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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188102041
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe beschädigt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-02
- Tag1881-02-04
- Monat1881-02
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.02.1881
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Erscheint täglich stich 6'/, Uhr. Nt-artion und Lr-rdM»u Johanue-gasje 33. LpreMundru -er Nedactisu: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittag- 4—6 Uhr. Für dl! -r!!Sj,»d! n«^kiandtkr Manulcrirtk «c-I sich t>! Äitacno» nichi ,-rdmrlich. «»»ahme der für die »,Schfts«l,ea»e Nummer bestimmten Inserate a« Wochentage» di- 3 Uhr Nachmitt«-«. «» Lonu- unb-esttagr» früh bis'i,»U«r. 2n den Filialen tur Ins.-Jnoahme: ktto Klemm, UniversilätSstrahe 22, Louis Lösche, Äatharinenstraße 18, p. nur bi« ' ,8 Nhr. EMr.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Auflage I«,»««. Ldonuemeul-preis vicrtelj. 4'/, Ml., incl. Briugerloha 5 Mk.. durch die Post bezog« 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belrgereinplar 10 Ps. Gebühren für Extrabeilagen «hur Postbesörderung 39 Ml. «it Postbesörderung 48 Ml. Inserate sgespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Lrrlamen unter den Nedactionsgrich die Spalizeilc 40 Pf. Inserate sind siet« an die vrPebitto« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung l>r»ell»mt-rnn,lo oder durch Post- Vorschuß. N 35. Freitag den 4. Februar 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachuna, di« Anmeldung schulpflichtiger Kinder betreffend. Nach tz. 4 des (Gesetzes vom 26 April 1873 hat jedes Kind die Volksschule seines Aufenthaltsortes acht Jahre lang, vom vollendeten sechsten btS zum vollendete« vier zehnten Lebensjahre ununterbrochen zu besuchen. Es sind daher diejenigen Kinder, welche bi» zu« 1. April d. I. daS sechste Lebensjahr vollenden, zu Oftern dlksco Jahre- der Schule zuzufüstren und vom rr. bis s. Februar d. I. Vormittag« 10 bis 12 Uhr und Nachmittags 2 bi- 4 Ubr bei dem Direktor der Bürger- oder Bezirksschule, welche die Kinder besuchen solle», anzuinclden. Dabei ist für jede- an- zumclkenkc Kind ein Taus- oder Gcburtszcugniß. sowie ein Impfschein und von Seilen der keiner RellgivnSgesellschast angehörcnken Dissidenten eine schriftliche Erklärung darüber vorzulegen, in welcher ReligionSlekre die Kinder unterrichtet werden sollen. Der für sein Kind die Befreiung vom Besuche einer städtischen Volksschule in Anspruch nehmen und dasselbe einer höheren UnterrickkSanstall, einer concessionirtcn Privatschule überweisen oder von einem geprüften Privatlehrer unterrichten lasten will, hat solche- dem Schul-Ausschüsse anzuzeigen. Sollen gebrechliche, kränkliche oder geistig unreife Kinder dom Besuche der Schule über das gesetzliche Eintritt-alter hinaus zurückacballeu werden, so ist die Genehmigung dazu bei dem Schul-AuSschusse unter Beibringung ärztlichen Zeug- niste- schriftlich nachzusuchen. Der kiesen Vorschriften zuwidcrhandelt, hat sich der ge setzlichen Maßnahmen zu gewärtigen. Leipzig, am 26. Januar 1851. Der Lchul-AaSschu- der Stadt Leipzig. I)r. Panitz. Lednert. Bekanntmachung TienStag, den 8. diese- Monats BormittaaS O Uhr sollen aus der Linvenauer Ehaussee circa 30 starke Pappel-Reißig- Haufen a» den Meistbietenden gegen sofortige Zahlung u>cd Abfuhr öffentlich versteigert werden. Zusammenkunft an der ehemalig« Ziegelscheune. Leipzig, den 3. Februar >88l. DeS -ikattz« GtvaOenban Depntatto». Hokauction. »a. Ae» M-ntag, de» Ich. Februar d. I sollen im Forst reviere Connewitz von Bonnittag» 9 Uhr an m Ab theilung 19 ä ca. 72 Abraumhaufen unter den im Termine bekannt zu machend« Bedingungen und gegen die übliche Anzahlung an den Meistbietenden ver kauft werden. Zusammenkunft: Aus den, Kahlschlag« am sogenannt« Stempel, am neuen Fillerbecken hinter dem Streilteiche bei Connewitz. Leipzig, am 26. Januar 188t. De» NathS Forst-Deputation. Bekanntmachung. Nach den Messung« deS Herrn Geh. Rath Professor I>r. Kolbe schwankte die Leuchtkraft de- städtischen Leuchtgase» im Monat Januar d. Jahre- zwischen dem l4- und lstfach« der Leuchtkraft der Normalwachskerze. Da- spccifische Gewicht betrug gegen 0.453. Leipzig, den 3. Februar 1851. DeS StathS Deputation zur Gasanstalt. Nichtamtlicher Theil. Leipzig, 4. Februar. Am DienStag Abend fand beim Fürsten BiSmarck ein Empfang statt, bei welchem e», wie früher häufig bei der selben Gelegenheit, zu manchen interessanten politischen Aus einandersetzungen kam. Einladungen waren ergangen an die Mitglieder de» BundcSrathS, de» Landtag-, des BotkSwirth- schasiSrathS. Der folgende Bericht giebt die Hauptmomente der Unterhaltung wieder. Der Schauplatz war ein Tisch mit fünf Stühlen darum, davor ein enger Gang, der durch eine lange Tafel begrenz! wurde. Hinter den vier Glücklichen, denen e- beschieden war, sitzend di« nach- folgend« Gespräche mit anzuhören, konnte sich noch eine kleine Zahl stehend placiren und hinter dies« nahmen dann noch einige an der Zuhörerschaft Theil. welch« ihre Fußzehen und ihre Halswirbel zu ungewöhnlichen Anstrengungen heranzieh« konnten. Alle historischen Anfänge bergen sich in Dunkel, und so Hab« wir denn auch nicht ermitteln können, wie da« Gespräch in die politische Bahn hinübergelcnkt wurde: zu den ersten Frag«, welche «»klangen, gehört« die Colonisation-projecie de- Her« Fabr,. Der Reich-kanzler lehnte dieselben entschieden ab und de- tonte, daß in Betreff derselben keine Fühlung mit ihm gesucht worden sei. Tann wurde da» vcrwendungsgesetz berührt: der Fürst sprach davon mit Liebe, aber ohne Eifer. Es würde ihm lieb und interessant sein, so sagte er, die Meinung de- Landtage- darüber kennen zu lernen. Ein lebhafterer Zug kam in da- Gespräch, al- jetzt ein Mitglied de- Bolkswirihschast-rath- mit einer gewmen phpsinben Energie ein« Platz hinter einem der vier Stühle sich erkämpfte, sich zum Fürsten hinüberneigte und zunächst seine Entschuldigungen darüber aussprach, daß er so spät komme. Diesem Herrn nun gelang es, in rascher Reihenfolge dem Fürsten vier Wünsch« vorzutragca und auf jeden derielbrn einen schnellen Bescheid zu extrahiren. Zunächst wünschie er, daß den Mitgliedern de» BolkswirthschastS. raih- freie Fahrt aus de» Siaai-bahuen gewährt wird. Lächelnd sagte der Fürst wohlwollende Erwägung zu. Dann wünschte er eine Aenderung de» jetzigen Packeiporto-, von welchem er b«. haupteie, daß e- den Import fremder Maaren begünstige. Damit traf er eine sehr sympathische Seite; der Reich-kanzler forderte ihn aus, ihm diesen Wunsch noch einmal zu wiederholen, ihm denselben auf einen Zettel zu schreiben. Er interefsire sich für diese- Anliegen sehr, er wolle et in die allerernsteste Er Wägung nehmen. Er möchte sich ein«» Kerb schneidrn. um e- nichi zu vergessen. Etwa« zurückhaltender wurde der dritte Wunsch ausgenommen: „Durchlaucht, könnt« nicht da- Hausirgewerbe ein Bischen beschränkt werden? Ls genirt die ansässigen Kausleun." Die Antwort war, der Volk-wirthschast-rath möge deswegen ein« Antrag stellen: derselbe sei nicht ans die ihm vorgelegte Tage«, oednung beschränkt, sondern könne an- eigener Initiative vor- gehen. Und nun der vierte Wunsch, hastig hervorgrstoßeo: „Dnrch- taucht, könnte die Vährnng-srage nicht erledigt werde»?" und der Fragesteller blieb ein« Augenblick mit geneigtem Kops und gespannten Zügen stehen, al- erwartete er etwa die Am- wort: „Ganz gewiß, Ew. Wohlaeboren; wir werden morgen die Goldwährung abschaffm." Zum Unglück hatte er aber nicht ganz deutlich gesprochen und Fürst Bismarck fragte zurück: „Welche Frage? Die Weh? Weht-uf?" „Die Währung-srage, Durchlaucht, ich Hab« nämltch einen Freund in Hamburg, der Hai Beziehungen nach Mexiko —" ,La, wie gesagt, jeder Staaitbürger hat da- Petition-, recht und Niemand verliert e- dadurch, daß er in den Volk-wirth- schaft-raih berufen wird. Im Gegeniheil, die Petition«, die Jemand mit Betonung seine- Charakters als Mitglied de- Bolk-wirihfchasiS- raih« einreichi, werden mii besonderer Sorgfalt geprüft werden, denn eS handelt sich da um Männer, die im praktischen Leben steh« und durch dir Dahl ihrer Mitbürger siliriri sind." Nachdem nun »och mehrere Mitglieder de- BolkSwirth- schaftsraihs in den Krei- getreten warm, ging der Fürst aus eine Erörterung der Absichten über, die ihn bei Bildung dieser Bc> Hörde geleitet. „Sir ged« jetzt mit der Sonde tieser al» früher, aber e- genügt noch nicht, wir müssen ganz bi- aus den Grund gehen." Er betonte, daß er von der neuen Einrichtung eine sachliche Prüfung erwarte, während in den parlamentarischen Körperschaften die politischen Leidenschaften den Blick trüben. Dabei erwähnte er al- eines höchst auffälligen Umstande- der Tholiache, daß unter allen für den BolkswirthschaftSrath vorgmommcncn Wahlen nur zwei aus Katholiken gelallen seien. Man mache der Regierung daraus einen Borwurs: sie habe doch den Ausgang der Wahl« nicht verschuldet. Ihm sei die Tbatlache eine ganz belonder- auffällige gewesen und er habe sich bemüht, die Zahl der Katholiken dadurch zu vermehren, daß er bei dm durch persönliche Ernennung zu berufenden Mitglie dern daraus Rücksicht genommen. Nach einiger Zeit oesand sich da- Gespräch aus einem anderen Gebiete. Die Gemeinden seien überbürdet; es sei ein Mißbrauch, ein sehr tadelnswerther Mißbrauch, den Gemeinden die Armenlast, die Schullast, die Polizeilast aufzubürden. Die Gemeinden seien Organe de- Staate-, er könne ihre Tbiligkeii in Anspruch nehmen, aber müsse die Kosten tragen. Der Staat habe ein Interesse daran, daß die Leute Etwa- lernen, der Gemeinde sei es gleichgültig. Wie kommen sie dazu, zumal wenn eS ein« arme Gemeinde ist, dafür bezahlen zu müssen? Die Abwälzung der Arnienlast aus die Ge- meinden sei eine willkürliche Borschritt. Die Stadt Berlin trage mil vollen, Unrecht die Kosten der staatlichen Polizeiverwalkung für eine Million Menschen. Wenn ans diesem Wege die Gemeinden entlastet würden, werde da- Berwendungsgcsetz gleichgültiger. Er spreche über solche Fragen sehr gern seine Ansichten im engeren Kreise au-, aber er sei zu schüchtern, damit an die Ocffenl- lichkeit zu treten. Er habe ja im Parlament nicht immer nur mit sachliche» Erwäg»,,pn z, kämpfen, sondern auch mit Flegeleien: er sei zu alt »nd diare de« Könige zu lange, um sich mit Kjops- sechtepu heBunzuschlagen. garstck zum Hanptthema. Man steh« an de« Anfänge einer Gesetzgebung, die vielleicht eineu zehnjährigen Zeitraum au-füllen könne. Er Hab« sich beschieden, sehr langsam und vorsichtig vorzu- geh« und habe sich in manche Abänderungen gefügt, die seine ur- Ivrünglichen Anregung« erfahren hätten. Aber man stehe doch erst im Anfang. Mit der Erfüllung des Beriprechen-, durch positive Maßregeln die Socialdemokratie zu bekämpfen, müsse Ernst gemacht werben. DaS Versicherungswesen müsse weiter ausgedehnt werden al- nur aus Unfälle. Er hege die Ueberzengung, daß der Staat die Ausgabe habe, kräftig für diejenigen cinzuireie», die ohne Mitwirkung de- Staate- enterbt sein würden. Warum solle der Gedanke emer Alter-Versicherung nichi durchzuftihren sein? Wenn jeder zur Arbeit untüchtig Gewordene mit einem Rcntenbrief über 100 oder 200 .» sich zurückziehen könne, so würden Tochter und Schwiegertochter chm keine Schwierigkeit« machen, ihn auszu nehmen. Die Söhne freilich ihun e- nie. Tr sei jetzt Handel-minister; allein er sei in da« Handels- Ministerium getreten, wie Odyffeu- unter di« Kreier. Seine Aus. gäbe sei hier lediglich, für da- Reich zu erobern. Dazu sei er als Reich-kanzler verpflichtet: ihm liege auch die Pflicht ob. den Eintritt der Hansestädte in den Zollverein zu betreiben. Wenn er diese Pflicht vernachlässige, würde er ein höchst tadelnswerther Reichs- kanzler sein. <D«r Ausdruck, den er hier brauchte, war sehr viel stacker.) Der Brief, den mau durch eine Indiskretion verössentlichr (der von Wolfson undvirchow mitgeiheilie Brief), habe ihn gar nicht in Verlegenheit gesetzt; denn aus demselben gehe nur hervor, daß er seine Schuldigkeil gethan. Der Fürst erzählte hier eine Anekdote von einem Staatsmann, der, al- er hörte, eS sei ein Brief »an ihn, «n den Preis von 30 Thalern verrathen, erwiderte, er würde für einen Thaler dreißig solche Briese geschrieben haben. Zum Schluffe nahm ein Arbeiter da« Wort und prie- mit warmen Worten den heutig« Tag, wo der Arbeiter über di« In- iereff«, Pi« ihn bewegen, mit d«m Fürsten Bismarck direct verhalt- dein dürfe. Fürst BiSmarck stieß aus da- Gedeihen des Volk«. wirthschafitraihS an und mahnt« Arbeitgeber und Arbeiter, daran zu denken, daß sie Bürger eine« und deiselben Staate« seien und den Fremden gegenüber gleiche Znlereffen hätten. Offenbar, das ging ans vielen, im Einzelnen nicht zu fixirend« Umstände» hervor, ist daS jüngste Kind des Kanzlers, der Bolk-wirthschasi-rath, sein Lieblingskind. Fürst BiSmarck befand sich körperlich augenscheinlich sehr frisch. Sein Auge hatte einen Glanz, seine Züge eine Mild«, die man häufig entbehrt hatte. Gegen Mitternacht verabschiedete er sich ffon den letzt« Gästen au der Thür stehend mit kräftigem Händeschütteln. Dir knüpf« an dies« Bericht eine Specialcorrespon- denz, welche über diese „volkSwirtstschaftliche Soiröe" noch die folgenden interessanten Mittheilungen enthält: „AlS Zweck des gestrige» Empfange« hat der Reichskanzler selbst bezeichnet, die Mitglieder de- BolkSwirthschastSrathS mit den Landtagsabgeordneten in persönliche Berührung zu bringen. Soweit dabei die Zahl der Erschienenen in Betracht kommt, war dieser Zweck vollständig erreicht. Fürst Bis marck bewegte sich einen Tbeil de« AbrntS mit Aufmerksam keit durch die dichtgedrängten Reib« seiner Gaste, um alSdann wieder jene Eoronä zu bilden, die bei seinen Soirscn histo risch geworden ist. Bor Allem bestätigte er, daß die deutsch« Bundesregierungen sich aus seine Anfrage bereits mit einer Ausdeh nung des BolkSwirthschaflSratbS ans daS Reich einverstanden er klärt hätten. Die Einrichtung de» BolkSwirtbkchastSrath» für da» Reich wird dann aber doch unmöglich durch bloße kaiserliche Brrord- n»ng geschehen können, mindest«» ist die Zustimmung keS Biin- keSrathö von Röthen, die freilich selbstverftändlich ist, wenn die einzeln« Regierungen vorder bereit» ihre Einwilligung zu erkennen gegeben habe». Auch ven den Diäten für die de», Handwerker- und Arbeiterstande angehöriam Mitglieder sprach deb Reich-kanzler, indem er behauptete, daß er dafür berett» einen Fonds habe. Vielleicht nimmt sich der Rcich-tag der Frage „ach dem Ursprünge diese» Geld«- an. wenn erst einmal die Erweiterung vor sich gegangen ist. Schwieriger al» die Lösung dieser Frage dürste sich jene andere vom Fürste» BiS marck behandelte crtveisen, nach welcher die „eueren staatS- socialistischen Tbeorien in die gesetzgeberische Praxi» umgesctzt werken soll«. Der Reichskanzler will nicht» weniger als die schon verblaßten Theorien derfra»zösisch«soeialdemokratischenSchulm verwirklich«, die ausrunebm« selbst di« Lasialle, Bebel, Lieb knecht :c. Ansland nahm«, und verlangt, daß der allmächtige Wohlfahrtsstaat an die Stelle kommunaler Selbstverwaltung trete. Er soll die Kost« sür Armenpflege, Schulwesen und Polizei übemehin«; die focialistiscb« Gesetzgebung soll sür die Pensionirung sämmtlicher alter Staatsbürger mit 100 bi» 200 Mark fährlich sorgen Allerdings ist dieser Gedanke nicht neu. denn Herr Hessel. Mitglied de» VolkSwirtkschastSralbS. bat in der gestrige» Ausschußsihung wörtlich dasselbe gesagt. Ob aber daS deutsch« Volk aus Grundlage rineS solchen Pro gramm» ein« Reichstag wählen wird, der neben de» schon ngnalisirtcn Steuern die ungezählten Millionen für derartige Projectc zu bewilligen geneigt wäre, muß billig bezweifelt werden." Die verfassungsrechtlichen Bedenken, welche au» Einzei st aalen gegen die Zulässigkeit einer von Reich-weg« zu bildend« Arbcilerversicheruna erhoben worden sink, erhalten, wie man nnS niittbcilt, in der NeichSreqicrung nahe stehende» Kreisen ihre verdiente Würdigung. Man giebt z». daß die Reichüvcrsasiung nicht die Handhabe biete, um eine staatliche BersichcrungSanstalt in» Leben zu rufen, aber es wird ans der anderen Seite geleugnet, daß eS überhaupt in der Absicht deS Fürst« BiSmarck liege, der Souvcränctät der Einzclftaaten durch die Errichtung einer derartig« Behörde Abbruch zu thun. WaS der Entwurf in dieser Hinsicht be sage. sei noch ivcnig durchgearbeitet und könne Abänderungen nicht bloS vertrage», sondern fordere zu denselben geradezu heraus. Die sehr eS sich hier nur um die Ausstellung der ersten Umrisic bandele, gebe schon daran» bervor, daß für die provinzialen und communalen Verbände, welche die Lasten der Versicherung mittragen fallen, nur die entsprechenden preußischen Einrichtungen (Landarmenverbände) als Bei spiel herangezogeil seien, während bei der Mannichsalligkeit der Armenpflege in Deutschland auch die ähnlichen Einrich tungen in den Einzel staatei, nicht hätten Umgänge» werde» können. Darf man ferner« Andcutungcil solaen, so wird Fürst BiSmarck sich damit begnüge», wenn binftchllich seine» ArbeitcrvcrsichcnmgS-ProjrctS dieselben Grundsätze angeiiommen werde», unter den« der Wchrstcuerentwurf die Majorität im BundcSrath fand. Wie in dem letzteren Falle Mangels entsprechender eigener Organe deS Reich» die Beitreibung der Steuer und alle in Betracht kommenden Sondcrbestimmniigcn d« Einzelsiaatcn überwies« werden soll«, so dürste auch die ArbcilerversicherungSvorlage im BunteSrathe die Elansel erhallen, daß die Au-sührung ungeschmälert in die Hände der Parkiralarregierungen gelegt werde. ES ist diese- in Aus sicht aeücist« Entgegenkommen um so bedeutungsvoller, al» eS cmte^ Umständen di« Stellung der Parteien im Reichstage zu dem Entwurf ganz wesentlich verschieb« könnte. Soweit sich die wahre Stimmung de» CentrumS auS den taktisch« Erwägungen und momentan wechselnd« Rücksicht« herau«- schäl« läßt, herrsche in diesen Kreis« eine aufrichtige Sympathie mit der neuesten Socialpolitik de» Reichskanzlers, nur an der ccntralittreiidkn Tendenz der Vorlage nein»« sie Anstoß. Aus der anderen Seite kann man bei de» Liberalen die Erwägung hören, eS müßte zu dem vielen unleugbaren Gut«, welche» daS ArbeiterversichcrunqS-Projcct «Ilialle, auch manches weniger Gute mit in den Kauf genommen werden, wenn dadurch eine wirksame Erweiterung der ReichSerecntive er zielt werden kann. Wie diese letztere Ansicht durch die signalisirte Nachgiebigkeit de» Fürsten BiSmarck gegen die Bedenken der Ein zel staaten leicht in ihr Gegentheil Umschlag« kann, so wird öS um gekehrt Her« Windthorst und seinen Freunde» leichter gemacht, die Vorlage anzunebm«. Ohnehin hat eS der Reichskanzler in der Hand, gleichsam mit Vermeidung jede» AusschenS die Aciidcrung«, welche ihm gut dünken, m die Vorlage nach träglich hlneinzubrinqen; bietet sich doch hierzu der VolkS- wirthschastsrath, der zur „Instruirung" der preußischen Stimmen in, BundcSrath dien« soll, als bequeme-Mittel dar. Allerdings zeigt die neugebitdete Körperschaft Anwand lungen von Selbstständigkeit, die an manch« Stellen schwerlich erwartet worden sind und sich leicht auch in der Frage der Zwangsversicherung fühlbar mach« könnten. Die Aeußerungen der conscrvativcn und gouverne- mentale» Presse lassen mit Sicherheit erkenne», daß der neue Antrag Windthorst betreff» Aushebung deS SperrarsetzeS keine bester« Aussicht« bat als der frühere, daß weder die preußisch« Regierung, noch die conservativm Partei« geneigt sind, daraus einzugeben. Ueber das Schicksal aller dieser unter den heutig« Verhältnissen gestellt« Anträge aus Abschaffung oder Abänderung der Maigrsetze kann sich auch da» Cmtrum unmöglich Illusionen hingeben, und man fragt sich daher, waS die Partei mit dies« immer erneuten Anträgen (angeblich ist der jetzt «»gebrachte noch nicht der letzte) eigentlich bezweckt. Da diese fortwährende nutzlose Herausforderung kirckenpolitischcr Auseinandersetzungen der Förderung de» Friedens unmöglich dienlich sein kann, so wird wohl daS Gegentheil, die stärkere Anfachung der niatt werden den Bewegung im Hinblick auf die bevorstcyenden RrichStaaS- wahlcn, der Zlveck der EcnlrumSsührer sein. Die nächste und wichtigste praktische Folge dieser ganzen, im llebrigcn nutzlosen Anregungen scheint uns die starke Entfremdung ,wisch« Eentrum und Eonservativen zu sein, deren Wirkung sich wohl im weiteren Gang der gesetzgeberischen Arbeiten sehr bemerkbar mach« wird. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" kcbrt sich ziemlich lebhaft gegm dm neuen Antrag Windthorst. Offenbar handelt eS sich, schreibt da» osstciöse Blatt, nur um rin neues Agitation-mittel, denn Herr Windthorst sell r wird nach den Erklärungen der Regierung und der verschieden« Par teien über di« Gesetzgebung der letzt« Jahre sich schwerlich eine Illusion über die Möglichkeit der Annahme de- jetzigen Antrages mach« Man kann um so weniger glauben, daß e« bei Stellnng de- jetzigen Anträge« sich, wie bei dem vorig«, darum Handke, einem Nothstande in der katbolischen Kirche abzuhclsen, und e» ist daher doppelt bedauerlich, daß dem An träge Motiv« nicht beigegebm sind. Osficiö- wird bemerkt, daß rin Beschluß über die Frage der Nachsefsion de» preußischen Landtag» noch nicht gefaßt ist. da sich der Erfolg der Berathungen über die Kre,S- ordnungen noch nicht übersehen laste. Daß die KreiSordnungen in der Hauptscssion nicht mehr erledigt werden können, ist wohl sicher, wenn man bedenkt, daß in ungefähr vierzehn Tagen der Reichstag zusammentret« und den Landtag an Bemkigunz seiner Arbeiten mahnen wirk. Allein eS durste doch ein zwinaender Grund, warum diese Entwürfe nicht aus di« nächste ordentlich« Herbstsession vertagt werden könnt«, nickt auszufinden sein; auf ein paar Monate früher oder später kann e< doch unmöglich ankommm, und ebenso wenig kann etwa in dem VerwcndungSgetetz ein zwingender Grund zu einer Rachsession gesund« werden. Unter all« Partei« ist die Neigung zu einer Nachsession nach einem stark« halb« Jahr Parts ««torischer Arbeit« begreiflicherweise sehr gering; als erschwerender Umstand kommen in diesem Jahr die ReichSlagswablen dinzu, die voraussichtlich um jene Zeit stattsiiid« und die Kräfte der parlamentarischen Kreise in Anspruch „ebinen werken. Wenn man jetzt schon klagt, daß die Bcrdandluiigcn de» Landtag- allzu häufig von der Rück sicht aus die ReichSlagswablen beeinflußt sind, daß »>it der Berechnung aus die Wirkung bei den Wablern die Reden gedalten unk die Beschlüste gefaßt werde», so darf man sich ein ersprießliches sachliche» Arbeiten noch weniger in, Sommer in der nnniittclbarcii Aussicht aus die Wablen versprechen Man schreibt nnS an» Halle: „Der Scccsfionittcn tag bat hier einen geringe» Erfolg gestabt. Die Tsteilnastme war nicht so groß, als die Srccfsiönist« angcben, und die Elemente, deren Einfluß aus den Gang der politisch« An gelegensteit« in Halle l-etannt ist. bi» ans diejenige», welche von Halle au» den Secessirnistentag mit veranlaßt staben, waren znrückkalt«d. In der vertraulichen Sitzung soll große Uneinigkeit stervorgelreten sein, sowostl über Programm wie über den Bund mit dem Fortschritte. Man glaubt nicht, daß die Scecssion in der Provinz Eroberung« machen werke." An» Posen schreibt ma» un» vom 2. Februar: Für den Eulturka», ps bedeutsam ist ein Vorgang, welcher sich, wie uns beut auS Deutsch-Krone berichtet wird, dort vollzogen bat. Nach dem Tode de» Religionsleb,erS LaStowsl, nämlich hat der Probst Wurst dort de» Religionsunterricht am Gvnttias»»» zu Deutsch Krone angenommen und rrtbcilte ihn seit Nenjabr in einer Stunde wöchentlich. Die mix-äe, «no- niea muß >1 n> also crtbeilt wordo» sein, und da dieselbe nur der srübcro Erzbischof Gras Lcdochowski ortbcilon kann, so ist darin seiten» diese» streitbaren Enlturkänipf'crs ein Nach geben zu erblicke». — Ob da» Eentnrm über riese Tbatsacbc Freude emvsinkcn wird, ist fraglich, denn die jüngste Debatte in» preußisch« Abgeordnete,,bausc hat ja gezeigt, daß da» Eentrum der Ansicht huldigt, Rom und soiu Änbang tonne an ein Nachgcben der preiiffisch« Regierung gegenüber nicht denken. DaS braunschweigische Eontingmt nimmt noch eine Sonderstellung i» der deutschen Armee rin, weil der Her zog ans eine selbstständige Trnppenniacht nicht verzichten und seine beiden Regimenter (rin Infanterie- und ein Husaren- Rcgiment) der preußisch« Armee nicht einverleiben last« will. DaS Infanterie Regiment ist schon vor Jastren nach Motz verlegt, während in Brannschwcig preußisciw Truppen garnisonircn. Ni», meldet da» „Mil. Wochendl.". daß acht preußische Scconde LieulenanlS zur Dienstleistung bei dem braunschweigischen Infanterie Regiment commankirt worden sind. Ueber den Grund diese» rigcnthümlichcn EominandoS ist noch Nichts bekannt geworden. Dem Bundesstaate Waldeck siebt ein budgetlose» Regiment in Aussicht. Im Landtage verlas der preußische LandeS- director, der daS Ländchei, verwaltet, ein Rescnpt der preußi schen Regierung, in welchem diese ihr Bedauern auSsprichl, daß der Landtag zu der extremen Maßregel der Ablebniing de» gesammten Budgets gegriffen babc. Die Gründe derselben, die sic einer nochmaligen Prüfung unterzogen stabe, könne sie nickt gerechtfertigt finden; sie versucht sodann eine Wider legung dieser Gründe, ohne in irgend einer Hinsicht Neues anzusührcn, und fordert schließlich zur Annahme de» vorgelegt« EtatSqesetzeS aus. Daran ariknüpsend. weist der LandcSdirector aus die Folg« einer nochmalig« EtatSablrstnimg bin und aus die Lage der Regierung, die nach dem l. Juli genötbiat sein würde, ostne verfassungsmäßig zu Stande gekommenes Budget zu regieren. Gegenwärtig beratstschlagt der Landtag, wie die „Voss. Ztg." meldet, über die Lage und über die zu er greifenden Schritte noch in Ausschnßsitzung«. General Man teusscl stat bei cincin Fesimastle des LandrsaiiSschiisseS de» RcichSlandcS wieder eine seiner langathniigen Rede gehalten, über welche bereits gestern in telegraphischer Kürze berichtet worden ist. Wir geven heute den Schlnßpasius derselben im Wortlaute wieder, da dieser besondere Bedeutung zn beanspruchen scheint. Der Stattstaltcr äußerte sich dahin: „Ich kann versichern, daß ich den Herr« der Autonomistcnpartei, die mir näher l^kannl ge worden, dankbar verpflichtet bi», denn sie haben mich von Anfang an über die Bedürfnisse, Gesüblstimmung und Rechts ausfassung des Lande» aufgeklärt, und haben die» mit einer Offenheit und Selbstlosigkeit gethan, die ihnen meine volle Achtung rnvorh« bat. Ich denke, e» werden sich auch jetzt elsaß-lothringische Männer sind«, welche den Mnth haben, sür die wabren Interessen de» Landes offen und energisch cinzutrcten. E» liegt bei den Wablenja eine rein clsaß-lotlwin- giftste Frage vor, die nicht» mit den Gcsüblen sür die Vergangenheit, nichts mit der dankbaren Erinnerung an diese gemein hat, sic betrifft spccisisch elsaß-lothringischcö Interesse — die Gestaltung der nächsten Zukunft deS Lande». — SPrcckc >, dieWahlei, sür den Anschluß an Deutschland, so ist der Schritt zur Fortentwickelung unsere» VersasiungSlebm» gelba», sprechen sie dagegen, so lieg« die Folgen auch aus der Hand; so fasse ich die Sachlage eins „ach meiner Kcnnlniß der allgemein« Verhältnisse und bei meinem warmen Interesse sür Elsaß Lothringen, mil dem meine eigene Stellung ja gewissermaßen verbunden ist. und so bitte ich Sie. geehrte Herren, die Be wohner Ihrer Bezirke über die Bedeutung der nächst« RcicstS- tagSwahlen aufzuklären, und nun trinke ich an» warmem Herzen aus daS Dahl der Mitglieder de- LandeSanSschuffcS sic leb« hoch! und hoch! und nomalS hoch!" — Die Rede wurde von dem größten Tsteil der Versammlung mil leb hasten, Beifall ausgenommen, der sich auch »ach Aushebung der Tafel in der Unterhaltung kundqab. Man darf dabei den Wunsch auSspreckcn. daß sich die Hoffnungen Mantcusfel's crsüll« und niil den nächsten Wahlen zum Reichstage Zu stände cmbahncn möchten, welche die Gcwästr für einen end lich« und rückhaltlosen Anschluß de» RcichSlandcS an da» Mutterland darbietcn. Man schreibt unS an» Dien vom I. Februar: „Nicht genug, daß die B auern beweg ung in Oberösterreicst, in» Salzvurglsch« und in der Steiermark der cisleitbanische» Regierung genug zu schassen macht, so kommt auch »och au» Ungarn die Nachricht» daß eS sich in den dortigen bäuer lichen Kreis« bedeutsam zu regen beginne. E» wird nämlich heute aus mehreren Eomitalcn gemeldet, daß dort große politische Rührigkeit herrsche, weiche mit der Bildung von „Gemeindevcreinen" in Zusammenhang stehe. Man be hauptet zwar, diese Vereine sollen zumeist iandwirthsckajttiche Interest« vertreten, allein in mehreren Versammlungen und Vorbesprechungen ist bereit» die Parole auS- gegeben worden, die Vereine hält« auch für die „Erweiterung und Klärung der Begriffe de» Landvolk»" «mzmreten. Da diese Absicht allerlei Dcu-.
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