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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980222022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898022202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898022202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-22
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Meelamrn unter dem Redactiontstrich (4gm spalten) LO>H. vor den Familiennackrickte» <S gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« »erzerchniß. Tabellarischer und Zisfernjatz nach höhere« Tarif. Extra»Vetlage» (gefalzt), nur mit bG Morgen«Ausgabe, ohne Postbrsörderu»' ^l vv.—, mit Postbeförderung ^l 70.—» Fnnahmeschlut fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Rtorgr «-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je eia« halb« Stund« früher. Anzeige» fiud stet« an die Expedttia» zu richte». LruS and Verlag voa L. Pol» t» Leipzig 82. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Februar. Da es zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen ist, daß Vie Wahlen zum Reichstage noch für dieses Frühjahr ausgeschrieben werden, so muß vielleicht der für die Zeit vor den Wahlen in Aussicht genommene allgemeine uationalliperale Delegirtenta- auSfallrn. Um so größere Bedeutung beansprucht der am Sonntag in Magdeburg abgehaltene Parteitag der Nationalliberalen der Provinz Sachsen und der Herzogthümer Braunschweig und Anhalt. Er gab, richtiger bestätigte eine Richtschnur für dir Politik der Partei, wie sie auch ein gemein-deutscher Parteitag nicht anders würde bestimmen können. Davon werden sich auch diejenigen Parteigenossen der Provinz Sachsen über zeugen, die, wie berichtet, auS Unzufriedenheit mit der Wirth- schastlichen Haltung eines Tbeile« der nationalliberalen ReickStagSfraclion die Theilnahme an der Versammlung ausdrücklich abgelehnt haben. Sie würden wohl der augen blicklichen wirthschaflSpolitischen Verstimmung nicht nachgegeben haben, wenn sie sich den Charakter und die Mission der Partei so rein vergegenwärtigt hätten, wie sie auf der Magdeburger Versammlung zu Tage getreten ist. Dort wie im Jahre 1896 auf dem Parteitage zu Berlin kam es zum allgemeinen Ausdruck: die nalionalliberale Partei ist vor allen Dingen eine nationale Partei, die sich von derUeberzeugung leiten läßt, daß daS junge Reich noch viel zu viele und viel zu starke innere Feinde hat, um, wie andere Völker eS ohne Gefahr thun können, den Gedanken des Nationalstaates sich selbst zu über lassen. Nur kurzsichtige Menschen können die realpolitische und die direct wirtkschaflspolitische Natur dieser vor Allem nationalen Politik verkennen. WaS wären wir denu wirthschaftlich ohne Reich und WaS würden wir ohne Reich wirthschaftlich wieder werden? Spanien etwa aus genommen, läßt sich bei keinem Volke das Zusammen fallen der Zeilen des politischen und des ökonomischen Nieder ganges so genau nachweisen wie bei dem deutschen. Muß eine Partei wie die nationalliberale also die Erhaltung des Reiche» als die erste Pflicht im Auge bebalten, so muß sie — ganz abgesehen von den wirthschaftlichen, den »sittelstandS- politischen Nvlhwendigteiten, die diesem Zwecke mittelbar dienen — sich an Parteien und Gruppen halten, di« ihre nationale Politik vielleicht nur bedingt mitmachen, aber immerhin mitmachen. Links von der nationalliberalen Partei ist da nichts zu holen. Die erst reckt bedingte augenblickliche Flottensceundlichkeit der Freisinnigen Vereinigung ist erstens ein unsicherer und zweitens ein geringfügiger Factor. Die Flottenfrage ist in Magdeburg so behandelt worden, wie wir erwartet haben. Die beiden Redner haben sich gegen Handels geschäfte mit dem Centrum und für die Berufung der Wähler ausgesprochen, falls daS Centrum sich seiner Pflicht entzieht. Was soll nun aber bei Wahlen die Freisinnige Bereinigung, Generäle mit einer KrirgScasse zwar, aber ohne Soldaten ? Aber auch in wirthschaftlicker Hinsicht kann rS keinen bewußten Nationalliberalen geben, der daS Wort des Herrn v. Eynern nicht unterschriebe, daß wir zwischen den Abgeord neten Richter und Hahn mitten durch gehen müssen. Selbst verständlich nicht auf einer geometrisch berechneten Mittel linie, sondern mit Sinn und Verstand. Und da läßt sich doch nicht abweisen, daß der Abgeordnete Friedberg nicht die bestehenden Handelsverträge, aber die landwirthschaftlichea Zollsätze der bestehenden Handels verträge mit Recht al» daS Ergebniß mangelnder Voraussicht verurtbeilt und eine Corrrciur bei künftigen Verträgen für notbwendig gebalten hat. Von den Vertretern der Industrie ist daS ausnahmloS zugegeben, und den Handel der Provinz Sachsen glauben wir genau zu kennen, um annebmen zu dürfen, daß er sich der Wechselwirkung seines Ge deihens mit dem der Landwirthsckaft bewußt ist. Was schließlich den Liberalismus angebt, so wird man doch von den früheren Bundesgenossen der Lieber und Lingen«, den welfischen Reac- tionären und den elsaß-lothringischen Klerikalen nicht mehr er warten als von der Partei, die das Zeblitz'sche Schulgesetz und daS v. d. Recke'sche Vereinsgesetz zu Falle gebracht hat und die einzige ist, die die ultramontane Verfinsterungspolitik ehrlich und energisch bekämpft. Im preussischen Abgeorpnctenhause hat bekanntlich vor gestern der Director des Bundes der Landwirthe, Abg. vr. Hahn, die von dem Minister des Innern rectificirten drei Hildesheimer Landräthe nicht nur in Schutz genommen, sondern auch frank und frei behauptet, die Herren seien durch ihre Unterschriften unter einem die nationalliberale Partei auf daS Gröblichste beschimpfen den und verleumdenden Wahlaufrufe der Politik der Regierung gefolgt, weil die Politik der Regierung eine Politik der Sammlung sei und diese unter der den meisten Erfolg versprechenden Fabne des Bundes der Land wirthe erfolgen müsse. Man hatte nun angenommen, daß Minister v. d. Recke gestern auf diese Provocation ant worten, die den preußischen Beamten gestellte Zumu'.bung, nicht der Fahne der Regierung, sondern der von Herrn 0r. Hahn ausgegebenen Parole zu folgen, energisch zurück weisen und zugleich die Gründe darlegen werbe, aus denen die Regierung die Parole des Bundesdirectors sich nicht aneignen könne. Aber diese Erwartung wurde nicht erfüllt, obgleich lange und scharfe Auseinandersetzungen zwischen den Abgg. Vr. Sattler und vr. Hahn dem Minister reiche Gelegenheit zu einer Antwort auf jene Provocation gegeben hätten und obgleich der Herr Bundesdirector nach dem Sitzungsberichte der «Köln. Ztg." sein „Sammel"-Programn> folgendermaßen erläuterte: Im wirthschaftlichen Leben stehen auf der einen Seite die Landwirthe, der bürgerliche Mittelstand, auf der anderen Seite steht die Exportindustrle und der internationale Großhandel. Zwischen diesen beiden Gegensätzen giebt eS keine Vermittlung. Wenn die nationalliberale Partei sich bemühen sollte, zwischen diesen beiden Gegensätzen zu vermitteln, so wird sie sich wahrscheinlich zwischen zwei Stühle setzen. Zwischen Männern wie Möller, welche langsichtige Handelsverträge haben wollen, und der Landwirthschakt giebt es keine Ver mittlung. Wir können nicht pactiren mit der Groß industrie, die unter allen Umständen den Export aus Kosten der Landwinhschaft auSdehnen will. Herr v. d. Recke sand das Alles „sehr interessant", aber eS veranlaßte ihn zu keiner Aeußerung; er „wollte in den Redckampf nicht eintreten", so nahe dieser Kampf die Autorität der Negierung ihren Beamten gegenüber und ihre Politik der Sammlung berührte. Nun ist es ja möglich, daß Herr v. d. Recke Herrn Vr. Hahn nicht viel höher bewcrtbet, als die Fraction es thut, die ihm den Stuhl vor die Thur gesetzt hat; aber eS bandelt sich in diesem Kalle nicht um die Person des Herrn vr. Hahn, sondern um den Director des Bundes der Landwirthe und den Einfluß, den er als solcher zu er ringen gewußt bat und der durch die Unterschriften der drei Hildesheimer Landräthe unter dem vielerörterten Wahlaufrufe zu Tage tritt. Man darf daher wohl hoffen, daß ein poli tischerer Minister, als Herr v. d. Recke, demnächst nachholt, waS dieser versäumt hat, und die „interessanten" Aeuße- rungen des Herrn vr. Hahn etwas näher beleuchtet. Wenn dabei auch Herr v. d. Recke etwas „rectificirt" werden sollte, so würde daS im Interesse der „Politik der Sammlung" nicht zu beklagen sein. Aus den Plaidoyers im Zola-Prorcß, welche gestern begonnen haben, ist nichts Aufsehen erregendes hervor- zuheben. Allgemein fällt nur die dumme Arroganz auf, mit welcher der Generalstaatsanwalt van Cassel von Zola als „einem Manne" sprach, „der Verfasser mehrerer Romane ist, die seinen Namen bekannt gemacht haben". Wir können eS dem richterlichen Vertreter des Staates nicht verargen, wenn er empört ist über die „Infamie" Zola'S, aber er stellt seiner Objektivität und Unparteilichkeit und nicht zuletzt seiner Bildung ein schlechtes Zeugniß aus, wenn er mit dem be leidigenden Ausdruck der Geringschätzung und der Vorein genommenheit beginnt und die große geistige Bedeutung eines Zola in gehässigem Ausfall zu diSqualificiren unternimmt. Für ihn hatte der Verfasser aller Welt bekannter, berühmter Romane nur der „Angeklagte Zola" zu sein; er brauchte ihn nicht zu loben, er durste ihn überhaupt nicht kritisiren. Recht balle van Cassel mit dem Hinweis, daß es Zola und seinem Vertheidiger nicht gelungen sei, zu beweisen, „daß das zweite Kriegsgericht den Major Esterhazy frei gesprochen hat, um die Ungesetzlichkeit zu decken, welche die Verurtbeilung deS HaupimannS DreufuS befleckte", aber Labori hat eS doch sehr wahrscheinlich gemacht, indem er nachwies, daß das Verfahren gegen Esterhazy von vornherein darauf angelegt war, diesen freizusprechen und seinen Ankläger Picquart zu verurtheilen und daß namentlich die Recherchen nach der Schuld des Verfassers des Ulanenbriefes in einer so saloppen Weise betrieben wurden, daß man den Eindruck bekommen mußle, inan hab.- nicktSGravirendoS sinv:n wollen. Alle Sachverständigen von Ruf schrieben daS Dreysus-Borderau Esterhazy zu, und die Richterin, Esterhazyproceß hielten e« nicht für angezeigt, nochmals zu untersuchen, von welcher Hand eS stammt. Man hatte za eine r68 juäieatu. vor sich. Der Ausruf des GeneralstaatSanwaltS, „die Sorge um die Gerechtigkeit ist nur der Vorwand gewesen, den Sie gebraucht hgben", war eine Ungerechtigkeit undjeine Beleidigung, denn an dem guten Glauben Zola'S zweifelt kein ruhig Denkender. Der Gipfel der Beweisführung van Cassel'S aber war die sehr richtige Behauptung, niemals werde in civili- sirten Ländern eine gerichtliche Anarchie gestattet sein — und durch vierzehn Tage hindurch haben wir die Anarchie im Schwurgerichtssaale zu Paris umgehen und Alles beherrschen sehen, eine Wahrnehmung, der selbst ein ministerielles Organ, wie der „Temps", sich nicht entziehen konnte. Die Behaup tung van Cassel ist eine schwere Anklage gegen die fran zösische Justiz und gegen die Republik. Das ist richtig, raß in civilisirten Ländern die Rechtsprechung absolut unab hängig nach allen Seiten hin ist, daß sie es aber in Frank reich n i ch l ist, lehrt eben der Proceß Zola mit seinen Ankecedenzien. Folglich:wo bleibt die Civilisation in Frankreich? Der GeneralstaatSanwalt hatte offen bar keinen guten Taz. Er reihte Behauptung an Be hauptung, Phrase an Phrase, und blieb von Anfang bis Ende salbungsvoll, oberflächlich, matt, eindruckslvS, der Kraft über- zeugenderArgumcnlation bar, und es schien, als ob erselbst nicht reckt von der Sache überzeugt sei, die er vertrat. Sehr wirkungsvoll war die schlichte, ehrliche Ansprache Zola'S an die Geschworenen und in derselben namentlich seine An spielung auf den Zwiespalt zwischen der Regierung und dem Generalstab, welch ersterer „Alles wohl bekannt" und welche von der Unschuld Dreyfus' überzeugt sei. Hier mag erwähnt sein, daß die Brüsseler „Dependance" Enthüllungen zur Vorgeschichte deS Zola-ProcesseS macht, au« denen hervorzeht, daß der Kriegsminister Billot die Verfolgung Zola'S ablehnte und die Revision de« Dreyfus - ProceffeS nach den Kammerwahlen vorzunehmen beabsichtigte. BoiSdeffre richtete aber ein Schreiben an Billot, in welchem er mit dem Rücktritt des ganzen Generalstabes drohte, falls Zola nicht vor den Richter gestellt würde. BoiSdeffre er zwang somit die Verfolgung Zola'S. Ebenso erfolgte seine Drohung mit seinem Rücktritt vor dem Schwurgerichte ohne das Vorwissen MSline'S und Billot'«, die dies Auftreten BoiSdeffre's tadeln. DaS Plaidoyer des VertheidizerS Labori kam gestern noch nicht zu Ende, aber was er sagte, batte Hand und Fuß und war eine schwere Anklage gegen die öffentlichen Gewalten Frankreichs. Er wieS aus die Be einflussung des Gerichtshofes durch die Vertreter deS General stabes hin, charakterisiere die Taktik deS Gerichtshofes, einen zweiten Stein auf DreyfuS zu Wersen, indem er verhinderte, die Wahrheit an den Tag kommen zu lassen, geißelte die KampfeSweise der Gegner, Zola als einen Beschimpfer der Ehre der Armee hinzustellen, deren Führer und Einrichtungen doch von den ersten Stützen deS Heere« selbst, einem Saussier und BoiSdeffre, in öffentlichen Blättern aufs Aergste herunter gerissen würden, und beleuchtete die Unehrlichkeit der Regisseure der Revisionsgeaner, die wichtigsten Dokumente in gefälschtem Wortlaut der Orffentlichkeit zu unterbreiten und Aussagen über Enthüllungen von Mitgliedern de« Drryfu«-KriegSgcrichts einfach tovtzuschweigen. Eine Freisprechung wird Labori auch mit seinem Plaidoyer nicht erreichen, er erwartet eS auch nicht, aber er sammelt ja auch, wie er sagt, nur Material für den — Cassationshof. In da« Berhältniß zwischen Spante» und den vereinigten Staaten ist abermals ein Miß klang gekommen. Zwar Wickeln die officiellen Beziehungen zwischen den beiden Regie rungen sich noch normal, ja äußerlich freundschaftlich ab. rin spanisches Kriegsschiff besuckt den Hafen von New rjork, feuert Salutschüsse ab, die erwidert werden, eS giebt officielle Begrüßungen an Bord und an Land u. s. f. u. s. f. Ader schon ist wieder rin peinlicherZwischenfall eingetreten. Wie wir mit ihrilten, hat der Marinr-Attach« bei der spanischen Botschaft in Washington, I. G. Sobral, einem Berichterstatter d«S „New Jork Hcrald" gegenüber sich in sehr wegwerkender Weise über die DiSciplin der amerikanischen Marincsoldaten ausgesprochen und unvorsichtigerweise hinzugesetzt, daß er die von ihm gesammelten Informationen in einem Krieg mit den Vereinigten Staaten, vielleicht als Commandant eines Schiffes, gegen diese verwerthen werde. Sobral ist selbstverständlich sofort seine« Posten« enthoben worden, aber in Washington wird man Offenheiten wie die de» Attaches Sobral und de« Gesandten v« Löme sicherlich nicht zum Anlaß freundlicherer Gesinnung gegen Spanien nehmen Durch eigene Lrast. 8j Roman von Alexander Römer. Nachdruck v«kt»r«n. „Ja, Wirthschaft, Du Schelm, hast Du mit der kleinen Röpke auchvonderWirthschaft gesprochen?" Er wurde roth und sie wandte sich rasch ab, um ihn ja nicht glauben zu machen, sie merke e» nicht. Der Schwerenöther, ob er schon richtig verschossen war? Sie hatte immer darauf gewartet, daß er von seiner Gefährtin er zählen sollte, nun drückte «S ihr doch das Herz ab, denn Neugier gehörte einmal zu ihren Schwächen. So kam sie dann mit der Frag« herau«. „Hast Du gesehen, daß ich in ihrrr Begleitung heimkam?" sagte er lachend. „Ja, das habe ich gesehen, und es sieht verfänglich aus, daß Du mir gar nichts davon erzähltest." „So, nun, dann will ich e» jetzt thun. Fräulein Ottilie Röpke saß, als ich von der Dreschmaschine quer über di« Stoppeln jen seits de» Graben» herüberkam, unter den Weiden und weinte. Da» jammerte mich und da habe ich sie zu trösten versucht." „Ei, wa» Du sagst, st« weinte, da» arme, kleine Ding! Wenn sie nur nicht so scheu wäre, wie gern fütterte ich sie hier mit manchem guten Bissen, dek bei uns doch eher abfällt, als da bei den alte« Schwestern, die jetzt, wenn sie diese Nicht« und am Ende gar den großmäuligen Herrn Bruder noch mit durchfüttern sollen, knapp anbeißen müssen." „Na, Mütterchen, mit guten Bissen richtest Du bei diesem jungen Fräulein nicht viel au», damit ist ihr auch nicht zu helfen, die ist es ander» gewöhnt, und es mag lang« dauern, bi» sie sich hier einlrbt." „Na, höre mal, Ludwig, ich meine, sie müßte froh sein, wenn sie hier em Obdach findet." Ludwig schwieg. Er hatte Ottilie gebeten, zu seiner Mutter zu kommen, aber jetzt war er im Zweifel, ob die Beiden sich verstehen könnten. Durch Frau Dori» Kopf flogen auch allerlei Gedanken- reihen. Die kleine Röpke war arm wie eine Kirchenmaur, ihr Vater ging mit einem weißen Stocke von seinem H«rrrngut, und dabei war er ein unausstehlicher Protz. Noch immer von oben so breitspurig, al- ob ihm die Welt gehöre, und führte Reden, die -um Lachen waren. Das war keine angenehme Zugabe. Und ob die Tanten noch eine Aussteuer für die Kleine zusammen brachten, war fraglich, aber fein und hübsch war das Dingelchen — nur zu vornehm gewöhnt. Wenn ihr Junge sich aber so etwa» aussuchte, so war eS etwas Besondere», und Geld hatte er dereinstmal» genug, davon war sie überzeugt. Ihr Alter ließ sie nie genau in sein« Karten gucken, indeh wohlhabend war er, und Ludwig hatte mit Niemandem zu theilen. Ein heimliches Lachen war in ihr, da merkte man eS schon, wenn er sich solch eine Frau wählte, half dem Alten sein Linzwänaen nicht»; wenn er einmal die Augen schloß, führte Ludwig doch ein anderes Leben ein. Gott verzeih« ihr die Sünde, sie dachte gewiß nicht ernstlich an ihres Manne» Tod, aber vor ihrer lebhaften Phantasie stand ein Bild auf, das ihr keineswegs abstoßend erschien. Ein neu aufgeführtcs, große» herrschaftliche« Haus, da neben dem Speicher an der Mühle, die Krugwirthschaft hingen die Jungen natürlich an den Nagel, st« hatten's auch nicht mehr nvthig, sich so zu placken. — „Guten Abend!" — Sie fuhr zusammen, ihre kühnen, etwa» verwegenen Luftschlösser stürzten zusammen, dir hagere Gestalt ihres Alten stand in der Thür. Ludwig sprang auf, schüttelte dem Vater die Hand und rückte ihm den Lehnstuhl heran. Es war ein herzliches Einvernehmen zwischen Vater und Sohn. „Dir thut gewiß der Rücken weh, Du hast den ganzen Nach mittag beim Wein zu thun gehabt", sagte Ludwig mitleidig. Er hätte dem Vater am liebsten Alles abgenommen. „Ja", entgegnete der Alte, „die alten steifen Beine merken'» jetzt, sonst machte mir da» nichts au», aber nachgerade — man werd nicht jünger, mein Junge." „Nein, Vater, und darum ist's gut, daß ich da bin." „O ja, e» ist schon gut, daß Du da bist." Die Falten in dem alten Gesicht glätteten sich, und es lag wie Sonnenschein darauf. Vater Heidemann schlürfte die heiße Suppe mit Behagen; da stand viel Leckeres auf dem Tisch, ein kaltes Rebhuhn, Aal in GelSe, frische goldgelbe Butter, selbstgebackeneS Brod und saftiger Schinken. Frau Dori» versorgte die Beiden mit Vergnügen, es schmeckte ihnen auch, daS sah sie — Gottlob! Vater und Sohn redeten von des Tages Geschäften. Ludwig stattete Bericht ab, was heute geschehen war, und besprach die Aufgabe de» nächsten TageS. „Der alte Baron bot mir heute den Weizenschlag an, der an unseren Acker stößt", sagte der Alte zuletzt. „Ich habe mich entschlossen, ihn zu nehmen." Ludwig sah verwundert auf. „Er verzettelt ja so nach und nach sein Gut", meinte er kopfschüttelnd, „er kann natürlich wieder keine Zinsen zahlen." „Nein — dafür soll ich ja gerade den Acker nehmen. Na, allzu Vortheilhaft ist der Handel nicht für mich, denn billig haben wir de« Schlag nicht berechnet Ich will ihn aber nicht drücken, ich kann'» einmal nicht, e» geht mir gegen den Strich. Ver hindern werd' ich'» freilich doch nicht, daß er den Blutsaugern in die Hände fällt. Einstweilen aber — uns paßt daS Stück Land, wir bringen da mehr heraus als sie — also — ich bin den Handel eingegangen." „Ist mir auch lieber, als wenn Du Dich zu einer neuen Hypothek hättest überreden lassen", meinte Ludwig. „Ich laß mich überhaupt zu nichts überreden", brummte der Krugwirth, „auf Unsichere» geb' ich mein sauer erworbenes Geld nicht hin. Was ich thuc, überlege ich, ob ich es vor meinem Erben verantworten kann, aber Vortheil will ich nicht aus des Gutsherrn Bedrängniß ziehen. Sein seliger Vater war ein einfacher braver Herr, und dieser ist mit mir groß geworden. Wir Heidemanns haben ein« treue Ader; so weit ich gehen kann, so weit gehe ich." „Aber am letzten Ende, Vater, wenn die Wirthschaft drüben so weiter geht, da hältst Du das rollende Rad doch nicht auf", bemerkte Ludwig. „Versteh' mich recht", setzte er hinzu, „ich bin mit dem Ackererwerb vollauf einverstanden, der schädigt uns nicht, aber der Baron handelt unverantwortlich. Diese kleinen Fristen und Deckungen helfen ihm ja nichts, wenn er die Karre nicht am anderen Ende anfaßt. Ihr verschwenderisches Leben sollten sie ändern." Der Alte zuckte die Achseln. „Wie man's treibt, so geht's", sagte er, „der Baron ist zu schwach. Mir sollt's lieb sein, wenn ihm da» Ende erspart würde, und die Geschichte noch zusammenhielte, so lange er da ist. Der junge, der Herr Regierungsassessor, kümmert mich nicht." „Mich auch nicht." Das kam recht kernig von Ludwig's Lippen. Der Krugwirth sah seinen Sohn mit einem pfiffigen Lächeln von der Seite an, sagte aber nichts weiter. „Hast Du Claus Hartwig nicht gesehen, Mutter?" fragte Ludwig, der das Thema zu wechseln wünschte. „Nein", entgegnete sie. „Er war, glaube ich, seit mehreren Tagen nicht hier." „Hm, — das fällt mir auf, er pflegte sich sonst nicht so rar zu machen", meinte Ludwig sinnend. Der Krugwirth rauchte die Pfeife, welche sein Sohn ihm gestopft hatte, an und that ein paar kräftige Züge. Dann sagte er bedächtig: „Der sitzt drinnen in der Gaststube in der Ecke am Ofen, ich sah ihn, al» ich hereinkam." „Heute Abend? Allein?" rief Ludwig verwundert. „Ich denke, er ist bei dem Jagddiner drüben im Herrenhause." „Scheint nicht so", bemerkte der Alte lakonisch. Ludwig stand auf und ging in da» Gastzimmer. Da saßen ,—--—-- — » - ein paar Bauern vor ihren Krügen an dem langen Holztisch, sonst war es ziemlich leer. In der Ecke entdeckte er Claus Hartwig. Er war im Frack und weißet Cravatte, aber sein dichtes dunkle» Kraushaar sah zerwühlt au», und er sah, Vie Arme auf den Tisch gestemmt, dar Gesicht in den Händen vergraben. Ludwig trat an ihn heran. „Na, Claus, was bedeutet dies?" Der Angeredete fuhr empor und sah den Frager einen Moment mit glanzlosen Augen verstört an. Ludwig erschrak. Claus war sonst ein leichtherziger, lustiger Gesell, zu leichtherzig und -u lustig oft nach Ludwig's Meinung. „Bist Du von der Mittagstafel weggelaufen?" fragte er. „Ja", sagte Claus heiser, „ich bin weggelaufen, und ich denke gar nicht wieder hinzugehen in diese Schlangenhöhle. Hole der Henker diese vermaledeite Katzenbuckelei." Er biß die Zähne ingrimmig zusammen und stieß seinen Bierkrug heftig auf den Tisch. „Nanu, was ist denn los?" „Nichts ist los, als daß ich's satt habe." Ludwig schüttelte den Kopf. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm. „Dir muß ja etwas passirt sein. Hast Du Dich mit dem alten oder dem jungen Baron überworfen oder gar mit einer der Damen?" Lugwig fing an, sich Allerlei zusammen zu reimen. Claus starrte düster vor sich hin. Es war nicht zu verkennen, daß er stark getrunken hatte, und das Bier nach den feinen Weinen mochte ihm schwerlich bekommen. Auf einmal löste sich seine Zunge. In ungeordnetem Schwall brach es aus ihm heraus, Anklagen gegen die drüben, gegen das Schicksal, gegen sich selbst. „Warum haben sie mich nicht gelassen, wo ich war? Ich habe ein paar kräftige Arme, ich hätte mich schon durchgeschlagen und wäre jetzt ein froher, freier Mann. Aber da wurden mir die hohen Ideen in den Kopf gesetzt, hei! wa» meinte ich dummer Junge, in den Himmel zu fliegen, wenn die Frau Baronin mich zu ihrem Spielzeug brauchte." „Claus, TlauS, still, ich bitte Dich. Du bist im Augenblick nicht recht klar bei Sinnen, sonst — Deine Reden sind schwarzer Undank, der alte Herr Baron hat viel an Dir gethan." „Der Alte — ja, der ist auch der Beste unter der Gesell schaft, die Andern — glaub' mir'», Ludwig, Ich hab' ihnen hinter die Coulissen geguckt. Für harmlo», für einen einfältigen Jungen und guten Spaßmacher haben sie mich gehalten, und lange hat'« —
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