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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.09.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190709157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070915
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070915
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-15
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Anzeigen-Preis std« Zierate aut Leipzig und Umgebung dm gqespallrne Petttzeile 25 Pi., ftnanzielle Snizctgr- SO Pt., «eklamcn IM.: »a» audwärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M v»m«a«land50Pt., fiuauz. Anzeigen75Ps ReNamen 1.50 M. Inserat« v. veHörden im amtlichen Teil 40 Pi BeUagegebübr 5 M. p. lausend erst. Post gebühr. lNrichüft«a„zeigen an bevorzugter Stelle im Preise erbäht. Rabatt nach Tar^i. Festrrteilte Antträge können nicht zurüik- gezogen werden. Für da« Erscheinen au bestimmten Tagen und Plätzen werd keine Garllntie übernommen. «iqeigen.Annahme: AugustoSplatz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Lrpedittonen des In- und A< «lande«. Haupt Filiale Berlin Earl Danck:., Herzog!. Kahr. Hosbuch- handlung Lützowstrage 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 256. Sonntag 15. September 1907. 101. ZahMliq. Das wichtigste voin Tage. * Ter Staatssekretär des Innern, Staatsininister v. Beth- mann-Hollwcg sowie der Minister des Innern GrafMoltke trafen gestern in Norderney ein und nahmen dort Aufenthalt. ' Heute tritt in Essen der sozialdemokratische Par- . e i t a g zusammen. iS. Dtschs. N.j * Der Regierungs-Motorschuner „P o n a p e" ist im Juni bei den Hall-Inseln untergegangen. Die Mannschaft ist in Sicherheit. * Die gestrige Vorführung des lenkbaren Parsevalschcn Luftschiffes vor dem Aufsichtsrat der Molor-Luftschisf-Studicngc- scllschaft und vielen Gästen hatte einen ausgezeichneten Erfolg. * Die Antwerpener Situation hat sich nach neuerlichen Meldungen verschlimmert. lS. Ausl.) Die Arnrgliberalen und öie Altersgrenze. Die Diskussion über Kaiserslautern unv die Toleranz des NeichS- oerbandeS der nationalliberalen Zugendvereine den süddeutschen Jung liberalen gegenüber ist im vollen (Zange, wird übrigens zu unserer lebbasten Genugtuung weit sachlicher und gemäßigter geführt, als nab analogen Borgängen in der Partei befürchtet werden konnie. Am schärfsten Kat sich noch die „Kölni'che Heilung" ausgesprochen, die einen „bedauerlichen neuen Zwie'pall" zu erkennen meint, jedoch auch die Hoffnung auödlückt, daß die bevorstehende Aussprache in Wiesbaden „nicht den Spall vertiefen, sondern die Brücke zwischen Alten und und Zungen auf so feste Pfeiler stellen möchte, daß derartige Auseinander setzungen in der Zukunft ausgeschlossen sind." Und cs verdient besondere Beachtung, daß die „National-Zeitung". deren Beziehungen zu der Parleileiluug bekannt stnd, ihre Bedenken noch weit zurückhaltender formuliert bat und sogar der oben skizzierten Auslassung der „Köln. Ztg." als zu pessimistisch entgcgengetreten ist. Wir können nach persön lichen Jnsonnatwnen ferner mitteilen, daß die maßgebmden Füirer der Gesamtpartei, vor allem Bassermann, den Beschluß von .(Kaiserslautern vorläufig nicht allzu tragisch nehmen, vielmehr zu einer Verständigung gern bereit zu sein scheinen. Man hat gar keine Lust, in Wiesbaden ein Scherbengericht abzuhalten. Und von beiden Seiten sind Bemühungen im Gange, die Basis zu einer Verständigung zu finden. Um diese über Erwarten ruhige Aufnahme der Beschlüsse zu ver stehen, ist es notwendig, sich einiger früherer Vorgänge zu erinnern. Man kann nämlich die Leitung der Gesamtpartei bei der Angelegenheit nicht ganz von aller Schuld sresiprecben, soweit Mangel an Voraussicht in politischen Dingen als Schul» gelten kann. Die Gesamtpartei hat cs nämlich seinerzeit in Dresden, trotz bringender Vorstellungen des Reichs» vcrbandcS, abgelchnt, dieten als die alleinige Jugendorganisation der Partei anzuerkcnnen. Wie weit diese Weigerung parterdiplomatischen Erwägungen entsprungen sein mag, kann hier unerörtert bleiben. Aber diese Tatsache exkulpiert den Reicksoerband in hohem Grade. Tenn es ergab sich sür ibn dadurch folgende Situation. Die Partei selbst legte durch den Beschluß eine geringere Schätzung ter Altersgrenze an den Tag als der Reichsvcrbanv, der in dem Anertenuungsbeichluß ein Mittel gehabt bätte, nm auf die süddeutschen jungliberalen Vereine im Sinne des Anschlusses unter Einrichtung der Altersgrenze einzuwirlen. Diese Möglichkeit war nach DreSven kaum noch vorhanden, soweit die Bereitwilligkeit bei den Süddeutschen nicht schon bestand. Es lag soaar die Gefahr vor, daß sich im süddeutschen ZungliberalismuS eine selbständige dritte nationalliberale Partei organisation noch neben dem Reicksverbande entwickeln, oder daß diese Organisation bei ihren bekannten Neigungen zur entschiedeneren Betonung des Liberalismus sich dcnG-uppcn der freisinnigen Linken zuwenden würde. Beides hätte sicher nicht im Interesse des Reichsverbandes, aber auch nicht im Interesse der Gesamtpartei gelegen. Unv von diesem Gesichts punkte aus betrachtet, muß der Beschluß von Kaiserslautern als annehm bare Losung betrachtet werden. Dabei ist doch auch nicht zu übersehen, daß die süddeutschen Zungliberalen mit ihren Zugeständnissen, die Mehr heit ihrer Vorstände wie alle BerbandSdelegierten der Altersgrenze zu unterwersen, ein Entgegenkommen gezeigt, im gewissen Sinne sogar cincn Bruch mit ihren bisherigen OrgarrisationSprinzipien voll ogen haben. Der ZungliberalismuS der Bayern und Badener war bisher im höheren Maße als der des Reichsverbandes e ne eigene Parteirichtung, ein junger Liberalismus und weniger cm Liberalismus der Jugend. UrbrigenS bleibt noch abzuwarten, wie die süddeutschen Zungliberalen sich zu den Beschlüssen ihrer Führer stellen werden. Doch ist ihr« Zustimmung Wohl auzunehmen, sonst wäre das Verhalten der Führer schwer zu erklären. Zu wünschen l leibt von den Süddeutsche» jetzt zweierlei: Einmal sind sie eS der Partei schuldig, daß st« ihre definitive Stellungnahme vor dem Wies badener Parteitage bestimmen, damit dort mit klaren Verhältnissen gerechnet Werren kau«; sodann aber wäre eS dringend nötig, daß sie sich nunmehr auch noch ausdrücklich auf den Bode» der nationalliberalen Partei stellen und von allem Liebäugeln nach link- absrhen. Bisher mußte mau ihnen bei ihre« weit loseren Verhältnis zur Partei da- hingehea lassen. Ju Zukunft würde man eS ihnen zum Vor wurf machen dürfen. Dabei kann wohl angenommen werde», das solche Velleitäten ans einzelne Mitglieder beschränkt geblieben stnd. Aber auch dort müssen alle Sonderneigungen von nun an unterdrückt werden, wenn nicht ein Gefühl der Unsicherheit und des Mißtrauens in der Partei gegen die neuen Glieder Platz greifen soll. ES darf insonderheit nicht mehr vorkommen, daß ein freisinniges und deu Nationalliberalen nicht immer gewogenes Organ wie das „Berliner Tageblatt" Artikel veröffentlichen kann wie den vom letzten DienSlag, in dem die Beschlüsse von Kaiserslautern a>S der Anfang einer völligen Separation inter pretiert werden. Und dazu mit der Einleitung: „Von einem bekannten Führer der Zungliberalen wird uns geschrieben." Wir glauben unter keinen Umständen, daß dieser „junglibcrale Führer" unter den maß gebenden Persönlichkeiten des ReicbSverbandeS zu suchen ist. Er gehört sicher zu den vorhin gekennzeichnete», dem Freisinn zuaencigten Elementen der Süddeutschen, wobei nur zu bedauern bleibt, daß dieser Charakter in der Einleitung der Redaktion nicht klar zutage tritt. Aber auch so ist die Sache pe nlich genug und geeignet, die Verständigung zu er schweren, auch wenn sicher niemand unangenehmer durch den Artikel überrascht worden ist, als die Leitung des NeichsverbandeS. Also hier bleiben die neuen Parteimitglieder noch einen Stempel schuldig, auf den nicht verzichtet werden kann. Wie wird sich nun das Verhält» s der bayerischen und badischen Zungliberalen zu den nationalliberalen Landespartei n gestalten? Das ist nach der heutigen Auffassung der Parteioorgänge die Kernfrage geworden. Und auch darüber hört man manches Günstige. Die bis herigen Beziehungen Ware» nach den Orten abgestufl auf die Tempe raturen freundlich bis leidlich. Ob duich die Angliederung ein kon kurrierendes Moment in diese Beziehungen kommt, muß freilich erst abgcwartet werden. Zn Wiesbaden wild die Stimme der alten national liberalen Landesorganisalionen von Bayern und Baden ins Gewicht fallen. Aber bei den sowieso demokratischeren Neigungen des süddeutschen Klimas und Volkstums darf man auf einen leichteren Ausgle-ch hoffen, als er im prinzipienschrofsereu, auch büreaukratischeren Norden denkbar wäre. Um zusammenzusafsen: D e Differenzen sind heute noch nicht völlig ausgeglichen, auch nicht gar zu leicht zu nehmen. Aber man sieht auf allen Seiten den besten Willen zur Verständigung. Der Hoffnung der Gegner auf ein n Tag der Spaltung in Wieebaden w'-rd man nicht viel versprechen können. Instinkt oder Usbevleauirg. „General Drude ist auf einem toten Punkt angelangt." Dieses Leit- moliv wird seit einem Monat zum Neberdruß in Dur und Moll variiert. In Moll natürlich von unseren Offiziösen und denen, die's gern kein möchten. „Frankreichs marokkanische Verwicklungen könnten uns nur lieb sein: der unruhige gallische Geist werde beschäftigt und die französischen Streilkräfte auseinandergerissen, also Frankreichs Macht geschwächt." Immer wieder die alte Logik! Als ob nicht die gesamte algerische Be- latzungSarmce uns bei Wörth und Sedan gegenübergcstandcn hätte! Rußland sollte bekanntlich auch durch feine Landeroberungen immer schwächer, die Türkei durch ihre OZebietsvcrluste immer stärker werden. Welcher politisierende Mathematiker oder Mechaniker Wohl dieses ab struse Gesetz erfunden hat? Oder etwa ein militärischer Theoretiker, der auf der „inneren Linie" herumreitet, bis sein Prinzip falsch wird? Fast mochte man an jene Staatsmänner der Metternich-Zeit denken, die vom Herzogtum Luxemburg zwei Drittel abrissen und dann den Nest zum Großherzogtum erhoben — auch ein Bosco-Kunststück, diese Lösung der Konstruktionsaufgabe: wie verwandelt man ein Herzogtum in ein Großherzogtum? All deni gegenüber bat der gesunde Menschenverstand zu allen Zeiten entschieden, daß man durch Vermehrung seines Besitzes reicher und durch seine Verminderung ärmer wird. Wir aber wollen doch lieber beim gesunden Menschenverstand stehen bleiben. Und darum sehen wir dis abermalige Machterwciterung Frankreichs vor den Toren Europas, im Rücken der spanischen Monarchie, mit sehr ernsten Augen an; wir sehen sehr scheel zu Frankreichs Erfolgen bei Casablanca, nm es gerade heraus zu sagen. Und einen Erfolg, einen zweifellosen Erfolg erkennen wir in dem, was die französische Politik und General Drudes Schwert bislang bct Casablanca erreicht haben. Es liegt uns selbstverständlich ungeheuer fern, in der Ermordung der dortigen Franzosen bestellte Arbeit zu mut maßen: das wäre die gleiche Kinderei, auf die die niedrigste Boulevard- Journalistik gestimnll zu sein pflegt. Die Pöbclerzeffr von Casablanca waren ein Werk des religiös-nationalen Fanatismus, sür das seine Provokation durch die fremden Eindringlinge freilich nur deswegen kein mildernder Umstand ist, weil es eben in der Politik keine mildernden Umstände gibt. Aber wir sieben nicht an, Frankreichs Ausbeutung dcS Zwischenfalls für ein Meisterstück in der Anlage und in der Methode zu erklären. Läßt Frankreich sich wirklich bloß von den Ereignissen treiben, wie alle Kannegießer von der Maas bis zur Memel versichern, dann hat wicder einmal ein einfach Gemüt mit sicherem Blick erschaut, war der Verstand der Verständigen nicht erkannt hatte. Frankreich hat festenFnß in Marokko gefaßt — das ist die große Tatsache des Spätsommers von 1907. Die Okkupation Marokkos hat begonnen trotz des Kai'erworts von Tanger von der Integrität des scherifischen Reiches nnd trotz der Akte von Algeciras. Die fünf oder sechs Opfer des maur scheu Pöbels sind der Pariser Re- gierung ungemein gelegen gestorben. Sie sind die wahren Eroberer von Marokko und verdienen ein Denkmal, kostbarer als alle Heldcndenk- mäler der künftigen Schlachten. Die französische Regierung hat säst ein volles Jahr berumgetappt nach dem, was ein aktionswilliger Staats, mann am meisten braucht: nach einem Borwand. Der Mord Mauchamps reichte dafür nicht aus, weil er im Zentrum geschah. Daß ein Bierdorf an der Peripherie beseht wurde, nachdem in der Landes hauptstadt ein Franzose ermordet war, ist im Grunde der Gipfel der Lächerlichkeit. Aber eine Gewalttat in einer Küstenstadt, beinahe in der allerwichtigsten Küstenstadt, wo das Verhältnis von Erbrechen und Ber- gcltung handgreiflich und adäquat dargestellt werden konnte! Casablanca ist in Frankreichs Hand, unwiderruflich. Damit müssen wir uns abfinden. Mag mit schillerndem Witz die Offensive ver. spottet werden, die sogleich in den Zustand Belagerter hineingeht und sicy in Anstälien nur mühsam Luft macht: diele temporär schwierige Stellung schafft bereits daS, womit jeder Krieg beginnen muß: ein- Opera tionsbasis. Daß zugleich aus Gründen der inneren wie der äußeren Politik die Verstärkungen nur löffelweise verabfolgt werden, ist für den ruhigen Aufbau der Lperationsstreitmacht bloß ein Vorteil. Ter glänzende Erfolg des Ausfalls nach Taddcrt beweist die ungcme-.ne Leichtigkeit einer künftigen Besetzung des Rayons und war höchst wah - scheinlich schon die Generalprobe. Frankreich wird nicht mit einem Schlage 1^X1000 Mann gegen Fez entsenden, was es gar nicht kann, weil Clewenceau sofort das Parlament einberufen müßte, das er bereu? eben so ungern in seiner allernächsten Nähe sieht wie alle Auiokratcn. Er kann es auch deswegen nicht, weil — eigentlich w i r dann unge säumt den Reichstag einberufen müßten. Aber diese stufen mäßige Aussauqungstaktik von dem Bohrloch Caiablanca aus, die ist nicht nur militärisch, sondern auch politisch die einzig sicher scheinende. Daß sie ermöglicht wurde durch den Gang der Ereignisse, ist Frankreichs größter Glückssall: daß sie gewählt wurde, ein glänzender Befähi gungsnachweis für das Kabinett Clemenccan-Pichon, der ausgezeichneten Behandlung und Beschwichtigung des Winzeraufruhrs würdigste? Seitenstück. Frankreich handelt, Deutschland schreibt Noten. Tie jüngste Note ist in Paris sehr beifällig ausgenommen. Das könnte Verwunderung erregen, denn sie las sich ziemlich herb. Aber man erinnert sich gewiß jener Fanfare kurz vor der Kapitulation in Algeciras, die sogar das ominöse Wort „Scheitern der Konferenz" in die Welt hinausschmetterte, natürlich in einem hypothetischen Satze. Tas künstlerische -Ohr der Franzosen hat die Tonart in Moll mit verblüffender Sicherheit heraus gehört. Sie fühlen, daß Marokko in Norderney im Prinzip geopfert ist. Wir werden also damit zu rechnen haben, aus dem Globus der Zu kunft ein Riemen-Frankreich zu finden, das von der Maas bis zum Kongo reicht, mit einer einzigen Unterbrechung durch die Pyrenäen-Halbinscl. Die aber kchant der Entwicklung der Tinge mit noch größerer Indolenz zu als der allzeit optimistische Kanzler des Deutschen Reiches. Neber die Ersprießlichkeit der Verbindung Schwacher mit dem mächtigsten Nachbar sollten die Herren einmal im Machiavelli Nachlesen. Sollte das Idiom des florentinischen Staatsmannes im Reiche der Hidalgos heute ebensowenig verbreitet sein, wie die Kenntnis des Sanskrit bei den Hereros, so ist doch vielleicht eine ältere Nebersetzung aufzutreiben. Beiläufig halten wir es nicht für angezeigt, die Nnmündigen ihren Irr- weg fortsetzcn zu lassen, ohne es mit einer Warnung auch nur zu ver suchen. Von persönlichen Verstimmungen darf die politische Taknk überhaupt nickt abhängig gemacht werden, nnd Kinder zu „schneiden", wenn sie Dummheiten gemacht haben, als wären sie ausgewachsene Ge sellschaftsmenschen, ist der Gipfel pädagogischer Unwcisheit. S Telegraphisch wird zu dem marokkanischen Abenteuer gemeldet: * London 11. September. Wie das Reutersche Bureau unter dem 13. September aus Casablanca meldet, stellte sich bei den weiteren Ballonaufstiegen heraus, daß die Umgegend von Arabern ge säubert ist. Nach Eingang der Nachricht von der Zerstörung Tadderts zogen sich die Araber, welche bei Titt Mellil lagerten, drei Meilen zurück bis nach Sidi Brakmi. * Paris. 14. September. Die Nachrichten aus Marokko lauten höchst widerspruchsvoll, und die Kommentare find noch un- klarer. Die Marokkaner haben um Waffenstillstand nachgesucht, der ihnen bis heute bewilligt ist. Aber während einige Blätter mit dem Sturm auf Taddert den Erfolg schon entschieden und die Expedition beendet glauben, meinen andere, daß weitere Vorstöße ins Innere und die Entsendung neuer Verstärkungen notwendig wären, um den Respekt vor Frankreich endgültig zu befestigen. — Auch über beide Sultane ist man sich nicht einig. Nach den Berichten der meisten Korrespondenten hat im Augenblick Abdul Aziz mehr Chancen, die Herrschast zu be haupten. Andere Blätter aber, darunter die zuverlässig bediente „Petite Nepublique", erzählen, daß Muley Hafid in aller Stille seine Macht befestigt, und daß seine Verhandlungen mit europäischen Mächten fort dauern. Sicher erscheint, daß trotz aller Bestätigungen völligen Ein verständnisses Spanien mehr als Frankreich zu Abdul Aziz hält und jeder Erweiterung der militärischen Initiative in Marokko passiveo Widerstand entgegensetzt. Deutsches Reich. Leivzi«, 15. September. * Ein Vertrag zwischen Griechenland und Deutschland wurde so eben über die Auslieferung von Verbrechern ratifiziert. Der neue Ver trag unterscheidet sich insofern von den bisher üblichen Auslieferungs verträgen, als er neue Punkte über die Entführung von Minderjährigen enthält. Tie Begriffe über Minderjährigkeit sind bekanntlich in den verschiedenen Ländern nicht gleichartig, z. B. gilt in Italien schon als volljährig, wer in D-cutichland noch als minderjährig angesehen wird. Ebenso verhielt es sich oisher mit Griechenland. Es ist nun zwischen den beiden Staaten eine Verständigung über ein bestimmtes Alter der Minderjährigkeit besprochen worden, das in beiden Staaten gleicher weise Geltung hat. * Die kaiserliche Kritik über die Feldübungen des 7. gegen das 10. Armeekorps soll diesmal besonders eingehend gewesen sein. Die „Mil.-pol. Korr." weiß darüber folgendes zu berichten: Der Kaiser hat auf der Höhe 243 südwestlich des Dorfes Dössel bei Warburg nach Schluß des Kailermanövers am Mittwoch morgen über eine Stunde die Bo.- gange bei den Gefechten des 9., 10. und 11. September in allen ihren Einzelheiten besprochen. Während der Monarch besonders die Manch, leistnnoen anerkannte, hat er sich — ähnlich wie im Vorjahre — scharf gegen die Unzulänglichkeit der Kavalleriefuhrung gewendet und den Mangel an richtiger Initiative seitens der höheren Reiterführer ge- tadelt. Am ersten Tage des Manövers hat anscheinend die Kavalier,.-» division L den Erfolg für die rote Partei beinahe in Frage gestellt. Nur durch den 65 Kilometermarich der 19. Division von Pyrmont nach Brak- l und ihr rechtzeitiges Eingreifen westlich des viel umstrittenen Hampcn- bäuser Berges ist die schwierige Lage für Rot geregelt worden. Im kritischen Moment des Tages standen die sechs Regimenter der Ka- valleriedivisiou L mit Artillerie und Maschinengewehren untätig bei Erkeln. Umsichtiger scheint die Führung der Kavallerie bei der blauen Partei gewesen zu sein. Auch einzelne Divisions-Kavallerieregimenter, wie die Braunschweiger Husaren, die Driesen-Kürassiere und daZ Husarenregiment „Königin Wilbelmina der Niederlande" Nr. 15, sind bei der Kritik gelobt worden. Von dem Kaiser dazu aufgefordert, wies der General von Kleist, der neue Generalinspekteur der Kavallerie, im Anschluß an die Besprechung des obersten Kriegsherrn auf die weiteren Fehler bin, die von der Reiterioafse mehrfach begangen worden find. — Die Infanterie und Artillerie dagegen und in besonderem Maße auch die technischen Truppen haben, ebenso wie der rot« Führer Genera»
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