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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190207065
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020706
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-06
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1902
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuanuahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ilnnahmeschluß für Auzrigen: Abrnd-Au-gabe: BormittagS 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an dte Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. Sonntag den 6. Juli 1902. 96. Jahrgang. Aus der Woche. Die Meldung von der Erneuerung dcS Dre ibundeS hat ziemlich starten Widerball erweckt. Eine große Bedeutung wird den Urtheilen in Parlamenten und Zeitungen über daS Ereigniß allerdings nicht beizumessen sein. Immerhin will es schon etwas besagen, daß der französische Minister des Aeußern das inoffensive Wesen des vom Fürsten Bismarck ins Leben gerufenen mitteleuropäischen Bünd nisses so gut wie ausdrücklich anerkannt bat. Ein Theil der französischen Presse bat aber Enttäuschung verrathen, war also bis zum 28. Juni des Glaubens gewesen, die un verbindliche tripolitanische Ausmerksamkeit, die ihre Regierung Italien erwiesen, würbe dieses Land von der Fortsetzung des Bundesverhältnisses mit Deutschland und Oesterreich- Ungarn abhaltcn. Dazu war man in Rom denn doch etwas zu realpolitisch. Auch dort hat man sich offenbar an die zwei Tbatsachen gehalten: Tunis, das die Italiener hätten haben können, wenn Frankreich nicht gewesen wäre, ist in französischen und Tripolis ist nicht in italienischen Händen. Und England, daS ist ein gewichtiger Umstand, bat soeben die Ausrechthaltung des 8tat»8 quc> in Tripolis zu wünschen erklärt. Für Frankreich ist dies sehr bequem, denn es wird dadurch in die Lage gesetzt, die italienischen Mittelmcerbestrebungen weiter zu begünstigen, ohne befürchten zu muffen, daß „aus der Sache schließlich doch etwas werden könnte". In Italien wird eS wohl nicht unhemerkt bleiben, daß im englischen Unterhause die Auffassung bestimmt vertreten und nicht be stimmt zurückgewiesen wurde, die „Annäherung" zwischen Frankreich und Italien habe sich auf Kosten deS englisch-italienischen Einvernehmens vollzogen. Das würbe an sich für Italien wohl kaum einen Schaden bedeuten. DaS „Verhältniß" hat England nicht gehindert, den Mittel- meerstaat nach der schrecklichen Katastrophe von Aduah nach allen Regeln der britischen diplomatischen Kunst — im Stiche zu lasten. Von Frankreich winkt aber auch nichts als schönes Gerede, daS freilich von dem für die romanische Brudernation schwärmenden Element in der italienischen Bevölkerung für baare Münze genommen wird. Wenn man in England über Herrn DelcastS's An näherungswerk richtig urtheilt und wenn man in Italien die neu geschaffenen Beziehungen forcirt, so kann es sich wohl berausstellen, daß die Nachkommen deS großen Diplomaten Cavour bei dem Wechsel ihres Verhältnisses zu den „Westmächten" vom Freundschaftsregen in die Freundschaftstraufe gerathen sind. Das Interesse, das der mächtige Bundesgenosse Frank reichs für Abessynien unausgesetzt^ aber auch für das Mittelmecr bethätigt, ist für Italien nicht gerade vielversprechend, und was beiläufig bemerkt sei, die makedonischen Vorgänge und die kaum verhüllten bulga rischen Pläne sind wenig geeignet, die Geringschätzung deS Dreibundes, welche die-Gruppen der österreichischen Bevölkerung mehr und mehr zur Schau tragen, sehr ernst gemeint er scheinen zu lassen. Auf ter anderen Seite bekräftigt die durch fortgesetzte, nicht leicht zu nehmende Unruhen bezeugte Gährung in Rußland die Worte, die der Graf Bülow über daö wachsende „Desinteressement" Deutschlands am Dreibund gesprochen hat. Die inneren Zustände im euro päischen Theile des RussenreickeS verstärken die Gefahr, die Deutschland bei dem Eingehen des Bündnisses in Rechnung ziehen mußte, jedenfalls nicht. Dem Ge danken einer „Diversion nach Außen" kann man nachgehen, wenn es wünsckenswerth und möglich erscheint,' mit den politischen Verhältnisse unzufriedenen und zugleich stark chauvinistisch veranlagten Parteien die Blicke von ihren Beschwerdepuncten abzulenken. Die russischen Bauern und Arbeiter, die sengen und brennen, sind aber keine Chauvinisten und schwärmen nicht für die gloirs einer grunäs nation und ihre heimlichen Leuker, mögen sie zum Theil im Grunde auch panslawistischen Regungen zugänglich sein, werden sich durch die Aussicht auf innerpolitisch und social unfruchtbare, wenn nicht gar gefahrdrohende militärische Großthaten, auf die man zudem niemals sicher rechnen kann, ihre Ziele nicht verrücken lasten. Wie schwer Kundgebungen wie die Aachener Kaiser rede, so lebbast sie die Gemüther beschäfligen mögen, politisch-praktisch faßbar sind, erhellt am besten-auS der merkwürdigen Tbatsache, daß der Freiherr v. Los, der sich doch in Bonn als den berufenen Interpreten der kaiser lichen Aussprüche vorgestellt bat, aus der Rede deS Monarchen u. A. ein philosemitischeS Bekeontniß herauSgebört hat. Der Generaloberst bat dies sogar so stark betont, daß antisemitische Blätter in Harnisch gerathen sind und für Zeitungen der schnurstracks entgegengesetzten Richtung der erzconser- vative soldatische Redner eine Autorität geworden ist. Gewiß aber hat Wilhelm II. diese Wirkungen nicht beab sichtigt. WaS die Beweggründe deS PapsteS zu den anerkennenden Worten anlangt, die der Kaiser reproducirt hat, so ist vom Freiherrn v. LoS bestätigt worden, WaS sofort nach dem Bekannt werden der Aachener Rede an dieser Stelle gesagt war, daß näm lich Leo XIII. vor Allem daS ihm zur Zeit nicht in allen Stücken gehorsame Frankreich in erster Reihe im Auge gehabt hat. Freiherr v. Lvö sagte, „Thatsache sei, daß Preußen in Bezug aus die Glaubensfreiheit seiner Bewohner fast allen Staaten voran stehe, und das werde namentlich gegenüber Frankreich vom Vatikan bereitwilligst anerkannt". Der Papst will offenbar Frankreich den Anreiz geben, sich bei ihm, der ja für die „Revanche" stark in Betracht kommt, wie er ja auch notorisch das Beste zum Zustande kommen des ZweibuudeS geleistet, wieder in die alte Gunst zu setzen. Bei den Gefühlen, von denen die Franzosen be herrscht werden, war eine Andeutung, daß man im Vatican daS Intereste an einer Zertrümmerung deS deutschen Reiches bei Fortdauer deS französischen Nichtwohlverhaltens verlieren könne, ein ausgezeichnetes, deS klugen Diplo- maten und Seelenkundigen auf dem päpstlichen Studie durchaus würdiges Mittel zum Zwecke. Man wird cs auch erleben, daß nicht, wie oberflächlich urtheilende Pariser ZeitungScorrespondenten meldeten, die französischen Klerikalen eS sind, die durch die Worte dr-^Papste- in Ver legenheit gerathen, sondern daß daS eine Warnung, wenn nicht eine Drohung enthaltende päpstliche Zeugniß für die deutsche Kirchenpolitik der liberalen Partei jenseits der Vogesen Schwierigkeiten bereitet. Denn für die Revanche und für Elsaß- Loibringen verschreibt auch ein Franzose, der sonst hinter der Fahne „ni streu, ni msitre" einhergeht, seine Seele einem Iesuitenpater. Uebermäßig viel wird von den „Atheisten" gar nicht verlangt, denn umgekehrt herrscht in Rom über einen französischen Freigeist noch immer mehr Freude, als über zehn gläubige Deutsche, die in auf richtiger Treue zu Kaiser und Reich stehen. Die „Ger mania" nennt auch die an die Aachener Rede wie später an einen Bericht des Frbrn. v. Hertling geknüpften guten Er wartungen „Liberale Illusionen" und sie schreibt zu Frhrn. v. Lotz's Rede und dem Redner: „Gewiß würde es für den Herrn Generaloberst Frhrn. v. Los den schönsten Abschluß dieser seiner Rolle als Träger des „beider- seitigen Vertrauens" bilden, wenn eS ihm vergönnt sein würde, bei einer dritten Roinreise statt deS bisherigen „uäitus uä pacem", des „Zugangs zum Frieden" auf kirchenpolitischem Gebiete, den Frieden selbst zu überbringen, einen wahren und ehrlichen Frieden als eine logische Folgerung aus der Aachener Kaiserrede. Aus diesem Gebiete deS inneren Friedens würde Deutschland dann thatsächlich wieder zu den „wohlgeordneten" Zuständen zurück kehren, von denen König Wilhelm I. bei seiner Krönung am 18. October 1861 zu den Bischöfen in damals berechtigten schönen Worten gesprochen hat. Also nach wie vor wird auch bei dem Papst voraus gesetzt, daß er — trotz jener, in der Loö'schen Fassung auch von den Ultramontanen nicht bestrittenen Aeußerungen — den Frieden zu verweigern gedenkt, wenn nicht etwa sein, des Papstes, Wille zum alleinherrschenden in Deutschland gemacht wird. Was es mit der Bedingung, die die „Germania" für den Frieden stellt, den Zustand von 1861, auf sich hat, lehrt die Geschichte zu jener Zeit, und fünf weitere Jahre wühlte der Ultra- montaniSmus gegen Preußen für Oesterreich, dann that er das Gleiche für Frankreich, und als der Krieg, der vor Allem ein Werk Roms war, kam, segnete der Papst die französischen Waffen, und nachdem lies nichts gefruchtet halte, begannen die Jesuiten den Streit, dem ein politischer Thor, indem er ihn „Culturkampf" nannte, den Anstrich gab, als sei er vom Staate, der in die Defensive gedrängt war, erregt worden. Oie „Zrene" vor Manila. 6. II. Es ist ja seiner Zeit unendlich viel davon geredet worden — namentlich waren englische Blätter die Sprach- robre —, daß im spanisch-amerikanischen Kriege infolge der Anwesenheit der deutschen Kriegs schiffe iu den philippinischen Gewässern, speciell der „Irene", eine sehr arge Verstimmung zwischen den deutschen und amerikanischen leiten den Marineofficieren geherrscht habe. Die eng- lischen Lügennachrichten sind ja wobl sofort dementirt; jetzt endlich weist aufGrund authentischerTagebuchnotizen Capitänleutnant Pohlin der vomNachrichkcnbureau des Reichs- marineamls herauSgegebenen „Marine-Rundschau" nach, WaS eS mit diesen Gerüchten von bedrohlichen Conflicten rc. auf sich gehabt hat. Geben wir Capitänleutnant Pohl das Wort: „Am 6. Mai 1898 traf „Irene", von Nagasaki kommend, vor der Nordeinfahrt der Bucht von Manila ein. Ta aller Wahrscheinlichkeit nach die beiden Zugänge zur Bucht, wenn auch nicht mit Minen gesperrt, so doch unsicher ge macht waren, wurde der Leuchtthurm, welcher keine Nationalflagge zeigte, durch Signal angefragt, ob das Passiren möglich fei, und auf die Antwort: „Obne Lootsen sehr gefährlich" um einen solchen gebeten. Für „Irene" war aber kein Lootse verfügbar, eS wurde deshalb in der nahe gelegenen Bucht von MariveleS geankert und ein Osficier mit der Dampspinasse nach Manila hineingeschickt, nm einen Lootsen zu holen. In der kleinen Bucht von MariveleS lagen gefechtsbereit die amerikanischen Kreuzer „Boston" und „Concord", die kurz nach dem Ankern der „Irene" MariveleS verließen und mit einigen kleinen gekaperten Viehdampfern im Schlepp in die Bucht von Manila dampften. Diese Gelegenheit benutzte „Irene", nachdem sie vorher noch von einem ebenfalls in MariveleS liegenden englischen Dampfer den Ausgang der Schlacht von Cavite erfahren hatte, um in Kielwasser der Amerikaner durch die vermuthete Minensperre zu dampfen. Kurz vor Cavite kam der deutsche Consul mit einem Lootsen für die Rhede an Bord. Der Consul erklärte dem Commandanten, daß ihm von einer Blockade Manilas nichts mitgetheilt sei. Infolgedessen unter ließ eS auch der Commandant, die Erlaubniß zum Ankern auf der Rhede von Manila Seitens des vor Cavite liegenden amerikanischen CommodoreS Dewey einzuholen. Beim Passiren deS amerikanischen Geschwaders wurde das auf dem Kreuzer „Olympia" wehende Commandozeichen Dewey'S salutirt und mit dem letzten Schuß die ameri kanische Hymne von der Musik gespielt. Der wobl ein wenig unmusikalische spanische Lootse hielt diese Hymne für den spanischen KöaigSmarsch und erzählte dieses später mit den üblichen Uebertreibungen in Manila, wo eS natürlich in die Zeitungen kam. Die Folge war eine plötzliche Begeisterung für alles Deutsche nicht uur in Manila selbst, sondern auch in den anderen, noch in spanischen Händen befindlichen Orten der Philippinen. So erhielt u. A. der Commandant von den Freiwilligen auS Ilo-Ilo ein überschwüng- lichrS Telegramm, in welchem sie ihm für die sympathische „Demonstration" dankten, das Telegramm wurde natürlich auch unter den Amerikanern bekannt und machte unter denen, die den richtigen Sachverhalt nicht kannten, viel böses Blnt. Commodore Dewey bat aber gelacht, da er selbst daS Spielen der Hymne gehört batte. Zweifellos ist diese- Vorkommniß aber der erste Anlaß ge wesen, den deutschen Kriegsschiffen spanische Sympathien nach- zusagen, hauptsächlich genährt von den Spaniern und fremden Residenten der Philippinen Vor der Bucht von Manila kreuzte bei der Rück kehr der „Irene" der armirte amerikanische Zollkreuzer „Mc Culloch"; er ließ beim Näherkommen ein Boot mit einem Officier zu Wasser und zeigte daS Signal „Ich wünsche etwas mitzutheilen, kommen Sie näher heran". „Irene" hatte inzwischen mit Rücksicht auf daS zu Wasser gelaffene Boot gesteppt und behielt mit der Fahrt, die daS Schiff noch hatte, den CurS bei, um das Boot zu erwarten. Der Commandant ließ den an Bord kommenden amerika nischen Seeofsicier am Fallreep empfangen und ihm be deuten, wie er erwarte, daß er sehr wichtige Mittheilungen zu macken habe, da S. M. S. „Irene" wohl nickt ohne sehr wichtigen Grund auf der Reise aufgehalten würde. Der Ossicier erkundigte sich, ob „Irene" von dem seit einigen Tagen überfälligen amerikanischen Kreuzer „Baltimore" etwas gesehen habe und ging auf die verneinende Antwort wieder an Bord. Die „Irene" setzte die Reise fort. Dieser Vorfall wurde später in englischen und amerikanischen Blättern so erzählt, daß der kleine „McCulloch" durch scharfe Schüsse die „Irene" zum Beidrehen gezwungen habe. In einer illuslrirten amerikanischen Tageszeitung erschien sogar ein Bild, welches ein Seegefecht zwischen den beiden Schiffen darstellt und auf welchem die Amerikaner mit Messer, Beilen und Ge wehren bewaffnet, an der Seite der „Irene" in die Höhe kletterten.... Zum Schluß sei noch Folgendes be merkt: Während des AuseuthaltS der „Irene" in Manila haben die Officiere des Schiffes mit fast allen Ofsiciersmessen der amerikanischen Schiffe Besuche ausgetauscht. Admiral Dewey hatte den deutschen Schiffen während ihrer Anwesenheit auf der Rhede von Manila die Ausnutzung der von Australien für seine Schiffe eingetroffenen Fleischvampfer in höflichster Weise angeboten, bei dem Mangel an Fleisch und EiS eine nicht genug anzucrkennende Liebenswürdigkeit." Deutsches Reich. S. Berlin, 5. Juli. (M o d e r n e I e s u i t e n m o r a l.) So oft in dem Meinuiigskampse um das Jesuitengesetz die I e s u i t e n m o r a l von den Anhängern des bestehenden Eleictzes zur Sprache gebracht wird, kann man von den Befürwortern der Beseitigung des Iesuitengeseyes den Einwand hören: Die anfechtbare Iesuitcnmoral gehöre der Vergangenheit an, die „Jesuitcnhasser" sollten doch aus der Gegenwart Beweise für die Anstößigkeit der Jesuiten moral beibringen. Je unbefangener dieser Einwand in der Absicht erhoben wird, den Glauben an eine wesentliche Verschiedenheit der jetzigen und der alten Jesuitenmoral hervorzurufcn, um so nothwcndiger ist es, den Nachweis dafür zu führen, daß die Iesuitcnmoral in der Hauptsache die gleiche geblieben ist. Einen solchen Nachweis giebt das soeben erschienene Heft des Jesuitcnorgans „Stimmen ans Maria-Laach" an die Hand. Darin wird nämlich der Schlußband eines großen, von einem Jesuiten verfaßten Werkes über die Moral, H. Nvldin ' s , „I)o principiis tcheoloxiuo mornlis" von dem bekannten Iesuitenpater Lehmkuhl recht anerkennend und zustimmend be sprochen. Von dem Verfasser, dessen Buch in diesem Jahre zu Innsbruck erschienen ist, schreibt Lehmkuhl u. A.: Daß er . . . aus dem Probabilismus fußt, braucht wohl nicht besonders angcmcrkt zu werden; ebensowenig bedarf es einer besonderen Betonung, daß im vorliegenden Bande die E r l a n b t h e i t des Probabilismus des Näheren be gründet und gegen die gegnerischen Einwürfe vertheidigt wird." — Bekanntlich gehört der Probabilismus zu den charakteristischen Merkmalen der Iesuitcnmoral, die mit vollem Rechte am heftigsten bekämpft werden. Es ist deshalb mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß der aller modernste Moralist unter den Jesuiten durchaus für den Probabilismus eintritt, und daß er dabei nicht bloß einen der namhaftesten jesuitischen Moralisten, wie den Pater Lehmkuhl, sondern auch das Jesuitenorgan „Stimmen aus Maria-Laach" auf seiner Seite hat. Was der Prvbabilis- mus für die Praxis des täglichen Lebens bedeutet, erkennt man leicht, wenn man sich das Grundgesetz des Prvbabilis- mus vergegenwärtigt. In der Formulirung des Grafen von Hoensbroech lautet es: „Ucberall, wo Erlaubtheit oder ttnerlaubtheit zweifelhaft sind, darf man der Ansicht, die betreffende Handlung oder Unterlassung seien erlaubt, folgen, wenn diese Ansicht wirklich probabel ist, obwohl die entgegengesetzte Ansicht (die Handlung oder Unterlassung seien nicht erlaubt) auch probabel oder gar probabelcr ist?" — Zn welchen Consequenzen diese Moralanschauung im Beichtstühle führt, geht ans einer Auslassung des Jesuiten Castropalao hervor, die Hoensbroech in seinem „Papst- thum" wiedcrgtebt. Castropalao setzt u. A. auseinander: „Darf ein Beichtvater seine eigene probablere Ansicht aufgeben und dem Beichtkinde eine fremde, nur probable Ansicht anrathen? Ja. Das darf auch in Fragen der Justiz (Diebstahl, Schadenersatz u. s. w.j geschehen. Ein Beichtkind befragt Dich Uber seine Verpflichtung, Schaden- ersatz zu leisten; Du selbst hältst die Ansicht, es sei nicht zum Schadensersätze verpflichtet für improbabcl. Darfst Du das Beichtkind an einen anderen Beichtvater ver weisen, von dem Du weißt, daß er dte Ansicht, die Du für imprvbabel hälft, für probabel hält? Sanchcz (Jesuit) erlaucht es. Jedenfalls darf ein Beichtkind so lange zu einem anderen Beichtvater gehen, dessen Entscheidung ilnn (dem Beichtkindes gefällt. Auch kann und muß ein Beickit- varer ein Beichtkind loSsprechcn, das eine der eigenen An sicht des Beichtvaters entgegengesetzte probable Ansicht vertritt." — Die neueste Nummer der „Stimmen aus Maria-Laach" enthält noch eine Besprechung einer Schrift, die mit Moral sich beschäftigt, und zwar eine Besprechung der Schrift I)r. August MUller'S „I st dte katholts ch c M v r a l t h c o l o g i e reformbedürftig?" — vr. Müller steht durchaus auf einem kirchltch-eonlervativen Standpunkte und erntet dafür die volle Anerkennung des Jesuitcnorgans. Aus der Necension des Letzteren sel folgende wichtige Stelle hcrvorgchobcn: „Man muß n o ch m c h r a l S b i S h e r i n d i c S ch li l e g e h e n b c i den großen Theologen dcS 16. und l7. Jahr, Hunderts, bei einem Syt«. Mylina, Souarez, Lesstus, Lugo, Gregor von Balcntia, den Salmanttencensern, Banez, Gonet u. A... ." — A l s v a u ch h i e r w i r d a u f dicalten Mo r a l i st e n m i t a l l e r E n t s ch i e d c n- hcit z u r ü ck g e g r i f f e n. Welchen höchst bedenklichen Moralanschauungen ein Soto, ein Malina, ein Souarez, ein Lesstus, ein Lugo gehuldigt haben, dafür enthält Hvensbroech's „Papstthum" eine Reihe schlagender Beläge. Es mangelt uns an Raum, sie auch nur auszugsweise wicdcrzugkben. Nur zur Beleuchtung der jesuitischen M e n r a l r e st r i c t i v n sei folgende Auslassung des JesuitenLessius hier berücksichtigt: „So oft Jemand Grüns bat, die Wahrheit zu verbergen durch zweideutige Redeweise oder durch Mentalrestriction, sündigt er nicht, auch wenn er dies beim Eide thut. Das ist die allgemeine Ansicht der Theologen. Der Mensch ist nämlich nicht ver pflichtet, alles über eine Sache zu sagen, was er im Sinne hat, also ist er auch nicht verpflichtet, alle Worte von sich zu geben, durch die sein ganzer Sinn offenkundig würde.. Wer schwört, ohne die Absicht zu haben, zu schwören, geht keine eidliche Verpflichtung ein ..." — Solcher „mora lischen" Ansichten Vertreter werden noch heute von dem angesehensten Jcsuitcnorgan als „große Theologen" em pfohlen! Lapienti not. Berlin, ö. Juli. Biel Arbeit des Patent amts ist in den letzten Jahren durch die Entwickelung der modernen Elektrotechnik verursacht worden. Seit 1880 bildet die Elektrotechnik eine selbstständige Industrie. Vorbereitet war die Entwickelung durch die Erfindungen des Fernsprechers, der Glühlampe, der Differential bogenlampe; äußerlich kennzeichnet sich ihr Anfang durch die Ausstellungen in Paris 1881, München 1882, Wien 1883. Dementsprechend macht sich in der Zahl der Patent anmeldungen im Jahre 1882 eine sprungweise Zunahme bemerkbar. Während sic in den Jahren 1877 bis 1880 nur 403 und im Jahre 1881 195 betrug, stieg sie 1882 auf 333 und hielt sich ungefähr auf dieser Höhe bis 1886. Im Jahre 1889 springt sic auf 988, und die folgenden Jahre 1890 und 1891 zeigen mit 510 und 567 eine weitere be trächtliche Steigerung, worauf wieder eine langsamere Zunahme Platz greift. Dieser plötzliche Aufschwung in den Jahren 1889 bis 1891 fällt in die Zeit, wo neben dem bis dahin vorherrschenden Gleichstrom der Wechselstrom zu einer ebenbürtigen Bedeutung sich emporrang und gleichzeitig in Gestalt des Drchstroms auf dem Gebiet der elektrischen Kraftübertragung früher ungeahnte Erfolge möglich machte. Von 1891 an steigt die Zahl der An meldungen also: 567, 563, 575, 603, 666, 724, 931, 1213, 14(0 und 1565 im Jahre 1900. Im Jahre 1894 lag der Schwerpunkt der Erfinderthütigkcit auf dem Gebiete der elektrischen Maschinen im engeren Sinne, im Jahre 1900 verschob er sich zu Gunsten der Jnstallationsmittel, sowie der Telegraphie und des Fernsprechwesens. * Berlin, 5. Juli. Die ersten Angaben über Alter und Familienstand de>- NeickSbevölkerung werden im „ReickSanz." nach der Volkszäblung vom 1. Tccember 1900 veröffentlicht. Es waren danach von der Gesammtbevölkerunq des Reichs, die 56 367 178 Köpfe betrug, 27 737 247 männlich und 28629 931 weiblich, so daß das weibliche Geschlecht um 892648 über wiegt. In den Altersstufen bis zu 21 Jahren war das männ- liche Geschlecht zahlreicher als das weibliche; nur in der Stufe von 5—6 Jahren sind 819 männliche Personen mehr gezählt als weibliche. Von 21 Jahren ob tritt das weibliche Geschlecht mit einer kleinen, durch die Gefahren der ersten Mutterschaft hervor gerufenen Unterbrechung im Alter von 25—30 Jahren immer mehr in den Vordergrund, in der Altersstufe von 21 bis 25 Jahren überwiegen die weiblichen Personen um rund 24 000, in der von 30—35 Jahren um 28 000, in der von 40—45 Jahren um 68 000, in der von 45 bis 50 Jahren um 85000, in der von 50 bis 55 Jahren um 134 000, in der von 55 bis 60 Jahren um 133 000 nud in der von 60 bis 65 Jahren um 135000. Im höheren Lebensalter sinkt der absolute Ueberschuß des weiblichen Geschlechts infolge der niedrigeren Ziffer der gesammten diesem Alter angehörendcn Gesammlbevölkerung, doch wird relativ der Ueberschuß der weiblichen Personen immer größer. Im Alter von 65 bis 70 Jahren kamen auf 544 800 männliche 655 196 weibliche Personen,'im Alter von 70 bis 75 Jahren auf 356 589 mäniüiche, 446 185 weibliche, im Alter von 75 bis 80 Jahren aus 210 793 männliche, 267 984 weibliche. Unter den Personen von 80 bi- 90 Jahren befanden sich 110 726 männ liche und 148122 weibliche, unter denen von 90 bi-100 Iahreu 3635 männliche und 6348 weibliche. Die höchst« Altersstufe von 100 und mehr Jahren zählt nur9 Männer, dagegen 32 Frauen; unter letzteren befanden sich 3 Frauen, sämmtlich verwittwet, dir über 105 Jahre alt waren. Von der Gesammtbevölkerung waren 33 520123 Personen ledig, darunter 17098 806 männliche und 16421317 weibliche. Bis zu der Altersstufe von 30 bis 35 Jabren rinschl. überwiegen die männlichen Ledigen, kann treten die weiblichen immer mehr hervor, dergestalt, daß im Alter von 75 bis 80 Jahren die weiblichen noch einmal so zahlreich sind al- die männlichen. Berheirathet waren 19592879 Personen, darunter 9797924 männliche und 9 794 955 weibliche. Unter den verwittwetcn Personen, deren Zahl 3l62159 beträgt, siud die weiblichen mit 2 352921 fast dreimal so stark vertreten als die männlichen, deren Zahl nur 809238 beträgt. 14 Wittwer und 148 Wittwen waren erst 15 bi- 18 Jahre alt; 33 W ttwer und 379 Wittwen wurden gezählt, die 18 bi« 20 Jahre alt waren. In allen Altersstufen, am meisten aber in den mittleren über wiegen die Wittwen erheblich; in der Stärke von 40 bis 45 Jahren wurden 31 139 Wittwer, dagegen 131118 Wittwen gezählt. Tie Zahl der geschiedenen Personen betrug 92 017; darunter befanden sich 31 279 männliche und 60 738 weibliche. 6 geschiedene Frauen waren erst 15 bis 18 Jahre, 16 geschiedene Männer und 27 g». schieden» Frauen 18—20 Jahre alt. Während von den Altersstufen die von 30—35 Jahren die meisten verheiratheten und die von 65 bis 70 Jahren die meisten verwiltweten Personen hat, sind die Geschiedenen am zahlreichsten in der Altersstufe von 40—45 Iahreu vertreten.
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