Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030313012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-13
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezirgS.PrelS tu der Haupte; pedtttoo oder deren Ausgabe- fttll«» »dgeholt: vterteljayrttch 8.-^ bet poetmaltaer tägliche, Zußelluua tu» Hm» -F 8.7L. Durch di« Post bezogen sttt Deutsch- Imd u. Oesterreich vierteljührltch ^S L.bO, für die übrige» Länder laut Zeitung-preisitste. Le-aktio« und Lrveditioa: JohanniSgaffe 8. Fernsprecher 1b3 »ad LLL FUtatev»XM»»mr Alfred Hahn. Bnchhandlg, lluiversftätSstr.S, 8» Löschs Kathartueuftr. Ich u. KüutgSvl. 7. Haupt-Filiale Vre-Zea: btvehleuer Straß« ch Fernsprecher Amt I Nr. 17IL Haupt-Filiale Lerlin: Aarl Ouncker, Herzgl. Bayr. Hoslmchhaadlg, Lützowstraß« 10. Fernsprecher Amt VI Nr. LÜOL Morgen-Ausgabe. KiWgcr. TagMaü Anzeiger. ÄmtskM des königlichen Land- «nd des Königlichen Ämtsgerichles Leipzig, des Nates «nd -es Nolizeiamtes der Lladt Leipzig. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene PetN-eile LL L). Nett«»«» uutte dem R-dakttoaSstttch (4gespalten) 7b vor deu Famillenuach- richten (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer and Htsserusatz entsprechend höher. — Gebühr« für Nachweisungen und Offerteoannayme Lü hxrl. Port,). Ertr».Beilage» (gefalzt nn, nrit der Morgen-AXgab«, »hne PostbesSrderuna u» mit PostbesörLeruug 7A-> Amrahmrschluß str Aiyri-ea: Ab«»d-A»»8a8„ BermiNig» t- Uhr. Mor,,»-A»StzaL«e NachmUtu-S 4 Uhr. An^ige» Pu» stet» an dl» ltzPadttto» j» richte» Die Expedition ist Wochentag» an unterbrochen geöffnet m» früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck md Verlag von L. Pol» tu Leipzig. Freitag den 13. März 1903» Str. M. 97. Jahrgang. Dreibund-Sprenger. HI Serge Tatitscheff, der Chef der russischen Finauzagenftrr in London, ist von diesem Poften ab« berufen worden und soll zum Nachfolger des derzeitigen Chefs der russischen Ober« preßverwaltung auSersehcn sein. Gewisse Londoner Kreise werden Herrn von Tatitscheff mit Be trübnis von der Theursestadt scheiden sehen- Er hatte sich in London akklimatisiert, wie kaum je ein Russe, in den politischen Klubs zwischen Trafalgar Square und Piccadilly war er ein stets gern gesehener Gast, und die Jingopresse hatte eine förmliche Verehrung für ihn, sorgte er doch stets dafür, daß ihr der Stoff für pikante Zetteleten nicht ausging. Wäre Tatitscheff nicht zufällig russischer Staatsbeamter gewesen, er wäre sicher ein Ver schwörer von nicht geringer Bedeutung geworden, und die Negierung seines Landes kann sich gratulieren, daß er seine Spezialbegabung in ihre Dienste gestellt und sie nicht gegen den Herrscher aller Reußen und sein Regime auSgespielt hat. Aber intrigieren und konspirieren mußte Serge Tatitscheff nun einmal, und da er russischer Beamter und Freund der Engländer war, so intri giert« er gegen Deutschland. Erst in letzter Zeit ist man bei unS auf ihn aufmerksam geworden, als seine Beziehungen zu dem anglo-slawischen Syndikate sich durchaus nicht mehr verhüllen ließen und sein Umgang mit Leuten vom Schlage Wesselitzki» auch den Harmlosesten auffallen mußte. Serge Tatit scheff ist mit einer ganz klar umschriebenen Mission nach London gekommen, er sollte eine russisch« Anleihe unter Dach und Fach bringen Helsen. Diese Mission zu ^er füllen, ist ihm nicht gelungen; wahrscheinlich wußte er schon nach zweimonatigem Aufenthalte in London, daß sie ihm nie gelingen würde; aber da er sich nun einmal von amtS- und berufSwegen in Lombard Street um zusehen und dort Beziehungen anzuknüpfen hatte, so wollte er da» doch nicht ganz umsonst getan haben. Schließlich war eS denn auch kein Geheimnis mehr, daß seine häufigen Besuch« im Privatbureau Lord Revel- stokeS, des Senior-Chefs der Familie und des Bankhauses varing, nicht nur finanziellen Transaktionen diente. Die BaringS gehören, trotz mancher üblen Erfah rungen, welche die Londoner City mit ihnen gemacht hat, zu den angesehensten Familien Großbritanniens. Tiner von den jüngeren BaringS ist sogar jüngst mit einer königlichen Prinzessin verlobt gesagt worden, und einer der älteren spielt als Earl Lromer in Aegypten eine politische Rolle, deren Hintergrund vielleicht erst die Ge schichte enthüllen wirb. Unter welchen hochklingendcn Name» die Mitglieder der Familie Bäring sich aber auch immer verbergen mögen, sie sind alle Deutschen feinde vom reinsten Wasser, und hier konnte Serge Tatitscheff einsetzen. Durch die weltweiten Beziehungen der varing» war er stets gut informiert, und diese BaringS wieder sahen in ihm ein geeignete» Instrument zur Befriedigung ihres Deutschenhasses. Dem Bunde der BaringS schloß sich mit Begeisterung der frühere Lor-mayor von London an, der es -en Russen nie vergessen hat, daß feine Familie ihren Adel Katharina II. verdankte, und der mit einem großen Geldbeutel einen ziemlich skrupellosen Ehrgeiz verband. Ms „Organ" der anglo-russischen deutschfeindlichen Clique war von vornherein die „Nowoje Wremja" auSersehcn, deren Mit arbeiter Tatitscheff früher war und deren Londoner Kor- responbent, der auS Deutschland auSgewiese»« Galizier Wesselitzki, zu jeder Schandtat bereit war, wie man bei un» sagen würde. Mit Hochdruck wurde nun die englisch-russische Annäherung forciert. Die russischen Landwirte ließen sich in der Guildhall feiern, die Herren L. B. L. usw. boten in der „National Review" Rußland -en Persischen Golf als Geschenk Englands für die Freundschaft des Zarenreiches an, eine englische Kunst ausstellung in Petersburg wurde vorbereitet, verlief aber im Sande. ' In dieser Richtung hatte man also kein besonderes Glück, dafür versuchte man dann in Paris, Prag und Pest die deutschfeindlichen Elemente zu» organisieren. Herr Kramarcz hielt einen Vortrag in London, Herr v. Ugron bot zusammen mit dem berüchtigten Rimler Herrn Delcafss die Unterstützung seiner „Partti" für alle Fälle an und der Pariser Publizist AndrS CHSra- dame lieb sich in Rußland über den Pangermani»mu» vernehmen. Die Fäden aber behielt immer da» Londoner Somit6 in der Hand, das auch die große Freude erlebte, den ehemaligen Gesandten Rumhold gegen Deutsch land in dir Saiten greisen zu sehen. Der federgewandte Tatitscheff, dem Withe den Auftrag erteilt hatte, über da» Leben Nikolau»' I. und Alexander» HI. zu schreiben, lancierte bald da, bald dort ein Srtikelchen gegen die „Pangermanen", und mancherlei Samenkorn fiel auch aus fruchtbaren Boden. Nun muß er doch voll Londo» scheide», ohne den Dreibund gesprengt zu habe«, das Court»» Ist seine» „Spiritus raetor" grausam beraubt, die russische Oberpreßvrrwaltu ng aber erhält einen Chef, den man in Deutschland gut tun wird, auch ferner im Auge zu behalten. Moderne „deutsche" Jesuiten. D. ü. L. Gegenüber dem Bolksbetruge, der gegen wärtig von -er Zentrumspartei verübt wird mit der Behauptung von der völligen Harmlosigkeit der modernen Jesuiten; gegenüber der Ignoranz der Freunde des Ultramontanismus auf der rechten Seite des Reichsparlaments, die da glauben, daß eS im internatio nalen Jesuitenorden „deutsche" Jesuiten gebe; gegen über denk Doktrinarismus der Freisinnigen, die lieber eine Leidenszeit des deutschen Volkes herauf beschwören, als eine Ausnahme von ihren veralteten Prinzipien gestatten möchten; sollen zur Kennzeichnung des wahren Charakters gerade der „modernen deutschen" Jesuiten nachstehende Citate aus den eigenenSchrif- ten dieser „Edlen Herren" zur weiteren Verbreitung ge bracht werden, die einer Zusammenstellung entlehnt sind, welche Graf Hoensbroech im neuesten Hefte seiner Zeitschrift „Deutschland" veranstaltet hat: „Steht man auf dem Standpunlre Luthers, so dürfte Wohl derjenige Prediger am meisten Lob verdienen, der die meisten Bräute besitzt." (1. Flugschrift, S. 18. 39.) „O Sie Glückliche (nämlich die Evangelischen), denen Luther das Verständnis der Bibel so tief erschlossen hat, daß Sie auf alles Streben nach Sittlichkeit Verzicht leisten können." (2. Flugschrift, S. 29.) „Was hat man im Protestantismus getan? Dem Ehe mann rief man zu: Die Ansprüche der Leidenschaft haben vor der Heiligkeit des EhegelöbnisseS ebenso wenig Halt zu machen, wie vor dem Gelöbnisse der Keuschheit. Allen Menschen hat man in die Ohren geraunt: der tierische Trieb ist un bändig und schrankenlos und in allen seinen Ansprüchen be rechtigt. Nimmt man das protestantische Prinzip von der evangelischen Freiheit an, so ist es einer glücklichen Ungereimt heft zu danken, wenn nicht auf dem sittlichen und sozialen Ge biete die allerschlimmsten Folgen in die Erscheinung treten." (4. Flugschrift, S. 62. 65.) „Luther sucht alle Gebote Gottes umzu stoßen und gerade in ihrem Kern, in ihrer für das Gewissen ver pflichtenden Kraft zu vernichten und aus der Welt zu schaffen. Die Freiheit des Gewissens, deren Fahne er aufpflanzt, ist Gewissenlosigkeit, Gesetzlosigkeit, Anarchie. Der Thrift LutherS existiert in Wirklichkeit Wohl kaum. Es wäre ja in Wahrheit nichts anderes, als ein gesetzloser heidnischer Anarchist, der vom Christentums nichts anderes hat, als den falschen Stempel des christlichen NamenS." (6. Flugblatt, S. 10, 16.) „So wären wir denn (unter Führung Luthers) ganz logisch auf dem Standpunkt angekommen, auf dem die Ber liner Dirnen und Zuhälter stehen. Und nun sage einer, das seien keine schlechten Protestanten l Ist denn nicht jeder logische Protestant notwendig ein schlechter Protestant?" (55. Flugschrift, S. 80.) „Die Gewalt der Kirche über die weltlichen Angelegen heiten des Staates bedeutet bloß (!) das Recht, die Verord nungen oder Handlungen der weltlichen Gewalt aufzuheben, soweit eS die Interessen deS Seelenheils erfordern." (Tathrein, 8. Moralphilosophie II, 508.) „Kraft ihres Lehramtes besitzt die Kirche das Recht,, nötigenfalls die Grenzregulierung zwischen Staat und Kirche zu treffen; indirekt ist ihr hierdurch auch die Aufgabe ver liehen, die Grenzen des staatlichen Rechts« gebietes zu bestimmen." (Hammerstein 8. /., Staat und Kirche, S. 188.) „Das gesamte Schulwesen des Staates, nicht bloß die Volksschulen, sondern auch seine Gymnasien, seine U n i- versitäten, seine Kadettenhäuser usw. unterstehen bis zu einem gewissen Grad« der Kirche, und zwar direkt in religiöser und sittlicher Beziehung, indirekt in weltlicher Hinsicht, soweit eben di« Beziehung auf Religion »nd Sittlichkeit in Frage kommt. DaS richtige Verhältnis ist also ziemlich genau die Umkehr desjenigen, welches die liberale Staatstheorie auf stellt." (A. a. O., G. 132.) „An den Schulen, an welchen Kirche und Staat gemeinsam zu arbeiten haben, gebührt die Hegemonie der Kirche. Nach genauer Prüfung werden wir genötigt, den Borwurf der Immoralität und der Unehren haftigkeit gegen die modern« preußische Schulidce zu erheben. Das System der mo dernen Staatsschule muß auf di« Dauer auch in der Jugend und dem gesamten Volk« das Grab werden für Treu«, Glauben und Sitt lichkeit. Schon der bloß« ««griff «in«» Mi- nifters der geistlichen und UnterrichtSange« legenyeiten nach dem Zuschnitte der moder- nen preußischen Schulidee wird empfunden wie eine Kriegserklärung gegen die katho lische Kirche und ein Manifest zur Protestan- tisierung. So möchten wir denn über das Portal einer jeden nicht wahrhaft kirchlichen Schul« al» KainRnal dft In. schrift setzen: Durch mich geht'» ein zur Stadt der Qual- Erkorenen, durch mich geht'» ein pun «wigen llüehefchlund, durch mich geht » ein pim Volke der verlorenen, Haß gegen Gott ist meine» Dasein» Grund" (Hammerstein 8. Da» Preußisch« Schulmonopol, « 46 125, 12V, 187, 181.) „Zweifellos betrachtet die katholisch« Kirch« alle christlichen (d. h. all» nicht katholischen) Gcht»» al» ganz «nd gar illegitim und jeder Daseinsberechtigung bar." (Wernz 8. ^., Oecrswlium I, 13.) „Die katholische jftrche hält fest, daß ek eine wahn witzige Behauptung sei, die der schmutzigen Quelle des Jn- differentiSmus entstammt, wenn man als das jedem Menschen eigene Recht die Gewissensfreiheit proklamiert. Die von der Kirche getrennten Konfessionen können nie ein Titelchen wahren Rechtes und wahrer Rechtsfähigkeit erlangen." (Lehmkuhl 8. /., Stimmen aus Maria-Laach 1876, S. 195ff.) „D«r Staat muß, wenn ander» er nicht Rebell sein will gegen jene Autorität, der er sein« ganze Autorität verdankt, katholisch sein, oder wenn er es nicht ist, es werden. Ein krankhafter Zu st and ist die Parität." (Hammer stein 8. 7-, Staat und Kirche, S. 81, 182.), Deutsches Reich. * Leipzig, L2. März. Zu unserem Artikel „Neichsfeuchengesev und Tuberkulose" in Nr. 125 des „L. T." werden wir darauf aufmerksam ge macht, daß nicht nur das preußische Ausführungs gesetz zum Reichsseuchengesetze den Aerzten die Anzeige aller fortgeschrittenen Fälle von Lungen- oder Kehlkopf tuberkulose, wenn der Kranke die Wohnung wechselt oder seinen Leiden erliegt, zur Pflicht macht, sondern daß im Königreich Sachsen eine Verordrrung des König!. Mini steriums des Innern vom 29. September 1900 den Aerzten die Pflicht anserlegt. Di« sächsische Ministerialverordnung Lehnt die ärztliche Anzeigepflicht auch aus solche Fälle auS, in denen der Erkrankte „in Rücksicht auf seine Wohnungs verhältnisse seine Umgebung hochgradig gefährdet". DaS Bestehen dieser Verordnung ändert aber nichts an dem Urteile, das unser Artikel über die Zweckmäßigkeit der be- treffenden Bestimmungen deS preußischen Gesetzes fällt. --- Berlin, 12. März. (Zentrum und Bund der Landwirte.) Daß nach dem Ergebnisse der Wahl in Münsingen die Aussichten der vom Bunde der Landwirte zu unterstützenden Zentrumskandidaten in Hildesheim alles eher als günstig sind, ist nicht nur von uns bereits hervorgehoben worden, sondern es wird auch dem Zentrum selber klar. In einer Zuschrift an die „Kölnische Volkszeitung" über die Chancen der Hildesheimer Wahl heißt es: „Auf die protestan tischen Bundesmitgliever sich zu verlassen, ist auch dort eine äußerst bedenkliche Sache . . . Jedenfalls ist eS angesichts des Münsinger Falles sehr angebracht, ihn sich zur Warnung dienen zu lassen." Die „Kölnische Volkszeitung" erklärt sich mit dieser Zuschrift durchaus einverstanden und mahnt ihre Parteigenossen im Wahlkreise Hildesheim „auf da« Dringendste, ihren Entschluß, ein katholisches Mitglied deS Bundes der Landwirte im Hinblick auf die vom Bunde in Aussicht gestellte Unterstützung aufzustellen, einer noch maligen Prüfung zn unterziehen. Heute sprächen noch ebenso wie in den siebziger und achtziger Jahren gewicktiH« Gründe füreinZusammengeben der Zentrumspartei mit den Deutsch-Hannoveranern. Vielleicht kommt e« im Wahl kreise Hildesheim schließlich noch dahin, daß ein Teil der protestan tischen Bündler sür einen Zentrumsmann stimmt, die Mehrheit der katholisch-klerikalen Wähler aber für den protestantischen Kandidaten des WelsentumS. Dann würde der Bund der Landwirte vielleicht allmählich dahinter kommen, daß eS eine „Kateridee" ist, sich für daS Zentrum zu engagieren, nur um einen Kandidaten durchzubringen, der sich auf den 7^/, Zoll und dergleichen festlegt. /?. Berlin, 12. März. (Kleinwohnung und Massen- mietShauS.) Der Berliner Nationalökonom vr. Rudolf Eberstadt hat unter dem Titel „Rheinische Wohn- Verhältnisse und ihre Bedeutung für das Woh nungswesen in Deutschland" soeben eine entwickelungS- geschichtliche Untersuchung erscheinen lassen (bei G. Fischer in Jena), die eine wertvolle Bereicherung der Literatur über di« Wohnungsfrage bedeutet. Bei dem Studium der Wohnung-Verhältnisse in Düsseldorf, Elberfeld und Barmen gelangte Eberstadt zu dem Ergebnis, daß rin Vergleich mit anderen deutschen Großstädten einen außerordentlichen Ab stand z« Gunsten der rheinischen Städte erkennbar macht. In den rheinischen Städten mit ihrem gewaltigen WobnungSbedarf ist nämlich eine zureichende Massenproduktion an Kleinwohnungen erzielt worden, ohne daß auch nur der Gedanke an die Kasernierung der Bevölkerung auf kam; di« überwiegende Mehrzahl der Grundstücke steht im Eigenbesttz; der breitesten Schicht der Bevölkerung ist die notwendige Beteiligung am Grundbesitze verblieben. Der aus alter Ueberlieferung entwickelte Typu» der Klein wohnung genüat vollauf deu Ansprüchen der städtischen Wohnweise. Die Mietpreise stehen bei deu jüngste» und besten Bauformen von Elberfeld-Barmen weit niedriger, al» i» de« Hofwohnungen der Mietskasernen von Berlin, Hamburg und Leipzig, selbst in Düsseldorf haben sie nicht, trotz einer sprungweisen Steigerung der letzten Jahre, di« Höhe der kasernierten Städte erreicht. Geschaffen wurde in jenen rheiuischeo Städten alle- durch da» private Unter nehmertum unter einer Verwaltung, welche die spekulative Ausnutzung de» Boden» bekämpfte. Die hervorragendste und für das Wohnungswesen wichtigste Leistung de» rheinischen Städtebaues besteht in der Entwicklung riuer «igeneu selb- ständigen Form de« KleiuwobnunzSdaue». Entstandeu im Mittelalter, hat da« dortige KleinhauS den neuen Bürgerstanb mit eigenem Grundbesitz auSgrstattet, in späterer Zeit dem Handwerkerstand« gedieut und alSdana deu HauSindustrielleu uad den Heimarbeiter beherbergt; aus dieseu alten Gründ- lagen wurde in unseren Tagen de« kapitalistischen Fabrik- betriebe« «in Wohnhau« entwickelt, da« die Arbeiterwohaung an Rang «nd Wert jetzer andern Wohnform gleichst»!». Sm Gegensätze hierzu kennt da» MaffrnmietSdau», da» sich die meisten deutschen Großstädte neuerdiug» uuterwarfeu hat, di« Klemwohnuag von »ufang an nnr al» «in Anhängsel zu, vorderwohnuug. E» zst «in unhaltbarer Widerspruch, daß in einer Zeit, da der Arbeiterstand politisch und kul turell emporstieg, für ihn WohnungSverbältniffe geschaffen wurden, wie er sie in Deutschland zu keiner Zeit gekannt hat. Dieses politisch und sozial schlechteste WobnungSsystem ist zugleich daS teuerste und unvorteilhafteste; c« fordert die höchsten Mieten und macht eine zureichende Produktion von Kleinwohnungen unmöglich. Denn nur der Bau großer Wohnungen ist bei den künstlich gesteigerten Bodenpreisen rentabel. Der wegen der Untauglichkeit veS HauSgruodrisseS mit weitgehenden hygienischen Einschränkungen belastete Klein- wohnungSbau wird unvorteilhaft. DaS System der Miets kaserne hat deshalb in der Schaffung zureichender Klein wohnungen ebenso vollständig versagt, wie der rheinische Wohnungsbau den Anforderungen in der Hauptsache genügt hat. Berli», 12. März. (Beitragserstattungder Invalidenversicherung an junge Ehe- frauen.) Nach 8 42 deö Jnvaliden-BersicherungS-Ge- setzes wird weiblichen Personen, die eine Ehe etngeben, bevor ihnen die «ine Rente bewilligende Entscheidung zu gestellt ist, auf Antrag die Hälfte der für sie geleisteten Bei träge erstattet, wenn für sie vor Eingehung der Ehe für mindestens 200 Wochen Beiträge entrichtet sind. Mit der Beitragserstattung erlischt di« Anwartschaft auf Rente. Diese Bestimmung über di« Erstattung der Beiträge wird vielfach als ein zweiflhastes, als ein Danaergeschenk für die Versicherten angesehen. In allen Kommentaren zum Jnvalidenversicherungsg«sey, in volkstümlichen Schriften, in den Geschäftsberichten der Versicherungsanstalten wird den Versicherten der Rat gegeben, Anträge auf Beitrags erstattung nicht zu stellen, sondern die Anwartschaft auf Rente durch freiwillige Versicherung aufrecht zu erhalten. Es ist vergebens. Die jungen Ehefrauen lassen sich nicht davon abbringen, ihre Erstaitungsanfprüche geltend zu machen; der augenblickliche Vorteil lockt; sie erhalten eine größere Sunnne Geldes, die sie in ihrer jungen Wirtschaft sehr gut brauchen können. Nach den gemachten Er- fahrungen gelingt es nur in den wenigsten Fällen, die Versicherten -um Verzicht auf die Erstattung zu bringen. An das fernere Alter oder den frühzeitigen Eintritt der Invalidität denken der Arbeiter und seine junge Frau nicht. Ob hier nur wirksame Abhülse geschaffen werd«n kann durch Befestigung des 8 42 oder aber dadurch, -aß die Westerversicherung anders gestaltet wir-, ist eine Krage, die nicht gut auf die leichte Schulter genommen werden kann. Daß junge Ehepaare kurz nach der Ehe schließung eine für ihre Verhältnisse nicht unerhebliche Summe Geldes in die Hand bekommen, ist ja gewiß recht wünschenswert. Zu den unmittelbaren Aufgaben der Jnvaliden-Versicherungs-Gesetzgebung gehört eS aber nicht. Und diese sollten nicht unter den mittelbaren leiden. D Berli«, 12. März. (Telegramm.) Der Kaiser unter- nahm nach der gestrigen Mittagstafel einen Spaziergang im Tiergarten und folgte abend» einer Einladung zum Diner bei Generaloberst v. Hahuke. — Heute morgen machte der Kaiser den gewohnten Spaziergang, hatte eine Konferenz mit dem Reichskanzler und hörte von 10 Uhr ab die Vor träge de« KriegSministerS, des Chef« deS GeueralstabeS und des Chefs deS MilitarkabinettS. D Berlin, 12. März. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztz." schreibt: Im Reichsamte deS Innern trat heute unter dem Vorsitz deS Staatssekretär- Grafen Posadowsly eine Konfercn; zur Beratung der in Elsaß-Lothringen gegen die Weiterverbreitung der Reblaus zu ergreifenden Maßnahmen zusammen, an der Vertreter der Reichs verwaltung und von Preußen, Bayern, Sachsen, Württem berg, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar und Elsaß-Lothringen teilnebmen. Staatssekretär Graf v. Posadowsky betonte in der Eröffnungsrede, daß es sich um den Schutz eine« der kostbarsten wirtschaftlichen Güter deS Vaterlandes, des Wein baues, bandle, und stellte zunächst zur Erörterung, ob die Ausrottung der von ver Reblaus befallenen Weiagelände in der Umgebung von Metz technisch ausführbar, wirtschaftlich gerechtfertigt und die bejahendenfalls erforderlichen sehr be trächtlichen Milte! aufzubringen seien. Berlin, 12. März. (Telegramm.) Der Vizepräsi dent deS vreußischen Abgeordnetenhauses v. Heercmauu (Zentrum) wurde beute im Abgeordnetenhause von einem Unwohlsein befallen und mußte nach Hause gebracht werden. — Der Termin für 'die nächsten ReichStagS- wahlen ist noch immer nicht festgesetzt. Inden Regierungs kreisen selbst scheinen sich bisher verschiedene Meinungen zu erhalten. Während einzelne Stellen für die Erledigung des ganzen WahlgeschäftS vor Pfingsten find, wünschen andere ven Wahltermin in die Mitte Juni verlegt zu sehen. Dir Entscheidung wird wohl mit von dem Material abhängen, da« noch m der laufenden Tagung vom Reichstage be wältigt werden soll. Jedenfalls dürste sie nun bald fallen. (Hamb. Nachr.) — Dem Reichstage gingen di« AnSsährungSbestimmungeu zum ReichSgesetze, betreffend daS AuSwanderungSwesen, zu. — Die Meldung, daß da» sogenannte Klos ei tge setz dem Reichstage gar nicht vorgelegt werden, sondern vom Bundes- rate im Wege der Verordnung erlassen werden solle, glaubt die „Deutsche TageSzritung" bestätigen zu können. Sie schreibt: „g»ar bestimmt der , 1b de« Wahlgesetze« vom 81. Mai 1869, daß da» Wahlreglement nur unter Zustimmung de» Reichs tags abgeäudert werd,» Um»«. D«, BundrSrat aber nimmt an, daß diese Zustimmung schon erfolgt sei, da die Abänderung weiter nicht« sei, al« die Ausführung dessen, wa« der Reichstag bereit« tu seiner großen Mehrheit be- schlosse» hab«. — Dies« Ansicht wäre a» sich richtig; aber sie würde Loch nur dann gelteuh gemacht werdea können, wenn di, Abänderung d»S Reglement» tu allen Punkten de» vom Reichstage angenommen» Aurrag, »atspräche. Ist da« nicht der Fall, so müßte trotzdem dl« Verordnung dem RetchStag« unter breitet »erd«»." Sa weit di, „Deutsch, Tageszeitung". Die »Allan». Ztg." macht »der darauf aufmerksam, »aß d» Rnchch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite