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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040109021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904010902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904010902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-09
- Monat1904-01
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SkrbenSki, ist gestern in Berlin angekoinmen rrnd wird heute vom Kaiser empfangen werden. * Die „Borwärts"-Redak teure Leid und Kaliski wurden gestern abend in Berlin wegen Preß- beleidigung anläßlich der WaHlkrawall« in Laurahütte zu mehrmonatigen Gefängnis strafen verurteilt. * Der Großherzog von Baden hat bis zur Kiedcrgenesung des Finanzministers Dr. Buchen berger den Ministerialdirektor Geheirnen Rat Becker mit der verantwortlichen Leitung des Finanzministeriums betraut. * Die Nachricht, daß der Großherzog von Hessen demnächst eine Reise „ach Aegypten unter nehmen werde, wird von den heisischcn Blättern als falsch bezeichnet. * Die Antwort Rußlands aus die letzte Note Japans soll „nicht ganz günstig" ausgefallen sein, doch find die Verhandlungen nicht abgebrochen. kin Lrchechrnbirchol beim üealtche« Kaiser. Der Kardinal -Türsterzbischof von Prag, Frhr. o. Skrbensky, ist in Berlin angekommen, um hier vom deutschen Kaiser in seiner Eigenschaft als König von Preußen in Audienz empfangen zu werden, was heute mittag geschehen wird. Leit dem Empfange des Börsen fürsten Cecil Rhodes und des Sühneprinzen Tschun ist das wohl die seltsamste Begegnung zweier durchaus verschiede ner Machtrepräsentanten: der starkgläubige protestantische deutsche Kaiser und der österreichische Sendbote der päpst lichen Kirche, der noch obendrein von Geburt und Gesin nung ein Tscheche ist. Es ist der e r st e Tscheche, der so hoher Ehre teilhaftig wird. Und vielleicht haben wir da mit schon den Schlüffe! des Rätsels in den Händen, was denn wohl diese ausfallende Nüdienzwerbnng bezwecken mag. Hierzu wird uns aus Wien, 7. Januar, geschrieben: Der Vorwand, den der Erzbischof auch als Erklärung an gibt, ist bald gefunden: Ein großer Teil der Prager Erz diözese reicht weit über die schwarz-gelben Grcngpfähle nach Preußisch-Schlcsien hinein und bildet so ein Gegen stück zu der Breslauer Diözese des Kardinals Kopp, der ja auch als Oberhirt österreichischer 'Schlesier und Vertreter kirchlichen Großgrundbesitzes nicht nur reichsdeutschcr, son dern auch österreichischer Kirchenfürst ist und außerdem un beschadet seiner Mitgliedschaft im preußischen Hcrrenhanse auch Mitglied des österreichischen Herrenhauses sein darf. Diese üoppclt-vereidigtc Staatsbürgerschaft, deren sich sonst kein gewöhnlicher Untertan vermessen dürfte, besitzt der Prager Kardinal allerdings nicht, aber immerhin ist es ganz wertvoll, bei dieser Gelegenheit wieder einmal auf diese wunderlichen staatsreclttlichen Ueberbleibsel auS der schönen Zeit hingewiesen zu werden, da die Papftkirche FeiriHetsn. Wemeyer L Lohn. 6j Roman von M. Prigge-Brook. druck Vkrovten. „Danken Sic Ihrem Schöpfer, daß Sie zu rechter Zett gekommen, mein lieber Wemeyer", antwortete der Doktor trocken. „Bis morgen früh dürfte es zu spät gewesen sein." „Aber Sie denken doch nicht etwa —" „Ich denke, daß Gefahr in den, Zustande liegt, be sonders, wenn er andauert. Sie wissen, Ihre liebe Trau hat bei sonst guter Körperkonstitirtton ein äußerst sensibles Herz. Da ist jede Erregung Gift und birgt Gefahr in sich. Möchte wissen, was ihr heute widerfahren sein mag." Es scheint Wemeyer, als beobachte der Sanitätsrat ihn scharf) er ist daher froh, datz der Eintritt des Mädchens die Lage verändert. „Gott sei gedankt." Ein erleichternder Seufzer des Arztes empfängt das Mädchen, hastig reißt er ihr die Arznei aus der Hand. Einem schwarzen Etui entnimmt er bann eine kleine, winzige Spitze, die er mit der gelb lich-klaren Flüssigkeit des herbeigcholten Fläschchens füllt. Im Nu durchdringt das Zimmer ein betäubender Dust nach Kampher. „Ich muß den Versuch machen", hört der Holzhändler den Geschäftigen zu sich sagen, „die Ohnmacht dauert mir zu lange. Er entblößt den Oberarm der Kranken, setzt eine feine Nadel an das Oberteil der Spitze, sticht ein und spritzt die Flüssigkeit unter die Haut. Elisabeth schreit auf. Die Lider heben sich, mit einem wirren Blick steht sie ,rm sich. „Wo bin ich?" murmelt sie schwach. „Gott Lob!" Der alte Arzt, der seine Patientin schon seit ihrer Jugend kannte, streicht ihr sanft über daS (Be sicht. „Das haben wir brav gemacht, meine liebe Freundin", sagt er ermunternd zu ihr. „Was haben Sie denn eigentlich mit sich angefangen, daß Sie mich so mitten in der Nacht herbeizitieren? Das bin ich von meiner rücksichtsvollen Patientin nicht gewöhnt", scherzt er weiter. Er scherzte, um ihr Zeit zu lasten, sich zu besinnen, denn seinem erfahrenen Äuge entging der geängstigte Blick nicht, den sie auf ihren Gatten wirst, der von dem Bette -«rückgewichen, als wolle er ihr aus dem Wege gehen. burgerstaate gewiß um so mehr zugänglich sein und für den Oberhirten preußischer Katholiken gewiß auch ein freundliches Wort haben. Haben mir aber erst einmal die es deutsche Kaiscrwnrt, dann soll es den widerspenstigen Dcutschbühmen von allen Kanzeln des Landes in die Ohren dröhnen. Gegen den Kaiser, den sic als das geistige Oberhaupt des deutschen Volkes kaum weniger verehren als ihren greisen Monarchen, nmß auch ihr Widerspruch verstummen." So nngefähr mag der Gedankengang der römischen Politiker gewesen sein, die dem tschechischen Kardinal rieten, einmal in sein reichsdeutsches Gebiet, um das er sich während seiner ganzen Amtszeit bisher nicht ge kümmert hat, hinüberzuwandern, und bei dieser schicklichen Gelegenheit eine Audienz im Berliner Kar^erschlossc anzu suchen Dom denkwürdige» Augenblicke, da ein tschechi scher Träger des römischen Purpurs, ein Hauptträgcr der österreichischen Slawcnpolitik dem gekrönten Ketzerkaiser des deutschen Volkes gcgenübertritt, darf man jedenfalls mit Spannung entgegensetzen. Ob aber den Berechnuirgen der römi chcn Politiker über die erhoffte Wirkung auf die Deutschen Böhmens Erfüllung ivinkt, darf hierzulande schon heute ernstlich bezweifelt werden. politische Tagesschau. * Leipzig, S. Januar. ,Jl«stimmigkcit" zwischen Berlin «nd Dresden? Der preußische Minister v. Hammerstein, der sich bekanntlich jüngst so scharf über das Welfen tum und seine Bestrebungen ausgesprochen hat und selbstverständ lich dem Bunde der Landwirte gegenüber dieselbe Stellung ein nimmt, die während der Zolltarifverhand lungen im Reichstage die Vertreter alter deutschen Bundesstaaten eingenommen haben. >nnrd einigermaßen erst. ui'.t sein, wenn er crfatzrt, daß die königliche „Leip ziger Zeitung" die Bündler des Reichstagswahl- kreiscs Osnabrück und den von ihnen in, Verein mit dem Zentrum und den Welfen ausgestellten Kandidaten Baron v. Bar in Schutz nimmt gegen den national liberalen Kandidaten Wamhofs und seine Partei genossen. Die „Leipz. Ztg" findet nämlich, datz man auf liberaler Seite, wenn man infolge geringer Rücksicht nahme auf das Empfinden der „benachbarten rechts stehenden Parteien" bei der Kandidatenanfstcllung Miß erfolge erziele, rasch bei der Hand sei, die Schuld dafür einseitig den „Parteien der Rechten" in die Schutze zu schieben. Dann heißt es weiter: „Dies zeigt sich neuerdings ivieder bei den Vorbereitungen zu der Ersatzwahl in Osnabr ii ck. Hier haben die National liberalen al» Kandidaten den früheren Abg. Wamhoff aus gestellt, von dem sic ganz genau wissen mußten, datz er dem im Wahlkreise stark vertretenen Bunde der Landwirte nicht genehm sein konnte. Ter Name dieses Kandidaten allein tnutzte vielmehr schon als offene Msagc an den Bund betrachtet werden. Der Bund der Landwirte hat sich sonst in den meisten Fällen bei Wahlen in der Provinz .Hannover auf die Seite der Nationallibcralcn und gegen die Welfen gestellt. Man hätte deshalb auch hier einige Rücksichtnahme walten lassen sollen, oder aber, man sollte wenigstens jetzt nichr über Verrat des Bundes ait der nationalen Sache, jammern, zumal der Gegen kandidat der Nationallibcralen, Herr v. Bar, ausdrücklich die Erklärung abgegeben hat, datz er politisch kein Welfe sei und sich also auch nicht der deutsch-hannoverschen Partei anschlietzen ivcrde. ES kann danack wohl angenommen werden, datz Herr v. Bar, da er auch evangelisch ist, im Falle seiner Wahl wild bleibt." Herr v. Hammerstein weiß sicherlich ebenso wie seine königlich sächsischen Kollegen, daß der Bund der Landwirte im Osnabrücker Wahlkreise nur sehr wenig Anhänger und daher nicht den geringsten Anspruch auf Berück sichtigung der städtischen Wähler hat, die bei der Auf stellung des Gutsbesitzers Wamhoff den ländlichen Wählern schon weit cntgegengekommen sind. Er weiß ferner, welche Forderungen die Führer des Bundes -er Landwirte an ihre Kandidaten bezüglich ihrer Stellung zu den künftigen Handelsverträgen stellen. Er kann also die Wahl eines Mannes nicht wünschen, der bei der Entscheidung über di« Handelsverträge Seite an Seite mit den Bundeslcitern kämpfen würde. Er kann das um so weniger wünschen, als gerade ihm nicht unbekannt sein kann, daß aus Barenau preußische Militärmwsikcr nicht spielen dürfen und daß es in dem Wahlkreise Osnabrück eine alte Gepflogenheit des Zentrums und der Welfen ist, ihren welfischen Kandidaten das „christlich-konservative" Mäntelchen umzuhängcn, das die antrwelfischen Wähler täuschen soll. Herr v. Hammerstein, der das ganz genau misten muß, wird daher von -er Kundgebung der „Leipz. Ztg." etwas befremdet sein. Aber er wird sich beruhigen und den Gedanken an eine „Unstimmigkeit" zwischen Berlin und Dresden verwerfen, wenn er sieht, daß diese Kundgebung im nichtamt lichen Teile des Blattes steht und also eine Privat leistung ist. Preußen braucht Sachsen nicht mit Krieg zu überziehen. An maßgebender Stelle in Dresden ist man zweifellos wie in Berlin mit dem Osnabrücker nationallibcralcn Kandidaten, der entschieden antiwelfisch ist und aus dem Boden des neuen Zolltarifgesetzes steht, zufriedener, als mtt dem ,>wikden" Welsen und lieber- agrarier v. Bar. Der Gesetzentwurf über die KaufmannSgertchte ist erschienen. Er sieht selbständige Gerichte vor, wen» auch die Bureauarbeit usw. in den Kanzleien der Gewerbegerichte erledigt werden soll. Auch der Vorsitz in den Kaufmanns gerichten soll nur dann von den Vorsitzenden der Gewerbegerichte ausgeübt werden, wenn diese Vorsitzenden die Befähigung zum Richteramte haben. Anders war übrigens die Angliederung an die Amtsgerichte auch nicht gedacht. Wenn die Begrün dung des Entwurfes hervorhebt, daß eine solche Angliederung zu großen Schwierigkeiten geführt hätte, so ist der Verfasser des Entwurfs über die Wünsche nicht genau unterrichtet ge wesen. Wären die Kaufmannsgerichte an die Amtsgerichte an gliedert worden, fo wäre die Wohltat der KausmannSgerichte viel, viel mehr Handlungsgehülfen zu teil geworden, als jetzt, da die KaufmannSgenchte nur in Städten mit über 50 000 Einwohnern obligatorisch sind. Die Zusammen setzung der Kaufmannsgerichte, zu gleichen Teilen Prinzipale und Handlungsgehülfen unter einem zum Richteramte be fähigten Vorsitzenden, entspricht den Wünschen, die in der Handlungsgchülsenschaft überwiegend zum Ausdrucke gelangt sind. Daß die Kaufmannsgerichte nur für solche Handlung« gcbülfen nickt zuständig sein sollen, die einen JahreSverdienst von mehr als 5000 haben, entspricht ebenfalls den Wünschen, die aus der Mitte der Handlungsgehülfen laut geworden sind. Würden auch Handlungsgehülfen mit einem Jahres- Souverän, die weltlichen Fürsten aber ihre Snzeräne waren. So haben heute kerndeutsche Bürger des preußi schen Staates nicht nur einen polnischen, sondern auch einen im Auslande residierenden tschechischen Oberhirten. Sintemalen nun gerade dieser tschechische Kardinal sich bisher noch sehr wenig um das Seelenheil seiner deutsch böhmischen Landeskindcr gekümmert hat, ist es auch recht schwer, zu glauben, daß er plötzlich von einer so heißen Sehnsucht erfaßt worden sei, sich von der kirchlichen Lage seiner preußischen Diözesanen zu überzeugen. In Böhmen hat er wenigstens seine Visitationsrcisen fast ausschließlich in tschechische Gebiete unternommen, diese seine Landsleute überhaupt so sehr begünstigt und die deutschen Katholiken durch Zuweisung tschechischer Hetz- kaplane fortwährend so tief verletzt, daß sie ihm einmal in einem Orte des Egerlandes, den er auf der Durchreise passieren wollte, mit körperlicher Mißhandlung drohten, falls er sich dort blicken ließe. Welche Früchte die römische Kirche für diese deutschfeindliche Politik geerntet hat, ist bekannt: Zuerst begann unter den Deutschböhmen der noch immer fortdauernde Masscnabfall, die „Los von Nom-Bewegung", und jetzt sind sogar die deutschen Kleri kalen Böhmens durch den erschreckend um sich greifenden Ucbertritt zum Protestantismus dahin gelangt, daß sie deutsche Priestervereine bilden, ihre Treue zum deutschen Volke beteuern und sogar die Errichtung einer selb ständigen deutschen Diözese Eger, die heute noch zum Sprengel der tschechischen Prager Erzdiözese gehört, verlangen. Irgend welchen Erfolg hat die deutsche Klerus bewegung freilich nicht aufzuweisen. Sie wird von den tschechischen Fanatikern am Prager fürsterzbischöflichcn Hofe als eine Art Ketzerei scheel angesehen, und bekannt lich wurden die deutschen Abgeordneten, die beim Kar dinal v. Skrbensky unter Hinweis auf den Wunsch des deutschen Klerus um Zweiteilung der Prager Diözese baten, mit dem kühlen Bescheide abgesertigt, datz daran nicht zu denken sei. Begreiflich: denn ein Tscheche wie dieser Kardinal nsird niemals freiwillig die Hälfte seiner Macht an einen Deutschen abtretcn. Begreiflich aber auch, daß das Scheitern dieses letzten Ausgleicksversuchcs die deutschen Katholiken aufs neue tief erbitterte. Irgend etwas mußte aber -och geschehen, um die Deutschen ohne kirchliche Zugeständnisse zu beschwichtigen und von der gefährlichen Anziehungskraft deS deutsch-freundlichen Protestantismus fcrnznlmltcn. Der halb dcut'che un halb tschechische Bonifaziusverein, der durch den bekannten Adventhirtenbriek v. Skrbenskys zur Bekämpfung des Abfalls ins Leben gerufen wurde, genügte da nicht: für religiöse Trost- und Aufmunterungsmittcl sind die fast durchweg national oder liberal gesinnten religlös-indiffc- renten Katholiken Böhmens viel zu wenig emmänglich. In diesen durch den schweren Bölkerkainpf l>art ge wordenen Bauernherzen gibt nur eine Saite noch einen Hellen Klang: die nationale, die Begeisterung für alles, was mit deut deutschen Volkstum, mit dem großen deutschen Vaterlande nur irgendwie znsammenhängt. Da mag einer der vielen diplomatischen Pfiffikusse der römischen Diplo- inatie auf den Eirnall gekommen sein: „Wie wär's, wenn sich Kardinal v. Skrbensky unter dem Vorwande einer Visitationsreise in sein preußisches Diözesaugebiet eine Audienz bei Kaiser Wilhelm verschaffte? Dieser ideal gesinnte Deutsche hat eine Schwäche, seine ab'olute Parität als Protestant durch nahezu demonstrative Auszeichnung katholischer Kirchenfürften zu erweisen. Er wird für einen solchen Abgesandten ans dem verbündeten Habs Eli'abcth versucht, zu lächeln. Ein herzzerreißendes Lächeln. Es schnitt dem Sanitätsrat in die Seele: er ist der braven Frau wirklich gut. ,Hst etwas vorgefallen, Frau Elisabeth?" Sic verneint heftiger, als gerade nötig gewesen wäre. „Ich weiß von nichts, wahrhaftig, von gar nichts. Sic wissen doch, mein lieber Herr Rat, wie man zu dergleichen Herzafsektionen komntt: ich habe mich weder überanstrengt, noch geärgert, noch sonst etwas verbrochen, in allem lebe ich streng nach der Vorschrift, mithin —" Der scheue, hilflose Blick der armen Dulderin rührte den Freund. „Lassen Sie gut sein", tröstete er, „es muß ja nickt immer eine Veranlassung sein, auch aus heiterem Himmel fallen die Schickialsschläge." Er ahnt nicht, wie wahr er spricht, in dem Bestreben, seiner Patientin das Schweigen leichter zu machen, er weiß, daß Schweigen manchmal das Beste ist, das Einzige, so «auch wohl hier in diesem Falle, den er nicht versteht. Denn die Wemeyers galten bisher für ein friedliches Ehe paar. Sollte der Mann jetzt anfangen, über die Stränge zu schlagen? Das undurchdringliche Gesicht verriet nichts von seinen Gedanken. Noch einmal schärfte der besorgte Arzt, sowohl der Kranke», als auch ihrem Manne, ein, sic ja in Ruhe zu lassen. Es sei am besten, wenn sie gar nicht rede. Am diese Weise hoffe er, sic käme mit Bettruhe uno der Diät einiger Tage über die Attacke fort, während jede Erregung den Instand verschlimmern müsse Mit einem freundlichen Gutenachtgruß und den Worten: „Ich komme morgen srüh", empfiehlt er sich dann bald. Der Holzhändler begleitete ihn. Im Korridor blieb er stehen. „Ist, ist Gefahr vorhanden bei meiner Fran?" fragte er scheu und stammelnd. „Das kann ich Ihnen nicht sagen", vermied der Arzt eine direkte Antwort. „Das ko,mitt immerhin auf die Veranlassung an, die diesen Herzanfall auSgelöst. Da aber Ihre Frau nicht reden soll, so bleibt mir nur zu vermuten und zu hoffen, sie erholt sich, sobald ihr Rübe gelassen wird." Wemeyer beißt sich die Lippen, er siebt, daß der alte, langjährige Freund ihn durchschaut. Da er indes einmal gesagt hat, er wisse nichts, so muß er für diesmal dabei bleiben. Mit lakonischem Gutenachtgruß entläßt er den Rat. Eine Stunde später schläft alles in der großen Woh nung, nur der Hausherr durchwandert ruhelos sein ein sames Gemach, bis der Morgen dämmert. Dies war das Ende des Tages, der ihn zum seligsten der Menschen machen sollte, ihn schaudert und eine bange Furcht läßt ihn den neuen Tag freudlos begrüßen. Erna durchwachte diese Nacht, die erste ihres Lebens, in schrankenlosem Glücksgefühl. Nun sie sich entschlossen, den Liebsten zu erhören, sicht sie ihr künftiges Los in den lichtesten Farben. Was konnte es Süßeres geben, als geliebt zn werden, wie sic geliebt wurde! Die tobende Leidenschaft -cs gereiften Mannes schmeichelte ihr und entzückte sie. Sie fühlte, daß sie über diesen Mann be dingungslos werde herrschen können. Und er ist reich! Ein Krösus in den Angen des Mädchens, das in bescheide nen Verhältnissen ausgewachsen ist. Die Besitzerin -es Rosenecks zu sein, berauscht Erna: von Roseneck hatte sie schon, ehe sie Wemeyer kannte, mancherlei gehört. Die Villa ivar der Laune eines amerikanischen Milliardärs vor Jahren entsprossen, der eine totkranke junge Frau mit diesem Bau beglückt l?aben sollte. Dem Wunsche dieser Kranken zu Liebe, sollt« das Haus in märchenhafter Pracht eingerichtet worden sein, allein der Garten habe Unsummen gekostet, erzählt man sich, nnd jede mir in Europa vor kommende Rosenart sollte dort vertreten sein, denn Roen habe die kranke Frau über alles geliebt. Auch den unge wöhnlichen Namen gab sic dem Bau, der kurz nach der Vollendung verlassen lag. Die Kranke starb, den Mann litt es nicht mehr in den Mauern, er raiste ab, nachdem er Garten und HauS hermetisch verschlossen, ersteren sogar durch ein« Planke vor unberufenen Augen geschützt. Nach Jahren erst hieß es, das Roseneck stände zum Verkauf, der elremalige Besitzer sei verstorben! Da wollte sich, wie man sagte, anfangs niemand finden, denn der geforderte Preis sei viel zu hoch, nnd als Hugo Wemeyer in einer An- nmndclung von verschwenderischer Laune die Billa käuf lich an sich gebracht, da hatten sogar die unter seinen Be kannten den Kops geschüttelt, die wußten, daß er sich biese L-une leisten könne. Sie grenzte immerhin au Wahn sinn. Das alles wußte Erna und konnte sich eine Vor stellung machen, welch Leben ihrer wartete an der Seite eines jo schwer reichen Mannes. Es trug nicht wenig zu ihren: Glücke bei, denn sie mar eitel und hatte chon immer den Wunsch gehabt, recht reich zu werden! Jetzt kam die Erfüllung plötzlich über sie, gleich wie im Märchen, und ein Luftschloß nach dem andern erstand vor den glückStrunke- ncn Augen des jungen Mädchens, dem der Schlummer erst a-m Morgen die Augen schloß. Sie erwachte erst spät. Er- sckrvckcn sah sie bei einem Blick auf ihre Uhr, -aß diese schon die zehnte Stunde zeigte. Rasch sprang sie von ihrem Lager auf. Aber ebenso rasch ließ sie sich wieder zu- rücksinken, ihr fiel plötzlich ein: Sie war ja frei. Nicht länger mehr braucht sie sich sklavisch an die Zeit zu binden vnd drei bis vier Stunden langweilige Tonleitern und Sclscggien herunter zu leiern, bevor sie in die Unterrichts stunde ging. Jetzt hatte das alles ein Ende! Sie sang nur noch, wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnt. Ein kleines Weilchen lag sic noch, köstlichen Zukunfts träumen hingegebcn, mit wachen Augen im Bett, endlich aber wurde es Zeit! Sie wollte sich ankleiden und sich reckt schön machen für ihren Liebsten, denn heute dürfte er sie einmal ausführen, zum ersten Mal. Ob ne ins Schauspielhaus mit ihm ging, oder ins Deutsche Theater. Aber nein, ein Schatten überzog ihr Gesicht, noch durfte sie sich nicht öffentlich mit Hugo zeigen, er bat sie ja um kurze Zeit der Geheimhaltung. Wie das schad: war? Den Eltern würde sie freilich bald schreiben müssen. daS bielt ihr Kinderherz nicht aus, sie hatte die Guten ja zu lieb. Und wie sie sich freuen würden an ihrem Glück, vorzüglich der gestrenge Vater. Dem hatte die Bühne ja nie passen wollen für sein Ernakind und ihr hinwieder war der Ge danke, zeitlebens Stunden geben zu sollen und ab und zu in einem Konzert zu singen, das Gräßlichste geschienen auf dieser Welt, sie hatte es nur nicht sich zu sagen getraut Unter tausend frohen, glücklichen (tzcdanken vollendete Erna ihre Toilette. Dann drückte sic aus den Knopf der elektrischen Klingel. „Mein Frühstück, bitte", sagte sie dem Mädchen, das in die Tür hincinsah „Ist alles kalt geworden", bedeutete dasselbe nach drei Minuten zurückkebrend. Sie setzte das Teebrett mitten cnrf den Tisch zwischen Flaschen und Fläschchen. „Ein Brief für Sie, Fräulein", sagte sie und war wieder draußen. Mit Hast griff Erna nach dem Schreiben. Ein Freuden schrei entfuhr ihr. „Von ihm." Sie öffnete und las. Es waren nur wcnigcZeilcn, denen man dieUnruhe nicht anmerktc, die den Schreiber bewegt. Er hatte cs nickt ausgehalten allein mit seinen trüben Gedanken. Zum wenigsten mußte er der Geliebten iein Bildni« senden, auf daß sie ihn nicht
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