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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189106307
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910630
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910630
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-06
- Tag1891-06-30
- Monat1891-06
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1891
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Ersch ftük ei«t täglich ruh 6'/, Uhr Kr-action und Erprditiou Johannesgasse 8. Lprrchkundrn der Urdaclioa BormittagS 10—12 Uhr. Nachmittag« 5— 6 Uhr. 8»r »1« UKß»»« em,ki-»dicr M-»uicn»ie »,ch« sich »x Nied««»« »ich« »ersiidtich. Annatz«« »er für »te „ächftsolgende Kummer bes.,m»ten I« je rate a» Wochentagen »iS 3 Udr Nachmtttan», an Sann- un» Festtagen früh bis ,S U»r. 3u den /ilialr» für 3i,s.-Än»al>mr-. ktta »le««'s S-rttm. tAlfre» Hahn), llulversitatssiraße 1, LaniS Lösche, Latharineustr. 14, Part, und König-Platz 7, nur bis '/,S Uhr. Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. ! NbmrnemetckspreiS viertcljäkrlinl, 4'/, Mk. in Alt-Leipzig, inci. Brin.Mlohn ü VU., durch die Post bezogen 6 Hkk Elnzetne'Nrn. 20 Ps. Äelegerenchlor Ich Ps. ' Gebühren für Extrabeilagen sin Tageblatt-Format gesnlzt) ohne PöstbesSrdernng 60 Mk^ «tt Posttzesördernug 70 Wk. —<— Inserate 6 gespaltene Petilzeile 20 Pf. Größere Schriften la-tt uns? Preisvrrzeichniß. Tabellarischer n.Zifferusatz nach hüherm Tarif - i-—- Leclameu unter dem Redqct-iousstrich die Sgeipalt. Zeile 50P>.,«ord«u FamUiennachrlchtea die C gespalten« Zelle 40 Pf. Inserate sind stets an die «chpedttia» »a senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung proeuuuwnuulo oder durch Post» Nachnahme. 181. Dienstag den 30. Juni 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Dannersta», »«« S. Ault diese» Jahres wird mit der Asphattirung de« GewandgätzcheoS und der Wagajiugasfe begonnen. Infolge dessen werden von genanntem Tage ab diese Gassen auf die Dauer der Arbeiten für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, a» 28. Juni 1891. Der Rath der Stadt Leipjig. H 7786. vr. B e orgi. Leistner. Gesucht wird der am 3. Januar 1855 zu Neuroda in Schlesien geborene Schlosser Maximilian Richter. welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 25. Juni 1891. Ter Rath der Stadt Leipzig. (A r m e n - A «t.) 4.L.VI. S8«e. Hentschel.Frke. Erledigt hat sich unser« Bekanntmachung vom 2. Januar 1890, den Schuh macher Friedrich Paul Hessel betreffend, durch Ausgreisung des Genannten. Leipzig, den 27. Juni 189!. Da» Palizeiamt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: ll. 3298. vr. Schmid. G. Diebstahts-Seklttlntmachuug. ! Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldene Tameii-Rcuioiitoir-Ilhr, Mitte Mai d. I.; 2) eine silberne Lhlinder-Rcmontair-Uhr, Anfang Mai d. I.; 3) eine neue silberne, nicht abgezogene Rcu>o»totr-Uhr mit Gold rand, Secunde, goldenen Zeigern, blumenartig gravirter Rückseite und Fabriknummer 13028, Mitte Mai d. I.; 4) eine silberne Rcnioutair-Ankcr-Uhr mit Goldrand und Se kunde, Mitte Mai d. I.; 5) ein Regenschirm mit schwarzseidenem Bezug, schwarzem Holz- stab mit Krücke und einem Melallring mit der Gravirung „VV. Ü. Voi^l". am 17. d. M.; 6) div. Rester Heller und dunkler Latin«, theilS geblümt, theils gestreisr, theils carrirt, am 23. d. M.; 7) eia Deckbett und Kopfkissen mit rothem Jnlet, 8 Bett tücher. 8 Bettüberzug« (ein wttvrr mu> 7 buntcl. 1 Sdawl Gardinen» IL Stück Handtücher, S ^kasHeitlachSr, Milt „L. LI." gez., ein Sannenschirm mit schwarzem Bezug, schwarzem Stab und gebogenem Griff, ein schwarzer Spitzenkragen und eine graue Taille mit schwarzem Besah, während der letzten 2 Monate; 8> eine Holzkistc mit Kautabak im Gewichte von 12'/« Kilo, mit dem Signum „k. 2093", vom 15. bis 16. d. M.; 9) 4 Pokcl-Keulcn im Gesammtwcrthe von 50 >l, vom 12. bis 20. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Verbleib der gestohlenen Gegenstände oder über den Thüter sind ungesäumt bei unserer Criminal-AbtheUuug zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 29. Juni 1891. Das Palizei-Amt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: vr. Schmid. Die Vorgänge in der italienischen Lämmer. Die Scenen, welche sich am 27. und 28. Juni in der italienischen Kammer abgespielt haben, sind die Folgen des in Italien bestehenden parlamentarischen Regierungssystems. Italien gehört mit England und Belgien zu denjenigen Monarchien, in welchen das constitutionelle Princip vollständig durchgeführt ist. Die Mehrheit entscheidet über Sein oder Nichtsein der Ministerien, und daraus ergicbt sich eine Macht der Parteien, welche dem Staate unter Umständen höchst ver derblich werden kann. Nirgends tritt der schädliche Einfluß der Opposition aber schlimmer hervor, als in solchen Staaten, in welchen der Durst nach politischer Freiheit nicht durch politische Reife gemildert wird und das ist in Italien der Fall. Jo Italien herrschte bis vor Kurzem schrankenlose Vereins- und Versammlungsfreiheit, in welche erst unter CriSpi tbcilweise Bresche gelegt worden ist. Zunächst wurde der Agitation der sogenannten Friedensfreunde durch Schlie ßung ihrer Vereine ein Dämpfer aufgesetzt, dann kamen die trredentistischen Obcrdank- und Barsanti-Bereine an die Reihe und jetzt hat das Ministerium Rudini die Abhaltung von Versammlungen untersagt, welche den Zweck batten, eine Be wcgung gegen den Dreibund in Gang zu bringen. EriSpi konnte sein lebhaftes Temperament nicht in dem Maße beherrschen, um den revolutionairen Bestrebungen der Franzosenfreunde und Jrredentisten mit der nöthigeu Ruhe entgegen zu treten, er siel als ein Opfer seines UnmuthcS gegen Strömungen, welche sich au- der italienischen Ver gangenheit organisch entwickelt haben und welcke nur durch Festigkeit, gepaart mit Ruhe, allmälig zurückgedrängt werden konnten. Ihm folgte Rudini, welchem man die Fähigkeit nicht zutraute, Schwierigkeiten zu überwinden, an denen Eri«pi gescheitert war. Die Erfahrung hat für Rudini ent schieden, er hat die Gabe, mitten unter der größten Aus regung seiner Gegner volle Ruhe zu bewahren und dagegen nach wohlüberlegtem Plane vorzugchcn. Die Bemühungen der Schreier Eavallotti und Jmdriani bleiben demgegenüber wirkungslos, sie sind wobl geesiznet, Lärm herbcizusühren, Kamnicr und Land zeitweise in Aufregung zu versetzen, aber irgend einen wirklichen dauernden Erfolg können diese Leute nicht erreichen, weil er ihnen nur in dem Falle winkt, wenn die an der Spitze stehenden Personen die Besinnung verlieren Eine KampseSweise, die CriSpi gegenüber angebracht erschien, macht auf Rudini keinen Eindruck. Er weiß, waS er will, er bat sein Programm bei Urbernahmc deS Vorsitze- im Mini sierium entwickelt und daran hält er fest, mögen die Gcgnei sich innerbalb der parlamentarischen Grenzen Hallen oder Ausschreitungen begeben, wie sie sich in den letzten Tagen in Rom abgespielt haben. Als Sieger muß aus diesem Kampfe nothwendig derjenige bervorgebcn, welcher den Schreiern beweist, daß sie aus diesem Wege nicht- erreichen. Die Interpellation Eavallotti batte den Zweck, der Regierung Schwierigkeiten zu bebciicn. Caval- lotti ist nicht der Schlimmste von den Gegnern rer Regierung, er ließ sich durch die Rücksprache mit Rudini bewegen, seine Interpellation über da- Berbältniß Italiens zu England und über dir Erneuerung d«S Dreibund«« zurückzuzirhe». Da trat aber ein Interpellant auf der Seite der Anbänzer der Negierung auf, welcher dem Ministerium Gelegenheit gab, ohne besondere Berücksichtigung des Verhältnisses zu England dem Grundgedanken der auswärtigen Politik Italiens Aus druck zu geben, und dagegen erhoben die Mitglieder der Opposition Widerspruch, weil sic der Interpellation ihres Genossen Colajanni über die innere Politik den Vor rang sichern wollten. Die vorliegenden telegraphischen Nachrichten sind nicht klar, sie lassen die Auslegung zu, daß mit der Interpellation Colajanni'S zugleich die aus wärtige Politik verbunden werden sollte, WaS ja nicht auS- zcschlossen ist, da der Hauptvorwurf sich gegen die Vcr- ügung deS Ministers deS Innern richtete, welcher die Versammlungen gegen den Dreibund verboten hatte. Dem mag nun sein, wie ihm wolle, Rudini hat erreicht, daß Brin vor Colajanni daS Wort erhielt, und daß Rudini die Möglichkeit fand, sick vor der Brandrede Colajanni'S über die auswärtige Politik in der ihm wünschenSwerlhen Weise zu äußern. Sein Wort, daß Italien am Dreibund sesthalte und daß der Friede auf lange Zeit gesichert sei, ist das Einzige, WaS sich aus dem CbaoS deS wüsten Treibens vom Sonnabend und Sonntag heraushebt und WaS überall den besten Eindruck machen wird. Rudini hat den Schreiern von der äußersten Linken ge zeigt, daß der europäische Friede weder von ihnen abhängt, noch durch ihre thörichten Reden auch nur scheinbar gestört werden darf. Die Opposition im italienischen Abgeordnetcn- bause ist so klein, so unbedeutend, der Zahl wie dem geistigen Wcrthe nach, daß die llederschwemmunz der Presse mit den Reden der Jmdriani und Colajanni am besten verhindert wurde. Nur durch die Veröffentlichung erhalten olche Acußeruiigen meist ganz privater Natur einen Grad von Verbreitung, der ihnen weder an sich »och als Ausdruck der öffentlichen Meinung zukommt. Eine öffentliche Meinung im eigentlichen Sinne deS Wortes giebt cS ja überhaupt nur in sebr beschränktem Maße, aber in Italien ist daS Wort ohne jede lhatsächliche Grundlage. In Italien sind die allein maßgebenden Vertreter der leitenden Gedanken der König und seine Regierung. DaS Parlament besteht in der Mehr zahl aus Schwätzern, die nicht wissen, WaS sie wollen, oder aus Ehrgeizigen, die das eigene Interesse dem Staatsinteresse voranstellcn. Aus diesem Grunde wechselt die Mebrbcit von Abstimmung zu Abstimmung. Wenn jemals ein italienischer Ministerpräsident über eine große Mehrheit verfügte, so war es CriSpi, er wußte durch die Lbrast seiner Rede und durch «in Temperament auch die Widerstrebenden an seinen riuni^bwagen zu spannen. Aber diese Eigenschaften fanden ^kUcgeitjsew'ckit 'sin dem "Unverstand der Mehrheit, die ihm folgte und die ebenso schnell auf die Gegenseite hinübertrat, wenn ihr die ihr vorgetragenen Gründe nicht einleuchteten, '»bald sie sich nicht unter die hergebrachten Schlagworte ein reihen ließen. In Italien bahnt sich allmälig ein Wandlungsproceß der berrscheudcn Verhältnisse an. T>ie bisherige Parlaments- Herrschaft hat sich als ungeeignet erwiesen, dauernde Zustande aufzurichten. Ob die Finanzen gut sind oder nicht, ob die auswärtige Politik die Wohlfahrt des Ganzen wahrnimml oder ihr widerstrebt, ob die verwahrlosten Zustände in der Nomagna und in Sicilien durch strenge Verwaltung-Maß regeln einer bessern Zukunft entgegcngrführt werden oder ob man die Dinge dort gehen läßt, wie sie gehen — daS Alles kümmert dir Opposition im Parlament nicht. Diesen Leuten ist cS darum zu tduu, von sich reden zu machen, persönlich Macht und Einfluß zu erringen, ob der Staat dabei gedeiht oder zu Grunde gehl, ist ihnen völlig gleichgiltig, oder wenn daS nicht der Fall ist, so fehlt cS ihnen an der nöthigen Einsicht, um die Folgen ihrer Handlungsweise zu ermessen. DaS ist die Lage in Italien, wie sie sich ans den jüngsten Vorgängen im Parlamente ergicbt. Schlechter kann sie nicht werden als sic ist, aber eS sind bereits die Anfänge einer Besserung erkennbar, und diese lasten hoffen, daß cS dem Ministerium Rudini gelingen wird, mehr und mehr an Boden zu gewinnen. * * ^ * Wir lassen im Anschluß hieran folgenden Bericht folgen, welcher der „Bosnschen Zeitung" über die betreffende Sitzung der italienischen Deputirtcnkammer zugcht: Rom, 27. Juni. Die heuttg« Kammersitzung verlief äußerst stürmisch. Aus der Tagesordnung stand eine Interpellation des Radikalen Eavallotti über die Treibundpolitik. Ta dieselbe unzweifel haft ein glänzendes Vertrauensvotum herbeigeführt hätte und die meisten Deputirten darauf Rom verlassen haben würden, zog Eavallotti die Interpellation zurück, damit die gleich dahinter eingeschriebene Interpellation Colajanni'S über die iunere Politik beralhen werde. Um aber die Billigung der Politik Nicotera's zu verhindern, welchen die Rechte, das Eentrum und die CriSpianer wegen feines Liebäugeln- mit den Radikalen stürzen wollen, brachte plötzlich Brin eine neue Interpellation über die auswärtige Politik ein, welche Rudini sofort anzunehmcn erklärte. Die- versetzte die äußerst« Linke in die größte Erbitterung, sie ver hinderte durch wüthendcn Lärm Brin am Sprechen. Eavallotti. Jmdriani und andere Radical« schleuderten unausgesetzt Schimpf Worte gegen die Mehrheit, nannten Brin ein schnöden Spießgeselle» der ein abgekartetes Spiel treibe, die Minister Lomödianten, Jn> trigonten, Eunuchen, und überhäufte» den »aminervorsitzeuden mit höhnischen, drohenden, beleidigenden Zurufen, weil er dem Eabinet die Stange halte. CriSpi, welcher von Neapel eigen- hcrgereist war, uni der Debatte über de» Dreibund beizuwohncn, be obachtete mit sichtlichem Behage» de» Tumult, welcher zeit weise vhrzerreißend war und in Fauslkämpse auszuarten drohte Unfähig desselben Herr zu werden, entschloß sich Biancheri nach einer guten Viertelstunde, die Sitzung zu unterbrechen, was laut beklatscht wurde. Der Vorgang bezeugt, daß Nicotera, von seinen College» und der Mehrheit bekämpft, nur noch durch die Radikalen gehalten wird, die in jedem Nachfolger einen gefährlicheren Gegner fürchten und deshalb sogar die Treibundpolitik lowie die Verbote der Protestversammlung in den Kauf nehmen. Nach der Wiedereröffnung der Sitzung erklärte Rudini, di« Regierung bestehe durchaus auf einer getrennten Debatte über die äußere und innere Politik. Rico- tero sprach seinen dringende» Wunsch au«, daß die Kammer nicht ohne gründliche Erörterung der inneren Politik sich vertage. Die Radicalen bestanden stürmisch au? der Beibehaltung der ursprüng liche» Tagesordnung und verhinderten Brin durch Geheul zu sprechen, so daß der Lorsitzeud« in Heller Verzweiflung di« Sitzung aushtbea mußte. schert sein, daß Italien an seinen Bündnissen sesthalte» und daß die Ausrechterdaltuug deS Friedens für lange Zeit gesichert sei» werde. Sämintliche Deputiere», mit Ausnahme der Mitglieder der äußerst'» Linken, begrüßte», sich von den Sitzen erhebend, die Erklärung des Miuistcrpräsldeniea mit tangauhaltendem, tcdhastem Beifall. * Rom, 28. Juni. Die heutige Sitzung der Teputtrienkammer nahm folgenden Verlaus: Bei Beginn der Sitzung erklärte Cavallot ti, die Verhandlung der Jnlerpellatton Briirs sei eine Ver- Ictzung der parlamentarischen Freiheit, er verlang« die Zurückziehung der Interpellation Brin's und die Entwickelung der Jnterpellalion Cola;unni's. Ter Präsident erwiderte, er habe weder den Geist noch den Buchstaben der Geschäftsordnung verletzt. Jmdriani bestritt die Gütigkeit der heutigen Sitzung, da die estrige Sitzung inmitten großen Tumultes ohne Festsetzung einer Tagesordnung aufgelöst sei. Ter Präsident entgegnet«, ec habe die gestrige Sitzung aufgehoben und die heutige Sitzung behufs Ent- Wickelung von Interpellationen regelmäßig einberusen. Brin bezog ich mit kurzen Worten auf seine gestrigen Erklärungen. Die Bezeich- nuiig der Interpellation als eine solche über die auswärtige Polin! der Regierung befreie ihn wohl von einer weiteren Entwickelung derselben; er erwarte die Erklärungen der Regierung. Der Ministerpräsident di Rudini antwortete hierauf in der bereits gemeldeten Weise. Colajanni erklärte, daß er angcsichls der Verletzung des parla mentarischen Rechtes seine Interpellation über die innere Politik ;urückziehe. (Lebhafte Bewegung.) Sodann entwickelte De Martin» eine Interpellation betreffs der neuen Wahlkreise in der Provinz Neapel und leitete dieselbe mit de» Worten ein: „Angesichts der Haltung der Deputirten der äußersten Linken". Hierüber entstand heiliger Lärm bet der äußersten Linken. Lavalvtti stürzte aus den Redner zu, und richtete persönliche Aussülle gegen denselben, wurde jedoch von anderen Deputirten zurückgehalten. Bei der vollständigen Verwirrung und dem fortdauernden Lärm bedeckte der Präsident sein Haupt und hob die Sitzung auf. Nach der Wiederaufnahme der Sitzung richteten Cavallolto (der älteste Teputirte), Bovio von der äußersten Linken und der Präsident unter dem Beifall des ganzen Hauses druigeud« Aufforderungen an die Tepu- tirlen zur Einigkeit. Die Kammer vertagte sich hieraus auf un bestimmte Zeit zum AuIriU der Sommerserien. * Rom, 28. Juni. Deputirtenkammer. I» Beantwortung der Interpellation de« Deputirten Brin, betreffend di« auswärtige Politik, erklärte der Ministerpräsident di Rudini, er könne dem Deputirten Brin und der Kammer, sowie dem Lande versichern, daß die Regierung bei der Friedenspolitik, welch» Italien seit längerer Zeit beobachle, beharren werde. Zur Erreichung diese« Ziele« werde Italien das Bündniß mit den Lrntralmächten treu und fest bewahren. Er wiederhole nochmal-, Italien und Enropa könnte» gewiß und der» Leipzig, 30. Juni. * lieber die von dem königl. preußischen StaatSministeriuw genebimgte Antisclaverei-Lotterie sind in der Tages- prefse einzelne Unrichtigkeiten verbreitet, zu deren Nichtig- 'tcllung die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bemerkt: Der Erlöv dieser Lotterie soll unter Ausschluß jeder Bctbeiligviig an einer Erwerbs - Gesellschaft allein zur Ford, mg der idealen Ziele unserer Colonialpolttik L lonäs perclu verwendet werden, und zwar nur zu olchen Zwecken, welche den Selavenraab und den Sclavenhantcl lahm zu lege» geeignet erscheinen, wie die Beschaffung'von Dampfern, die Errichtung von Schutz- und und Missions-Stationen, die Unterbringung befreiter Sklaven und dergleichen mehr. Zu diesen Zwecken hat sich ein ComitS gebildet, welches unter Anderem aus dem Fürsten zu Wied, dem Bergrath Busse in Cvblenz, dem Geh. Cvnimcrzicnrath Langen i» Köln, dem Landrath Grafen v. Brühl in Coblenz, dem Commerzicnralh Spater daselbst, dem Ober - Staatsanwalt Hamm in Köln und dem Reichstags - Abgeordneten Grasen zu Hoensbroech besteht. Diesen Herren haben sich bereits eine große Anzahl bekannter Personen aus dem gesammtcn Vaterland«: angeschlosien. Es wird genügen, auf folgende Namen hinzuweisen: Fürst Hohenlohe - Langenburg, Abgeord neter Prinz Arcnberg, Abgeordneter vr. Graf, Abgeordneter Olzcm, Odcr-LandeSgerichts-Präsident Struckmann, Mallinck rodt - Köln, Gchcimralh Duttenhoser - Nottweil, Freiherr von Tucber - Nürnberg, Justizrath Sieger, Vorsitzender des Afrika-Vereins, n. A. »i. DaS ComitS halte sich an die ein zelnen Bundesregierungen gewendet und von ihnen bereits die Genehmigung zur Veranstaltung der Lotterie und zum Vertrieb der Loose erhallen. Die preußische StaatSregicrung ist die letzte deutsche Negierung gewesen, welche die Ge nehmigung erthcilt hat. — Nicht überall ist man mit der Lotterie einverstanden. So schreibt die .Allgemeine Zeitung": Die Colonialpolitik des Reiche- — soll sie gedeihlich sich ent wickeln — muh vom vollen Vertrauen der Nation und ihrer Ver treter getragen werde». Da« kann aber nur geschehen, wenn die Regierung ihr und dem Reichstage gleichfalls mit vollem Vertrauen entgegentritt und offen erklärt: da« brauche» wir, das müssen wir haben; für die Verantwortlichkeit der Ablehnung würde sich schwerlich eine Mehrheit finden. Die Lotterie erscheint nur als ein Mittel, die Anrufung des Reichstages zu umgehen, ein Schritt, der uns mit der Würde des Deutschen Reiches, dem Ernst und der Größe der in Afrika übernommenen Aufgaben nicht im Einklang zu stehen scheint. Welchen Eindruck soll es im Auslande machen, wenn 50 Millionen Deutsche die Mittel für die Erfüllung staatlicher Zwecke und Pflichten — auf dem Wege einer Lotterie ausbringen! Tie deutsche Flagge weht in Afrika in der Erfüllung eine« große» Gedankens, wir wünschen im Interesse der lebenden wie der kommen den Geschlechter, das Hoheitszeichen des Deutschen Reiches dort in seiner Würde und Reinheit erhalten zu sehen. * Wie ein Londoner Telegramm dem .Hamb. Corr meldet, würde Se. Majestät der Kaiser während seine« Aus enthaltS in England den Premierminister Lord Salisbury auf dessen Landsitz Hatfield besuchen und dort eine Nacht zubringcn. * Der BundeSrath wird, wie verlautet, erst um die Mitte deS nächsten Monat« die Sommerpause in seinen Bcrathungen eintrete» lasten. Unter Len Gegenständen, welche ihn zur Zeit u. A. noch beschäftigen, befindet sich, dem Vernehmen nach, auch ein Gesetzentwurf betreffend die Be schränkung der Baufreiheit. Mit der Vertagung des BundrS- raths nehmen auch die Erholungsurlaube der Minister ihren Anfang. * In Breölau entschied daS dortige Oberlandes gerichl als höchste Instanz unter Verwerfung deS gegen theiligen früheren UrthcilS, daß da- Jmpfgesetz Zwang« gesetz sei. * Bon Graf Hohen thal, dem Mitglied« de- preußischen Herrenhauses, dessen Auftreten gegen den jetzigen CurS noch in allgemeiner Erinnerung stehen dürste, erbalten die .DreSLn. Nachr." folgende Zuschrift: .Indem ich Ihnen nicht genug danken kann für die wohlwollende und verständnißvollc Art, mit welcher sic meine letz parlamentarische Thätigkcit be gleitet haben, befinde ich mia. n der Lage, mitthrilen zu können daß nach dem zwischen der. Herrn Grafen Schulenburg- Beetzendorf und mir stattgehaotcn Rencontre derselbe mir noch vor Schluß de- Landtag- au« freien Stücken eine völlig befriedigende Erklärung abgegeben hat." * Bei Eröffnung de- De legirtentageS deS bayerische DetrranenvuudeS sagte der Bunde-präfident, General Gropper, da- PräüLl-ur, werde mit »»uLchsichArcher Streune gegen Vereine Vorgehen, die socialdemokratische Mitglieder dcrgen. Leider gebe es viele unfähige Vorstände, die dupirt würden und es nicht merkten. * Auö Württemberg wird der „Köln. Zeitung" ge- chriebcn: Trotz der Jedermann sich ausdrängcnden Erkcnntniß, daß jede Wühlerei gegen die Getreidezölle aussichts los ist und lediglich nur Schaden stiften kann, betreibt die lolkspartei — kui semper similis — landauf, landab diese Wühlerei mit ungeschwächtem Eifer. Wo sie einigermaßen Boden bat, da trommelt sie ihre bis in de» Tod ge treuen Sancho PansaS zusammen, eine Anzahl von Neu gierigen läuft immer zu, und diese Comitieu des württem- dcrgischcn Bolkcs beschließen dann eine Europa erschütternde Resolution gegen die „Brodverlheurer", von welchen 36 ein Neuntel alles anbaufähigen Bodens in Deutschland bc- itzen sollen. ('?) Die ganze Wüblcrei imponirt Niemandem, veranlaßt aber die Bauern doch, sich allmälig auch zu rühren, und giebt so von Dem Zeugniß, waS die Wühler verhüten wollten: daß i» unser,» Laude die Herabsetzung der Zölle nichts weniger als allgemein populär ist, was sowohl von dcu.landwirthsckastlichen, als von den Jndustriezöllen gilt. Eine schwere Niederlage hat sich die Bolkspartei in der zweiten Handelsstadt Württembergs, in Hcilbronn, geholt, wo zwar die sehr knappe demokratische Mehrheit des Ge- meiudcrathS mit einer Stimme mehr eine Bittschrift gegen die Kornzölle an den Reichstag zu richten beschloß, aber die ui» ihr Gutachten befragte Handelskammer, die eigentlich be rufene Wortsührcrin der Statt in diesen Dingen, sich ab lehnend aussprach, weil ein Nothstand keineswegs vorliegc. Der Landwirlhschaslliche Bcrcin HcilbronuS sprach sich in noch entschiedenerer Weise für die Zölle aus. * Bon wahrhaft staatSmäniiischem Geiste war die Rede durchweht, welche Abgeordneter Vr. von Plener im österrei chischen Abgeordnetenhaus bei der Akreßdebattc hielt. AuS den Worten deS Führers der Deutschen Oesterreichs merkte man, daß eine neue Zeit im Anzuge sei. Wohl proclamirte Plener auch für die Linke die Politik der freien Hand. Aber die Erklärungen, die er dazu gab, bereiten auf die neue par lamentarische ConsteUation vor, die in einem Zusammengehen der Deutschen mit den Polen gipfelt. Plener sprach wie ein Mann, der darauf vorbereitet ist, in nicht ferner Zeit ent weder selber die Zügel der Regierung zu ergreifen ober mindestens einen beslim mciidcn Einfluß aus den Gang brr StaalS- geschäfle zu üben. Ruhig und gemessen flössen seine Worte dahin, denen nian anmerkte, daß sie wohl erwogen sind. Er zab eine bistorische Darstellung de« Verhaltens der deutschen einkcil und setzte auseinauder, warum sie den Pfad der Opposition verlassen und der Regierung nunmebr ihre llnter- tützung leihe. Er sprach ohne Groll und Bitterkeit von der Vergangenheit, er gebrauchte kein hartes Wort gegen die langjährigen erbitterten Gegner der Deutschen, Czcchcn und Klerikalen, denen er vielmehr versöhnend entgegenkam. * «- * * Der Kaiser von Oesterreich hat in Fiume die englische Flotte besucht. Das giebt der.TimcS" zu einem iür Oesterreich überaus freundlichen Leitartikel Anlaß: Eng-- land würde es als ei» großes Unglück empfinden, wenn jcnialS englische Schlachtschiffe den österreichischen feindlich egenübcr ständen. Die Freundschaft zwischen den beiden ändern ist schon recht alten Datums. Sie ist fest und stark, obgleich eiu geschriebener Vertrag nicht vortiegt. Ein stärkeres Band als diese künstliche Vereinigung ist auS der Achnlich- keit deS Charakters und der Interessengemeinschaft beider Staaten erwachsen. Oesterreich wurde einst die große csnser- vative Macht genannt, aber sein ConscrvatiümuS ist heute ebenso modern, wie der der jetzigen englischen Regie rung. Als Oesterreich sich aus Italien zurückzog und Venedig abtrat, hatte cS die allgemeine Sympathie Europas für sich. Seitdem hat eö Dank der Weisheit seines Kaisers mehrere der schwierigsten politischen Aufgaben gelöst. Die „Times" bemerkt weiter, England habe von Seiten Oesterreichs keinen böswilligen Widerstreit im MiUelmecr zu befürchte». Oesterreich sei eS nicht, welches die Stellung Englands im Mittclmeer so schwierig mache und das von England in Egypten auSgeführte Werk mit scheelen Augen ansche. Oesterreich habe gleich England ein Lebensintcresse an der guten und ruhigen Regierung der Länder an der Ost küste des MiltclmeereS. Es habe für Bosnien und Herzegowina dasselbe gelhan, wie England für Egypten. Daher der Ein klang der englischen StaatSweiShcit mit der österreichischen, daher die Freude der ganzen englischen Nation über den herzlichen Willkomm des Kaisers bei seinem Besuch aus der englische» Flotte. * DaS holländische „Allgcmcen Handelöblad" veröffent lichte dieser Tage einen Artikel, welcher sich mit der poli tischen Bedeutung des KaiscrbcsuchcS beschäftigte. Das Amsterdamer Blatt erblickt in dem Besuch ausschließlich einen HösiichkeitSaet und erklärt, keine niederländische Regierung würde jemals die Verantwortung auf sich nehmen, Holland durch irgend ein Bündniß mit einem Staate in ein kühles Verhältnis; zu einem anderen Staate zu bringen. Die Zeilen, wo Holland große Politik trieb, seien für immer vorüber, und heute wünsche cS nur, mit allen Staaten Europas in gleicher Freundschaft zn leben. Die Ausführungen deS Amsterdamer Blattes sind um so bedeutsamer, als daS „HandelSblad" daS Hauptorgan derjenigen Partei ist, welch« nach dem Ausfälle der soeben vollzogenen Wahlen für die nächsten Jahre zur Regierung in Holland berufen sein wirb. Die politischen Besprechungen, die sick, an den Kaiserbesuch knüpfen werden, dürften somit lediglich die Erneuerung des deutsch-holländischen Handelsvertrages betreffen. * Eine recht sonderbare Auffassung christlicher Duldung bekundet die russische Zeitung der „Sswjet" — die Welt —. In höchst drastiscbcr Weise läßt sich dieselbe in einem Leit artikel über die Deutschen und namentlich über die Luthe raner aus, der verdient, niedriger gcbängt zu werden. So schwingt sich der „Sswjet" zu »achstebender Leistung auf, indem er sagt: „Don allen europäischen Völkern zeichnen sich durch Mangel an religiöser Duldung am meisten aus — die Deutschen. Von dem deutschen Lutheraner läßt sich keine Schonung erwarten. Seine Intoleranz grenzt an Bosheit. Erstaunlich ist daS, daß das Lutbertbum an sich. daS doch a»S dem äußersten RalioualiSmu- bcrvorgcbt, das jegliche systematische Glaubenslehre verneint, sich daher, wie man an- nebmen sollte, durch Toleranz gegen allerlei Meinungen au»- zcichnen sollte, in Wirklichkeit, wie die Seelen alle, nur Achtung seiner selbst fordert und alle- Uebrige verfolgt." Trefflich benngeleuchtet wird der .Sswjet" voo der .Deutsche»
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