Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 08.10.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192110083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19211008
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19211008
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1921
- Monat1921-10
- Tag1921-10-08
- Monat1921-10
- Jahr1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.10.1921
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sonnabend, 8. Oktober 1921 Redaktion und Geschästosiell«: Dresden »A. 18, Holbrinftratze 48 Kr. SS» 2V. Jahr«. K«r«sprecher: Redaktion 22722 — Geschäftsstelle 22722 Postscheckkonto: Dresden Nr. 147l>7 BkZNgsPrriSr Vierleijührlich Irrt Hau? AuSgab« 4 mit illullrierter Beilage IN.V8 cinlchlietzlich Postbeslellgeld. Preis der Einzelnummer 4» z. Die SZchsilche BolkSzeilung erlcheuil a» alle» Wochentagen nachm. — Sprechstunde der RedaMom SlnSgabe ir 18»5 ^ 8 bis 6 Uhr nachm. Anzeige,,! Annahme von Gcichästsanzeigen bis I« Uhr. von Familiena»zeigen bis Il Uhr vorm. — Preis slir dl» Pelit.Spaltzeile aller Anzeigen 1.«U in, Reklametcil 4.-^. - Für „„deutlich gelchnebene sowie durch Ferniprecher anlgegebene Anzeigen rönnen wir die lüeranlworllichreit sür die Richtigkeit des Textes nicht übernehme» und Loncheur haben heute in Wiesbaden in Voll,,IN Hk üin-r Ntl'irtungcn das Abkommen über die deutschen Sochlieiecnu-i:,' an Frankreich abgeschlossen. Die Unterzeichnung orr Nebrna!-- koitunc» erfolgt voraussichtlich am Freitag. Fr dein Hauptabkommrn kckunde» die b-.oen R.gicrnnge» ihre» Willen, den Wiederaufbau der zerstörten Gr- b>ete Nordfrankreichs durch Lieferung bezw. Bestelinng vrn EinrichtungS- und Bctriebsgegensländcn und von Banstofjen in un glichst grohem Uni fange zu bewirken. Es hai.de" sich m it- h, um Sachlieferungcn im Sinne der Anlage t des Teiles 8 des FrlcdeuSvertrageS. Die Durchführung der Lieferungen soll auf beiten Seiten durch P r i v a t r e ch t l i ch e O r ga n i sa t i o n e u eräugen. Die Lieferungen der deutschen Organisation lausen neben den Lieferungen des Reiches. Für die Lieferungen aus dem Abkommen gilt die Einschränkung, das; sie Frankreich ledig lich für die Zwecke des Wiederaufbaues verwenden darf. Di: zugunsten Deutschlands bezw. der Lieferungsorganisation auf Grund des Abkommens entstehenden Kredite und die dieser Or ganisation gehörigen, in Frankreich befindlichen Waren und Narbeträge sind den Zugriffen Frankreichs entzogen. Zu den Lieferungen ist die deutsche Organisation nur insoweit verp.'lich- tet. als sie mit den Produktionsmöglichkeiten Deutschlands, den Bedingungen seiner Rohstoffversorgung und den innercu Arturs- Nissen seines sozialen und wirtschaftlichen Lebens versuch,r sind. Der Gesamtwert der Leistungen auf Grün'' des FriedeusvcrtrogcS »ich der Lieferungen auf Grund des A.'.'om- mcns soll bis zum 1. Mai 1928 7 Milliarden Goldmark nicht überschreiten. Die Lieferungen sollen nur erfolgen, durch iiniiiittelbare freie Vereinbarung der deutschen und französischen Organisationen. Für den Fall, daß eine Vereinbarung nicht zu stande kommt, ist zwischen sogenannten Marchandises banales und den sogenannten Bkrrchandises speziales zu unterscheiden, linier ersteren werden Waren fungibler Art, wie Holz, Glas und dergleichen, sowie Seriengegenstände verstanden, unter letzteren solche Waren, bei denen es dein Besteller auf den besonderen Charakter des einzelnen Stückes ankommt, wie industrielle Ein richtungen, Maschinen usw. Beim banale,, Material entscheidet bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung eine Kommission über Liesrungsmöglichkeit und Preis, Transport, LiefernngS- und Abnahmebedingungen endgültig. Die Kommission setzt sich zusammen au» drei Mitgliedern, einem Deutschen, einem Fran zosen und einer dritten gemeinsam bestimmten oder vom Schwei zer Bundespräsidenten ernannten Person. Für die Preiösestsetzung, soweit sie nicht in freier Veroinlmrnng erfolgt, stellt die Konimission vierteljährlich ein Preisverzeichnis für alle in Frage kommenden Gegenstände auf, das ungefähr den normalen französischen Inlandspreisen des be treffende» Erzeugnisses, abzüglich der französischen Zollgcfälle und der Transportkosten des betreffenden Bestellvierteljahres entspricht. Ist der in dem Preisverzeichnis erstellte Preis nied riger als der gleiche Preis für die gleichen Waren in Deutsch, laud, so ist Deutschland »ur verpflichtet zu liefern, soweit diese Preisdifferenz nicht gröber ist als 5 Prozent. Kommt für Spe. zialmaterial eine Verständigung nicht zustande, so kann die französische Negierung ans das LieferungSberfahren nach An lage 4 zu Teil 8 des FriedeiiSvertraaes zurückgreiscii. jedoch nur. soweit die Gegenstände in de» an Deutschland früher übergebe nen Listen bereits enthalten sind. Die Zahlungen a» die deutschen Liefcru»gSorga»isatio»e» geschehen durch die deutsche Regierung. Dieser wird der Wert der Lieferungen auf ReparationSkonto gutgeschriebe». Dabei unterscheidet das Abkommen drei Zeitabschnitte, bis 1. Mai 1926, bis l. Mai 1936 und die Folgezeit. Die Lieferungen im ersten Zeitabschnitt werden Deutschland nicht im vollen Werte, sondern »ur mit 35 Prozent des Wertes gutgeschriebe». Belrägt der Wert der Lieferungen aus dem Abkomme» in einem Jahre weniger als eine Milliarde Goldmark, so werde» in diesem Jahre 45 Prozent des Wertes der Lieferungen gutgeschriebe». Der Höchstbetrag, der Deutschland in einem Jahre einschließlich der Lieferungen aus Anlage 4, 5 uud 6 zu Teil 8 des Friedcns- vcrtrageS gutgeschriebe» werden darf, ist eine Milliarde Gold mark. Der Betrag des in den einzelne» Jahre» nicht gntge- schriebeuen Wertes der Lieferungen trägt einfache Jahreszinsen zu 5 Prozent. Am 1. Mai 1926 werden die erste» Beträge znsammenge- rcchnct. Die so gewonnene Su»»ne ist in zehn gleiche» Jahres rate» bis zum 1. Mai 1936 nebst de» fällig werdenden einfachen Zinsen gntznscbreibe». Bei de» Lieferungen vom 1. Mai 1926 ab wird grundsätzlich der bolle Wert knickst nnr 35 bezw. 45 Pro zents gn«geschrieben. Doch darf die jährliche Gutschrift einschließ lich der fälligen Jahresraten ans den Restbeträgen der Zeit vom 1. Okiober 1921 bis 1. Mai 1926 zusammen mit dem Wert der Lieferniiaen, soweit sie nicht bis dahin erledigt sind, auch jetzt eine Milliarde Goldmark nicht überschreiten. Beträgt der Ge samtwert der Leistungen bis znm 1. Mai 1926 mebr als 7 Mil liarden Goldmark. so ist der »verschiebende Betrag innerhalb dreier Monate an, 1. Mai 1926 Deutschland autcusck,reihen. ohne Rücksicht ans die Regelung der sonstigen Gutschriften. Am 1. Mai 1936 ist wiederum fcstznsteltcii, welche Beträge etwa Deutsch land noch gut hat. Dieser Saldo ist nebst 5 Prozent Zinsen und ZinseSzinsen i» vier HalbjahreSraten 1936 und 1937 abzutragen. Alle Gntschrifkbcstiminiingen gelten mit der Maß/mbe, daß kenie Jghrcsgutschrist höher sein darf als der Anteil Frankreichs (52 Prozent) an dem gemäß Artikel 4 des französischen Zahlungs planes zur Verteilung unter die Alliierten gelangenden Annui täten. Vom 1. Mai 1936 ab kg»» Dentschtand alle Leistungen ablehnen, soweit durch ihre AnSjührung der von Frantceich in einem Jahre äußersten Faltes gutziischreibende Betrag (52 Pro zent der Annuität) überschritten werden würde. England und daS Nathenauabkannnrn Londv». 6. Oltobcr. Wie das Nentersche Bureau erführt, wird daS von De. Rattzenan und Loncheur abgeschlossene tteber- einkomnien von den englischen Finanzsachverständigen geprüft. Aus politischen Gründen kann England ge. en das Ucber- einkommen keine Ein wände erhebe». Jeder Plan, der Frank reich beim Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete nulerstützt, sollte so wenig Widerstand wie möglich finden. BiS jedoch das Ab kommen eingehend geprüft worden ist, ist es unmöglich, fesl- znstellen, wie weit eS die Berteilnng der Reparationen unter die Alliierten in Mitleidenschaft zieht, nnd ob eS mit dem Repara- lionSabkomnien in Einklang z» bringen ist. Bis hierüber Klar heit geschaffen ist, könne man in seinem Urteil »nr sehr zurück haltend sein. Obgleich Loncheur und Dr. Nathenan erneut Zu sammentreffen, um das Abkomme» zu unterzeichne», wird es doch erst in Kraft treten, wenn cs die Billigung der Reparations- kommissivn gefunden hat. Die Folgen des Marksturzes jiie England London. 6. Oktober. Als Fortsetzung ihrer Befragung her vorragender Industrieller veröffentlicht die „D a i l h Mail" ein Jnierview mit dem bekannten Hppothekenmakler Eharles 5a. Sal ier von der Firma H. Satter u. Sohn, der sich wie solgt äußerte: England befindet sich in der unangenehmen Lage, den Kredit seiner Käufer ruiniert zu haben, insbesondere den Kredit Deutsch lands nnd Oesterreichs. Gleichzeitig leidet auch der Kredit der Alliierten sehr. ES ist vollkommen klar, wenn man bedenkt, das), wenn England seine Kohlen, sein Eisen und die daraus hcrge- steklten Waren nicht verkaufen kann und das) es anderseits ge zwungen ist, für seinen eigenen Bedarf zu importieren, insbeson dere eine Menge von Nahrungsmitteln, es nicht einmal 11 Mil lionen, geschweige denn 40 Millionen Einwohner ernähren kann. Bei dem gegenwärtigen Stand der deutschen Mark ist ei» Wettbewerb Englands mit Deutsch land unmöglich. Ter Kurssturz der Mark wird früher cEer später die vernichtendsten Folgen sür England haben. Der tiefe Stand der deutschen Valuta macht England den Handel mit seinen früheren Feinden unmöglich und erschwert außerdem den Han delsverkehr mit Frankreich und Italien sehr. Sollte der jetzige Zustand noch ein Jahr andauern, werde er Englands Ruin und Bankrott zur Folge haben. Lonvon, 6. Oktober. Nach der „Dailp Mail" wächst auf beiden Setten de» Atlantische» Ozeans die Ueberzeugiing. das; die gegenseitigen Schulden die wirtschaftliche und politische Lage ver- wirien und daj; daher eine Zusammenkunft der Schuldner- u>rd Glänbigernationen notwendig sei. ES verlautet, das; die ameri kanische Regierung sür eine Erörterung dieser Art sein müßte, vorausgesetzt, daj; sic nicht mit der AbrüstuilgSküil'erenz Zusam menfalle, sondern erst »ach dieser zusammcntreten würde. Die Mitwirkung Amerikas Notwendigkeit Paris. 6. Oktober. Nach einer Meldung der ..Chikago Tri büne" aus Washington verössentliast das Speziatlomitee der Handelskammern der Vereinigten Staaten, das kürzlich von sei ner Reise nach Europa zurückgckchrt ist, seinen Bericht. Der Be richt spricht die Uebcrzcugnug ans. Sah die Vereinigten Staaten unbedingt a» der Regelung der wirtschaft lichen und finanziellen Schwierigkeiten der ge samten Welt teilnehmen müssten. Der Bericht spricht sich ziemlich ausführlich über die Frage ans, ob die amerikanischen Truppen vom Rhein zurückznziehen sind oder nicht. Falls die Truppen aus dem Rheinlande zurückgezogen würden, wvinit eine gewaltige Ausdehnung der französischen VerwaltungSzone ver bunden sein mühte, so würde ein starker mäßigender Einfluh schwinden. Dre Besatzungskosten Paris, 6. Oktober. Ans der Grundlage dcS Beschlusses der Repnrali0»okommission sür die Berechnung der Bc- satzungStosten, die bis zum 1. Mai 192l dcr DurchschnittSknrs desjenigen VicrtcljabrS zu berechne» ist, in dessen Verlaus die Ausgabe entstanden ist, betragen diese Koste» für die Zeit vom 11. November 1918 bis zum 39. April 1921 in dcr Währung der einzelnen B e s» tz u » g ö m n ch t e: Amerika '278 967 61» Dollar, Frankreich 2394 859 47» Franken, England 52 881298 Pfund Sterling, Belgien 378 734 399 belgische Frank, Italien 15 297 717 Lire. Auf Ersuchen Frankreichs hat die Rrparolisiis- koiiimission beschlossen, die BcsahungSkvslc» nach dem durch, schiiittlichen Kurs des Vierteljahres i» Goldmark >i>»zurcch»rii. Hieraus ergeben sich folgende Ziffern: Amerika 1 196 762 839 Goldmark 12 Pf., Frankreich 1 276 45» 838 Goldmark 42 Pf.. Eng. !a„d 991 »16 859 Goldmark 53 Pf., Belgien 194 796228 Gold, m:rk 27 Pf., Italien 19 964 861 Goldmark 29 Pf., zusammen für die Zeit vom 11. November 1918 bis 1. Mai 1921 rund drei Milliarden 639,5 Millionen Goldmark. Bismarck und die Monarchie Bon Senatvpräsident Dr. P a e h l c r - Berlin. Mit Recht hebt Julius Elban in der ,.V v s s i s ch e n Zeitung" vom 4. Ottober 1924 hervor, bah Bismarck selbst durch die Art der Erziehung des Beamten- und Diplomaten- nachwuchseS schließlich mittelbar an de», weiteren Werden der Persönlichkeit des lebten Kaisers Schuld trug. DaS ist jedenfalls nickst abznleugnen: Wenn sich hin'tereinander mehrfach Minister gc'nnden hätten, die sich den häufig nnüberlegten und törichten NeMn nnd Handlnngen Wilhelms II. entgegengestellt oder sie nacbträglich mißbilligt Hütten, so wäre die Oesfentlichkeit schließ lich doch ans die — sagen wir eS ganz ofsen nach dem, was jetzt an Denkwürdigkeiten lierans ist (Tirpitz, Ezcrnin, Hertling usw.) — für die Leitung des Deutschen Reiches Verhängnisvolke Art des lebten Hohcnzollcrn ansmerksain geworden und vielleicht hätte dann doch der Reichstag eingegrissen. Allerdings gibt es sehr erfahrene Politiker, die gerade hierin ein Fragezeichen machen: denn es ist ja nicht unbekannt, das) beispielsweise den einzelnen Fraltionen des Reichstages Mitte l9l7 von i»re» Parteifreun den in der Provinz direlt geraten worden war, von der Heeres- uno Mariueleitung sowie von der politischen Verwaltung klare Anslünsie über unsere wirkliche Lage z» verlangen, widrigenfalls der Reichstag von seinem Budgetrecht Gebrauch zu machen babe; leider war es nicht zu ermöglichen, damals in dieser Beziehung eine Mebrheit im Reichstag zu bekommen. Julius Elban aber verkennt in seinem Artikel, daß gerade Bismarck es war, der in zahlreichen Reden nach seiner Entlassung (Bergt, z. B. die Rede in Jena am 31. Juli 1892) daS deutsche Volk ans die Bedeutung des Parlamentarismus und insbesondere aus die Machtbefugnisse des Reichstages hingcwiesen hatte; er hatte klar erkannt, daß gegen diesen Monarchen und seine Selbstherrlichkeit nur ein starkes Parlament Helsen konnte, und er war mutig genug, dein deutschen Volke selbst den neuen Weg zu weisen. Ich kann nicht mit Julius Elban anerkennen, daß diese Erkenntnis Bismarcks zu spät für ihn nnd daS deutsche Volk gekommen wäre. Wozu hätte auch sonst sowohl ec wie sein Sohn Herbert ein Reichstags- Mandat angenommen? Bei Bismarck war nichts Schein oder „ur Geste; die Annahme des Reichstags-Mandats durch ihn hatte einen tiefen Sinn. Diese» hatte allerdings der Reichstag selbst nicht begriffen, oder nicht begreifen wollen. — Recht hat Julius Elban allerdings damit, daß der letzte Mud der Gedanken und Erinnerungen abgesehen von allem an deren, was daS deutsche Volk mit Wilhelm ll. erlebt hat (vergl. z. B. die Oktoberstürme des Jahres 1908) die stärkste 'Anklage bilden gegen eine erbliche Monarchie, bei der man die Träger der Hcrrschergewalt nehmen muß, wie sie eben auSfallen. DaS hatte aber schon RepoS erkannt. Wer in den letzten Jahren vor dem Kriege in den Ministerien gearbeitet hat, weiß, wie dcr Kaiser seine Machtbefugnis ans alles und jedes erstreckte, der weiß, wie unzählig die Randglossen waren, die von allerhöchster Stelle zu den verschiedenartigsten Zeitungsartikeln gegeben wurden, der weiß endlich auch, wieviel Kopfzerbrechen, wieviel mühselige Ar beit nnd wieviel Vorträge diese Randglossen die Chefs der Mi nisterien gekostet haben, die häufig genug den, Kaiser nicht zu widersprechen wagte». Wenn wir früher zum Teil mit ehrlicher Bewunderung, znm Teil mit einem Gefühl des Staunens die Randglossen Friedrichs des Großen gelesen haven, so ist doch zu berücksichtigen, daß Wilhelm ll. 150 Jahre später regierte in einer Zeit, die, gänzlich verschieden von 1740, selbst einer so genialen Persönlichkeit wie Friedrich ll. kaum eine» Ueber- blick über alle Gebiete des menschlichen Wissens verstattei hätte. DaS aber war der Fehler unserer Zeit, daß die Minister, welche die Art des Kaisers sehr wohl erkannt hatten, ihr nicht entschieden genug entgegentraten und daß der Reichstag nicht genug von seinen Rechten Gebrauch machte.- insofern ist das deutsche Volk durch, seine Minister und durch seine gewählte Volksvertretung nicht nnschnldig an dem Zusammenbruch, soweit er in einem weiteren Sinn auf Wilhelm II. — ohne dessen subjektives Wollen — objektiv zurückznführen ist. Und insofern hatte Herr v. Bethniann in seinen Bekundungen vor dem Unter suchungsausschuß des Reichstages im Jahre 1919 recht, daß wir alle an dem Unglück nielir oder weniger durch unsere srühcre Sinnesart, unsere „Mentalität" mit verantwortlich seien. Es gibt vie.e ernsthasle Menschen in Deutschland, die mei nen, daß alle diese nachträglichen Erörterungen über die Ent stehung des Krieges und seine Vorgänge keinen Zweck haben. Ich bin schon deshalb nicht dieser Ansicht, weil jedenfalls die Auffassung der Deutschnationale», daß der Kampf „ob Republik oder Monarchie" schon jetzt anSgekämpst werden müsse, nach dem Erscheinen des dritten Bandes der Gedanken nnd Erinne- rnilgen zum mindesten eine große Torheit ist. Denn dieses Buck, »ins) einmal erst „verschmerzt" werden, wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf. Und diese Zeit wird lange dauern. Dabei lasse ich eS selbstredend ganz dahingestellt, ob überhaupt bei uns aus friedlichem Wege eine andere StaatSsorm herbci- 'geführt werden kan». Was uns jetzt »ottnt. ist nach meinem bescheidenen Dafürhalten nnr eines: was ein Mann wie Ad miral Scheer (Bossijchc Zeitung v. 2.9. 21 Abendausgabe Nr. 413) und eine Frau wie die vollsparteiliche Abgeordnete Frau von Obeimb (Vvssifchc Zeitung v. 10.9.21 Abendausgabe Nr. 427) offen ausgesprochen haben: unzweideniige Anerkennung der neuen Verlass»»,, durch jedermann nnd Mitarbeiten daran, daß die Zustände in Deutschland bester werden. Insbesondere für die Beamten möchte ich glaube», daß eS nichts Nationaleres im Augenblicke geben kann, als daß sie der Republik mit derselben Treue und Hiugabe dienen, wie frü her dem Königtum. Denn wir können auf absehbare Zeit hinaus nicht nur keine Kämpfe nur die StaatSsorm ertragen, sondern ich halte auch theoretische Erörterungen darüber zur Zeit sür gänzlich unangebracht. Es muß mit dieser StaatSsorm gearbeitet werden, und es muß der ehrliche Versuch gemacht werden zu erproben, ob nicht auch die Republik eine StaatSsorm ist, bei der Deutschland gedeihen kann. Erst wenn die Arbeiter ein- sehe», daß den Beamten in diesen Zeiten dcS schwersten Un glücks daS Wohl des Volkes, das Ruhe verlangt, höher steht als die Staatsform, wird das Mißtrauen schwinden, das nun ein mal in weiten Arbeiterkreisen gegen die Beamten und besonder» gegen die „höheren" Beamten besteht. Dann wird aber auch der „höhere" Beamte und Techniker wieder von selbst die Stel lung im Staate einnchmen, die ihm in den kommenden Jahren
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite