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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940110028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894011002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894011002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-01
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Vrz«g».Prei< >1 b» tz»vt«i»»dtüo» »d— de« k» Stadt- tzesirk «»d d«, Borort«, errichtet«, Aul- «chestell«, ob geholt: vierteljährlich^ 4.50. vet »weimaliger täglicher Kunellnng in» Vau» >l L50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,abrlich L—. Direct« tägliche Areuzbandirudung i»t Aulleud: monatlich ^l 7.5Ü. DieMorgen-Au-gabe erscheint täglich '/,? Uhr, die Abeud-Lusgab« Wochentag» 5 Uhr. Le-action und Lrveditisu: -ohonue-gasse 8. Die Exvedition ist Wochentag» ununterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abeud» 7 Uhr. Filialen: vtt« §kle»«'S e«rti». tNlsre» Hatz«), Universitätsstratze 1, Loai» Lösche. Kntharinenstr. 14. vart. und SSnigtvla» 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Lnzeigeir.Prei- die «gespaltene Petilzeil« »0 Pfg. Neclamen unter d«n-tedactioastzrich (4a— «palte») 50-4. vor de» gamiUanachrtchie, (S gespalte») 40 4- chrötzere Schriften laut ouserem Breit- verzrichniß. Tabellarischer und Zisfrrusatz nach höherem Tarif. E?tra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, obne Postbesörderuag >tz M.—, m«t Poslbesorderung 70.—. ^auahmeschluß für Anzeigen: Lbend-Au-gab«: Vormittag» 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 >U>r. Sonn- nud Festtags früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stund« früher. Intrige« sind stet» an die Gtzpetzitia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch dm 10. Januar 189t. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Lon beute ab beträgt bei der Neichsbant der DiScont 4 Procent, der Lombardzinssusi für Tarlclme gegen aurichließliche Verpfandung von Schuldverschreibungen deS Reiches oder eines Deutschen Llaatcs 4', Procent, gegen Verpfändung sonstiger Effecten und Waaren 5 Procent. Berlin, den 9. Januar 1894. Rcichübanl-Iirkrtorii»». Anarchisten und Bourgeois in Frankreich Es ist eine bittere Satire und Sclbstironic der Pariser BourgcoiSgcscllschaft, was gegenwärtig um den Procesi Brillant vergebt. Nachdem der Manu seine Bombe i» dm Saal der Tepulirtenkamnicr binabgeworfen, reichte anfangs daS gewöbnliche GedranchSlerikon nicht mebr aus sür die Schcluiamen, mit denen die bürgerliche Presse den anarchistischen Morkbuben bedachte, da» Unheil der össcut- lichcn Meinung war noch nickt von Sculinientalität augc- tränlelt und war bart wie die Thal selbst. Wer sich milde auSdrückte und nach psychologischen ErkläruugSgründcn suchte, «aff damals in Baistaul höchstens den verstörten Kops, in dem socialistische und anarchistische Wal'nlebrcn da« Gleich gewicht verrückt hatten, allgemein aber zuckle man verächt lich die Achsel» über eine» Menschen, der sich als Apostel eines neuen Heils aufspiclen wollte und von dem man wußte, daß er mehrfach bestraft war, weil er schon in der Jugend seine langen Finger »ach anderer Leute Eigentbum ausgestrcckt batte. Freudig stimmte man zu, als die Regierung zur Be lämpsung des Anarchismus Maßregel» vorschlug, wie sic bis dahin unerhört gewesen waren in der Republik, und rück haltlos lobte man den Entschluß der Gerichte, den Proccß gegen Baillant möglichst zu beschleunigen; an unzweideutigen GesctzcSparagraphcn wieS man nach, daß der Mörder dem Tote verfalle» sei. Heule ist die Stimmung von diesem ersten Eindruck wesentlich verschieden, und Vaillant bat am Vorabend seiner Aburtheilung eine recht „gute" Presse. Wie eS nu» cinnial schlechter Brauch ist in Frankreich, batten sich die Zeitungen mit den persönlichen Verhältnissen Baillaiil'S mehr be schäftigt, als der Mann und seine Sache verdienten. Ein findiger Reporter entdeckte, daß er einmal in Südamerika Schulmeister gewesen sei; ein Blatt theilte das sinnlose Geschwätz mir, das der V-rbrcchc» uls srinc Philosophie ausgczcichlict »nk mit Eilaten aus ein paar Schriftstellern belegt bat, die im Allge meinen nur der BourgeoiSgesellschasl geläufig sind; eine andere Zeitung wußte sich den Brief zu verschaffen, den Baillanl im Gesängniß an seine Geliebte geschrieben. Daneben beschäftigte man sich mehr denn je mit den anarchistischen Lehren; die Erinnerung an Ravackol lebte wieder auf, man sing an, eine Art von Bewunderung vor der Kraft des Fana tismus zu empfinden, womit seine Schüler ihm nachlehrlen und nachlebtcn. Einer der bekanntesten Tagctzschreibcr, der der bürgerlichen Gesellschaft jeden Morgen zum Frühstück mit einer geistreichen Plauderei auszuwarten Pflegt, verflieg sich vor einigen Tagen zu der Aeußcrung: „Der Anarchismus ist keine politische Ansicht, er ist eine Religion, die sich erhebt wie in den alten Zeiten, eine Religion der Geknechteten und Unterdrückten." Man meinte, eine gewisse Berechtigung sei dieser Meinung nicht abzusprechen; man erinnerte au da« schreckliche Elend, daS aus der Welt in den untersten Elasscn herrsche; den Geschworenen ging ein Schreibe» zu. worin rund heraus crtlärt wurde, im Vergleich zu Leu schrecklichen Ungerechtigkeiten der bestehenden socialen Ordnung muffe das ' Verbrechen Vaillant'S gradczu sym pathisch erscheinen; man appellirte an das Mitleid, fand cs so interessant und rührend, daß ein dem Tode ver fallener Verbrecher an seincin Kinde hänge und ein Weib liebe — es ist freilich die Frau, die er einem Freunde entführt bat —: kurz man „emballirte" tick, wie man in Paris sagt, derart, daß man sogar stolz aus die riesengroße Culturböbe war, die man erllonimen und aus der man sich den Lupus erlauben könne, einem Verbrecher, der gegen die Gesellschaft selbst wütkel, solch erbabencl^esühleentgegknzubriilgeii Auch den GangdcöPro- ecsseö selbst bat riese ansteckende Sentimentalität schließlich beein flußt- Derll ntcrsnckungsr ich tcr Bien er hat von Vaillant eine Schilderung entworfen und den Blättern zugehen lassen, die den mit den Verhältnissen Unbekannten eher daraus schließen ließe, daß er der RcchtS Heist and deS Verbrechers als dessen Richter sc>, und die er, fast bedauernd, dabin ziisammensaßt: „Was Vaillant am meisten schadet, ist sein Vorleben und die Strafen, die er sich durch gerichtliches Unbeil zugezogen hat." Als nun am 4. Januar der Proceß beginnen sollte, er klärte der als Verlhcidiger auSersckcne Rechtsanwalt Ajalbcrt in einem Schreiben a» den Vorsitzende» deS Gerichtshofes, daS er selbstverständlich zu gleicher Zeit veröffentlichte, denn die Reclauie war ja die Hauptsache, man habe ibin zu wenig Zeit gelassen zur Prüfung der Arien, er könne cs daher vor seinem Gewissen nickt verantworte», wen» er die Vcrtbeibigung übernehme. Und dabei ist der Tbatbcstand tcr einfachste von der Welt, aber freilich, die öffentliche Meinung hätte cS den Herrn Rechtsanwalt schwer entgelten lassen. wenn er ihr in ihrem „Emballement" nicht gefolgt wäre und seine Vertbeibigung nicht auf die augenblicklich moteriic Rühr seligkeit eingerichtet hätte. Am woblstcn fühlen sich die Geschworenen, die berufen sind, über Len Boinbenvcrbrcchcr den Spruch zu sällen, bei der GefüblS- schwelgerei, die das Publicum ergriffen bat, und sie werden fick hüten, sich dem Zorn der Pariser BadaudS dadurch auS- zusctze», daß sie Vaillant zum Tote verurtbcilen. Die Anarchisten aber freuen sich über den unerwarteten Erfolg, den die Bourgeois auch ikrcm jüngsten „Helden" bereitet babcn, und singen trotz Vereins- und Prcßgesctz und den Specialcommiffarcn zum Trotz ibr neues Lied, LaS sie ihrem Meister zu Ehren — die Earniaznole und Earmausine sind längst veraltet und abgesetzt — Ravachole gelaust babeu und daS recht erbaulich also beginnt: I'an-ovÄ In lbavaobolc, Vivo Io so» D» 1'explosiou t Vb! ira, c» ira, tz» im, Tony Io» Ixnirxevw xoüt'ront ck'I» bombo. <,Kol». Ilg.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Januar. Daß der Reichstag gestern in seiner erste» Sitzung im neuen Jahre den Beratbiliigsgegenständen: dem auf der inter nationalen SanilätSconserenz in Dresden am 15. April v. I. Unterzeichneten Uebereinkommen und der Novelle zur Eoncuröordnung, »ur geringe Aufmerk samkeit geschenkt bat, ist schon im heutigen Morgenblattc gemeldet worden. Und eS ist bei der Spannung, mit der man allgemein den Debatten über die größeren Vorlage», die dem nächst zur Beratbung lommen werken, cnlgegensicht, be greiflich genug. In der Unterhaltung der spärlich ver sammelte» Abgeordneten nahmen denn auch, wie »nS heute geschrieben wird, die nahe bevorstehenden Beratkungen über die Stcuerge setze einen großen Raum ein. Viele der Herren waren von einer neuen Aussprache mit ibrcn Wä.ckcr» zurückgekommen. Allein eS wurde noch so viel Zurückhaltung, um nickt zu sagen Abneigung, gegen die wichtigste» Vestand- tbeilc des vorliegenden Sleucrplans kundgcgeben. daß man nur mit ernslen Besorgnissen dem weiteren Verlaus ciitgegciisehen taiiu. Auch die neueste Erklärung deS Reicks lanzlerS und die Aussichten deS russischen Handels Vertrags wurden in der Unterhaltung der Abgeordneten viel besprochen. I»i Allgemeinen gab sich die Auffassung kund, daß die Situation sich durch den Versuch einer Annäherung zwischen der ReichSregiernng und der conser- vativ-ui Partei einigermaßen aufgeklärt habe und der russische Haiidelsrcrlrag jetzt mit etwas besseren Aussichten auftrclcu werde, als cö noch zu Weihnachten Len Anschein hatte. I» dessen ist die Lage noch so uiitlar und undurchsichtig, daß mit jedem Tag. um den die Entscheidung näher rückt, neue überraschende Wendungen cintreten tönncii. — Obgleich Keule „SchweriitSkag" ist, so bat daS Ecnlrum doch ans den Versuch verzichtet, seinen Antrag ans Abänderung dcr Gewerbeordnung aus die Tagesordnung zu bringen. Auch das ist begreiflich. Mil Ausnahme von ganz wenigen Stimme» Kal die öffentliche Meinung den Antrag »n Hinblick ans seine Bedrohung de« Buchgewerbes als culturscindlick gchrantmarkt: das Mildeste, was sich sagen läßt, ist, daß die Antragsteller die Wirkungen ihres Antrag«, falls er Gesetz würde, fick selbst nickt völlig klar gemacht babcn werten l»id mehr ihren guten Willen sür die zweifellos dringend wünschen«- wcrlkc möglichste Bewahrung des Volles vor schlechter Lite ratur, als ihre Befähigung zum Gesetzgeber haben Locumentire» wollen. Es siebt zu hoffe». Laß der Reichstag diesem Verbiet sich anschließen werde. Unseren SorialScmokratkN, die so gern leugnen möchten, aber dock nicht leugnen können, daß das Treiben der Anarchisten »ur die Eonsequeuz der socialtcniotraliscke» Lehre ist, scheinen die anarchistischen Vorgänge in Paris stark in die Glieder gefahren zu sein. Wer die Sreßlcistungen der llmslurzparlci aujnicrksanl verfolgt, dem kann es nickt c»t- gauge» sei», daß sich der „Vorwärts" und seine Gesinnuugs- gcnossen im Reiche seit einigen Wochen einer ungewöhnliche» Mäßigung befleißigen. Man bcgt offenbar die Befürchtung, daß Maßregeln, wie sic in dem früheren Socialistcngcsctzc getroffen waren, aus« Nene geplant werden könnten, wenn die socialdemo- kratische Presse ihre die öffentliche Ordnung untergrabende Tbärigteit auch gegenwärtig soilsctzc» wollte. Es scheint daher die Parole auSgegebcii zu sein, zunächst vorsichtig zu rer- sabre». natürlich nur so lange, bis die Ansregung über die Attentate in Barcelona und'Paris sich wieder gelegt babcn wird. DaS ossiciellc Organ der deutschen Sociäldemokratie, weit entfernt, jene Vorgänge zu beschönigen, tbut vielmehr fortdauernd so, als ob cs ebenso wie die bürgerliche Presse die selben verabscheue, und ist nur bemüht, bei jeder neue» Aus lassung die Bcl>cntl»ig der Attentate abzuschwächcii und sie als eine von der Polizei angczettelte Komödie hinzustellen. Daß tcr Leitung der deutschen Socialkcmolratie die anarchistischen Aus tritte höchst unerwünscht gekommen sind, crgiebt sich deutlich au« der Rede, die dcr Abgeordnele Bebel kürzlich in Zürich gehalten bat und die wir bereits gewürdigt haben. Ganz besonders bezeichnend sür die Vorsicht, mit dcr Herr Bebel z. Z. vergehen zu sollen glaubt, war seine Aciißerung aus die Frage, ob. wenn eS ihm gelänge, seine LieblingSibee, die Einführung des Milizsystems, durchzusetzen, das Volk auch von den Waffen, die man ihm gäbe, Gebrauch machen solle. Er antwortete bekanntlich: „Daraus sage ich nichlS. Oder balle» Sie mich denn sür einen solchen Esel, daß ich darauf Antwort gebe und mich in Dculschland draußen compromittire?" Wessen Deutschland sich gegebenen Falls von Araukreich zu versehen bat, dafür Kat dcr berüchtigte Ricbtersprnch von A il go» lc'ine einen »ur allzu bedauerlichen Fingerzeig gegeben. In Aiigvlilc'iiic babcn, waü sittlich noch zurcchnungssähige Blätter, wie „TemvS", „Figaro" und „DöbatS" zwischen den Zeile» selbst zugesteben. nicht die Geschworenen geurtbeilt, kontern tcr Despotismus dcr Pöbelmcinung, von dcr jene lick, cinsck'üchlern ließen, bat hier sein souveraine« Bcrdict gefällt. Ihm huldigt und schmeichelt man, wie einem asiatischen Despoten, und zwar in großen wie in kleinen Dingen, ans polnischem, wie ans wirtbschaftlichem und reckt lickein Gebier. Das Volk spricht, seine „Führer" haben z» gehorchen. Daß ei» solcher, nach verschiedener Richtung bin ä»s;?>sl bedenklicher Zustand eine Gefahr sür den zcsammten Welllbeil betculcl, liegt aus derHand. Dieselbe BolkSleidrnschast, die beute Mörder und Mordgescllen srcispricht, kann morgen Unschuldige zi»n Tode vcrurthcilcu, übermorgen einen Krieg vom Zaune breche», ebne das; ihr irgend Jemand in den Weg zu trete» die Kraft oder die Neigung besäße. Die zur herrschende» Mehrheit gehören oder gehören wollen, müssen lniunachcn, die Minderheit wird überhört, von der Mehrheit unabhängige Gcwalien aber sind nicht mehr vorhanden, wo „Sclbslanbeliiiiz die Hauptbeschäftigung dieser herrschenden Mehrheit bildet". — „Ei» Wandel in absehbarer Zeit ist", wie dein „Hamburger Evrrcspondent" aus dem Süden Frankreichs geschrieben wird, „in absehbarer Hukunit »ickt zu erwarten — vielleicht auch nickt zu wünschen. Erst wenn der llnsi»» ans die Spitze getrieben und da« wahre Interesse FraiilreickS in seinem Herzen bedroht worden ist, erscheint ein Umschlag an dcr Seine denkbar. Bis dahin bleibt >i»ö Deutsche» nickis übrig, als unser Pulver- trocken zu Hallen. Wo die blinde Leidenschaft regier!. haben Berechnungen deS Möglichen und Wahrscheinlichen Len Sin» verloren. Bis jetzt bat die Erinnerung an das Jahr 157c» hier bei unseren Nachbarn die Stelle billiger und vcr »ülffnger Erwägungen vertreten, bis jetzt bat hier sür Leute, die die VolkSlaunc zur Richtschnur ihres politischen Handeln« machten, der Grundsatz gegolten: „Wir «d. h. die Mehrheit, können »nS alle« erlauben — nur den Krieg nicht." Wie lange das noch Vorhalten wird, vermag Niemand abzuseke», seit die Vellsleitciischast in abermaliger Zunahme begriffen ist und die Rechnung aus Rußland sür eine sichere gilt. Danach haben wir uns cinzurichrcii — »ach innen wie »ach anßen." Francesco EriSpi bat sich, indem er, seine persönlichen Empfindungen nicderläinpfcnt, den Belagern»zözustand über Ltcilie» verhängte »nd sich mit aller Strenge gegen die socialistilchen Agitatoren vorzugcbcu entschied, um sei» Vaterland wohl verdient gemacht. Wie sich jetzt herauSsicllt, stand Italien thatsächlicb am Vorabend einer allgemeinen, von den Soeialistcn sorgsam vorbereiteten Umsturz bcwcgung, die gleichzeitig i» allen Theileu de« Lande« ausflaiiimcn sollte, insbesondere in dcr an »»islürzlerischcn Elementen überreichen Roniagna und in den Marten. Der Verdacht, Laß auswärtige Agitatoren und fremde« Geld bei der sicilianischen Bewegung eine große Rolle spielen, hat in den beim Pfarrer Urs» gefundene» Brief schaften De Felicc-Giussridas volle Bcstätiguna erhallen, »nd insbesondere die Bclbeiligiiiig Amilcarc Eiprianis, des leidciischasilichc» FranzoscnschwärmcrS und Anar chiilen, an dem llinsturzanschlagc ist erwiesen. Bei allen ordnnngSliebciidc» Elementcil Italiens, wie dev demselben verbündete» Staaten bat das Vorgehen EriSpi« den dcntbar beste» Eindruck gemacht. Geht aber so die neu: Regierung den Uiiistnrzlern scharf und ersichtlich erfolgreich zu Leibe, so versäumt sie darüber doch nicht die wichtige l Pstickt, aus eine Besserung dcr elenden socialen und Fettilletoir. Auf und nieder. Roman von Edwin Heinz. (Wie Rechte Vkcdeh-Iicu.1 (Fortsetzung.) „Weil wir von der Luft leben", bemertte Eckart bitter. „Es scheint bald so. aber ich bin Geschäftsmann, ick muß sür mein Geschäft sorgen. Componisten giebt eS wie Mücken in der Sonne." Eckart kraute sich im Bart. „Herr Kühne", sagte er. „Zch vrcbestrire Ihnen die Ge schickte mit aulbographischcr Tinte. Sie wissen, daS ist die Arbeit von wenigstens drei Tagen . . aber geben Sie uiir dreißig Mark." „Junger Mau», daS Orchestrircn nützt mir nicht viel, wen» cS kein Orchester spielt Ucbernckmen Sie »ock die Pflicht . . nein, sagen wir die Bereitwilligkeit, da« Stück bei einigen Eapellen cinzuführen und ich will Ihnen das Geld geben. . Eckart schlug mit Vergnügen rin. „Während ick nun den Eontracl inacke, geben Sic. bitte da hinüber und spielen Sie mir mal de» Walzer vor". Eckart stieß die angelclmte Thür aus und trat aus das im Nebenzimmer siebende Elavicr zu. Er bemerkte dabei nickt, wie sich die andere Thür schloß und Frieda, die wobt ge horcht haben mußte, verschwand. Die Aussicht ans Verdienst, wen» auch nur schmale», be lebte den junge» Autor und in mächtige» Accorden tönte die charakteristische Einleitung seines Walzers durchs Zimmer. „Ganz hübsch", ries Herr Kulme hinüber und ermutbigte den Eomponisteii, sortz»fabrcii. Und Eckart spielte, spielte, spielte nickt nur den Walzer, sonder» noch vieles Ankere, bi« ihm Kühne auf die Schulter tippte und genug zurief. „DaS ist gut. was Sie da gemacht baden. Macken Sie mehr.davon, bringe» Sie mir mebr her, vielleicht kann ich noch Einiges brauchen. Nun unterzeichnen sie den Eontract." Eckart kannte die Eonlraclc, er las ibn gar nickt durch. Er wußle, daß er sein Geisteswcrk aus Nimmerwiedersehc» ohne jedes Anrecht für später aus der Hand gab und Unter zeichnete leichtbin: Fritz Eckart. „Nein", sagte Kühne, „schreiben Tic nur »ock Maczta JaneS darunter, cS ist jetzt Ibr Pseudonym." „Auch gut", erwiderte lachend Eckart, indem er den schönen ungarischen Namen darunter setzte. DaS Geld lag bereit. Ein Zwanzigmarkstück und ein Zehnmarkstück. Nachlässig, alS ob er über Millionen zu verfügen hätte, steckte Eckart die Goldstücke in die Billcttasche seines Rockes, drückte die ihm von Kühne dargebotene Hand und mit herzlichem Lebewobl verließ er das Zimmer, nicht ohne von Kübne nochmals ans- aefordert worden zu sein, bald Neues zu bringen. Er ver sprach cS. An dcr HauStbürc wartete schon Frieda. Sie öffnete ihm. Eckart batte laui» einen Gruß für sic. Leicht beschwingt trat er hinaus. Es war schon finster. Eine» Augenblick überlegte er, was zu thun sei, dann lenkte er seine Schritte, mächtig ausgreifend, der wntei' zu. Hier waren die Pandektisten schon versammelt. Mit sreudigem Zurut wurde Eckart euipfangen. Tie Kneipe war voll, Marie und Lucy batten alle Hände voll zu tbun. Eckart war scbr aufgeräumt. Er war lustig und zahlreiche witzige Einfälle belebten seine Unterhaltung. Als ihn Marie so beiter sab. glaubte sie, daß er von zu Hause läme, sic wunderte sich zwar, daß er ihr kein Wort wegen Käthe sagte, allein sic fragte auch nickt danach, war ibr dock bekannt, daß Eckart nickt gern viel erzählte. Es war ibr genug, das; er sröblick und guter Dinge war. Immer änimirler wurde die Stimmung. Do kauerte die Zecherei bis gegen 2 Ubr, dann erhob inan fick um in ein Kaffeehaus zn geben. Als Eckart nach Hauff lam, siel ihn, Kätke ei». Leise schlick er in die andere Stube. Hier fand er drei Stühle an dcr Wand slcken, darüber lag ein Bett, am Ende ein paar Bücker, vier Bänke Wagner'« Werke, »nd ein Kopfkissen darüber. Sein weiter Mantel lag als Zudecke daneben. „Auch gut", brummte er lachend, entkleidete sich schnell, legte sein Haupt aus die Bücker, zog seine Beine herauf, den Mantel über sich und in wenigen Minuten börte man sein lautes Schnarchen. E« Am Tage »ach dem Brande batte Bankdireclor Trübe nickt viel gearbeitet. Er war um das Schicksal Käthe s be sorgt gewesen, dcr verkohlte Leichnam de« Kindes halte ihn ties ergriffen. Es schien ibm wie ein Bcrbängniß, daß der Vater bc» dem Baue seines Hauses und da« K»nd der« Brande eines Hause«, sür das er sich als Geschäftsmann inter- cssirte, umtoinmcn mußten. Er suchte seine Erregung zwar zu verbergen, aber die sich widersprechenden Anordnungen, die er gab, machten doch das Personal stutzig. Am Nachmittag war er gar nickt gekommen. Er war zu dem befreundete» Polizei- cssicier gegangen und batte sich noch weiter »ach Einzelheiten des Brandes erkundigt. Man wußic nickt« weiter als wie am Vormittag, nur bemcllte der Ossicier, Laß jedenfalls die Eriminalpolizci viel zu thun bekommen werde. Er sagte ganz offen, daß die Meinung immer mehr Platz griffe, das Mädchen, welches im Hause gewohnt habe, habe das Feuer angelegt, um sich ibreS Kinde« zu entledigen. ES wisse zwar Niemand im Hause etwas von dem Kinde, auch sei dasselbe nickt in die Bücker des Standesamtes eingetragen oder gemeldet gewesen, indessen da« Vorleben der Person bekräftige den Verdacht. Sie sei Kellnerin gewesen und wenn auch gerade sonst nichts gegen sic vorläge, so mache sic dock schon das Verschweigen daö Daseins deS Kindes verdächtig. Hierzu komme aber »ock, daß sie sich bis jetzt »ock, nickt bei der Polizei gemeldet habe. I» der Aufregung des Brandes habe man der ohnmächtig gewordene» Person nicht geachtet, aber heute erweise sich ilir AuSruf als ein neuer Grnnd zu dem geschöpften Verdachte und die Eriminalpolizci sei emsig am Werke, ibrcn Zufluchtsort ausfindig zn »lacken. Trübe war über die Auskuiist sehr bestürzt. Er cntgeancte zwar, daß ibm das nickt gerade ausreichende Beweise sür die Schuld einer Brankstislillig »nd eines KinkeSmordeS seien »nd bat schließlich, ihn zn benachrichtigen, wen» das Mädchen gefunden würde. Er wolle sehe», was er sür sie tbun könne. Leinen Anlheil begründete er sehr glaubhaft mit der Erschütterung, den dcr grausige F»»d ans >b» gemacht bade. Welche Beziehungen er zn dem Mädchen balle, ver schwieg er aus Scheu vor einer Vernehmung. Tcr Ossicier versprach ihm Mittbeilung :» macken. Als Trübe am andern Morgen in da« Eontor kam. fand er schon ein paar Zeile» von Marie vor. Sie schrieb ibm kur; und bündig, daß Käthe fick bei Frau Kugler befände, wo diese wohne und daß das Kind verbrannt sei. Sie bat Trübe sich der Käthe anzunebmen. Mit Hast erledigte er seine Geschäfte und eilte dann dcr bezeicbnetcn Wohnung zu. Als er vor dem Hanse stank, be merkte er, daß eS da« seines Bruders war. Von ibm wollte er nicht gern geseben sein. Er rechnete daraus, daß ibm Niemand aus der Treppe begegnen werde. Kaum war er jedoch aus dem ersten Treppenabsatz, da ging die THUre zu Iiilinö Trübe s Wohnung aus und IulinS trat heraus. Etwas verwundert blickte dieser seinen Bruder an. „Das ist ja mal ein seltener Besuch, Karl. Was ver schafft mir denn die Ekre?" fragte er, nickt ebne ein klein wenig Ironie in seine Worte zn legen. Karl Trübe nabm fick zusammen, machte ein leidlich freundliches Gelickt und erwiderte: „Ich ging gerade vorbei und .. und .. da wollte ich Dir gleich eine Bestellung persönlich bringen. Ich habe freilich nicht viel Zeit." „Ter Truckaustrag ist mir sehr angenehm, daS kann man immer brauchen, willst Tu so gut sein mit i» mein Eontor hinter kommen." Karl Trübe hätte zwar fast daraus wetten mögen, daß ihn IulinS nickt eiiilud in seine Wohnung zu tömincii, allein alS seine Erwartung bestätigt war, freute er sich um io mehr. Ihm war da« Wesen seiner Schwägerin nicht sympathisch. Er konnte sich in ihre Lebens- und Anschauungsweise nicht finden. Sjc »lackte einen frostigen Eindruck aus ih». Er mußte sic im Stillen mit seiner Frau vergleichen. Tcr Vergleich drängle sich ihm heute wieder auf »iib vermehrte nur seine Mißstimmung. Er batte indessen tcinc Zeit, Betrachtungen auzustellcn IulinS fragte nach diesem und jenem. Iin Eontor an- gctoiiimeii. bot Julius seinem Bruder eine» Stuhl an. dicht am Fenster. Karl batte sich mittlerweile ans einen Auftrag besonnen »nt bestellte bei seincin Bruder Briefbogen, Statutcn- auSzüge, kurz, was ihn, gerade cinsiel. Als tcr Auftrag er ledigt war, suchte IulinS das Gespräch ans die geplante neue Easerne zn bringen. Erst börte Karl ziemlich aufmerksam zn, dann aber wandte sich seine ganze Auffiicrksamkeit einem Vorgänge aus dein Hose zn. Es waren zwei Schutzleute ciiigetretc», die fick, den Hof besahen, kann kam ein Karl persönlich hekanntcr Erimiualbcainter und licß seine Blicke über das Hinterhaus schweifen. Er ging sogleich wieder ins Hau«, anck' ein Schutzmann verschwand. Julius war zu eifrig im Gespräch, um aus alle« dieses Achtung zn geben. Er stand niit dem Rücken an das Pult gelcbnt und batte nur seinen Bruder im Auge, dcr, auf den linken Ellbogen gestützt, in den Hof schaute. „link nun siebst Du Karl", subr er im Gespräch fort, „glaube ick, daß die Geschickte etwas ciubringcn wird. Ick rechne aber auch bestimmt aus Deine Hilfe. Ich werde schon in den nächsten Tagen bei Deiner Bank mehrere Wechsel ei-crntiren, sie sind gut, aber ich sage cS Dir schon jetz
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