ficbcrlränmcn so unablässig den Namen einer Andern rief. 21. Kapitel. Ai» Krankenbette. „Das habe» wir Ihnen zu verdanken, Herr 1)r. Matthesins/' sagte der Jnstizrcilh, mit einer Karte in der Hand in das Speise zimmer znrücktehrcnd. Er hatte mit dem Arzte, sowie mit Janka »nd Kamphoven beim Frühstück gesessen, als dcr alte Hausmeister erschienen war, uni zu melden, daß ein fremder Hcrr ihn in einer wichtigen Angelegen heit zn sprechen wünsche. „O, bitte, bitte," antwortete der Doktor lächelnd, „oder habe ich mich etwa vergangen?" „Hm," machte dcr Jnstizrath, einen anfstcigcnde» Unwillen be kämpfend. „Wir, das heißt die gegenwärtigen Mitglieder dieses
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