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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981008018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-08
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Der „Standard" giebt dem deutsch-englischen Abkommen eine gerade zu aggressive Tendenz grgen Frankreich und Rußland, und die „Kreuzzeitung" hält ernste Verwickelungen schon in naher Zeit für so fest möglich, daß sie besorgt fragt, ob der Kaiser wohl di« ihn auf mehrere Wochen in beträchtlicher Ferne von Deutschlands Grenze haltend« Reise nach dem Orient in guter Ruhe wird antreten können. Der deutsch« Kaiser wird von skiner Reis« in längstens sechs Wochen zurückgekehrt sein. Daß in dieser Frist Kata strophen eintreten könnten, möchten wir nicht annehmen. Wohl ist die Lag«, besonders an drei Punkten, in Ostasien, in Kreta und in Frankreich, ernst, aber es ist trotzdem eine rasche Krisis nicht zu erwarten. In Ostasien und im europäischen Orient pflegen sich die Dinge mit orientalischer Gemächlichkeit ab zuwickeln, und eine Krisis, die in europäischen Ländern als acut angesehen würde und die dort auf die eine oder andere Weise sofort gelöst werden müßte, kann in jenen Ländern lange Zeit in demselben Zustande verharren. Was Frankreich anlangt, so ist man der Entwickelung der dortigen Verhältnisse überhaupt niemals sicher. Frankreich kann, wie sich in der Geschichte schon oft genug gezeigt hat, in kürzester Frist aus dem Zustande der Ruhe in den der tollsten Raserei kommen. So dürfte man also, wenn man vor Krisen in Frankreich besorgt ist, dem deutschen Kaiser niemals gestatten, auf eine längere Zeit außer Landes zu gehen. Eine acute und gefährliche Krisis würde unseres Erachtens nur dann vorhanden sein, wenn das deutsch-englische Abkommen die ihm vom „Standard" untergeschobene aggressive Tendenz gegen Rußland hätte. Müßte Rußland die Annahme des „Standard" als richtig ansehcn, so könnte es gar nichts besseres thun, als sofort koszuschlagen, denn es findet nie die Franzosen in einer besseren Stimmung zum Rachekricge gegen Deutschland, als eben jetzt. Man hat deshalb in Deutschland Veranlassung, zu betonen, daß die „Standard"-Meldung weit über das Ziel hinausschießt und daß das deutsch-englische Abkommen keine für alle Zeiten und für alle Orte geltend« Bedeutung besitzt, sondern sich nur auf bestimmte Punkte bezieht, die für Rußland gleichgiltig sein können. Es liegt durchaus in deutschem Interesse, festzustellen, daß das deutsch-englische Abkommen nicht etwa gleichzustellen ist mit den Bündnissen mit Oesterreich und Italien. Manche deutschen Blätter freilich, die etwas zu stark nach der englischen Seite hinüberschwenken, möchten auch dem Abkommen mit England eine gewisse allgemeine Bedeutung beimessen. So sagt die „Kreuzzeitung", daß Deutschland kein Interesse daran habe, England niedergeworfen zu sehen, denn wenn erst England zu Boden geschlagen würde, würden Frankreich und Rußland sicherlich gemeinsam über Deutschland herfallen. Deutschland hat kein Interesse, activ an einer Nieder werfung Englands theilzunehmen, aber es hat auch kein Interesse, Frankreich und Rußland in den Arm zu fallen, wenn sie sich aus für sie sehr gewichtigen Gründen (Frankreich wegen afrika nischer, Rußland wegen asiatischer Streitfragen) mit England auseinandcrsetzen wollen. Gewiß wäre es für Deutschland un erwünscht, wenn England zu Boden geworfen würde, aber ist denn dieses Resultat etwa so als selbstverständlich anzusehen, wie etwa die Niederlage Spaniens im Kriege mit den Ver einigten Staaten von vornherein selbstverständlich war? Man sollte doch daran denken, daß England der einzige europäische Staat ist, der in den letzten Jahrhunderten niemals von einem europäischen Gegner niedergewocfen worben ist. Selbst Napoleon I. konnte England nicht bezwingen. Er hatte Preußen, Rußland und Oesterreich zu Boden geworfen, er war um das Jahr 1810 herum allmächtig auf dem europäischen Continent, aber er konnte der Engländer nicht Herr werben. Mag Englands Lage heute nicht mehr so günstig sein wie damals, so verfugt es doch noch über drei sehr wichtige Hilfsmittel: es hat die mäch tigste Flotte von der Welt, es übertrifft an Reichthum jede andere Nation der Welt, und das englische Volk besitzt eine Zähig keit, die sich nicht sobald unterbekommen läßt. Wenn England in einem Kriege, der etwa auf asiatischem Boden zu führen wäre, selbst ein Sedan erleben sollte, so kann man sicher sein, baß nicht wie in Frankreich zwei Tage später die Revolution dir Folge sein würde. Es mag sein, daß bei einem Kriege Frankreichs und Rußlands gegen England der Sieg schließlich bei den verbündeten Staaten sein würde, aber zuvor würde der Kampf ein «gi^nc-r 3. blniro gewesen sein, d. h-, auch die verbündeten Mächte würden ihre Kräfte bis zum letzten Bluts tropfen verbraucht haben. Daß man sich unter Umständen auch von einem siegreichen Kriege schwer erholen kann, hat Ruß land nach dem Kriege gegen die Türkei 1876 bewiesen. Und England ist denn doch noch rin ganz anderer Gegner als die Türkei. Es würde also auch nach einem siegreichen Kriege gegen England für Frankreich und Rußland nicht eben gerathen sein, alsbald über Deutschland herzufallen. Und wenn sie nach einer Reihe von Jahren so weit wären, um mit Deutschland anbinden zu können, so würde sich inzwischen auch wieder England erholt haben und versuchen, zurück zu erlangen, was es in dem un glücklichen Kriege verloren hatte. Man darf sagen, daß Deutschland auf ein einmal besiegtes England viel zuverlässiger würde rechnen können, alses jetzt aus England würde rechnen dürfen. So liegt es .gleicherweise im Interesse Deutschlands, wie im Interesse des Weltfriedens, daß das deutsch-englische Ab kommen eng umgrenzt ist. Ist dies, wie wir zuversichtlich an nehmen, der Fall, so braucht man kaum zu besorgen, daß eine baldige Störung des Friedens zu erwarten sei. Die JuspectionsreiseLockroy's imMItelmeer. Für die schon längere Zeit geplante Rundreise des fran zösischen Marineministers Lockroy über Toulon, verschiedene korsische Häfen, Bizerta und Rachgoun sind jetzt die genauen Zeitangaben im „Moniteur de la Flotte" veröffentlicht. Man hofft von dieser Reise den Beginn einer größeren Thätigkeit in der Herstellung von festen Stützpunkten für die französische Seemacht im westlichen Mittelmeer. Der Marineminister wird vom Inspekteur der Küstenvertheidigung, dem General Delambre, den Chef des Cabinets des Kriegsministeriums, General Brunet, dem Admiral Maröchal, zwei höheren Stabsofficieren der Marine und Adjutanten aus der Reise begleitet sein. Zunächst wird Mr. Lockroy in Toulon verweilen und sich dann an Bord des Panzerkreuzers „Pathuau" begeben, dem der schnelle, geschützte Kreuzer 3. Elaste „Galiöe" als Begleitschiff beigegeben ist. Am 7. werden die Schiffe in Saint Florent auf Corsica ankommen, von wo sich der Minister über Land nach Bastia und am 8. nach Ajaccio begiebt. Am 10. Morgens soll die Fahrt nach dem süd lichen Hafen der Insel, nach Bonifacio, fortgesetzt werden, woselbst die Ankunft gegen 11 Uhr Vormittags erfolgen soll. Am Abend desselben Tages werden di« Kreuzer dann nach der afrikanischen Küste, nach Bizerta, dampfen, woselbst der Minister bis zum 12. Nachmittags bleiben wird. Dann geht die Reise weiter über See nach Westen längs der algerischen Küste bis Algier und von dort am 16. Abends nach Rachgoun, nach dessen eingehender Besichtigung die Rückreise nach Toulon und die Ankunft daselbst am 19. Oktober erfolgen wird. Der „Eclair" widmet der Reise einen langen Artikel, in dem es u. A. heißt: Herr Lockroy läßt es sich angelegen sein, alle Eventualitäten eines S e e kr i e g e s ins Auge zu fassen, und verfolgt daher eine mächtige, manchmal angreifende Defensive im Norden, eine energische Offensive im Mittelmeere, die Organisation des Handelskrieges, die Vertheisigung der Colonien durch die Schaffung von Stützpunkten für die Kriegsmarine. Im westlichen Becken des Mittelmeeres, das für Frankreich um so wichtiger ist, als die Einbuße der Supre matie daselbst den Verlust der algerischen und tunesischen Besitzungen nach sich ziehen müßte, besitzt die französische Marine nur Toulon als Stütz- und Ver« proviantirungspunct. Toulon ist aber weit von der algerischen und von der italienischen Küste entfernt. Heute müssen die Geschwader bei einer militairischcn Operation entweder nach dem Hafen zurückkehren oder nachtsüber auf hoher See bleiben können, um den möglichen Angriffen der Torpedoboote aus dem Wege zu gehen. Wenn ein französisches Geschwader von Toulon aus eine Operation an der italienischen Küste unternähme, so könnte es, falls es nicht mit sehr großer Geschwindigkeit führe, in Gefahr kommen. Toulon ist allerdings sehr stark befestigt; allein auch hier giebt es eine Reihe von Schwierigkeiten, die sich aus der Verquickung der Batterien des Land- und des Seeheeres ergeben. Und dabei sind die Mannschaften für die Bedienung der Geschütze völlig unzureichend. Herr Lockroy wird daher alle Hättde voll zu thun haben, um in dem Gerümpel alter Vor schriften und Decrete gründlich aufzuräumen. Frankreich hat im Westen des Mittelmeeres zwei große Gegner vor sich: England in Gibraltar und Malta, Italien in Spezia und Maddalena. Um das Letztere auf zuwiegen, müßte Frankreich auf Corsica einen Stützpunkt haben, der sich nicht leicht bestimmen läßt, da Porto-Vecchio, der See von Bastia, dessen sich bereits die Römer bedienten, Bonifacio und Ajaccio in Frage kommen. Bonifacio könnte allenfalls als Sammelpunkt für Kreuzer, nie aber als großer Kriegshafen dienen, und die Rhede von Ajaccio ist zu weit offen und zu tief, als daß sie vollständig geschlossen und wirksam vertheidigt werden könnte. Corsica ist aber einer der wichtigsten strategischen Puncte des Mittelmeeres, da ein feindliches Geschwader sich nur einiger Puncte der Küste, beispielsweise Bonifacios, das leicht von hinten genommen werden könnte, zu bemächtigen brauchte, um die Ver bindung zwischen Frankreich und Algerien zu unterbrechen. Wenn Corsica als Gegengewicht für Maddalena befestigt werden muß, so U* andererseits Malta in Schach zu halten, und die Vertheidi- gung der Küsten von Algerien und Tunesien zu sichern. Des halb muß Bizerta stark befestigt werden, da von dessen Besitz derjenige Algeriens und Tunesiens abhängt. Die Vertheidigung des westlichen Beckens des Mittelmeeres erheischt überdies die Anlegung eines strategischen Punctes zur Ueberwachung Gibraltars. Es handelt sich da um ein Arsenal, einen Hafen oder Torpedoposten, der in Moers-el-Kebir oder in Raschgun zu schaffen wäre. Der Marineminister wird überdies die Frage zu prüfen haben, ob nicht auch im östlichen Becken, beispielsweise in Djerba, ein Stützpunkt geschaffen werden sollte. Die algerischen Häfen selbst liegen zu nahe am Strande und sind durchweg zu offen, als daß sie den Angriffen eines feindlichen Ge schwaders Stand halten könnten. Herr Lockroy wird also, wie man sieht, reichlich zu thun haben, wenn er all die wichtigen Fragen, die seine Reise nach dem Mittelmeer aufwirft, zur Entscheidung bringen will. Deutsches Reich. /S. Berlin, 7. October. (Martyrium gißen Baar- zablung.) In eigenartiger Beleuchtung erscheint nach der Mittwochsverbandlung des socialdemvkratischen Partei tages der bekannte Bergmann Schröder, der im Essener MeineidSproceß die Hauptrolle spielte: er hat zu erkennen gegeben, daß die socialdemokratische Partei ihm das Martyrium nickt ausreichend bezahlt habe. Von den für die Essener Verurtheilten gesammelten 57 949 .6 sind nämlich bisher nur 19 424 verausgabt worden. Uebcr die Verwendung des sehr beträchtlichen Nestes von 36 525 „L berichtete „Genosse" Gerisch bei der Erstattung des Eassenberichts nach dem „Vorwärts" wie folgt: „Wir haben mit den west fälischen Genosse», die den Fonds verwalten, in voller Lininüthigkeit beschlossen, daß außer den Unterstützungs geldern jedem der Verurtheilten, der das Zucht haus verläßt, eine Extra-Unterstützung von 500 bis 600 gewahrt werde, damit sie ihre Gesundheit wieder herstellen können. ES soll dann jeder, je nach den be sonderen Verhältnissen, bis zu 3000 erhallen, um sich eine neue Existenz gründen zu können. Wird in dieser Weise verfahren, so dürften unter Berücksichtigung weiterer kleinerer Ausgaben, die sich heute noch nicht vorauSseheu lassen, von den gesammelten Geldern zwischen 15- uuv 20 000 übrig bleiben. Dieser Fond- soll die Zukunsl der Verurtheilten sichern, denn eS würbe doch keinen besonders guten Eindruck machen, wenn man nach einigen Jahren hörte, daß sich dieser oder jener ter Verurtheilten wieder in ungünstiger Lage befindet; auS diesem Grunde soll daS Geld in dieser Form als Rückhalt dienen, insbesondere, da wir heute noch nicht sagen können, welche Folgen der ZuchthauSaufent- halt für den Einzelnen gehabt hat. Des Weiteren soll das Geld noch als Fonds dienen für andere unschuldig und hart Verurtheilte." — „Genosse" Schröder hat gegen dieses Verfahren protestirl und eine Vertheiiung Les Geldes gefordert, die — so erklärte „Genosse" Gerisch — „so ziem- jich der Auftbeilung gleickkommc." Den Brief, den Schröder in der Angelegenheit behufs Mittheilung an den Parteitag dem Parteivorstande geschrieben, verlas „Genosse" Gerisch „aus gewissen Gründen" nicht; offenbar bestehen die „ge wissen Gründe" in dem compromiltirenden Eharakter des Briefes. Aber da man weiß, daß Schröder die Ausheilung der Sammlung verlangt, braucht man betreffs des weiteren Inhaltes des Briefes nicht neugierig zu sein. Man vergegenwärtige sich nur Folgendes: Schröder erhält 500—600-4 zur „Wiederher stellung seiner Gesundheit", bis zu 3000^k zur Gründung einer Existenz, endlich die Aussicht auf weitere Unterstützung, wenn er nickt vorwärts kommt. Doch das Alles genügt ihm nicht, er schätzt sein Martyrium höher ein und verlangt die A,n- theilung! Selbstlos und menschenfreundlich erscheint neben Schröder der socialdemokratische Parteivorstand. „Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!" In Wahrheit ist das Versahren des Parteivorstandes vom Parteiinteress bestimmt. Wenn etwa die jetzt so reichlich gespickten Essener Verurtheilten, die man als kapitalkräftige socialdemokratische Agitatoren kennt, binnen Kurzem ihren Anthcil verpulvert haben, so würde da- „keinen besonders guten Eindruck machen". Darum muß ihnen ein Reservefonds erhalten bleiben. Und wie hübsch kann man mittels der goldenen Kette die Ab hängigen zu gefügigen Werkzeugen machen! Ja, eS sind seine, erleuchtete, politische Köpfe, die Spiegelberge im socialdemo kratischen Parteivorstande. x Berlin, 6. October. (Kriegervereine und Fortschritt.) Nachdem man kurz nach den Wahlen eine Reihe von Fällen hatte constatiren müssen, in denen Krieger vereinen nahegelegt worden war, sich nicht nur social demokratischer, sondern auch fortschrittlicher Mitglieder zu ent ledigen, war eine Zeit lang rin Stillstand in Versuchen diese: Art eingetreten. Jetzt aber mehren sich wieder die Fälle, in denen auch Fortschrittler aus Kriegervereinen entfernt werden sollen. So hatte ein Landrath in der Provinz Sachsen den Vorstand eines Kriegeroereins aufgesorvert, nachzuspüren, ob Mitglieder fortschrittlicher Gesinnung „verdächtig" seien. In einem anderen Vereine ist gar der Vorsitzende eines Krieger verems aufgefordert worden, sein Amt niederzulegen, wenn er nicht die Ausgabestelle eines fortschrittlichen Blattes aufgebe. In der sehr beachtenswerthen Rede, die der wieder in den Reichstag gewählte Professor Hänel in Kiel am Abend des Frirrlletoir» Neber -en wissenschaftlichen Zweck und die praktische Bedeutung biologischer Lüßwasserstatiouen. Von vr. Otto Zacharias (Plön). Nachdruck verbot«. Als ich im Jahre 1889 die Begründung einer biologischen Station am Großen Plöner See ernstlich in Angriff nahm, da war bereits durch eine lange Reche von Untersuchungen, die ich an den verschiedensten Gewässern Nord- und Mitteldeutsch lands angestellt hatte, der Beweis geliefert worden, daß die OrganiSmenwelt unserer einheimischen Süßwassevbecken reich und mannigfaltig genug sei, um die eingehende Beschäftigung mit ihr lohnend erscheinen zu lassen. Ich hatte in dem Zeitabschnitt von 1883 bis 1889 zahlreiche Seen und Teiche aufgesucht, um in kursorischer Weise deren Fauna und Flora festzustellen. Hierbei wurde ich aber alsbald gewahr, daß e- in oielen Fällen darauf ankomme, frisches Material an Ort und Stell« zu besichtigen, weil die naturgetreue Conservirung zarter Objecte durchaus nicht immer gelingt. In diesem Falle wird dann die nachfolgende Bestimmungsarbeit sehr erschwert oder überhaupt illusorisch gemacht. Dazu kommt noch der fast völlige Mangel an Fachliteratur auf derartigen Forschungsreisen und di« gänzlich ausgeschlossene Möglichkeit, rin bestimmte» Object längere Zeit hindurch zu cultiviren, ussi e» in seinen aufeinanderfolgenden Leben-Phasen kennen zu lernen. DaS Alle» wird auf Exkursionen schmerzlich empfunden uno der nomadistrend« Naturforscher kommt allgemach zu der Einsicht, daß die wissenschaftliche Ausbeute solcher Touren in gar keineni Derhäktniß zu den auSgrstandencn Unbequemlichkeiten und der aufgewandten Zeit steht. Ich hab« damals nicht selten in ländlichen Schusstuben, bäuerlichen Kathen, Fischerhlltten und Chauffeehäusern Unterkunft suchen müssen, um nur wenigstens mein Mikroskop benutzen zu können und die nothwendigsten Beobachtungen zu machen. Derartige Erlebnisse brachten mich in der Folge auf den Gedanken, an irgend einem unserer größeren Binnenseen eine Dauerstation zu errichten, welche nicht blos die zu wissenschaft lichen Untersuchungen erforderlichen Räumlichkeiten und Instru mente darböte, sondern womöglich auch inmitten eines größeren Seengebirtes situirt wäre, um hierdurch Gelegenheit zu ver gleichenden Untersuchungen an anderen Wasserbecken zu geben. Der Große Plöner See entsprach diesem Plane offenbar am besten und so wurde er ohne langes Zaudern als Arbeitsfeld für die projectirte SUßwasterstation auserkoren. Die For schungen begannen im Herbst des Jahres 1891. Ueber die bisher erzielten Resultate liegen sechs umfangreiche Berichte vor, oie im Druck erschienen und somit für Jedermann zugänglich sind. Der namhafte schweizerische Seensorscher Prof. F. A. Forel hat von diesen Publicationen gesagt, daß sie „eine reiche Fund grube von neuen Thatsachen" seien. Mit dieser Beurtheilung können wir, d. h. meine Mitarbeiter und ich, vollständig zu frieden sein. Unsere Forschungen haben sich hauptsächlich auch auf jene bunt« Gesellschaft von mikroskopischen Organismen erstreckt, welche man in ihrer Gesammtheit als das Plancton be zeichnet. WaS für den Astronomen die Milchstraße mit ihren zahlrsichenStrrnenhaufen undNe-elflecken, das ist für den Hydro biologen jenes wunderbare Gemisch von kleinen und kleinsten Lebewesen, welches jahraus jahrein in wechselnder Menge unsere Landseen erfüllt, ohne daß man es bis auf die neueste Zeit eines gründlichen Studiums für werth erachtet hätte. Hierzu haben erst Professor Hensen's biologische Meeres untersuchungen den Anstoß gegeben, deren Methoden und Ge sichtspunkt« al-bald auf die Verhältnisse des Süßwassers über tragen wurden. Wie die weiten Gefilde des Oceans, so be herbergen überraschenderweise auch unsere Binnenseen und künst- kich aufgestauten Fischteiche eine beständig schwebende Welt voi^ winzigen Thieren und Pflanzen, deren einzelne Individuen oder Kolonien sich namentlich in den obersten Wasserschichten zusammenschaaren, weil dort di« Lichteinwirkung am intensivsten ist. Je nach den verschiedenen Lokalitäten, an denen wir Planctonuntersuchungen vornehmen, sind es bald mehr, bald weniger Arten von animalischen und vegetabilischen Wesen, die sich freischwebend im Wasser vorfinden und sich annähernd gleich- förmig durch dasselbe verthrilen. Nach meinen und vr. S. Strodtmann's Forschungen in den Seen Holsteins, Mecklenburgs, Pommerns und Westpreußens setzt sich deren Plancton aus etwa 80 Species von Pflanzen und Thieren zu sammen, womit aber nicht gesagt sein soll, daß jeder einzelne See, den man zu einer beliebigen Jahreszeit aufsucht und ab fischt, diese ganze Mannigfaltigkeit von Lebensformen darbietcn müsse. Vielmehr verhält sich die Sache so, daß gewisse Algen-, Infusorien- ,Räderthier- oder Krebsspecies in dem einen Wasser becken vorherrschen, während ein anderes die gleichen Organismen in geringerer Anzahl producirt, dagegen aber reich ist an planctonischen Arten, die wir in den Nachbarseen nur ganz spärlich und selten antreffen. Es muß ferner hervorgehobcn werden, daß von jenen 80 Species manche nur am Ausgange des Winters erscheinen, um bald wieder zu verschwinden, uno daß einige in ihrem Vorkommen auf das Frühjahr und die ersten Sommermonate beschränkt sind, wo alle diejenigen noch fehlen, welch« zu ihrem Gedeihen daS Maximum der jährlichen Wasser temperatur nöthig haben. Im Allgemeinen läßt sich zwar ein Winter- und Sommerplancton unterscheiden, aber genauere Untersuchungen haben zur Aufstellung von noch zwei engeren Kategorien geführt, die für den Herbst und das Frühjahr charak teristisch sind. Im October und November z. B. herrschen in d«n großen Landsern Norddeutschlands die Spaltfuß krebse (Copepoden) in einem solchen Maße vor, daß sie bei nahe reines Crustaceen-Plancton bilden. Dagegen wuchern in der Zeit von März bis Mai di« Kieselalgen (Diatomeen) so üppig, daß ihnen die Alleinherrschaft im Plancton zukommt. Das sind Verhältnisse, von denen man in erster Linie Kenntlich nehmen muß, wenn man tieferen Einblick in den Naturhaushall jener großen Wasserbecken nehm«» will, die auf der Strecke von Plön bis Königsberg sich in kurzen Abständen aneinander reihen. Unumgänglich ist ab«r auch die Erwerbung einer Vorstellung von den quantitativen Verhältniss«» des Plancton-. Wenn wir in Betracht ziehen, daß in jedem Cubikmeter Wasser eines Sees viele Tausende (zu manchen Zeiten sogar Millionen) von winzigen Organismen enthalten sind, so ergiebt schon sie oberflächlichste Uekxrlegung, daß das Gesammtvolumen des in einer größeren Wassermasse schwebenden Plancton» ein außer ordentlich bedeutender sein muß. E» ist darum auch von wissen- scl^aftlichem Interesse, sich einen Begriff von dem Plancton- Quantum zu machen, welches in einem Cubikmeter Teich- oder Seewasser vorhanden sein kann. Ich habe vor einigen Jahren eine derartige Ermittelung in der Nähe von Bao Warmbrunr: (Schlesien) angestellt. Der vor der dortigen Brauerei gelegene Gondelteich bot dazu eine vorzügliche Gelegenheit, weil derselbe ein regelmäßiges Viereck bildet, welches durchweg von ganz gleicher Tief« (0,6 Meter) ist. Bei einer Breite von 68 Metern besitzt er eine Länge von 84 Metern, woraus sich für denselben ein Wasservolumen von 2866 Cubikmetern ergiebt. Hier machte ich nun mit einem kleinen Netze, an dessen unterem Ende ein Filtrator angebracht war, mehrere Vertikalfänge, d. h. ich ließ das Netz vorsichtig auf den Teichgrund hinab und zog es dann senkrecht wieder herauf. Das Ergebniß jedes einzelnen Fanges wurde abgetödtet und mit Wasser vermischt in ein kleines Meßglas (eine sogenannte Mensur) gebracht. Als Mittelwert!, aus mehreren Netzzügen ergab sich für eine Wassersäule von 0,6 Meter Höhe und vom Querschnitt der Netzöffnung (--- Quadratmeter) 'der Betrag von >,« Eubitcentimeicr Plancton. Ein Cubikmeter enthielt also 39,2 Cübikcentimeler und der ganze Teich 111934 Cubikcrntimeter Plancton. Nun wiegt, wie ich festgestellt habe, aber hier nicht des Näheren aus einandersetzen kann, ein unter Wasser sich absetzender Cubik- centimeter Plancton 344 Milligramm. Unter Berücksichtigung diese« Betrages ließ sich der Gcsammtgehalt des Warmbrunnrr Gondelteiches an Plancton (pro Juli 1896) zu 76,5 Pfund oder rund zu Z Centnern -berechnen. Auf mathematische Genauigkeit macht natürlich diese An gabe keinen Anspruch. Aber sie verhilft uns doch zu einer an nähernden Vorstellung von der in einem kleinen Gewässer vor handenen Planctonquantität. Im Plöner See, dessen Areal etwa 30 Quadratkilometer groß ist, haben wir zur Zeit der üppigsten Production einen Gesammt-Planctongrhalt, der sich auf Taufens- von Centnern beläuft, so daß derselbe zweifellos ein größeres Gewicht hat, als die ganze mit ihm zugleich im See enthaltene Fischfauna. Man kann e» übrigens einem Gewässer schon äußerlich ansehen, vb e» viel thierisches und pflanzliches Kleinleben in seinem Schooße beherbergt. Ist namentlich letzteres der Fall, so hat die Färbung drs Wassers stet» einen Stich inS Gelbliche oder Grünliche. Einen Begriff davon, in welchem Maße das Plancton die Durchsichtigkeit des Wassers zu verringern im Stande ist, erhält man aus Beobachtungen, die ich speciell über diesen Punct am Großen Plöner See angestrllt hab«. Ich
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