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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.11.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051127022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905112702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-11
- Tag1905-11-27
- Monat1905-11
- Jahr1905
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Be^uqS-Pret» in der Hauptexpeditioo oder deren nSgabe- stellen abgehott: vtertetlährltch s.4^, del täglich zweimaliger Zustellung ius Haut viertellährltch L.—- Durch uchere au» ivärtigen Ausgabestelle» und durch di« Poft bezogen für Deutschland und Oesterreich viertrljährlich »»0, 'ür die ädrigen Länder laut ZeituugSpreislisle. stedaklton und Expeditiour IohanatSgaffe lj, Delephon Jin. läH Nr. Ich, 1178 verltarr R edattton» - lvureu»! Berlin dlW 7, Dorvtheeastratz« SS. Lei. I, Nr. VL7S. LrrSduer Redaktion»-Bureau: Dre»de»Ä,«Ämerttzstr.8^ Lel.1,Sch.äLSL. Abend-Ausgabe. rWiger Tagtblaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Hönigl. Land- und -es König!. Amtsgerichtes Leipzig, des Rates un- -es R-tizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Prei» di« 6 gespalten« Petitzell« SS Pf. Fawütea^ Itzahi »ug» und Stellen- Auzetgen Lil Pf. Finanziell« «nzelgeu. GeschaiKaugetgrn unter Text ^der an delouderrr vieü« aaL lorls. Für das ckri<deia«n an deirimmteo tagen a. Plätzen wird lein« Garanti« übernommen. Ilnzetgen-ällanahmt: Auguftusplätz 8. Ecke FohauntSgajj«. DteExpedittoa ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von chüh S btt abend» 7 Uhr. Filial-Expedition: Vertin Lützawsrr. lo . . Dresden, Marienstr.34. Druck und Perlag von E. Pvlz tu Leipzig (J«h. De. B, R. L «. LliulhardtX Heruusgeder: vr. Viktor Kliakhardi. Äir. tzfti Montag 27. November t905. 88. Jahrgang. vsr Äicdtigrir vom Lage. * Die sächsische Regierung erklärte heute in der Zweiten Kammer, sie sei nicht in der Lage, dem Landtage Aenveruagen des jetzigen Wahlrechts Vor zuschlägen. * Der Textilarbeiterstreik im sächsisch-thüringischen Arbeitsgebiet ,st beendet: die Arbeiter wollen die Arbeit bedingungslos wieder ausnehmen. (S. Tagesschau.) * Die Unterwerfung der Aufständischen in Ost afrika schreitet ohne ernstlichen Widerstand fort. (S. Deutsche- Reich.) * Die Vertrauensmänner der organisierten Eisenbahner in Oesterreich beschlossen, fall» die Privatbahnen bis zum I.Äanuar nicht eine zwanzigprozentige Lohnerhöhung bewilligen würden, mit verschärfter passiver Resistenz zu beginnen. * In Christiania sprach der Minister Michelsen bei der gestrigen Geburtstagsfeier der Königin dem Prinzen Heinrich den herzlichsten Dank Norwegens für das Wohl wollen Kaiser Wilhelms aus. (S. ÄuSl.) * Di« spanische Regierung will zur Unterdrückung der sich neuerlich bemerkbar machenden separatistischen Be wegung in Katalonien energische Maßnahmen ergreijeä. (S. Ausl.) politische cagerreds«. Leipzig, 27. November. Tie Neuorganisation de» Solonialamteö. Wie wir schon in der Sonntag - Nummer erwähnten, brachte die „Nordd. Allg. Ztg." im Zusammenhang mit ihren Auszügen aus dem ReichShaushaltsetat eine Begründung für die Umgestaltung des Kolonialamtes und die Gi unvzüge dieser Neuorganisation. Wir kommen heute aus diese offiziöse Publikation zurück, indem wir die in ihr gegebene Begründung für die Reform wiedergeben und auch die geplante Organisation näher kennzeichnen. (LS heißt in der „Nordd. Allg. Ztg.": Die Kotouial-Zentralverwaltung kann in ihrer bisherigen Gestalt als einfache Abteilung de- Auswärtigen Amtes den Anforderungen nicht mehr genügen, welche bei dem jetzigen Stadium der Euttvicstnng unserer Schutzgebiete an sie gestellt werden müssen. Seil den letzten Jahren des vorigen Jahrzehnts bat die Lokalverwaltung in den Schutzgebieten räumlich an Ausdehnung außerordentlich zugenommen. Schon jetzt sind die Schutzgebiete von Ostasrika, Kamerun und Togo beinahe ihrem ganzen GebietSumfange nach iu den Bereich der Berwaltung einbezogen. Für Südwestafrika wird nach Beendigung des Eingeboreuenaufstandes eine gleiche Ausdehnung der Ver waltung nicht zu umgehen sein. Andererseits ist vie Ver waltungstätigkeit als solche überall intensiver geworden. Die beständige Vermehrung europäischer Unternehmungen, die raschere Ausgestaltung des Verkehrswesens und mcht zum mindesten die stärkere Heranziehung der Eingeborenen zu kultureller Tätigkeit haben dazu geführt, daß die Kolonial abteilung deS Auswärtigen AmtS in ihrem Verhältnisse zu den Schutzgebieten zu einer Zentralbehörde geworden in, in der alle Zweige einer in steter Ausdehnung begriffenen Staatsverwaltung vereinigt sind. Um der Kolonialverwaltung eine Stellung ein»uräumen, die ihrer Bedeutung als Zentralbehörde sür die Schutzgebiete ent pricht und ihr die Ersiillung ibrer Aufgabe ermöglicht, ist eine Äenderuna des bestehenden ZuNandeö nach zwei Rich tungen hin erforderlich: einmal muß dem Reichskanzler die Möglichkeit gegeben werden, den Ches der Kolonial-Zentral- oerwalrung mit seiner Stellvertretung in gleicher Weise zu beauftragen, wie eS bezüglich der Chefs der obersten Reichs behörden nach dem Stellvertretungsgesetze möglich ist. Des weiteren ist eine neue Organisation der Kolonial-Zentral- Verwaltung selbst notwendig. Um diese Zwecke zu erreichen, ist die Bildung einer neuen obersten Reichsbehörde, eines vom Auswärtigen Amte getrennten selbständigen Reichskolonialamtes nicht länger zu umgehen. Für die Organisation dieser neuen obersten Reichsbehörde ergibt sich aus der Natur der Sache eine Gliederung in vier Abteilungen: 1) allaemeineBerwaltungSangelegenheitender Schutzgebiete: in dieser Abteilung sind zu verarbeiten: die Gesetzgebung, Organisation der Behörden, wissenschaftlichen Forschungen, Kartographie, Landesvermessung, die hygienische». Medizinal- und Veterinär-Angelegenheiten der Zivilverwaltung, Hebung der Produktion der Schutzgebiete, Landwirtschaft, Berg- und Forstwesen, Ärenzregulierungen, Konzessionen, Verleihung der Rechts fähigkeit an Kolonialgesellschaften und Beaufsichtigung derselben, Besiedlung, Missions- und Schulwesen, Angelegenheiten des Kolonial rats, Redaktion des Kolomaldlatts, Pcevsachen usw. 2) Personal- und Justizsachen. Hierher gehören: Die Organisation der Kolonial-Zentrulverwattung, Personalien des Reichskolonialamts der Schutzgebiete und der Mitglieder des Kolonialrats, Angelegenheiten, betreffend die Disziplinarbehörden sür die Schutzgebiete die Hausverwaltung, die Vertretung der Fisci der Schutzgebiete in Rechlsslreitigkeiten usw. — 3) Finanzen, wirtschaftliche und technische Sachen: Die Abteilung bearbeitet das Etats-, Kassen- und Rechnungs wesen die Zoll- und Steuergesetzgebung, die Münz- und Währungs verhältnisse, Statistik, Handelsoertehr, Denkschriften sür den Bundes rat und Reichstag. Belkebrsordnung, Tarifwesen, Bahnordnung der Eisenbahnen, öffentliche Arbeiten, wie Hochbauten, Wege-, Wasser-, Brückenbauten, Eisenbahnen, Hafen- und Werstanlagen, Küsten- Betonnnng und -Befeuerung, Angelegenheiten der Flotillen, BejchaffungSwesen. — 4) Militärische VerwaltungSsachen: An die Spitze der ersten drei Abteilungen treten der Unterstaatssekretär, t Direktor und 1 vortragender Rat als Dirigent. Von den einzelnen Abteilungen sind zu besetzen: die erste (allgemeine Verwaltungsaugelegenheiten) mit 4 vortragenden Räten, die zweite (Personal- und Justizsachen) mit 2 Vor tragenden Räten und 3 Hilfsarbeitern, die dritte (Finanzen, wirtlchastliche und technische Sachen) mit 3 Vortragenden Räten, 3 Hilfsarbeitern und 2 Bauinspeltvren. Die Neuorganisation erfordert einen Zugang von zwk' Stellen, nämlich eines Staatssekretärs und eines Unterstaats sekretärs. Die Dienstangelegenheiten der militärischen Abteilung sollen, da deren normaler Umfang sich im Hinblick auf den Ausstand in Südwestafrika zur Zeit nicht genau genug über sehen läßt, bis auf weiteres in der bisherigen Weise zum Teil in einer besonderen Dienststelle deS Kolonialamts, zum Teil beim Oberkommando der Schutzlruppen von dort vorhandenen Offizieren und Beamten wahrgenommen werden. Aus denselben Gründen rft die Errichtung der Stelle eines BureauvorsteherS, die Einrichtung einer eigenen Kanzlei und Kasse erforderlich. Das Beamteuprrsonal wird ent sprechend ergänzt. Das Sude »es WeberkampfrS. Der Arbeitskampf im sächsisch-thüringischen Industrie gebiet hat sein Ende erreicht. Genau, wie wir e- vorher gesagt batten, bis zum Schluß dieses Monats haben es die streckenden auSgehalten, am 28. November wollen sie wieder die Arbeit aufnehmen, ohne daß sie etwas zu erreichen im Stande waren. Ein Privattelegramm aus Gera von heute morgen meldet unS: „Zn drei stark besuchten Versammlungen beschlossen die ausständigen Weber, am nächsten Mittwoch, morgens 8 Uhr, die Arbeit bedingungslos wieder aufzuiiehmeu.' Lauteten auch, wie aus den von uns in den letzten Tagen der vorigen Woche wiedergegebenen Berichten zu ersehen war, hin und wieder die Nachrichten aus dem Slreikgebiet von seiten der Arbeiter noch kampfeSmutig, so war dies nur trügerischer Schein. An anderen Stellen trat um so deut licher eine KampfeSmüdigkeit offen zu Tage, die durch die Aussichtslosigkeit des Streiks bedingt war. Es sehlten den Arbeitern die großen finanriellen Mittel, mit denen sie auf Wochen oder gar Monate hätten aushalten können. Und auf der andern Seite zeigten die Fabrikanten eine solche feste Geschlossenheit, über die bewilligten Tarifsätze auf keinen Fall hinauszugehen und nur die von ihnen zugestandenen Formen der Unterhandlung mit den Arbeitern zuzulassen, daß für jeden Unparteiischen der Ausgang dieses Kampfes nicht zweifelhaft sein konnte. Und wenn vie Arbeiter noch im Zweifel darüber waren, ob der Verband wirklich ernst mache mit seiner Ablehnung weiterer Verhandlungen, so schwand dieser Zweifel in den letzten Tagen, als von dem Verband der Webereien kategorisch als Vorbedingung sür den Frieden die bedingungslose Wieder aufnahme der Arbeit gefordert und eine Entschei dung durch das Gewerbegericht abgelehnt wurde. Aus ver allgemeinen AuSiperrung der Arbeiter war ein Streik geworden, als sich nicht genügend Arbeiter fanden, die Anfang des Monats in den w.eder eröffneten Fabriken Arbeit haben konnten. Wer die Arbeiter zu diesem unheilvollen Beschluß getrieben hat, trägt jetzt die volle Verantwortung lür den AuSgang des Kampfes, für die völlige Niederlage der Weber! Und wenn die Webereiarbeiter sich nicht iu eine volle Blinvheit verrannt hätten, so würden sie sich schon vor vrer Wochen mit den ihnen zugestandenen Arbritsverhältnisseu als einer vorläufigen Verbesserung zufrieden gegeben haben, anstatt nun doch mit ihnen vorlieb nehmen zu müssen, nach dem sie nutzlos Arbeitslohn verloren haben. Kurz vor Redaktionsschluß erhalten wir noch Telegramme aus Glauchau und Meerane, welche bestätigen, daß auch dort und au allen Orten des Kampfgebietes der Streik >eiu Ende gefunden hat. DaS Glauchauer Telegramm lautet: In zwei sehr stark besuchten Versammlungen beschlossen heute früh die Textilarbeiter, Mittwoch, den 29. d. MtS., früh 8 Uhr die Arbeit wievcraufzunehmen. Dieser Beschluß ist das Resultat einer am Sonnabend in Greiz stattgefundenen Konferenz zwischen ver dortigen Dreimäuner-Koufereuz dec Wedereiarbefter und dem Fabrikanten Nusche. Derselbe Beschluß wird auch von den Arbeitern der übrigen von der Aussperrung betroffenen Webereien des Preußisch- Thüriugifchen WebereivcrbandeS gefaßt werden. Und aus Me-rane wird telegraphiert: Die hiesigen auSgesperrten Weber und Weberinnen nahmen in drei heute vormittag abgehaltenen Versamm lungen Kenntnis von den Beschlüssen der Geraer Weber und beschlossen ebenfalls die Wiederaufnahme ver Arbeit Mittwoch früh 8 Uhr. Ein Referent bemerlte, der Streik habe dem Textilarbeiterverband l 200 000 (?) gekostet. Endlich wirv noch auS Reichenbach depeschiert: In Reichenbach und Mylau soll unter den Be dingungen des neuen Arbeitgeberkarifs die Arbeit Mitt woch früh 8 Uhr ausgenommen werden. Die Arbeiter setzen voraus, daß Maßregelungen unterbleiben. Der Beschluß der Wiederaufnahme erfolgte auf Vorschlag der Vertreter des Verbände». Das Geld tm russisch-japanischen Kriege. Im Verlage von E. F. Mittler u. Sohn iu Berlin ist soeben eine 240 Seiten zählende Abhandlung von Karl Helfferich: „DaS Geld im russisch-japanischen Kriege" erschienen, die einen sehr wertvollen wissenschaftlichen Beitrag zur Zeitgeschichte liefert und eindringlich zeigt, welche Bedeu tung den «staatsfinanzeu sür die nationale Wehrfähigkeit zukommt. Bei dem Aussehen, das seinerzeit das Martinsche Buch: „Die Zukunft Rußland und Japans" erregt hat, wird man geneigt sein, dem Helfferichscheu Buche die Tendenz zuzu schreiben, eine Gegenschrift zu verMartinschen zu sein. Helfferich verwahrt sich ausdrücklich dagegen unter Hinweis daraus, daß sein Buch aus seinen in den Jahrgängen l904 und l905 der Marine-Rundschau veröffentlichten Aussätzen über „die finanzielle Seite deS rufsiich-japanischen Krieges" entstanden sei. Der Verfasser gibt zunächst einen Ueberblick über den Stand der Finanzen der Mächte vor dem Kriegsausbruch. Dann werden die Maßnahmen festgestellt, die zur Deckung des durch den Krieg hervorgerusenen GrldbedarsS getroffen worden sinv. Der besonders interessante dritte Teil behandelt die Rück Wirkungen des Krieges sowohl aus die Staatsfinanzeu unv die wirtschaftlichen Verhältnisse Rußlands und Japans al» auch auf den internationalen Geld- und Kapitalmarkt. In den Schlußbelrachtungen betont Helfferich, daß ver Gang deo Krieges nicht durch die Staatsfinanzeu der beiden Lände: entscheidend bestimmt wurde, tondern durch die persönlichen Qualitäten der Mannfchasten in Heer unv Flotte und ibrer Führer, daß aber andererseits die Fmauzfragen auf v<n Gang des Krieges und insbesondere auf die Zeit und d e Be dingungen ver Wiederherstellung des Friedens be trächtlich eingewirkt haben. Rußland war ohne Zweifel für den Krieg finanziell erheblich besser vorbereitet als Japan. In den 20 Jahren vor dem Kriegsausbruch war der russische StaatShauSbalt aus der Defizitwirtschaft herauSgearbeitet, der StaatSkrevit in ungeahnter Weise befestigt, die Papierwährung durch Gold währung erletzt und zur Sicherung der Währung, sowie als eventuelle Kriegsrrserve — neben den erheblichen freien Be ständen der Staatskasse — eiu gewaltiger Geldvorrat in der Zentralbank angesammelt. Japan dagegen hatte schon in dem Jahrzehnt vor dem Kriege seine finanziellen Kräfte, teils zu wirtschaftlichen Zwecken, namentlich aber zur Durchsührung seines großen Rüstuogspro- gramms, außerordentlich stark angespannt. Die gleichen absoluten Beträge von Kriegslasten und Kriegsanleihen stellten bei Japan eine um ein Mehrfaches stärkere Belastung des Etats dar als bei Rußland. Rußland hatte dann au seinen Finanzen einen Rückhalt sür ,eine KriegSführuag, der erst dann etwas iuS Wanken kam, al» zu de» fortgesetzten militärischen Mißerfolgen die Unruhe» im Innern deS Reiches hinzutraten. Japan dagegen hat erst, nachdem durch eine ununterbrochene Reihe voa Siegen und durch die inneren Wirren iu Rußland seine militärische Ueberlegenheit endgültig gesichert erschien, für seine Geldbeschaffung eine Behandlung auf annähernd gleichem Fuße wie Rußland erzielt. Rußland verdankte eS wesentlich seiner finanziellen Stärke, daß eS auch nach empfindlichen Niederlagen immer wieder zu einer zähen Gegenwehr in ver Lage war und immer wieder den end gültigen Ausgang deS Krieges in Frege stellen konnte. Im Gegensatz dazu zeig! svwobl der enorme Kursrückgang der japanischen Staatsanleihe zu Beginn deS Krieges al» auch der weitere Verlaus der Kursbewegung deutlich, wa» Japan von einem einzigen glößereu militärischen Mißerfolge zu erwarten gehabt hatte. Schon aus finanzielle» Gründen war es sür Japan nicht möglich, nach der völligen Niederwerfung des Baltischen Geschwavers durch ein Erscheinen seiner Flotte vor Kroustadt und den russischen Hafenplätzen den letzte» uud stärksten Druck auf den Gegner auszuüben. Vor allem aber zeigte sich vie finanzielle Unterlegenheit Japan» bei dem FrievenSschluß. Die Japaner sahen ein, daß trotz aller Elastizität, die vie japanischen Finanzen zeigten, uud trotz de- patriotischen Opfermutes de- lapansschcn Volke», da» enorm« üriegSsteuern auf sich nahm, und trotz des Entgegenkommens de» europäischen Geldmarktes die Sehne nicht stärker gespannt werden dürste. Japan erkannte, daß e» nicht mehr die enormen Konen ausbringen konnte, um den Krieß bis zur Einnabme von Wladiwoilot und Chardin durchzukämpfen. Es crkannle ferner, daß es die mit dem Frieden sich ein- stellenven militärftchen unv wirtschaftlichen Aufgaben nur dann ausreichend erfüllen konnte, wenn es iu dem Krieg seine finanziellen Kräfte nicht bis zur völligen Er schöpfung verbrauchte. Den Russen ermöglichte ivre finanzielle Ueberlegenheit einen annehmbaren und ehrenvollen Frieden, während die Japaner sich mit Be dingungen abfinden mußten, die hinter den durch die mili tärischen Erfolge so wirksam unterstützten Wünschen erheblich zurückblieben. So lehrt auch dieser Krieg, daß das alte Wort Monte- cuccolis, zum Kriegführen gehört erstens Geld, zweitens Gelb unv drittens Geld, immer noch seine Gültigkeit hat. Feuilleton. Wie spärlich würcke nach Wegfall cker pflanren aus ckem Kelche cker Seelen ckie Ompfinckuag in cker Uatur verstreut sein, wie vereinzelt ckann nur als sieh ckurch ckie Wälcker streifen, als Käfer um ckie ölumen fliegen; unck sollten wir cker Uatur wirklich aulrauen, ckap sie eine solche Wüstenei ist, sie, ckurch ckie Lottes ledencklger Ockern geht? Di« Musik iu der Natur.*) Welches ist das Gebiet der Musik in der Natur? In jener voesieaetränkten Szene des „Kaufmanns von Venedig, in der Lorenzo und Jessika» Herzen unter dem Zauber der Mondnacht höher schlagen, gibt Shakespeare, der io oft die Macht der Musik feiert, eine Antwort: „Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft! Hier sitzen wir und lassen die Musik Zum Ohre schlüpfen: sanfte Still' und Nacht, Sie werden Tasten süßer Harmonie. Komm, Gelicht«. Sieh, wr« die Humnelsflur Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes. Auch nicht der kleinste Kreis, den du da stehst, Der nicht im Schwünge wie «in Engel singt. Zum Chor der hellaeaugten Cherubim. So voller Harmonie find ew ge Geister, — ') Aus dem soeben erschienenen Werk« „Geschichte der Musik" von Dr. Karl Storck (Muthfche verlaa-baichlung, Stuttgart, 10 ^h, geb. 12 X), aus das wir empfehlend Hin weisen. Nur wir, weil die» hinfäll'ge Kleid von Staub Ihn grob umhüllt, wir können sie nicht hören." Unser finniger Motthison denkt ähnlich: ^Die ganze Schöpfung schwebt in ew'gen Harmonien, So weit sich Wellen dreh» und Sonnenheere glühen." Zur Dichtung die Philosophie de» Pylhagora»: „Alles ist Zakl und Harmonie". Und die Pythagoräer glaubten, daS ZahlenverhaltniS zwischen den sieben Tönen der musikalischen Skala drücke di« Entfernungen der Planeten von ihrem zen tralen Feuer aus; daher sprachen sie von dem „Reigentanz der Weltkörper und der Musik der Sphären", die unter allen Sterblichen nur Pythagoras zu hören befähigt war. Nur daS Ohr des Dichters, von dem die Muse mit leiser Berührung alle hemmenden Bande gelöst hat, nur das Auge de» Denkers, dem alle Erscheinung nur Gleichnis ist, ver- mögen die Harmonie de» Weltall» zu erkennen; nns ollen aber zugänglich ist die Musik in der Natur. Der Vogelgekang ist hier zweifellos die höchste und voll endetste Form. Denn alle Beobachtungen stimmen darin über- «in, daß bei den Vögeln di« Musik durchaus nicht bloße» Ton- spiel ist, in keinem Fall da» Ableiern einer für allemal fer- Ligen Melodie, etwa der Walz« der Spieldose vevllleichbar. Ja, nicht einmal der Begriff der Sprache als Verständigung», mittel oder WillensouSdruck im geaerffritigen Verkehr reicht aus. Nein, hier ist wirkliche Kunst: U«berschufi an L«d«S- kraft, Epieitrieb zur Ergötzung seiner selbst und anderer, tönend« Au»sprache «ine» inneren Fühlen». Und wenn et hauptsächlich die Liebe ist, di« diese Wessen «ingibt, wenn di« Natur dieses Singen rm Dienste ihre» Zwecke» der Fort pflanzung der Arten benutzt, so tut da» dem künstlerisch« Cha raster de» Gesanges kernen Eintrag. E» wär« auch mn die menschliche Kunst schlimm bestellt, wenn alles, wa» der Lieb« das Dasein verdankt, daran» gestrichen würde. Aber wer einmal einen Bogel klagen hörte, wenn ihm seine Jung« w««^ der^wi^ ^ugeben, daß Sieb« auch hier nicht Aus die unendlich« Manrrigsaltigckeit des vogelaesanaes brauche ich nur binurwessm. Die Ruf« find dabet so charakte- rsstssch, daß es kemer weitreichenden Kenntnis bedars, um I d« Gänger au? seinem Lied« »u erkenn«, wichtiger noch genommen bloß oleick ist, daß auch der einzeln« Vogel nicht nur über verschiedene Weisen verfügt, sondern daß er diese Wessen nicht immer gleich singt. Die Nachtigall z. B. bringt immer neue Varia- twnen hervor, und sogar der scheinbar stets gleiche Kuckucks ruf schwankt im Umfang um fünf Halde Töne. Zum Begriff der Kunstübuna stimmt auch der Einfluß guter Lehrer. In jedem Garten kann man es im Frühjahr hören, wie junge Amseln, die den Schl<M nur sehr unrein herausbekommen, sich nach dem Beisviel besserer Sänger üben. Es gibt aber neben den schöpferischen Künstlern, wie Nachtigall, Edelfink, Lerche, Rotkehlchen, Sprosser^ Stng-, Schwarz- und Misteldrossel auch nachschaffende Talente. Daß manche Vogel von Menschen Wessen lernen, ist allgemein bekannt. Aber der Star schwatzt auch andern Vögeln nach, der D-orndreher kann im Entlehen von Phrasen und ganzen Melodien mit jedem modernen Operettenkompouisten m Wettbewerb treten, und die lustige Spottdrossel versteht die Ruse anderer Vögel so genau nachzuahmen, daß auch erfahrene Vogelkenner sich täuschen lassen. Auch daß Umgebung und Jahreszeit aus den Gesang des Vogels Einfluß ausüben, daß em und derselbe Vogel iiy Gebirge ander» singt, als in der Ebene, in der WaldeSemjamkeit anders, als im Housoarten in der Nähe des Menschen, in der Freiheit anders, al» in der Gefangen- schäft, nn Herbst anders, al» im Frühjahr, soricht für den in- vwiduell-künstlerischan Charakter d«S Äom-lgesanges. Ob dieser, sich nun unserem heutigen Tonsystcm anpasse» läßt, ist ziemlich gleichgültig. Vielfach werden ia aanz über- paschend« Ueberejnstimmungen gemeldet. So von Sapper, der tn den Urwäldern Guatemalas bei 80 von 87 Vögeln den Dur-Dreiklm« seststellt«. Es sind aber nicht nur hi« lieben Vögel, deren ganze» Wesen, diese» tn her Luft Schweben, nach oen Höhen Streben, etwa» Symbolssch-MusikalischeS bat, die für die Naturmusik in Betracht kommen. Die Schreie der grossen Tierwelt sind ta allerdings für unser Gefühl im allgemeinen wenig schön. Aber da sind die Milliarden summender, brummender, säuselnder, piepsender, zirpender Insekten, die zu jenem eigen, tümltchen Klingen beitragen, da- in der Luft schwebt und de» einsam« Wanderer oft aushorch« macht. Ein Beispiel nur dafür, wie empsanglich gerade der Musiker für dies« Naturmuiik ist. Fran» LiSst vieler e« m seinem begeisterten Buche über die Zigeuner. In seliger Er innerung schildert er ein Fest, daS er bei dinen köstlichen Musikern seiner Heimat verlebt Kat. Ein Sommeradend war s am Waldrand, ein Abend voller Wärme und wunder- barer Düfte: „Bienen in Scharen, vom Dufte des frisch gemähten Heues gelockt, verließen summend ihre Stöcke, m den alten Baumstämmen der nächsten Umgebung: in Weizen- und Roggenfeldern »irpten die Grillen, die Hornisse und d. dünkclhafle Wespe brummten ihren Alt, raschelnden F!un kamen die Wasserjungfern mit ihren wie Tastet knitternder. Schwingen, Wachtel und Lerche sangen, ausgescheuchte Spatzen schrieen dazwischen, die kleinen Smaraqdfrösche übergualicn den rieselnden Bach und eine ganze Bande obdachloser In- festen schwärmten mit den konfusesten Melodien um uns her Welche Polyphonie! Welch ätherische Musik! Welche Smorzandos aus Orgelpunkten! So etwas muß Berlioz vor geschwebt haben, als er sein« Sylphentanz komponierte." Aber auch die sogenannte „leblose" Natur ist voll tönenden Lebens. Die ungeheure Gewalt de» Donners, dessen langes Grollen an den Felsenwänden entlang auch dem nüchternsten Alpenwanderer em heimliches Grauen erweckt: das viel- stimmig« Ticken de» plätschernden RegenS: daS einlullende Schwatzen des 'Zaches; das Rauschen in BaumeSwipieln; das Heulen de» Sturmwinde»: da» Getöse de» Wasserfalle»: das Läuseln des weichen Sommerwinde», der spielend über die sich wiegenden GraSkalme hinstreichelt, wie über die Saiten einer Harfe. daS geheimnisvolle Raunen de» in der Mittags stille gleichsam in sich erschauernd« Baume». And dann das Heranplässchern der Wog« der Se« an den Strand: das wütende Geheul deS aufgewühlten Meere», da» Dröhnen der Brandung. O, e» gab ein« Zeit, wo der Mensch kindlich alaubl«, ver trauend lauschte, verständnisinnig miterlebte, wo den dichten, den Kinderaugen der Menschheit überall auch di« Gestalten erschienen, die diese Musik der Natur ausübten. Da war'S der grimme Tor, der mit de» Hammer» Schwung den Himmel erbeb« machte; da laß im Wasserfall der Nöck und sang das Lied, mit dem er wein« und lach« machen kann' da war« e» holde Frauen, die am murmelnd« Bach Koselioder sangen: da lockte gleißend die Meerkei: da heult« Triton« un Sturm: da lacht« Pan lchreck«d durch dir Mittaosktillef da
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