A-orter Wachenblatt. Mittheilnngen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Elfter Jahrgang. «rci« für den J«brganz bci Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung des Blatte« durch Botengelegenhektr 2» Ncugroschen. «2. Oktober 1846. Der Versa ssunqöfreund. „Wir entfalten unsere Fahne mit der Devise: kirchliche und politische Toleranz", sagt „der Verfas- sungsfreund", eine neue Zeitschrift, welche unter der Redaktion des vr Karl Krause seit Anfang dieses Monats in der König!. Hofduchdruckerei erscheint. Kirchliche und politische Toleranz! Wie schön? Kann ein Ritter unter den Devisen zum Turnier ge schmackvoller wählen? Für diesen Wahlspruch könn ten wir beinahe selbst schwärmen. Was die Liebe im Ebristrnlhum, was die Ritterlichkeit im Mittelalter, wo Prinz Tristan, bei Baron von Morolt schlief'), ehe er ihn erschlug, oder erschlagen wollte, das ist die Toleranz in der Politik. Das neue Blatt redet ganz wahr. Wie herrlich könnte es in Sachsen sein, wenn sich die Parteien wirklich tolcrirtcn, wenn die eine Partei der andern dasselbe Recht zugestände, was sie für sich in Anspruch nimmt, wenn der Feind den Feind achtete, weil, wenn er ihn achtet, er sich selbst zu achten glaubte, wenn Jeder, wie Braun sagt, nur mit offenen, blanken Waffen kämpfte, wenn unter den Parteien nicht Gewaltmisbrauch und Gewaltanleh nung, nicht Terrorismus und Unterdrückung, sondern Gleichheit und Gegenseitigkeit, Großartigkeit und gei stige Hoheit herrschten. Fürwahr: schon um dieses einzigen Gedankens willen, könnte man das Blatt hoch, preisen. — Aber es wird noch besser, noch hell tönender, noch melodischer! Auch verfassungstreu, ja, nicht blos das, ein Freund der Verfassung will das Blatt sein. Es will also rathen, helfen, schützen, retten, wenn irgend der Versüssung Schaden oder Gefahr droht. Im Geiste achter Bruderliebe, reiner Toleranz will das neue Blatt unserer Verfassung Freund sein. Kann man die Worte schöner, ja poetischer zusammen finden? ') ku-he Tristan und Isvlde von Jmmermann. Sehen wir nun, wie das Versprechen gehalten wird. Gleich in der ersten Probe-Nummer wird im ersten leitenden Artikel dieses großen Toleranz- und Verfassungsfreundts Hr. Minister v. Zeschau belobt und vertreten wegen der bekannten Verwarnung und Bedi chung eines StaatSdieners mit Amtsvcrlust, weil er auf Reisewitzens mit zu Tische war. Diese alte Weste soll von uns nicht wieder aufgelegt werden. Wir betrachten den Casus nur von Seiten der Tole ranz. Wollen wir^nun dabei selbst tolerant sein und zugeben, daß der Minister dabei wenigstens nicht of fenbar^ unrecht thikk»und ganz gewiß in seinem wohl verstandenen Interesse handelte, so ist doch so viel ganz gewiß, daß Hs^Ayn Zeschau, als er den Zweck esser wegen Zwcckessens Mit Dien st entlaß drohte, nicht tolerant handelte. , Das wird selbst der Verfassungsfreund eingesteben. Wir aber wollen noch weiter gehen und bekennen, daß ein Minister nicht allemal tolerant sein darf und kann. Alles in der Ordnung!— Aber, wie sieht es mit demjenigen aus, der ohne Noth (denn die Geschichte ist alt und be sprochen) diese nicht tolerant zu nennende Handlung vertritt? Der ist entweder selbst intolerant.oder er giebt wenigstens zu erkennen, daß auch Intoleranzen gebilligt werden können. Wie nun allerdings die größteConsequcnz in der Jnconscquenz liegen soll, so kann man auch sagen, die größte Toleranz muß auch die größte Intoleranz entschuldigen und dann Hal der Verfassungsfreund recht. Sagt man aber, wer mit der Devise: politische Toleranz! auf der Fahne die größte Intoleranz der Neuzeit vertheidigt, ist ein Heuchler, dann hat der Verfassungsfreund unrecht und gleich im ersten Artikel sich selbst entlarvt. Weiter! In demselben (übrigens natürlich sehr gut geschriebenen Artikel, beweist der Verfassungsfreund die Toleranz der Regierung gegen die Opposition der Kammer durch die Berufung auf den Vorfall mit dem